Auszug - b) Anfragen der Ausschussmitglieder  

 
 
11. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Umweltschutz
TOP: Ö 2.2
Gremium: Bildung, Kultur und Umweltschutz Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 12.09.2012 Status: öffentlich
Zeit: 18:05 - 20:30 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: Sitzungsraum 121
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
 
Wortprotokoll

Herr Kryzynski (Musikschulleiter) berichtet, dass die neuen Ausführungsvorschriften mit Wirkung zum 01

Herr Dr. Burholt erbat in der Sitzung vom 15.08. nähere Informationen zur AV Honorare der Musikschulen. Der Fachbereichsleiter, Herr Udo Krzyzynski, führt dazu Folgendes aus:

  1. Die feststehenden Fakten
    Die am 10. Juli 2012 beschlossenen Ausführungsvorschriften wurden mit Wirkung zum 1. August 2012 in Kraft gesetzt. Wegen des eklatant kurzen Vorlaufes von zwei Wochen (Umstellung tausender laufender und rechtsgültiger Honorarverträge im Land Berlin), zudem der Übergabe mitten in den Sommerferien, sowie aufgrund der weiterhin bestehenden Hinweise aus den Bezirken auf die Notwendigkeit einer Untersetzung bestimmter Verfahrensänderungen durch eine angepasste/ neu einzuführende EDV-Fachanwendung wurde eine Übergangsfrist bis April 2013 (Einführungstermin der neuen Fachsoftware) eingeräumt, während der die laufenden Verträge noch ihre Geltung behalten sollen und die neuen Vertragsbedingungen nur auf in dieser Zeit neu beschäftigte Honorarkräfte Anwendung finden. Es wird angestrebt, zur Vermeidung unnötiger Friktionen die Umstellung der laufenden Verträge in allen zwölf Bezirken zum gleichen Zeitpunkt mit gleichem Verfahren durchzuführen. Um diesen Prozess zu konzipieren und die Umsetzung zu synchronisieren, wurde von den Amtsleitungen eine AG - bestehend aus Musikschul- und Verwaltungsleitungen - eingesetzt, die ihre Arbeit aufgenommen hat.
     
  2. Was ändert sich?
    Aufgrund einer Anpassungsklausel in den bisherigen (wie auch den neuen) Ausführungsvorschriften folgen die Honorarsätze der Entwicklung der tariflichen Entgelte für die Angestellten des Landes Berlin. Aus diesem Grund war eine pauschale Honorarerhöhung überfällig, wurde zeitgleich mit der Einführung der neuen AV´s umgesetzt, hat aber zwingend nichts mit diesem Vorgang zu tun. Da die dadurch entstehenden Mehrkosten nach heftigen Protesten aus den Bezirken nunmehr durch das Land getragen werden, sind sie hier nicht weiter zu betrachten.
            Die entscheidenden Veränderungen gehen auf Vermeidungsstrategien zur Fest-stellung von Scheinselbständigkeit zurück und haben alle zum Ziel, Indizien für eine mögliche "Einbindung in den Betrieb" zu vermeiden. Daraus resultiert, dass es keinerlei Weisungsgebundenheit gibt und jegliche Arbeitsgrundlage nur aus Vereinbarungen im gegenseitigen Einvernehmen bestehen kann. Daraus resultiert auch, dass über jede Tätigkeit, die über den Unterricht und seine unmittelbare Vor- oder Nachbereitung hinausgeht, schriftliche Vereinbarungen zu treffen sind und diese Tätigkeiten zu honorieren sind. Zu guter Letzt darf nicht mehr nach dem bisher unbeanstandeten Modell der Jahreswochenstundenhonorierung gezahlt werden, sondern nur nach Einzelabrechnung.
    Die Notwendigkeit, außerunterrichtliche Tätigkeiten extra zu honorieren, führte zu strukturellen Veränderungen in der Honorarordnung, die der Senat verpflichtend vorgibt: neu eingeführt wurden jetzt auch differenzierte Honorarsätze für außerunterrichtliche Tätigkeiten (z.B. Veranstaltungen, Prüfungen, Konferenzen etc.) sowie ein "Zuschlag" für die Lehrkräfte z.B. im Elementarbereich wegen des anerkannten erhöhten Vor- und Nachbereitungsaufwandes.
     
  3. Rechtssicherheit der Verträge
    Zusammen mit den neuen Ausführungsvorschriften gibt es einen Musterhonorar-vertrag, den die Senatsverwaltung als rechtssicher in Hinblick auf die Vermeidung des Verdachts der Scheinselbständigkeit propagiert. Nach teilweise auch hier kontroverser Diskussion in den Bezirken wird eine Tendenz erkennbar, dieses Vertragsmuster 1:1 zu übernehmen, um - ohne in einen weiteren Prüfungsprozess einzusteigen - ein evtl. Prozessrisiko diesbezüglich beim Land zu belassen. Somit gäbe es eine Klarheit hinsichtlich der formellen Bedingungen für die versicherungsrechtlich unbedenkliche Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings wird durch die damit gegebene Schärfung des Profils "freier Mitarbeiter" auch das weitere Aufreißen einer Lücke in Kauf genommen, die bislang nicht aufgebrochen ist. Dazu folgender Exkurs.
     
