Drucksache - 1498/5  

 
 
Betreff: Kiezblocks für Charlottenburg-Wilmersdorf
Neu: Kiezblocks/Superblocks für den Bezirk
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Grüne/LINKE 
Verfasser:Kempf/Wapler/Kaas Elias/Juckel/Schenker/Dieke/Gronde-Brunner 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
19.03.2020 
-entfällt- 42. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin      
23.04.2020 
43. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Verkehr und Tiefbau Beratung
13.05.2020 
41. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tiefbau vertagt   
10.06.2020 
43. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tiefbau - Besucher möchten sich bitte per Mail im BV-Büro anmelden! vertagt   
12.08.2020 
44. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tiefbau - Besucher möchten sich bitte per Mail im BV-Büro anmelden! ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
27.08.2020 
48. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Beschlussempfehlung
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme

 

Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf hat in ihrer Sitzung am 27.08.2020 beschlossen:

 

"Das Bezirksamt wird beauftragt, gemeinsam mit Anwohner*innen und Initiativen mögliche Gebiete zu benennen, die als „Kiezblocks“ ausgewiesen werden sollen, um den Durchgangsverkehr zu unterbinden. Dabei soll auch die Einführung von Superblocks geprüft werden. Superblocks sind nur einzuführen, wenn gewährleistet ist, dass es zu keiner Gentrifizierung, zur Immobilienspekulation bzw. zur Herausbildung von „Gated Communities“ im Block kommt.

 

Die weitere Umsetzung soll in einem partizipativen Verfahren mit zum Beispiel Vorortveranstaltungen und Workshops erfolgen.

 

Der BVV ist bis zum 30.11.2020 zu berichten."

 

 

 

Das Bezirksamt teilt dazu Folgendes mit:

 

Zur Begrifflichkeit werden einige Klarstellungen vorangestellt. Das Bezirksamt verfolgt in ausgewählten Quartieren/“Kiezen“ das Ziel einer flächenhaften Verkehrsberuhigung, bei der insbesondere der Durchgangsverkehr aus den jeweiligen Gebieten herausgehalten werden und der verbleibende Anliegerverkehr mit dem Ziel eines menschen- und stadtgerechten Verkehrs im Sinne des Mobilitätsgesetzes beruhigt werden soll. Dabei werden auch bisher durch den motorisierten Individualverkehr dominierte Flächen zugunsten des Umweltverbunds und der Aufenthaltsqualität umfunktioniert. Dieses Vorgehen wird in der politischen Debatte regelmäßig als Einrichtung eines „Kiezblocks“ beschrieben.

 

Der Begriff „Superblock“ wird vor allem in Bezug auf die Verkehrsplanung in Barcelona verwendet, wo in den schachbrettartigen Quartieren der Stadt jeweils 9 Häuserblöcke einen „Superblock“ bilden, innerhalb dessen der Durchgangsverkehr durch Verkehrsmaßnahmen ausgeschlossen wird. Eine solche Struktur ermöglicht ein vergleichsweise einfaches, schematisches Vorgehen. Charlottenburg-Wilmersdorf hat überwiegend eine deutlich unregelmäßigere Struktur. Konzept und planerische Einbettung von „Superblocks“ haben sich in der Debatte stetig weiterentwickelt, sodass nach Ansicht des Bezirksamts keine klare Abgrenzung der Begriffe „Superblock“ und „Kiezblock“ besteht. Hinter beiden Begriffen steht zunächst die gleiche Intention. In der konkreten Ausgestaltung könnten mit dem Begriff „Superblock“ ein stärkeres Zurückdrängen des PKW-Verkehrs und beispielsweise mehr Fußgängerbereiche assoziiert werden. Der straßenverkehrsrechtliche Handlungsrahmen ist jedoch international schwer vergleichbar, weshalb sich das Bezirksamt auf das eingangs beschriebene Ziel fokussiert und den Begriff „Superblock“ nicht verwendet.

 

