Drucksache - 0468/5  

 
 
Betreff: Betreuung von Obdachlosen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Röder/Schulte 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
16.11.2017 
14. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin schriftlich beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Schriftliche Beantwortung

 

Wir fragen das Bezirksamt: 

 

1.     Teilt das Bezirksamt die Kritik, dass der Standort der Bahnhofmission am Zoologischen Garten seine Kapazitätsgrenzen erreicht hat, und wie unterstützt es deswegen die Forderungen nach der Einrichtung mindestens eines weiteren Standorts in Berlin?

 

2.     Hält das Bezirksamt die psychologische Betreuung der Obdachlosen für ausreichend?

 

3.     Inwieweit wurde mit Ärztevereinigungen und dem Senat Kontakt aufgenommen, um hier die Situation nachhaltig zu verbessern?

 

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

 

die Große Anfrage wird wie folgt schriftlich beantwortet:

 

  1. Teilt das Bezirksamt die Kritik, dass der Standort der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten seine Kapazitätsgrenzen erreicht hat und wie unterstützt es deswegen die Forderung nach der Einrichtung mindestens eines weiteren Standortes in Berlin?

 

Dem Bezirksamt ist die Belastung der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten in Bezug auf die Problematik der obdachlosen Menschen hinreichend bekannt und wurde bereits mehrfach auch in diesem Gremium diskutiert. Das Bezirksamt setzt sich in den entspre­chenden Gremien

 

  • Rat der Bürgermeister
  • Stadträtesitzung
  • Amtsleiterrunde
  • AK der Sozialen Wohnhilfen
  • Überregionale Arbeitsgruppen auf Senatsebene zum Thema Wohnungslose

 

für eine gesamtstädtische Lösung, wozu auch vernetzte und erweiterte Angebote gehören ein.

 

Ein bereits bestehender weiterer Standort/Treffpunkt befindet sich am Ostbahnhof, der ähnlich stark frequentiert wird wie der Bahnhof Zoo.              

 

Im Rahmen der senatsseitig einberufenen Task Force ist das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf beteiligt, eine gemeinsame Perspektive im Umgang mit Obdachlosen zu entwickeln. Laut Staatssekretär SenIAS Fischer sollen die Mittel der Wohnhilfe von 4,3 Mio um 2,5 Mio auf 7,3 Mio erhöht werden. Das Bezirksamt begrüßt diese Absicht und beteiligt sich gerne an der Diskussion über den konkreten Einsatz dieser Mittel. Bisher bestehen hierzu keine konkreten Vorgaben.

 

Das Bezirksamt unterstützt darüber hinaus die Realisierung eines „Begegnungszentrums“ der Berliner Stadt­mission innerhalb der Anlagen des Bahnhofs Zoo. Damit ist es möglich, u.a. das Beratungsspekt­rum der Bahnhofsmission zu erweitern.

 

Bereits seit diesem Jahr unterstützt das Bezirksamt im Rahmen einer Kooperationsverein­barung den Träger Gangway bei dem Projekt StreetBAR. Das Projekt hat zum Ziel, auf der Straße lebende Menschen in das Hilfesystem zu integrieren und basiert auf einer EU-För­derung.

 

Das Bezirksamt hält die Entwicklung einer gesamtstädtischen Strategie im Umgang mit Obdachlosen für unerlässlich und beteiligt sich an allen diesbezüglichen Gremien. Auf den RdB-Beschluss R-220/2017 vom 26.10.2017 (Gesamtstädtischer Umgang mit der Obdachlosigkeit im Land Berlin) wird verwiesen.

 

 

  1. Hält das Bezirksamt die psychologische Betreuung der Obdachlosen für ausrei­chend?

 

