Drucksache - 1485/3  

 
 
Betreff: Babyklappe auch in Charlottenburg-Wilmersdorf
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Ausschuss für Gender Mainstreaming 
   
Drucksache-Art:DringlichkeitsbeschlussvorschlagVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Gender Mainstreaming Beratung
08.10.2009 
32. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gender Mainstreaming ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
15.10.2009 
35. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Beschlussvorschlag
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme

Der Ausschuss für Gender Mainstreaming

Die BVV hat in ihrer Sitzung am 15.10.2009 Folgendes beschlossen:

 

Das Bezirksamt wird gebeten, gemeinsam mit den im Bezirk ansässigen Kranken­häusern zu prüfen, ob in einem geeigneten Krankenhaus unseres Bezirks die Mög­lichkeit besteht, eine Babyklappe einzurichten.

 

Das Bezirksamt teilt dazu mit:

 

Das Bezirksamt hat Kontakt zu den Chefärzten der 3 gynäkologischen Abteilungen im Bezirk aufgenommen und gebeten, die Einrichtung einer Babyklappe in ihrer Klinik zu prüfen.

 

Die Leiter der gynäkologischen Abteilungen stimmen darin überein, dass Berlin aus­reichend mit Babyklappen versorgt ist und es im Zusammenhang mit einer Ba­byklappe un­bedingt eine Station der Neonatologie bzw. eine Kinderklinik geben muss, weil die gefundenen Säuglinge in aller Regel einer sofortigen intensivmedizinischen Be­handlung bedür­fen.

 

Dieses Angebot ist in unserem Bezirk ausschließlich in den DRK-Kliniken Westend vorhan­den. Der Chefarzt, Herr Professor Dr. Kentenich, berichtete von einer seit Jah­ren geführten intensiven wissenschaftlichen Diskussion der Leitung mit den Mitar­beiterinnen und Mitarbei­tern zur Thematik Babyklappe. Im Ergebnis lehnt er die Ein­richtung einer Babyklappe für seine Klinik ab. Er begründet dies mit Studien, wonach die Frage der Kenntnis der eigenen Herkunft psychologisch eine wichtige Bedeutung habe. Die Babyklappen seien aber ein In­strument, das es dem Neugeborenen und späteren Erwachsenen unmöglich mache, Kennt­nisse über die eigene genetische Herkunft zu erlangen. Kindern aus Babyklappen werde die Möglichkeit genommen, sich mit ihren Wurzeln, ihrer Lebensgeschichte auseinanderzuset­zen. Dies sei je­doch ein elementarer Bestandteil einer gelingenden Persönlichkeitsentwick­lung. Des Weiteren hätten Untersuchungen von Frau Prof. Dr. Rohde von der Universität Bonn gezeigt, dass mit der Babyklappe Kindestötungen nicht verhindert werden kön­nen.

 

Als mögliche Lösung sieht Herr Prof. Dr. Kentenich die Etablierung der „vertraulichen Ge­burt“, ein Vorschlag des Bundes Deutscher Hebammen. Bei der vertraulichen Ge­burt wäre die Mutter verpflichtet, Angaben zu ihrer Person zu machen. Diese Daten würden aber auf Wunsch hin vertraulich behandelt und geschützt, d.h. nicht an Dritte weitergegeben. Dem zur Adoption freigegebenen Kind würde auf diese Weise das Recht auf seine Herkunft nicht vor­enthalten; es könnte ab einem bestimmten Alter (derzeit laut Gesetz mit 16 Jahren) darüber Auskunft bekommen.

 

Prof. Dr. Blohmer, Chefarzt der gynäkologischen Abteilung des St. Gertrauden-Krankenhau­ses, erklärte, dass sich die Klinikleitung vor seinem Stellenantritt gegen eine Babyklappe ausgesprochen habe, weil wissenschaftliche Untersuchungen be­legten, dass eine Baby­klappe keine Kindstötungen verhindern könne. Prof. Dr. Blohmer hält Berlin für ausreichend mit Babyklappen versorgt und gibt medizinisch zu bedenken, dass das St. Gertrauden-Kran­kenhaus nicht über die häufig benötigte Neonatologie bzw. Kin­derklinik verfüge.

 

Die Bedenken von Herrn Prof. Dr. Ullrich, Chefarzt der gynäkologischen Abteilung des Mar­tin-Luther-Krankenhauses, gehen in die gleiche Richtung. Er wies jedoch auf einen Klä­rungsprozess in seiner Klinik hin, der noch nicht abgeschlossen sei.

 

Im Februar 2010 teilte der Geschäftsführer des Martin-Luther-Krankenhauses dem Gesund­heitsamt mit, dass in seinem Hause die kinderärztliche Versorgung der Neugeborenen zu Jahresbeginn optimiert wurde. Damit seien die medizinischen Vorraussetzungen geschaffen worden, um über die Errichtung einer Babyklappe nachzudenken.

 

Bei einem Gesprächstermin mit dem Gesundheitsamt im September 2010 war der theologi­sche Vorstand der Paul Gerhardt Diakonie e.V. Berlin und Wittenberg als Vertreter des Krankenhausträgers jedoch weit entfernt von der Einrichtung einer Babyklappe. Er betrachte eine Babyklappe unter dem Aspekt „Lebenserhalt“ nur als eine von vielen Möglichkeiten der Hilfen für Mütter in Konfliktsituationen und wolle aus ethischen und rechtlichen Gründen vor­rangig die Installation anderer Möglichkeiten wie die „Vertrauliche Geburt“ und flankierende Beratungs- und Betreuungsangebote voranbringen.

 

Auch dem Gesundheitsamt ist bekannt, dass Babyklappen seit ihrer Einführung im Jahr 2000 umstritten sind. Andererseits kann jedoch auch nicht ausgeschlossen wer­den, dass durch Babyklappen im Einzelfall Leben gerettet wird. Um Schwangeren und Müttern in Krisensitua­tionen zu helfen, sollten vorrangig die vorhande­nen, niedrigschwelligen gesundheitlichen und psychosozialen Angebote im Bezirk erhalten bzw. erweitert werden.

 

Das Bezirksamt bittet, den Beschluss als erledigt zu betrachten.

 

 

Monika Thiemen                                                                                                            Martina Schmiedhofer

Bezirksbürgermeisterin                                                                                     Bezirksstadträtin

 


 

 
 

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