Auszug - Verkehrssicherheit im Bezirk  

 
 
46. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.9
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 18.11.2010 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:10 Anlass: ordentliche Sitzung
1881/3 Verkehrssicherheit im Bezirk
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Schmitt/Evers 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


 

Zur Beantwortung Frau BzStR’in Schmiedhofer:

 

Sehr geehrter Herr Evers, sehr geehrte Damen und Herren, ich muss Ihnen sagen, dass ich mich über diese Anfrage wirklich gefreut habe. Ich tue das nicht immer über alle.

 

Zu 1.

Ich würde sagen, aus meiner Sicht ist ein Teilziel erreicht, nämlich die Ausweitung der Infrastruktur für einen fahrradfreundlichen Bezirk als technische Anlage. Das große Ziel, das Fahrrad als gleichberechtigtes Verkehrsmittel neben dem motorisierten Individualverkehr zu etablieren, ist noch nicht erreicht. Bei der Vorbereitung hab ich festgestellt, dass dieses Ziel seit 1997 in der Straßenverkehrsordnung verankert ist.

Also, wir haben ungefähr ca. 13000 Meter Schutzstreifen zusätzlich angelegt im Bezirk, ich würde sagen, dass sind drei Schritte vor, dass sie immer wieder als Parkplatz missbraucht werden, ist mindestens ein Schritt zurück. Das hat aber viele Gründe und deswegen möchte ich da intensiv drauf eingehen.

 

Es wird ja allgemein die Forderung nach Umstieg aufs Fahrrad von allen begrüßt, ich denke, das geht über alle Parteien, bei den Herren der FDP bin ich mir nicht so sicher, aber so richtig widersprechen, würden sie da wahrscheinlich auch nicht. Also, vom Auto aufs Fahrrad umzusteigen, finden eigentlich alle gut. Die Konsequenz, dass dann die Autofahrer einen Teil ihrer Fahrbahn abtreten müssen, wird dann nicht mehr ganz akzeptiert, d. h. hier ist noch eine ganze Menge Gegensteuerung erforderlich, sowohl durch Überwachung und ordnungsbehördliches Vorgehen, aber vor allem durch Überzeugungsarbeit. Es ist so, dass Bürgerinnen und Bürger die formalen Regeln, denen sie ausgesetzt sind, immer nur teilweise akzeptieren. Ich möchte jetzt gar nicht anfangen mit dem Gebiet der Steuern. Im Verkehrsbereich wird in der Regel akzeptiert, dass man das Auto nicht einfach auf der Straße stehen lässt, also, nicht nur deshalb nicht, weil man dann aufgeschrieben werden könnte und das Auto wird abgeschleppt, sondern auch, wenn man denkt, es geht eigentlich nicht, weil, dann sind ja andere Autos behindert.

 

Diese Einsicht ist in dieser Form z. B. nicht immer gegeben, wenn es darum geht, den Schutzstreifen für die Radfahrer freizuhalten, d. h. ich glaube eine langfristige Veränderung kriegen wir nicht alleine damit hin, dass jetzt die Mitarbeiter von Herrn Schulte sozusagen in großen Heerscharen überall stehen und sagen das ist verboten, sondern es geht auch darum, dass die Einsicht selber wächst. Nun haben viele Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer

ihre straßenverkehrsrechtlichen Kennt­nisse aus einer Zeit, als es noch keine Schutzstreifen gab und Fahrräder waren mehr oder weniger Freizeitinstrumente und bei manchen hat man heute noch das Gefühl, sie denken, das Fahrrad stellt man am besten auf den Dachgepäckträger vom Auto, fährt damit irgendwie ins Grüne, fährt ein wenig rum und dann wieder zurück. Das ist allerdings ungefähr 20 bis 30 Jahre her, dass das noch der allgemeine Stand war. Das heißt, hier ist viel Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, und zwar nicht nur vom ADFC, von denen jetzt niemand anderes erwartet, als z. B. auch vom ADAC, aber auch der Polizei. Also, darauf hinzuweisen, Leute, das ist wirklich ernst gemeint und das macht auch Sinn, den Radfahrerinnen und Radfahrern ihren Raum zu lassen. Man stelle sich nur mal vor, die würden auch alle auf das Auto umsteigen.

