Drucksache - 1443/3  

 
 
Betreff: Transparenz bei Einnahmeverzicht und Werbeerlösen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Ludwig/Dr.Hess/Wendt/Centgraf 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
17.09.2009 
34. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Haushalt und Verwaltungsreform Beratung
06.10.2009 
43. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Haushalt und Verwaltungsreform mit Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
15.10.2009 
35. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Antrag
Beschlussempfehlung
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme

Die BVV möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 15.10.2009 folgenden Beschluss gefasst:

 

„Das Bezirksamt wird aufgefordert, Entwürfe von Verträgen, in denen der Bezirk auf Einnahmen von mehr als 1.000 € pro Monat gegenüber Dritten verzichtet, der BVV vorab zur Kenntnis zu geben. Ein Vertragsschluss ist erst nach der Wahrnehmung dieses Kontrollrechts durch die BVV vorzunehmen.

 

Zudem wird das Bezirksamt aufgefordert, Verträge, in denen dem Vertragspartner das Recht zur Nutzung und/oder Vermietung von Werbeflächen an oder in Gebäuden, Einrichtungen und sonstigen Immobilien des Landes Berlin eingeräumt wird, nur dann abzuschließen, wenn sichergestellt ist, dass eine jährliche Rechenschaftslegung über die Art und Höhe der erzielten Werbeeinnahmen gegenüber dem Bezirksamt erfolgt. Darüber ist die BVV in geeigneter Form zu unterrichten“.

 

Das Bezirksamt führt dazu aus:

 

Der Verzicht auf Einnahmen, auf die ein Anspruch besteht, stellt haushaltsrechtlich einen Erlass dar, der der Regelung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 LHO unterliegt (s. Nr. 3.1 AV zu § 59 LHO: Der Erlass ist eine Maßnahme, mit der auf einen fälligen Anspruch verzichtet wird. Durch den Erlass erlischt der Anspruch).

 

Gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 LHO darf der zuständige Leiter des Verwaltungszweigs Ansprüche nur erlassen, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchs­gegner eine besondere Härte bedeuten würde.

 

Der Verzicht auf Einnahmen i. S. des BVV-Beschlusses ist als Erlass eines Anspruches an das Vorliegen haushaltsrechtlicher Voraussetzungen gebunden, die insbesondere durch Nr. 3 AV zu § 59 LHO zusätzlich definiert werden. Nr. 3.2 AV zu § 59 LHO sieht vor, dass ein Erlass nur zulässig ist, wenn eine Stundung nach Nr. 1 nicht in Betracht kommt. Gemäß Nr. 3.3 AV zu § 59 LHO ist für einen Erlass regel­mäßig ein Antrag des Anspruchsgegners erforderlich. Nach Nr. 3.4 AV zu § 59 LHO ist eine besondere Härte insbesondere anzunehmen, wenn sich der Anspruchsgegner in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befindet und zu besorgen ist, dass die Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führen würde. Nach Nr. 3.5 AV zu § 59 LHO ist die gemäß § 59 Abs. 2 erforderliche Einwilligung der Senatsverwaltung für Finanzen in Fällen von grundsätzlicher oder von erheblicher finanzieller Bedeutung einzuholen. Ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Entscheidung über den Einzelfall hinaus präjudizielle Auswirkungen haben kann. Ein Fall von erheblicher finanzieller Bedeutung ist gegeben, wenn Beträge von mehr als 50.000,00 € erlassen werden sollen. Gemäß Nr. 3.6 AV zu § 59 LHO dürfen ferner im Rahmen der Rechnungsprüfung festgestellte Ansprüche nur nach Anhörung des Rechnungshofes erlassen werden, soweit er nicht auf die Anhörung verzichtet hat.

 

Die Verwaltung ist bei Entscheidungen über den Verzicht auf Einnahmen an die vorbezeichneten restriktiven haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen gebunden. Der Verzicht auf Einnahmen steht nicht im freien Ermessen der Behörde.

 

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BezVG kontrolliert die BVV u. a. die Führung der Geschäfte des Bezirksamtes und trifft in den ihr vorbehaltenen Angelegenheiten Entscheidungen. Entscheidungen über die Veränderung von Ansprüchen nach § 59 LHO gehören grundsätzlich zu den laufenden Geschäften der Verwaltung und stellen keine der BVV zur Entscheidung vorbehaltene Angelegenheit dar.

 

Auch wenn der BVV-Beschluss seinem Wortlaut nach einen Vertragsschluss von der vorausgegangenen Berichtspflicht des Bezirksamtes sowie einer Wahrnehmung des Kontrollrechts durch die BVV abhängig macht und keine eigene Entscheidung der BVV voraussetzt, würde mit seiner Umsetzung für die BVV ein materielles Mitwirkungsrecht zu Geschäften der laufenden Verwaltung begründet. Eine solche systematische Mitwirkung ist bezirksverwaltungsrechtlich nicht vorgesehen und widerspricht der Regelung des

§ 12 Abs. 1 BezVG.

 

Das Bezirksamt wird dem angeregten Verwaltungshandeln daher nicht entsprechen. Angesichts der eingangs dargestellten restriktiven haushaltsrechtlichen Regelungen zu einem Verzicht auf Ansprüche ist auch nicht ersichtlich, dass die Begründung eines zusätzlichen vorausgehenden Mitwirkungsrechts der BVV materiell geboten wäre.

 

Das Bezirksamt behält sich dennoch im Einzelfall vor, insbesondere in Fällen von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung die BVV nach Maßgabe von § 15 Satz 1 BezVG über Entscheidungen gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 LHO zu informieren.

 

Hinsichtlich der Forderung aus Abs. 2 des Beschlusses ist das Bezirksamt der Ansicht, dass es nicht dem üblichen Geschäftsgebaren entspricht, Vertragspartnern des Bezirksamtes in jedem Einzelfall zu einer Rechenschaftslegung zu verpflichten und dürfte für das Land Berlin erhebliche wirtschaftliche Nachteile bringen. Darüber hinaus dürfte eine derart umfängliche Berichtspflicht letztlich unpraktikabel sein.

 

Das wird insbesondere deutlich, wenn man beachtet, dass z.B. dem Betreiber des Klettergartens in der Jungfernheide auch das Recht, werblich an den Eingängen auf sein Angebot hinzuweisen, eingeräumt worden ist. Auch derartige Flächen müssten nach dem BVV-Beschluss in die Rechenschaft fließen. Ebenso z.B. Bauzaunflächen an der Tauentzienstraße während der Neuanlage des Mittelstreifens, soweit dort Werbung generiert werden könnte.

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass die Schulen im Rahmen ihrer Eigenverantwortlichkeit auch Werbeverträge nach der AllA Werbung abschließen dürfen, ohne dass das Bezirksamt unterrichtet werden müsste. Abschließend sagt das Bezirksamt jedoch auch hier zu, über Vertragsabschlüsse im Zusammenhang mit temporärer Großwerbung an Immobilien des Bezirksamtes im Zuge von Baumaßnahmen die BVV nach § 15 Satz 1 BezVG zu unterrichten.

 

Das Bezirksamt bittet, den Beschluss daher als erledigt anzusehen.

 

 

 

 

Monika Thiemen                                                       Klaus-Dieter Gröhler

Bezirksbürgermeisterin                                            Stellvertretender Bezirksbürgermeister

 

 


 

 
 

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