Drucksache - 1485/3
Die BVV hat in ihrer Sitzung am 15.10.2009 Folgendes beschlossen:
Das Bezirksamt wird gebeten, gemeinsam mit den im Bezirk ansässigen Krankenhäusern zu prüfen, ob in einem geeigneten Krankenhaus unseres Bezirks die Möglichkeit besteht, eine Babyklappe einzurichten.
Das Bezirksamt teilt dazu mit:
Das Bezirksamt hat Kontakt zu den Chefärzten der 3 gynäkologischen Abteilungen im Bezirk aufgenommen und gebeten, die Einrichtung einer Babyklappe in ihrer Klinik zu prüfen.
Die Leiter der gynäkologischen Abteilungen stimmen darin überein, dass Berlin ausreichend mit Babyklappen versorgt ist und es im Zusammenhang mit einer Babyklappe unbedingt eine Station der Neonatologie bzw. eine Kinderklinik geben muss, weil die gefundenen Säuglinge in aller Regel einer sofortigen intensivmedizinischen Behandlung bedürfen.
Dieses Angebot ist in unserem Bezirk ausschließlich in den DRK-Kliniken Westend vorhanden. Der Chefarzt, Herr Professor Dr. Kentenich, berichtete von einer seit Jahren geführten intensiven wissenschaftlichen Diskussion der Leitung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Thematik Babyklappe. Im Ergebnis lehnt er die Einrichtung einer Babyklappe für seine Klinik ab. Er begründet dies mit Studien, wonach die Frage der Kenntnis der eigenen Herkunft psychologisch eine wichtige Bedeutung habe. Die Babyklappen seien aber ein Instrument, das es dem Neugeborenen und späteren Erwachsenen unmöglich mache, Kenntnisse über die eigene genetische Herkunft zu erlangen. Kindern aus Babyklappen werde die Möglichkeit genommen, sich mit ihren Wurzeln, ihrer Lebensgeschichte auseinanderzusetzen. Dies sei jedoch ein elementarer Bestandteil einer gelingenden Persönlichkeitsentwicklung. Des Weiteren hätten Untersuchungen von Frau Prof. Dr. Rohde von der Universität Bonn gezeigt, dass mit der Babyklappe Kindestötungen nicht verhindert werden können.
Als mögliche Lösung sieht Herr Prof. Dr. Kentenich die Etablierung der „vertraulichen Geburt“, ein Vorschlag des Bundes Deutscher Hebammen. Bei der vertraulichen Geburt wäre die Mutter verpflichtet, Angaben zu ihrer Person zu machen. Diese Daten würden aber auf Wunsch hin vertraulich behandelt und geschützt, d.h. nicht an Dritte weitergegeben. Dem zur Adoption freigegebenen Kind würde auf diese Weise das Recht auf seine Herkunft nicht vorenthalten; es könnte ab einem bestimmten Alter (derzeit laut Gesetz mit 16 Jahren) darüber Auskunft bekommen.
Prof. Dr. Blohmer, Chefarzt der gynäkologischen Abteilung des St. Gertrauden-Krankenhauses, erklärte, dass sich die Klinikleitung vor seinem Stellenantritt gegen eine Babyklappe ausgesprochen habe, weil wissenschaftliche Untersuchungen belegten, dass eine Babyklappe keine Kindstötungen verhindern könne. Prof. Dr. Blohmer hält Berlin für ausreichend mit Babyklappen versorgt und gibt medizinisch zu bedenken, dass das St. Gertrauden-Krankenhaus nicht über die häufig benötigte Neonatologie bzw. Kinderklinik verfüge.
Die Bedenken von Herrn Prof. Dr. Ullrich, Chefarzt der gynäkologischen Abteilung des Martin-Luther-Krankenhauses, gehen in die gleiche Richtung. Er wies jedoch auf einen Klärungsprozess in seiner Klinik hin, der noch nicht abgeschlossen sei.
Im Februar 2010 teilte der Geschäftsführer des Martin-Luther-Krankenhauses dem Gesundheitsamt mit, dass in seinem Hause die kinderärztliche Versorgung der Neugeborenen zu Jahresbeginn optimiert wurde. Damit seien die medizinischen Vorraussetzungen geschaffen worden, um über die Errichtung einer Babyklappe nachzudenken.
Bei einem Gesprächstermin mit dem Gesundheitsamt im September 2010 war der theologische Vorstand der Paul Gerhardt Diakonie e.V. Berlin und Wittenberg als Vertreter des Krankenhausträgers jedoch weit entfernt von der Einrichtung einer Babyklappe. Er betrachte eine Babyklappe unter dem Aspekt „Lebenserhalt“ nur als eine von vielen Möglichkeiten der Hilfen für Mütter in Konfliktsituationen und wolle aus ethischen und rechtlichen Gründen vorrangig die Installation anderer Möglichkeiten wie die „Vertrauliche Geburt“ und flankierende Beratungs- und Betreuungsangebote voranbringen.
Auch dem Gesundheitsamt ist bekannt, dass Babyklappen seit ihrer Einführung im Jahr 2000 umstritten sind. Andererseits kann jedoch auch nicht ausgeschlossen werden, dass durch Babyklappen im Einzelfall Leben gerettet wird. Um Schwangeren und Müttern in Krisensituationen zu helfen, sollten vorrangig die vorhandenen, niedrigschwelligen gesundheitlichen und psychosozialen Angebote im Bezirk erhalten bzw. erweitert werden.
Das Bezirksamt bittet, den Beschluss als erledigt zu betrachten.
Monika Thiemen Martina Schmiedhofer Bezirksbürgermeisterin Bezirksstadträtin
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