Eine der größten Problematiken im Zusammenhang mit der Betreuung von Obdachlosen, insbesondere der psychologischen Betreuung, besteht darin, dass ein solches auch jetzt schon vorhandenes Angebot (Sozialpsychiatrischer Dienst) kaum von dieser Zielgruppe genutzt wird. Psychisch kranke Obdachlose sind häufig nicht in der Lage, ihre eigene Si­tuation zu reflektieren und Hilfeangebote anzunehmen. Angebote von Beratung bei psy­chischer Krankheit sind im Gesundheitsamt Sozialpsychiatrischer Dienst vorhanden. Nach den bisherigen Erfahrungen hat sich gezeigt, dass Streetwork (Gangway, Frostschutzen­gel) eine Möglichkeit ist, auf der Straße lebende Menschen anzusprechen und ihnen das Hilfesystem nahe zu bringen. Dies kann durchaus zu einer psychologischen Betreuung führen. Das Bezirksamt unterstützt die Erweiterung von Streetwork-Angeboten und wird sich bei den entsprechenden Stellen dafür einsetzen. Zusätzlich unterstützt das Bezirk­samt das Vorhaben der Senatsverwaltung und der Stadtmission, die Bahnhofsmission am Zoo durch ein psychologisches Beratungsangebot zu erweitern. Die Senatsverwaltung stellt hierzu finanzielle Mittel in Aussicht, die durch den Bezirk vergeben werden. Damit würde eine Grundlage geschaffen, für die genannte Zielgruppe niedrigschwellige psycho­logische Betreuung sicher zu stellen. Psychische oder Suchtmittel-Erkrankungen von Ob­dachlosen unterscheiden sich zwar nicht grundsätzlich von denen anderer Bevölkerungs­gruppen, die Ausprägungen und Rahmenbedingungen sind hier jedoch unterschiedlich. Ziel sollte es dennoch sein, Wege zu finden, die Menschen in das bestehende Hilfesystem zu integrieren. Mit dem zusätzlichen Angebot wird die Möglichkeit dieses Ziel zu erreichen verbessert.

 

Gleichermaßen wichtig ist es, therapiewillige Menschen in entsprechend betreutem Wohnraum unterzubringen. Daran mangelt es gerade im Bezirk erheblich. Der Bezirk setzt sich in allen Gremien für den Ausbau von Trägerwohnungen ein.

  1. Inwieweit wurde mit Ärztevereinigungen und dem Senat Kontakt aufgenom­men, um hier die Situation nachhaltig zu verbessern?

 

Mit Ärztevereinigungen wurde bisher kein Kontakt aufgenommen. Das Bezirksamt beteiligt sich an allen Gremien zum Thema Obdachlose und strebt im Sinne von Kooperation eine gesamtstädtische Lösung an.

 

Seit 2015 können  Entbindungen im Rahmen des Notfallfonds zur Finanzierung von Ent­bindungen bei nicht krankenversicherten Unionsbürgerinnen über eine Kostenpauschale abgedeckt werden. Hierfür wurden  im Berliner Haushalt bisher 300 000 € im Jahr bereit­gestellt, ab dem Doppelhaushalt 2018/19 150 000 €. Die Senatsverwaltung Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat mit fast allen Berliner Geburtskliniken diesbezüglich Ver­träge abgeschlossen. Im Rahmen der Schwangerenbetreuung klären die Sozialarbeiterin­nen* des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Familienplanung C-W die Möglichkeiten einer Krankenversicherung in Deutschland und stellen notfalls eine Kostenübernahme für die Entbindungskosten aus dem Notfallfonds aus. Dieses Angebot richtet sich auch an woh­nungslose Schwangere aus EU-Staaten, hauptsächlich aus Rumänien und Bulgarien. Aufgrund dieser Erfahrungen haben Mitarbeiterinnen des Zentrums für sexuelle Gesund­heit und Familienplanung im Rahmen einer Arbeitsgruppe bei Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung an einem Konzept zum  „Anonymen Krankenschein/Clearingstelle“  mitgearbeitet, dass gerade im Haus­haltsausschuss verabschiedet wird. Für den Doppelhaushalt 2018/2019 sollen dafür jähr­lich 700 000 € zur Verfügung gestellt werden. Die Clearingstelle soll Menschen ohne Krankenversicherung, d. h. auch obdachlose Unionsbürger/-innen ohne nachgewiesenen Krankenversicherungsschutz, beim Weg in die soziale Absicherung in das Krankenversi­cherungssystem unterstützen. Es ist jetzt schon bekannt, dass die eingestellten Mittel nicht ausreichend sein werden.

 

Auch die MalteserMigrantenMedizin bietet  im Bezirk eine medizinische Betreuung und Behandlung für Menschen ohne Krankenversicherung an. Dieses Angebot wird ebenfalls  von obdachlosen EU-Bürgern*, auch Familien, genutzt. Das Projekt wird durch bezirkliche Mittel mit finanziert.

 

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Engelmann

 

 


 

 
 

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