Drucksache - 0841/4  

 
 
Betreff: Endlich auch bezahlbaren Wohnraum im Bezirk schaffen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Wuttig/Schmitt-Schmelz 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
20.02.2014 
29. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Beratung
12.03.2014 
43. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
26.03.2014 
44. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
09.04.2014 
45. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
14.05.2014 
46. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
22.05.2014 
32. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Antrag
Dringlichkeitsbeschlussempfehlung
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme

Die BVV möge beschließen:

Die BVV hat in ihrer Sitzung am 22. Mai 2014 beschlossen:

 

Das Bezirksamt wird gebeten zu prüfen, wie es planungsrechtlich ermöglicht werden kann, dass ungenutzte Flächen im Bezirk, die laut B-Plan nicht für Wohnungsbau ausgewiesen sind, in diesen überführt werden können.

 

Vorerst soll dies exemplarisch für das Grundstück Fürstenbrunner Weg 22-32 geprüft werden. Für das Grundstück ist laut B-Plan Gewerbe vorgesehen. Das Grundstück selber liegt seit Jahren brach, weil es keine Nachfrage nach einer Gewerbeansiedelung an dieser Stelle gibt.

 

Der BVV ist bis zum 30.06.2014 zu berichten.

 

Das Bezirksamt teilt hierzu Folgendes mit:

 

Eine generelle Antwort auf die Frage, wie Wohnungsbau im Geltungsbereich festgesetzter Bebauungspläne ermöglicht werden kann, wenn die Nutzungsart Wohnen nicht zulässig ist, kann nicht gegeben werden. Es ist in jedem konkreten Einzelfall zu klären, ob Befreiungsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 2 BauGB vorliegen oder ob ein Planerfordernis nach § 1 Abs. 3 BauGB für die Einleitung eines neuen Bebauungsplanverfahrens notwendig ist. Gegenstand der Prüfung des Planerfordernisses muss auch die städtebauliche Entwicklung und Ordnung des Gemeindegebiets sein.

 

Bezogen auf das Grundstück Fürstenbrunner Weg 22-32 stellt sich die erforderliche Einzelfallprüfung folgendermaßen dar:

Geltendes Planungsrecht für das Grundstück sind die Bebauungspläne VII-104 i.V.m. VII-104-2. Hinsichtlich der Nutzungsart ist ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO festgesetzt. Eine Wohnnutzung ist im Gewerbegebiet unzulässig und wäre nur auf dem Befreiungswege nach § 31 Abs. 2 BauGB möglich. Befreiungsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 1- 3 BauGB sind jedoch aufgrund der spezifischen Ausgangslage nicht erkennbar, zudem sind öffentliche Belange in Form der Darstellung des Flächennutzungsplanes (FNP) beeinträchtigt.

Das Grundstück ist im FNP als gewerbliche Baufläche dargestellt und Bestandteil des StEP Industrie und Gewerbe. Wohnen widerspricht damit generell der gesamtstädtischen Planungskonzeption. Die Entwicklungsfähigkeit dargestellter gewerblicher Bauflächen zugunsten anderer Nutzungsarten und Baugebieten ist jedoch im Vergleich zu den anderen Bauflächen des FNP eingeschränkt - der "übliche" Grundsatz für die Entwicklungsfähigkeit von Bebauungsplänen aus den Darstellungen des FNP mit einer Größe von unter 3 ha gilt für gewerbliche Darstellungen nur eingeschränkt. Der Aufstellung eines Bebauungsplans mit der Nutzungsart Allgemeines Wohngebiet stehen folgende prinzipielle städtebauliche und rechtliche Gründe entgegen:

