Drucksache - 0468/5
Wir fragen das Bezirksamt:
1. Teilt das Bezirksamt die Kritik, dass der Standort der Bahnhofmission am Zoologischen Garten seine Kapazitätsgrenzen erreicht hat, und wie unterstützt es deswegen die Forderungen nach der Einrichtung mindestens eines weiteren Standorts in Berlin?
2. Hält das Bezirksamt die psychologische Betreuung der Obdachlosen für ausreichend?
3. Inwieweit wurde mit Ärztevereinigungen und dem Senat Kontakt aufgenommen, um hier die Situation nachhaltig zu verbessern?
Sehr geehrte Frau Vorsteherin,
die Große Anfrage wird wie folgt schriftlich beantwortet:
Dem Bezirksamt ist die Belastung der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten in Bezug auf die Problematik der obdachlosen Menschen hinreichend bekannt und wurde bereits mehrfach auch in diesem Gremium diskutiert. Das Bezirksamt setzt sich in den entsprechenden Gremien
für eine gesamtstädtische Lösung, wozu auch vernetzte und erweiterte Angebote gehören ein.
Ein bereits bestehender weiterer Standort/Treffpunkt befindet sich am Ostbahnhof, der ähnlich stark frequentiert wird wie der Bahnhof Zoo.
Im Rahmen der senatsseitig einberufenen Task Force ist das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf beteiligt, eine gemeinsame Perspektive im Umgang mit Obdachlosen zu entwickeln. Laut Staatssekretär SenIAS Fischer sollen die Mittel der Wohnhilfe von 4,3 Mio um 2,5 Mio auf 7,3 Mio erhöht werden. Das Bezirksamt begrüßt diese Absicht und beteiligt sich gerne an der Diskussion über den konkreten Einsatz dieser Mittel. Bisher bestehen hierzu keine konkreten Vorgaben.
Das Bezirksamt unterstützt darüber hinaus die Realisierung eines „Begegnungszentrums“ der Berliner Stadtmission innerhalb der Anlagen des Bahnhofs Zoo. Damit ist es möglich, u.a. das Beratungsspektrum der Bahnhofsmission zu erweitern.
Bereits seit diesem Jahr unterstützt das Bezirksamt im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung den Träger Gangway bei dem Projekt StreetBAR. Das Projekt hat zum Ziel, auf der Straße lebende Menschen in das Hilfesystem zu integrieren und basiert auf einer EU-Förderung.
Das Bezirksamt hält die Entwicklung einer gesamtstädtischen Strategie im Umgang mit Obdachlosen für unerlässlich und beteiligt sich an allen diesbezüglichen Gremien. Auf den RdB-Beschluss R-220/2017 vom 26.10.2017 (Gesamtstädtischer Umgang mit der Obdachlosigkeit im Land Berlin) wird verwiesen.
Eine der größten Problematiken im Zusammenhang mit der Betreuung von Obdachlosen, insbesondere der psychologischen Betreuung, besteht darin, dass ein solches auch jetzt schon vorhandenes Angebot (Sozialpsychiatrischer Dienst) kaum von dieser Zielgruppe genutzt wird. Psychisch kranke Obdachlose sind häufig nicht in der Lage, ihre eigene Situation zu reflektieren und Hilfeangebote anzunehmen. Angebote von Beratung bei psychischer Krankheit sind im Gesundheitsamt Sozialpsychiatrischer Dienst vorhanden. Nach den bisherigen Erfahrungen hat sich gezeigt, dass Streetwork (Gangway, Frostschutzengel) eine Möglichkeit ist, auf der Straße lebende Menschen anzusprechen und ihnen das Hilfesystem nahe zu bringen. Dies kann durchaus zu einer psychologischen Betreuung führen. Das Bezirksamt unterstützt die Erweiterung von Streetwork-Angeboten und wird sich bei den entsprechenden Stellen dafür einsetzen. Zusätzlich unterstützt das Bezirksamt das Vorhaben der Senatsverwaltung und der Stadtmission, die Bahnhofsmission am Zoo durch ein psychologisches Beratungsangebot zu erweitern. Die Senatsverwaltung stellt hierzu finanzielle Mittel in Aussicht, die durch den Bezirk vergeben werden. Damit würde eine Grundlage geschaffen, für die genannte Zielgruppe niedrigschwellige psychologische Betreuung sicher zu stellen. Psychische oder Suchtmittel-Erkrankungen von Obdachlosen unterscheiden sich zwar nicht grundsätzlich von denen anderer Bevölkerungsgruppen, die Ausprägungen und Rahmenbedingungen sind hier jedoch unterschiedlich. Ziel sollte es dennoch sein, Wege zu finden, die Menschen in das bestehende Hilfesystem zu integrieren. Mit dem zusätzlichen Angebot wird die Möglichkeit dieses Ziel zu erreichen verbessert.
Gleichermaßen wichtig ist es, therapiewillige Menschen in entsprechend betreutem Wohnraum unterzubringen. Daran mangelt es gerade im Bezirk erheblich. Der Bezirk setzt sich in allen Gremien für den Ausbau von Trägerwohnungen ein.
Mit Ärztevereinigungen wurde bisher kein Kontakt aufgenommen. Das Bezirksamt beteiligt sich an allen Gremien zum Thema Obdachlose und strebt im Sinne von Kooperation eine gesamtstädtische Lösung an.
Seit 2015 können Entbindungen im Rahmen des Notfallfonds zur Finanzierung von Entbindungen bei nicht krankenversicherten Unionsbürgerinnen über eine Kostenpauschale abgedeckt werden. Hierfür wurden im Berliner Haushalt bisher 300 000 € im Jahr bereitgestellt, ab dem Doppelhaushalt 2018/19 150 000 €. Die Senatsverwaltung Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat mit fast allen Berliner Geburtskliniken diesbezüglich Verträge abgeschlossen. Im Rahmen der Schwangerenbetreuung klären die Sozialarbeiterinnen* des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Familienplanung C-W die Möglichkeiten einer Krankenversicherung in Deutschland und stellen notfalls eine Kostenübernahme für die Entbindungskosten aus dem Notfallfonds aus. Dieses Angebot richtet sich auch an wohnungslose Schwangere aus EU-Staaten, hauptsächlich aus Rumänien und Bulgarien. Aufgrund dieser Erfahrungen haben Mitarbeiterinnen des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Familienplanung im Rahmen einer Arbeitsgruppe bei Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung an einem Konzept zum „Anonymen Krankenschein/Clearingstelle“ mitgearbeitet, dass gerade im Haushaltsausschuss verabschiedet wird. Für den Doppelhaushalt 2018/2019 sollen dafür jährlich 700 000 € zur Verfügung gestellt werden. Die Clearingstelle soll Menschen ohne Krankenversicherung, d. h. auch obdachlose Unionsbürger/-innen ohne nachgewiesenen Krankenversicherungsschutz, beim Weg in die soziale Absicherung in das Krankenversicherungssystem unterstützen. Es ist jetzt schon bekannt, dass die eingestellten Mittel nicht ausreichend sein werden.
Auch die MalteserMigrantenMedizin bietet im Bezirk eine medizinische Betreuung und Behandlung für Menschen ohne Krankenversicherung an. Dieses Angebot wird ebenfalls von obdachlosen EU-Bürgern*, auch Familien, genutzt. Das Projekt wird durch bezirkliche Mittel mit finanziert.
Mit freundlichen Grüßen Carsten Engelmann
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