Drucksache - 0417/4  

 
 
Betreff: Kältehilfe 2012
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Grüne/SPD/Piraten/Linke (fraktionslos) 
Verfasser:Dr.Vandrey/Kaas Elias/Wuttig/Pabst/Cieschinger 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
15.11.2012 
14. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin schriftlich beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

1.     Sieht das Bezirksamt die Wohnungslosen- und Kältehilfe auch im Winter 2012/2013 im Bezirk als gesichert und ausreichend an?

 

2.     Ist dem Bezirksamt bekannt, inwieweit sich die Zahl der Wohnungslosen in Charlottenburg-Wilmersdorf vergrößert oder verringert hat?

 

3.     Wie bewertet das Bezirksamt dies und welche Gründe kann das Bezirksamt hierfür nennen?

 

4.     Hält das Bezirksamt die bereitgestellten öffentlichen Mittel sowie die Möglichkeiten der weiteren sozialen Träger und Engagierten für ausreichend, um im Winter 2012/2013 die Obdachlosen und Bedürftigen mit warmen Mahlzeiten versorgen zu können?

 

5.     Welche Möglichkeiten einer Gesamtberliner Strategie gegen Wohnungslosigkeit und für die Wohnungslosen- und Kältehilfe sieht das Bezirksamt und wie setzt es sich hierfür ein?

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

 

die Große Anfrage wird wie folgt schriftlich beantwortet:

 

1.      Sieht das Bezirksamt die Wohnungslosen- und Kältehilfe auch im Winter 2012/2013 im Bezirk als gesichert und ausreichend an?
 

Die Plätze zur Unterbringung von Wohnungslosen sind schon jetzt nicht ausreichend. Die Unterbringung der Wohnungslosen gemäß ASOG (Allgemeines Sicherheits und Ordnungsgesetz), als Aufgabe des Bezirkes, ist in der Zwischenzeit kaum noch möglich, da insgesamt berlinweit keine ausreichenden Platzkapazitäten vorhanden sind. Es ist zu befürchten, dass sich die Lage in der anstehende Kältesaison verschärfen wird.

Seit Jahren besteht zwischen dem Bezirksamt und den Trägern der Kältehilfe des Bezirks ein sehr guter Kontakt. Es finden regelmäßig, mindestens zweimal im Jahr, Kältehilfekonferenzen statt. Die Kontinuität der Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen ermöglicht bisher, durch kurze Absprachen auf veränderte Bedarfe reagieren zu können. Die aktuelle Problematik verstärkt sich letztlich auch dadurch, dass es keine geeigneten Immobilien gibt, die für die Unterbringung von Wohnungslosen zur Verfügung stehen.

 

Beiliegend der aktuelle Flyer der Kälte- und Wohnungslosenhilfe im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf für 2012/2013. Sämtliche berlinweite Angebote der Kältehilfe sind unter www.kaeltehilfe-berlin.de abrufbar.

 

Das Kältehilfe-Telefon ist ab dem 1. November 2011 bis 31. März 2012 täglich von 19:00 bis 23:00 Uhr besetzt.              

             

Tel.: 0 30 / 81 05 60 425  Fax: 030 / 81 05 60 420

Email: Kaeltehilfe-Berlin@gebewo.de

 

2.      Ist dem Bezirksamt bekannt, inwieweit sich die Zahl der Wohnungslosen in Charlottenburg-Wilmersdorf vergrößert oder verringert hat?

 

Durch seine geographisch zentrale Lage kommen auf den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf vermehrt ordnungsrechtliche Aufgaben im gesamtstädtischen Zusammenhang zu. Die City West, Bahnhof Zoo, Breitscheidplatz, Ernst-Reuter-Platz etc. sind Anlaufpunkte für Bürgerinnen und Bürger, für Besucherinnen und Besucher des Bezirkes und der Stadt Berlin. Ebenso ist die City West auch zentraler Informations- und Treffpunkt für wohnungslose Menschen der gesamten Stadt.

Die Zahl der Wohnungslosen, die in der bezirklichen „Sozialen Wohnhilfe“ bekannt sind, ist im Verhältnis zum Jahr 2011 nicht angestiegen. Im 2011 gab es zu den bereits laufenden Vorgängen 384 Neufälle (mtl.32). Bis zum Oktober 2012 sind 290 Neufälle (mtl. 29) zu den laufenden Vorgängen hinzugekommen. 

Die Einschätzung, dass sich die Anzahl der Wohnungslosen, die sich im Bezirk aufhalten gestiegen ist, aber keinen Kontakt zum Bereich der Sozialen Wohnhilfe aufnehmen, beruht auf den Nutzerzahlen der niedrigschwelligen Einrichtungen der Wohnungslosen- bzw. Kältehilfe (Tagesstätten, Suppenküchen, Wärmestuben, Nachtcafés).

 

Insgesamt sind die Zahlen der Räumungsklagen/ Zwangsräumungen angestiegen. Ob dadurch in der Folge die Zahl der Wohnungslosen gestiegen ist, bleibt nur zu vermuten, da es dazu keine verlässlichen Zahlen gibt. Räumungsklagen können ggf. abgewendet werden, müssen daher nicht zwangläufig zur Wohnungslosigkeit führen. Die Amtsgerichte teilen der Sozialen Wohnhilfe anstehende Räumungsklagen mit. Betroffene erhalten ein Beratungsangebot, entscheiden letztlich individuell, ob sie dieses Angebot wahrnehmen oder nicht.

