Drucksache - 1443/3
Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 15.10.2009 folgenden Beschluss gefasst: „Das
Bezirksamt wird aufgefordert, Entwürfe von Verträgen, in denen der Bezirk auf
Einnahmen von mehr als 1.000 € pro Monat gegenüber Dritten verzichtet,
der BVV vorab zur Kenntnis zu geben. Ein Vertragsschluss ist erst nach der
Wahrnehmung dieses Kontrollrechts durch die BVV vorzunehmen. Zudem
wird das Bezirksamt aufgefordert, Verträge, in denen dem Vertragspartner das
Recht zur Nutzung und/oder Vermietung von Werbeflächen an oder in Gebäuden,
Einrichtungen und sonstigen Immobilien des Landes Berlin eingeräumt wird, nur
dann abzuschließen, wenn sichergestellt ist, dass eine jährliche
Rechenschaftslegung über die Art und Höhe der erzielten Werbeeinnahmen
gegenüber dem Bezirksamt erfolgt. Darüber ist die BVV in geeigneter Form zu
unterrichten“. Das
Bezirksamt führt dazu aus: Der Verzicht auf Einnahmen, auf die ein Anspruch besteht,
stellt haushaltsrechtlich einen Erlass dar, der der Regelung des § 59 Abs. 1
Nr. 3 LHO unterliegt (s. Nr. 3.1 AV zu § 59 LHO: Der Erlass ist eine Maßnahme,
mit der auf einen fälligen Anspruch verzichtet wird. Durch den Erlass erlischt
der Anspruch). Gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 LHO darf der zuständige Leiter des
Verwaltungszweigs Ansprüche nur erlassen, wenn die Einziehung nach Lage des
einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Der Verzicht auf Einnahmen i. S. des BVV-Beschlusses ist als
Erlass eines Anspruches an das Vorliegen haushaltsrechtlicher Voraussetzungen
gebunden, die insbesondere durch Nr. 3 AV zu § 59 LHO zusätzlich definiert
werden. Nr. 3.2 AV zu § 59 LHO sieht vor, dass ein Erlass nur zulässig ist,
wenn eine Stundung nach Nr. 1 nicht in Betracht kommt. Gemäß Nr. 3.3 AV zu § 59
LHO ist für einen Erlass regelmäßig ein Antrag des Anspruchsgegners
erforderlich. Nach Nr. 3.4 AV zu § 59 LHO ist eine besondere Härte insbesondere
anzunehmen, wenn sich der Anspruchsgegner in einer unverschuldeten
wirtschaftlichen Notlage befindet und zu besorgen ist, dass die
Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führen würde. Nach
Nr. 3.5 AV zu § 59 LHO ist die gemäß § 59 Abs. 2 erforderliche
Einwilligung der Senatsverwaltung für Finanzen in Fällen von grundsätzlicher
oder von erheblicher finanzieller Bedeutung einzuholen. Ein Fall von
grundsätzlicher Bedeutung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die
Entscheidung über den Einzelfall hinaus präjudizielle Auswirkungen haben kann.
Ein Fall von erheblicher finanzieller Bedeutung ist gegeben, wenn Beträge von
mehr als 50.000,00 € erlassen werden sollen. Gemäß Nr. 3.6 AV zu § 59 LHO
dürfen ferner im Rahmen der Rechnungsprüfung festgestellte Ansprüche nur nach
Anhörung des Rechnungshofes erlassen werden, soweit er nicht auf die Anhörung
verzichtet hat. Die Verwaltung ist bei Entscheidungen über den Verzicht auf
Einnahmen an die vorbezeichneten restriktiven haushaltsrechtlichen
Rahmenbedingungen gebunden. Der Verzicht auf Einnahmen steht nicht im freien
Ermessen der Behörde. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BezVG kontrolliert die BVV u. a.
die Führung der Geschäfte des Bezirksamtes und trifft in den ihr vorbehaltenen
Angelegenheiten Entscheidungen. Entscheidungen über die Veränderung von
Ansprüchen nach § 59 LHO gehören grundsätzlich zu den laufenden Geschäften der
Verwaltung und stellen keine der BVV zur Entscheidung vorbehaltene
Angelegenheit dar. Auch wenn der BVV-Beschluss seinem Wortlaut nach einen
Vertragsschluss von der vorausgegangenen Berichtspflicht des Bezirksamtes sowie
einer Wahrnehmung des Kontrollrechts durch die BVV abhängig macht und keine
eigene Entscheidung der BVV voraussetzt, würde mit seiner Umsetzung für die BVV
ein materielles Mitwirkungsrecht zu Geschäften der laufenden Verwaltung
begründet. Eine solche systematische Mitwirkung ist bezirksverwaltungsrechtlich
nicht vorgesehen und widerspricht der Regelung des § 12 Abs. 1 BezVG. Das Bezirksamt wird dem angeregten Verwaltungshandeln daher
nicht entsprechen. Angesichts der eingangs dargestellten restriktiven
haushaltsrechtlichen Regelungen zu einem Verzicht auf Ansprüche ist auch nicht
ersichtlich, dass die Begründung eines zusätzlichen vorausgehenden
Mitwirkungsrechts der BVV materiell geboten wäre. Das Bezirksamt behält sich dennoch im Einzelfall vor, insbesondere
in Fällen von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung die BVV
nach Maßgabe von § 15 Satz 1 BezVG über Entscheidungen gemäß § 59 Abs. 1
Nr. 3 LHO zu informieren. Hinsichtlich der Forderung aus Abs. 2 des Beschlusses ist
das Bezirksamt der Ansicht, dass es nicht dem üblichen Geschäftsgebaren
entspricht, Vertragspartnern des Bezirksamtes in jedem Einzelfall zu einer
Rechenschaftslegung zu verpflichten und dürfte für das Land Berlin erhebliche
wirtschaftliche Nachteile bringen. Darüber hinaus dürfte eine derart
umfängliche Berichtspflicht letztlich unpraktikabel sein. Das wird insbesondere deutlich, wenn man beachtet, dass z.B.
dem Betreiber des Klettergartens in der Jungfernheide auch das Recht, werblich
an den Eingängen auf sein Angebot hinzuweisen, eingeräumt worden ist. Auch
derartige Flächen müssten nach dem BVV-Beschluss in die Rechenschaft fließen.
Ebenso z.B. Bauzaunflächen an der Tauentzienstraße während der Neuanlage des
Mittelstreifens, soweit dort Werbung generiert werden könnte. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass die Schulen im
Rahmen ihrer Eigenverantwortlichkeit auch Werbeverträge nach der AllA Werbung
abschließen dürfen, ohne dass das Bezirksamt unterrichtet werden müsste.
Abschließend sagt das Bezirksamt jedoch auch hier zu, über Vertragsabschlüsse
im Zusammenhang mit temporärer Großwerbung an Immobilien des Bezirksamtes im
Zuge von Baumaßnahmen die BVV nach § 15 Satz 1 BezVG zu unterrichten. Das Bezirksamt bittet, den Beschluss daher als erledigt anzusehen. Monika
Thiemen Klaus-Dieter
Gröhler Bezirksbürgermeisterin Stellvertretender
Bezirksbürgermeister |
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