 

Es gibt leider viele Autofahrer, die jetzt jenseits der mangelnden Kenntnisse der Straßenverkehrsordnung diese weder akzeptieren noch die Rechte von anderen Verkehrsteilnehmern respektieren. Dazu gehören diejenigen, die gewohnheitsmäßig illegal „in zweiter Reihe“ parken, weil ihnen die Suche nach einem Parkplatz zu mühselig ist, sie zu faul zum Einparkvorgang sind und sich lieber längs vor einen legalen quer angelegten Parkplatz stellen, als sich da mühsam einzufädeln. Ein von mir angesprochener Bürger begründete dies mit der Schonung der Umwelt, die er durch den Manövriervorgang nicht weiter belasten wollte. Diese Verhaltensweise, also, sich einfach mal kurz auf die Straße zu stellen, was dann oft etwas länger ist, findet oft in einer unheimvollen Allianz von Geschäftsinhabern und Restaurantbetreibern gegenüber ihren Kundinnen und Kunden statt.

 

In einigen Bereich ist das „Beparken“ von Schutzstreifen besonders auffällig: Seit der Ein­weihung des Streifens in der Schlüterstraße am 17. Juli letzten Jahres ist dieser Ort ein Überwachungsschwerpunkt des Ordnungsamtes und auch in der Westfälische Straße ist nach Fertigstellung der Fahrbahnarbeiten und des Schutzstrei­fens besonders zu beklagen, dass dort

praktisch keine Verhaltensänderungen zu verzeichnen ist. Es gibt ja offensichtlich wenig Bereitschaft von alleine zum Aufgeben des vermeintlichen Gewohnheitsrechts. Es ist dort oftmals zugeparkt in zweiter Reihe, sogar bis zum Zebrastreifens an der Johann-Sigismund-Straße. Erst letzte Woche erreichte mich die empörte Beschwerde eines Fahrradfahrers, der höflich den Mitarbeiter eines gastronomischen Auslieferbetriebes darauf hingewiesen hat, dass dieser gerade auf dem Fahrradstreifen parke, woraufhin der Geschäftsinhaber selbst zur Tür heraus kam und den Bürger unflätigst beschimpfte. Der Bürger hat dann übrigens die Polizei angerufen und als er dort wieder langfuhr, waren dann keine Autos mehr da.

 

Diese beiden Straßen zeigen die größte Konfliktsituation, gefolgt von der Uhlandstraße. Die anderen sind vergleichsweise unproblematisch, auch die frisch markierten Streifen in der Brandenburgischen Straße, d.h. es kommen Ein- und Ausladevorgänge vor, aber kein Dauerparken.

 

Die Angebotsstreifen sind insgesamt von Radfahrerinnen und -fahrern sehr stark genutzt, vor allem in der warmen Jahreszeit. Die vom Senat vorgelegten Untersuchungen und Strategien sehen den weiteren Ausbau vor und ich sehe dazu auch keinerlei Alternative. Dreh- und Angelpunkt für eine Verbesserung ist, was der STEP Ver­kehr „Durchsetzung der StVO und Rückgewinnung eines Rechts-, Sicherheits-, und Umweltbewusstseins im Straßenverkehr“ nennt und es ist aus Sicht des Bezirksamtes nicht hinnehmbar, dass fehlende Ein­sicht und fehlender Respekt von Autofahrern die erforderliche Verbes­serung der Bedingungen für den Radver­kehr erschwert.

 

So werde ich zusammen mit Kollege Schulte am 8. Dezember in der Westfälischen Straße einen runden Tisch vor Ort bestreiten und wir werden dort noch mal deutlich machen, bei allem Verständnis für die Situation dort, ohne privaten Parkraum, ein Geschäftskonzept, dass Fahrradstreifen als Autoparkplätze missbraucht, kann von uns nicht unterstützt werden.

 

Zu 2.

Das Ordnungsamt hat in diesem Jahr in 171 Einsät­zen bezüglich der Verkehrsüberwachung auf Radstreifen insgesamt 1.800 Anzeigen gefertigt. Es gab noch 170 mündliche Verwarnun­gen, es wurden noch ca. 50 in­formative und aufklärende Bürgergespräche geführt.

 

Ein Parkraumkonzept muss entweder zusätzlichen Parkraum schaffen oder die Nutzung des vorhandenen steuern. Ich gehe jetzt nicht davon aus, dass sie ernsthaft denken, man könnte zusätzliche Parkhäuser bauen, die jenseits der Angliederung an neue Einkaufsmärkte, es ist auch festzustellen, dass die Parkhäuser in der City West, außer zur Weihnachtszeit eher an Unterauslastung leiden.
Das  naheliegendste Parkkonzept  – die Einführung von Anwohnerparkzonen – das Beschäftigte auf den ÖPNV oder private Parkhäuser verweist, dadurch im öffentlichen Straßenland für Kunden mehr Parkvorgänge möglich macht und Anwohnern den Parksuchverkehr erspart, ist  aufgrund des Bürgerbegehrens mit Ihrer Unterstützung für diese Wahlperiode gescheitert. Ein anderes Konzept haben auch die Parteien, die das Bürgerbegehren aktiv unterstützt haben, bisher nicht vorlegt, also wenn Sie vielleicht später eins vortragen, würde ich mich freuen.