  • Die auf den Nachbargrundstücken ansässigen Gewerbebetriebe haben, auch wenn sie die ihnen zustehenden Lärmkontingente gegenwärtig nicht ausschöpfen, aufgrund ihrer Genehmigung auf Basis des geltenden Planungsrechtes einen Rechtsanspruch auf Inanspruchnahme der GE-Lärm-Richtwerte der TA Lärm von 65 db(a) tags und 50 db(a) nachts. Vor allem die Möglichkeit, den Betrieb auch nachts zu betreiben, ist in Gewerbegebieten von entscheidender Bedeutung.
  • Maßgeblicher Beurteilungspegel für zulässige Lärmimmissionen im Allgemeinen Wohngebiet (WA) ist nach der TA Lärm, die Einhaltung des Grenzwertes von 55 db(A) tagsüber und 40 db(A) nachts, gemessen 0,5 m vor dem geöffneten Fenster.              
    Die Wohnnutzung stellt eine schutzwürdige Nutzung dar, die nicht nur in ihrer baulichen Hülle, sondern auch in ihren Außenwohnbereichen wie Balkonen und Terrassen und in ihren auf den Grundstücksfreiflächen gelegenen Nutzungen wie beispielsweise Kinderspielplätzen besonderen (Lärm-)Schutzanforderungen unterliegt.
  • Im öffentlichen Baurecht (Immissionsschutzrecht und Planungsrecht) verpflichtet der Trennungsgrundsatz des Bundesimmissionsschutzgesetzes (§ 50 BImSchG) die Gemeinden dazu, sich gegenseitig ausschließende Nutzungen wie Wohn- und Gewerbegebiete räumlich voneinander zu trennen, um schädliche Umwelteinwirkungen auf schutzwürdige Nutzungen zu vermeiden. Ein unmittelbares Nebeneinander von Wohn- und Gewerbenutzung entspricht nicht dem Trennungsgrundsatz des BImSchG. Unter Berücksichtigung der Stufung der Nutzungsarten nach BauNVO (GE, MK, MI, WA) sollte nicht mehr als eine Stufe zwischen der Festsetzung von zwei Baugebieten liegen.
  • Neben dem prinzipiellen Immissionskonflikt zwischen Gewerbe- und Wohnnutzung ist weiterhin zu berücksichtigen, dass das Grundstück an hochgradig lärmbelasteten Verkehrstrassen liegt, ganz zu schweigen von der hohen Abgasbelastung durch diese Trassen. So liegen nach dem Umweltatlas beispielsweise tagsüber die von der in Nord-Süd verlaufenden Autobahntrasse ausgehenden Lärmimmissionen bei > 75-80 db(A) und an der in Süd-Nord-Richtung verlaufenden Fahrbahn des Fürstenbrunner Weg bei > 65-70 db(A) (Vergleichswerte nachts: > 65-70 db(A) für die Trasse der Stadtautobahn und > 60-65 db(A) für die Spur des Fürstenbrunner Wegs). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes Lärmbelastungen über 70 db(A) tagsüber und von 60 db(A) nachts als gesundheitsgefährdend anzusehen sind.
  • Weiterhin wäre die stadträumlich isolierte Lage einer Wohnbebauung außerhalb oder ohne Verbindung an vorhandene Wohngebiete an dieser Stelle städtebaulich nicht ableitbar ("Splittersiedlung"), zumal dieser potentielle Wohnbereich darüber hinaus keine Anbindung an wohnbezogene Infrastruktur hätte.

 

Die o.g. rechtlichen und städtebaulichen Problemstellungen sind Hintergrund und Bestandteil des Entwicklungsgrundsatzes Nr. 8 des FNP, wonach aus gewerblichen Bauflächen grundsätzlich nur Gewerbe- oder Industriegebiete zu entwickeln sind, ausgenommen untergeordnete Grenzkorrekturen. In besonders begründeten Einzelfällen können auch Mischnutzungen, Flächen für Ver- und Entsorgungsanlagen oder Sondergebiete für großflächige Einzelhandelseinrichtungen, auch größer als 3ha, entsprechend ihrem Störgrad entwickelt werden, wenn negative stadtstrukturelle Auswirkungen insbesondere hinsichtlich der Zentrenstruktur nicht zu erwarten sind.

 

Wohnungsbau ist an dieser Stelle nicht entwickelbar.

 

Das Bezirksamt bittet, den Beschluss damit als erledigt zu betrachten.

 

Reinhard Naumann                                                                                                  Marc Schulte

Bezirksbürgermeister                                                                                    Bezirksstadtrat


 

 
 

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