 

3.      Wie bewertet das Bezirksamt dies und welche Gründe kann das Bezirksamt hierfür nennen?
 

Berlin bietet im Rahmen der Kältehilfe eine sehr gute Infrastruktur an. Die Angebote sind in der Regel kostenlos. Da sie niedrigschwellig sind werden die Besucherinnen und Besucher gewöhnlich nicht hinsichtlich ihrer Herkunft und Mittellosigkeit kontrolliert. Wohnungslose Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen aus anderen Bundesländern/Ländern finden hier ein sehr gutes Hilfenetz mit Angeboten, die ihnen in ihren Heimatorten/-ländern nicht zur Verfügung stehen.

Der Personenkreis, der die Angebote der Wohnungslosen- und Kältehilfe nutzt, setzt sich nach Berichten der Träger aus drei unterschiedlichen Gruppen zusammen: Menschen die auf der Straße leben und sich nicht integrieren können oder wollen, Menschen aus den neuen EU-Beitrittsländern, die hier eine Arbeits- oder Lebensperspektive entwickeln wollen, sowie in Einzelfällen Menschen mit einer eigenen Wohnung die einsam sind.

 

Der von der Bundesregierung ausgesprochene Vorbehalt zum Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) trägt zur besonderen Problematik der Gruppe der Osteuropäer bei, die damit keinerlei bzw. ungeklärte Ansprüche auf Sozialleistungen haben.

Auch hat sich die Verweildauer in den Wohnheimen und Pensionen erhöht. Dies ist u.a. eine Folge der Entwicklung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt. Es wird zunehmend schwieriger, für Menschen geeigneten, bezahlbaren und im Sinne der seit 01.05.2012 gültigen Wohnaufwendungsverordnung (WAV), kostenbezogen, angemessenen Wohnraum zu finden. Gerade in Charlottenburg-Wilmersdorf als attraktiver Citybezirk ist diese Entwicklung deutlich zu spüren.

 

4.      Hält das Bezirksamt die bereitgestellten öffentlichen Mittel sowie die Möglichkeiten der weiteren sozialen Träger und Engagierten für ausreichend, um im Winter 2012/2013 die Obdachlosen und Bedürftigen mit warmen Mahlzeiten versorgen zu können?

 

              Die finanziellen Mittel sind seit Jahren knapp. Die Mittel des Bezirksamtes sind in den vergangen Jahren weitgehend konstant, können aber nur einen Teil des tatsächlichen Bedarfs im Rahmen der Zuwendungen decken. Für alle Wintermonate fließen die Zuwendungen in gleicher Höhe, wie in den vergangen Jahren, sodass davon ausgegangen werden kann, dass in der aktuellen Kältehilfeperiode, das im Bezirk vorhandene Angebot an warmen Mahlzeiten ausreichen wird. Wie in der Vergangenheit werden Kirchengemeinden und gemeinnützige Träger darauf angewiesen sein, zusätzliche Spenden zu akquirieren. Ich gehe davon aus, dass es mit dem gemeinsamen Einsatz aller Beteiligten auch in diesem Winter wieder gelingen wird, alle Bedürftigen hier im Bezirk entsprechend zu versorgen.

 

5.      Welche Möglichkeiten einer Gesamtberliner Strategie gegen Wohnungslosigkeit und für die Wohnungslosen – und Kältehilfe sieht das Bezirksamt und wie setzt es sich hierfür ein?

 

Die Wohnungslosigkeit und die besondere Problematik in der Kältesaison muss gesamtstädtisch betrachtet werden. Wie unter Punkt 3 aufgeführt gibt es verschiedene Einzelfaktoren, die zusammengefasst letztlich zu den aktuellen Kapazitätsengpässen führen

 

- Steigende Zahlen von Flüchtlingen

- Steigende Zahlen von Räumungsklagen/Zwangsräumungen

- Steigende Zahlen von Zuwanderungen aus Osteuropa

- Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt (Mangel an bezahl-

barem Wohnraum)

- Mangel an geeigneten Immobilien zur Unterbringung von

Wohnungslosen

 

Den verschiedenen Einzelfaktoren Rechnung tragend muss daher  in verschiedenen Bereichen/Schnittstellen eingegriffen werden. So sollte an zentraler Stelle, mit entsprechender Kompetenzausstattung, die Aquise von Plätzen für Wohnungslose und Asylsuchende erfolgen. Ebenso müssen die Wohnungsbaugesellschaften in die Bearbeitung der Problematik einbezogen werden. Hier könnten Abstimmungen/Vereinbarungen von prozentualen Zuweisungsmöglichkeiten/Angeboten an bestimmte Zielgruppen erfolgen. Ebenso sind die derzeitigen Rahmenbedingungen und Umsetzungen im Geschützten Marktsegment zu prüfen.

Im Hinblick auf die nicht ausreichende Platzzahl zur Unterbringungsituation von Wohnungslosen ist das Bezirksamt Mitglied einer Arbeitsgruppe zwischen LaGeSo, SenGS und vier Bezirken um die bestehende Rahmenvereinbarung (Rahmenvereinbarung zur Berliner Unterbringungsleitstelle zwischen den Bezirksämtern von Berlin und der Abteilung VI des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin) hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit zu modifizieren. Des Weiteren besteht Kontakt zum Verband der Berliner und Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU).

 

Eine aktive Wohnungspolitik von Seiten des Senates ist dringend geboten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat signalisiert, dass mit der „Neuauflage des sozialen Wohnungsbaus“  mehr bezahlbarer Wohnungsraum geschaffen werden soll. 

Geplant ist eine Neubauförderung ab 2014. Entsprechende Ideen und Vorschläge sollen jetzt im Senat und Abgeordnetenhaus diskutiert werden.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Carsten Engelmann

 

 
 

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