 

 

Zu 3.

Radfahrerinnen und Radfahrer sind keine besseren, aber auch keine schlechteren Verkehrsteilnehmer als andere. Sie sind mangels Schutzhülle aber deutlich gefährdeter als die motorisierten Verkehrsteilnehmer, wie die Unfallstatistik eindeutig belegt.  D.h. bei Unfällen, und zwar egal ob sie dritt- oder selbst verschuldetet sind von Fahrradfahrern, tragen sie an den Folgen in der Regel viel schwerer als die motorisierten Gegner, so zeigt die Auswertung der Verkehrsunfallstatistik des Landes.

 

Die ungleiche Gefährdung berücksichtigte das Oberlandesgericht Celle im September diesen Jahres erstmals bei der Rechtsprechung. Eine Mercedes-Fahrerin hatte eine auf der falschen Seite eines Fahrradweges radelnde Frau übersehen, die über die Motorhaube stürzte und sich den Fuß brach. Das Gericht legte dann der Autofahrerin zur Last, sich nicht auf die „Benutzung von Radwegen in falscher Richtung eingestellt zu haben“, obwohl dies häufig vorkomme. Der ADAC ist dazu zitiert worden und sagte, ja es stimmt, es gibt die Pflicht, mit Fehlern anderer Verkehrsteilnehmer zu rechnen und hat darauf hingewiesen, es geht darum, die Schwächeren im Straßenverkehr zu schützen und nichts anderes bedeute die Betriebsgefahr eines PKW. Also, dieses Urteil wird noch weiteres nach sich ziehen.

 

Dann ihre Frage, wie wir Radfahren auf dem Gehweg finden, auch das ist eine Ordnungswidrigkeit, die wurde auch vom Ordnungsamt geahndet. In diesem Jahr wurden gegenüber Radfahrer auf dem Gehweg 238 Verwarnungen ausgesprochen und 145 Anzeigen gefertigt.

 

Zu 5.

Die Verkehrssituation ist an Grundschulen, wo das in Phänomen des Bringedienstes häufig auftritt, schwierig bis katastrophal. Es ist besonders dann dramatisch, wenn die Straßen eng und Ausweichmanöver schwierig sind, wie in Eichkamp bzw. der Delbrückstraße. Das Bezirksamt und die Polizei übernehmen seit Jahren jährlich und turnusmäßig verschiedene Aktivitäten mit und ohne Polizei, die allerdings leider nicht zu nachhaltigen Änderungen führen, es sind natürlich immer wieder neue Elterngenerationen, also, es ist oft so, dass die Eltern sagen, bei uns geht es nicht anders, aber das machen eben sehr viele. Wir haben Begleitdienste angeboten, die nicht in Anspruch genommen wurden, als die die Kinder zur Schule gebracht hätten.

 

Bei Schwerpunkteinsätzen zur Verkehrssituation im Umfeld von Schulen sind 263 Anzeigen gefertigt worden, 22 mündliche Verwar­nungen ausgesprochen und 49 Bürgergespräche geführt worden. Die Bereiche um Schulen im Rahmen der Bestreifung wird vom Ordnungsamt regelmäßig kontrolliert, die dabei gefertigten Anzeigen werden jedoch nicht gesondert erfasst.

 

Immer zu Beginn des Schuljahres gibt es Gespräche und Aktivitäten mit der Polizei, gerne auch bei Elternabenden und wir werden diese Einsätze auch weiter fortsetzen.

 

Die Direktion 2 der Polizei hat auf Bitte um Stellungnahme u. a. Folgendes ausgeführt:

 

Die Berliner Polizei führte Anfang November eine Verkehrsüberwa­chungsaktion „Dunkle Jahreszeit“ mit dem Schwerpunkt Beleuchtungs­einrichtungen an Fahrrädern durch. Im Ergebnis wurden dabei allein in der Direktion 2 1349 Radfahrer kon­trolliert und 105 Mängelberichte sowie 133 Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen nicht vorschriftsgemäßer bzw. nicht benutzter Beleuchtungsein­richtung gefertigt.

Der ADFC, mit dem wir eng zusammenarbeiten, führt immer wieder Aktionen durch, in denen Fahrradfahrer auf die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen hingewiesen werden – ja auch in ihrem eigenen Interesse, wie Sie ja bei Ihrer Einbringung erwähnt haben.

 

 

 
 

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