Eine etwaige Gefahr von „Gentrifizierung“, „Immobilienspekulation“ oder „Herausbildung von „Gated Communities““ besteht unabhängig von der Begriffswahl. Da die Verkehrsplanung schlechterdings ein Mittel gegen diese allgemeinen Gefahren sein kann, wird der Beschluss der BVV so verstanden, dass eine Verkehrsberuhigung die genannten unerwünschten Folgen nicht begünstigen soll. Als „Gated Communities“ werden abgeschlossene Wohnkomplexe bezeichnet. Da im Rahmen der Verkehrsberuhigung nur bestimmte Verkehrsmittel beschränkt werden und das öffentliche Straßenland sonst frei zugänglich bleibt, ist diese Gefahr ausgeschlossen. Der festzustellende Druck auf die Immobilienmärkte ist unabhängig von möglichen lokalen Verkehrsmaßnahmen so ausgeprägt, dass letztere keinen entscheidenden Einfluss auf Immobilienspekulationen haben dürften. Zur Eindämmung von Immobilienspekulation bedarf es anderer politischer Maßnahmen. Dennoch wird diskutiert, inwiefern eine mit den verkehrlichen Maßnahmen einhergehende Aufwertung von Quartieren mit einer Gentrifizierung einhergeht. Gentrifizierung bezeichnet einen sozioökonomischen Strukturwandel in attraktiven Lagen mit (anfangs) verhältnismäßig günstigen Mieten. Verkehrsmaßnahmen spielen dabei dann eine initiale Rolle, wenn Quartiere in ihrer Lage durch neue Verkehrsanbindungen attraktiver werden. Das ist bei „Kiezblöcken“ nicht der Fall. Außerdem existiert in Berlin bereits eine gewachsene Unterscheidung zwischen Straßen des übergeordneten Straßennetzes und den restlichen Straßen. Erstere werden auch von Initiativen in der Regel als Begrenzungen der „Kiezblöcke“ herangezogen. Neue Strukturen entstehen dabei also (im Unterschied zu Barcelona) hier nicht.

Gleichwohl passen Verkehrsberuhigung, eine höhere Aufenthaltsqualität, kulturelle Aktivitäten, Wandel im ansässigen Handel und Gewerbe zusammen und diese Entwicklungen interagieren miteinander.

Für eine konsequente Vermeidung von Gentrifizierung mit Mitteln der Verkehrspolitik müssten daher jegliche Schritte, die zu einer besseren Erschließung oder zur Reduktion von Emissionen (Schadstoffe und Lärm) führen, unterlassen werden. Eine solche Strategie kann nicht ernsthaft verfolgt werden. Vielmehr muss es darum gehen, die Mobilitätswende möglichst flächendeckend voranzubringen, um so auch einen Beitrag zu mehr Umweltgerechtigkeit zu leisten.

 

Im Rahmen des Doppelhaushalts 2022/2023 wurden Mittel für die Planung und Umsetzung von verkehrsberuhigten Quartieren reserviert. Ziel ist es, jeweils zwei Kieze in der Planung und zwei Kieze in der Umsetzung zu haben. Aufbauend auf dem Engagement von Vor-Ort-Initiativen wurde mit der Untersuchung im Karl-August-Platz-Kiez und im Klausenerplatz-Kiez begonnen. Die Planungen werden in diesem Jahr abgeschlossen.   Die Ergebnisse aus den Einwohner:innenversammlungen in beiden Kiezen wurden am 6.7.2022 im Ausschuss für Ordnungsangelegenheiten und Verkehr präsentiert. Obligatorischer Bestandteil der Quartierskonzeptentwicklung ist auch in Zukunft die Beteiligung der Einwohnerschaft (online bei mein.berlin.de und mit Veranstaltungen vor Ort).

 

Die weiteren Kieze, die für dieses Verfahren vorgesehen sind, können der folgenden Tabelle entnommen werden. Dabei werden zum Teil Gebiete mit Grenzen über das übergeordnete Straßennetz hinaus beschrieben. Hier muss in der näheren Untersuchung ermittelt werden, ob Änderungen möglich sind und die Zustimmung der Landesebene eingeholt werden kann.

 

Quartier

BVV-Beschluss

Ortsteil

Abgrenzung

Karl-August-Kiez

1342/5

Charlottenburg

Bismarckstraße - Leibnizstraße - Kantstraße - Kaiser-Friedrich-Straße

Klausenerplatz

 

Charlottenburg

Spandauer Damm - Schloßstraße - Kaiserdamm - Sophie-Charlotten-Straße

Meyerinckplatz

1890/5

Charlottenburg

Kantstraße - Leibnizstraße - Kurfürstendamm - Lewishamstraße

Leon-Jessel-Platz

1978/5

Wilmersdorf

Hohenzollerndamm - Bundesallee - Berliner Straße - Brandenburgische Straße

Rüdesheimer Straße

1980/5

Wilmersdorf

Südwestkorso - Laubacher Straße - Schlangenbader Straße (Schlangenbader Tunnel) - Mecklenburgische Straße - BAB A 100 Stadtring

Volkspark Wilmersdorf

1634/5 (teilw.)

Wilmersdorf

Berliner Straße - Kufsteiner Straße - Wexstraße - Bundesallee

 

Für mindestens zwei der weiteren Quartiere erfolgt eine Beauftragung der Untersuchung in diesem Jahr (2022), sollten zusätzliche Mittel akquiriert werden können, werden zusätzliche Untersuchungen in Auftrag gegeben. Die Liste wird unter Beteiligung der BVV kontinuierlich fortgeschrieben.

 

Das Bezirksamt bittet, den Beschluss damit als erledigt zu betrachten.

 

Kirstin Bauch Oliver Schruoffeneger

Bezirksbürgermeisterin Bezirksstadtrat

 

 
 

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