  4. "Theorie ist, wenn alle wissen, wie´s geht, und nichts funktioniert." -
    "Praxis ist, wenn alles funktioniert, und keiner weiß warum."
    Sicher sind die neuen Ausführungsvorschriften geeignet, bei Lektüre keinen formellen Anknüpfungspunkt für den Verdacht der Scheinselbständigkeit zu liefern. Die juristische Beurteilung eines Sachverhaltes macht sich aber nicht am Papier, sondern an der "gelebten Praxis" fest. Und hier geraten die Musikschulleitungen in eine Zerreißprobe, denn jedermann dürfte wohl mitgehen, dass es vornehmste Aufgabe einer Leitung ist, bei den Beschäftigten ein Höchstmaß an Identifikation mit der Einrichtung zu bewirken. Viele der in dem (wasserdichten) Papier und den sie begleitenden Umsetzungshinweisen der Senatsverwaltung nunmehr fixierten Auflagen und Organisationseinschränkungen beschreiben eine Praxis, die aus fachlicher Sicht absurd ist.
    Wir sind durch das Schulgesetz § 124 zum Qualitätsmanagement verpflichtet: "Zur Sicherung der Qualität ihres Bildungsangebotes sind die Musikschulen verpflichtet, geeignete Verfahren der Qualitätssicherung einschließlich regelmäßiger Selbstevaluationen durchzuführen und die ständige Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherzustellen." Das stößt sehr schnell an seine Grenze, da wir zu 90 % mit freien MitarbeiterInnen arbeiten. Wir Musikschulleitungen können nicht einmal Ort und Zeit der Unterrichtserbringung vorgeben.
    Abgesehen von dem Umstand, dass - wenn Honorarkräfte zukünftig für jegliches "Einbringen" honoriert werden müssen - die dadurch ausgewiesenen "Echtkosten" die Differenz zu den Kosten einer Festanstellung immer weiter zusammenschmelzen lassen und abgesehen von dem jahrelangen und letztlich ja gelungenen Balanceakt zwischen sozialem Frieden und möglichst weitgehender Einbindung in den Betrieb (Künstler und Pädagogen müssen sich identifizieren können, sonst bleibt ihr Tun hohl) lassen sich die Verwerfungen am Beispiel Kooperation mit Schule sehr deutlich erkennen.
    Im gesamten Kultur- und Bildungswesen der Bundesrepublik wird nur noch in vernetzten Strukturen gedacht. In den Papieren des Deutschen Städtetages, dem noch ganz frischen KGSt-Gutachten Musikschule (KGSt=Kommunale Gemein-schaftsstelle für Verwaltungsmanagement) aus 2012, letztlich auch in der SRO-Philosophie wird nur noch von "Bildungslandschaften" geredet. Denken Sie an "Musisches Bildungszentrum" oder "Bildungsverbund Pankstraße" oder andere. Ich verstehe das als Auftrag und Verpflichtung zugleich. Grundschule und Musikschule müssen im Interesse der gleichen Kinder Seite an Seite agieren.


Die Musikschule im Bezirk Mitte geht - wie kaum eine andere in Berlin - auf dieser Strecke voran. Die Musikschule Fanny Hensel akquiriert z.Z. jährlich rd. 50.000 Euro Landesmittel aus einem Projekttopf zusätzlich, um in einem großangelegten Modellprojekt die Möglichkeiten der Kooperation mit Grundschulen auszuloten, zu Konzepten zu finden und möglicherweise in neuen Strukturen zu verstetigen. Im Zusammenhang mit dem Bildungsverbund gibt es mittlerweile Fachzirkel, die sich mit gemeinsamen pädagogischen Konzepten zwischen den Partnern beschäftigen. Nur in guter inhaltlicher Abstimmung können die Synergien entstehen, von denen die Kinder profitieren und nur dadurch verdient das Projekt die Bezeichnung Kooperation. Die neuen AV´s verhindern das. Kooperationen, die sich tatsächlich auf fachlichen Diskurs stützen und inhaltlich pädagogisch zielgerichtet arbeiten, können nach der strengen Lehre nur mit festangestelltem Personal durchgeführt werden. Dies ist dem Senat mehrfach rückgemeldet worden.
 

  1. Was bleibt zu klären?

Für das Veränderungsmanagement:

Wie lange dauert die Übergangslösung? Wann kommt die neue Software?

 

Für den unabweisbaren Prozess der Änderungskündigungen aller Honorarkräfte:

Wann und wie werden die laufenden Verträge umgestellt?

Wann und wie wird was mit den Betroffenen kommuniziert?

 

Für die Lücke zwischen Theorie und Praxis:

Wann wird sich das Land endlich mit belastbare Regelungen für die Kooperation zwischen Schule und Musikschule befassen?

Wenn der "Schutzschild Modellprojekt" für die Musikschule Fanny Hensel ausläuft, kann ich systematische Kooperationsprojekte mit Honorarkräften zum Schutz des Bezirkes vor Prozessrisiken nicht mehr verantworten.

 

 

 

 
 

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