Auszug - Bedarfsgerechter Wohnraum für Rollstuhl-Nutzer/innen BE: Frau Knuth, Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, BA-Mitte (ca. 40 min.)  

 
 
28. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Bürgerdienste
TOP: Ö 2.3
Gremium: Soziales und Bürgerdienste Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 09.06.2009 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 20:26 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll

Frau Knuth dankt für die Einladung und betont, dass sie nur aus der Sicht einer Vermittlerin berichten kann

Frau Knuth dankt für die Einladung und betont, dass sie nur aus der Sicht einer Vermittlerin berichten kann.
Ein Umzug oder ein Wohnungswechsel ist für jede(n) Rollstuhlfahrer/in äußerst schwierig und ist mit großer Arbeit verbunden. Es treten große Herausforderungen nicht nur für die Wohnungssuchenden, sondern auch für die betreffenden Ämter auf, die diese Leistung gewähren. Rollstuhlfahrer/innen haben entsprechend ihrer Behinderung einen ganz individuellen Bedarf, der seitens der/des Sachbearbeiter/in im Amt Soziales, Jugend und im JobCenter nicht nach Aktenlage festzustellen ist und der gesetzlich nur wage umschrieben wird. Die spezielle Problematik liegt in der sehr individuellen Bedarfslage begründet, die weder durch Tabellen noch durch Richtwerte verallgemeinert werden können. Z. B. ist es wichtig, ob ein(e) Rollstuhlnutzer/in mobil ist, nutzt sie/er den ÖPNV, dann benötigt sie/er eine ganz andere Wohnungsanbindung als jemand, der bettlägerig ist und die Wohnung nicht mehr verlassen kann, oder ist ein(e) Rollstuhlfahrer/in noch so mobil, das sie/er auch Tätigkeiten in ihrer/seiner Wohnung wie Pflege an sich selbst wahrnehmen kann, dann bedarf sie/er eines ganz anderen Platzes, als Menschen, die gepflegt werden. Hier ist häufig die Schwierigkeit vorhanden, wer das feststellen kann, wer hat so viel Zeit und wer legt fest, welcher passende Wohnraum es sein könnte. Neben dem Vorhandensein eines Wohnberechtigungsscheines wurde seitens der Leistungsträger auch immer Wert auf eine konkrete Stellungnahme des Sozialdienstes gelegt, um so eine Beschreibung der aktuellen Wohnsituation sowie einen Überblick über den individuellen Bedarf zu erhalten. Diese Stellungnahmen entsprachen aber nicht immer den Erwartungen, da sie oft zu allgemein abgefasst waren oder keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Kollegen/innen aus dem Sozialamt darstellten. Hier muss man auch ganz klar sagen, dass es keine passende Wohnung für alle Rollstuhlnutzer/innen gibt, weil die Bedarfe absolut unterschiedlich sind. Hinzu kommt, dass es keine zentrale Vermittlungsstelle für Rollstuhlnutzer/innen gibt. Die Stelle im Landesamt für Gesundheit und Soziales ist weggefallen und jetzt können sich wohnungssuchende Rollstuhlnutzer/innen über www.rb-wohnungen.de berlinweit orientierten, wo es Wohnungen für sie gibt. Problem ist aber, dass die Wohnungen, die vom Landesamt für Gesundheit und Soziales von den Vermietern gemeldet, dort veröffentlicht werden, so dürftig seien, dass sich niemand eine Wohnung aussuchen würde, denn dort sind nur 2 Zimmer = Miete = Etage aufgelistet. Dort ist nicht enthalten, ob z. B. im Bad genügend Bewegungsfläche für einen Rollstuhl, ob dort eine Dusche, ob eine Badewanne etc. vorhanden ist. Es gibt nur eine Übersicht über die Miethöhe. Das Amt hat nicht die Möglichkeit zu schauen, wie sind die Grundrisse, entspricht der Bedarf der notwendigen Wohnung. All diese Dinge kommen noch erschwerend hinzu. Weiterhin meint Frau Knuth, dass der repräsentierte Wohnraum auf der Internetseite nicht verlässlich bedarfsgerecht sei.

Die Ausführungsvorschrift Wohnen, die im März 2009 diese Problematik mehr akzentuierte, ändert aber an der Umsetzung des Sachverhalts wenig. Diese Problematik betrifft sowohl das Sozialamt, das JobCenter, das Jugendamt gleichermaßen. Die Wohnungsbaugesellschaften und Vermieter widmen sich dieser Thematik zunehmend, auch unter dem Aspekt der demografischen Wende, bieten jedoch langjährigen Mietern/innen noch zu wenig Service, Alternativen (z. B. Unterstellmöglichkeiten für die Rollsstühle, Rollatoren, Wohnungsanpassung usw.). Die Finanzierungen sind immer auf der Seite des Mieters, niemals sind hier die Wohnungsbaugesellschaften gefordert, jetzt etwas dafür zu tun.
Abschließend teilt Frau Knuth mit, dass das gesamte Thema nicht neu und nicht intensiv ist und man hat keinen Überblick, was eigentlich gefordert ist und was sich hinter den Wohnungsangeboten verbirgt. Für die Betreffenden, die Wohnungen suchen, wäre es günstig sowie auch für die Kollegen/innen, die darüber zu entscheiden haben, dass man sich über einen Rahmen einigt.

 

Frau BD Westphal (CDU) fragt, ob es noch die Stelle in der Senatsverwaltung gibt, die für Wohnraum für Rollstuhlnutzer/innen zuständig ist und die sich zu Fragen der Gesundheit und entsprechende Angebote kümmert. Das verteilte Merkblatt findet Frau Westphal nicht gut. Sie würde einen Fragekatalog gut finden, welche Art von Rollstuhl wird benötigt, Frage Transport Kfz oder welchen Bewegungsspielraum hat der Rollstuhl. Frau Knuth teilt mit, dass es die Stelle bei der Senatsverwaltung nicht mehr gibt. Nach dem Wegfall der Stelle wurde das Angebot ins Internet gestellt.

 

Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) bezieht sich auf die von Frau Knuth erwähnte Checkliste und möchte wissen, wer diese erstellen könnte. Wie könnte der Gesundheitsausschuss mitarbeiten. Frau Knuth teilt mit, dass sie die Checkliste vorbereitet hat und dem Ausschuss zur Diskussion stellt.

 

Herr BD Radloff-Gleitze (SPD) meint, dass das rollstuhlgerechte Wohnen nicht nur ein Problem in Mitte darstellt, sondern in allen Bezirken. Berlin hat einen Landesbeauftragten für Behinderte bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Er fragt, in wie weit der Landesbeauftragte für Behinderte mit eingebunden ist. Er fragt Frau Knuth, in wie weit sie Kontakte zu anderen Kollegen/innen in den anderen Bezirken hat. Wie sieht dort die Problematik aus. Frau Knuth teilt mit, dass das gesamte Problem auch die anderen Bezirke haben. Sie bezieht sich auf ein Projekt, welches vom VDK „Hausblick“ ins Leben gerufen wurde und die z. B. recherchierten, wer über keinen Internetzugang verfügt. Leider gibt es dieses Projekt nicht mehr.

 

Frau BV Dr. Reuter (Die Linke) fragt, ob der Bezirk Mitte Einfluss auf die Internetangebote nehmen könnte, Angebote besser ins Internet zu stellen. Frau Knuth berichtet, dass der Verein MOBIDAT Daten ins Netz stellt. Frau Knuth und der Verein sind an den Landesbeauftragten herangetreten und baten um Unterstützung, in dem sie die angebotenen Wohnungen recherchieren. Frau Knuth bemerkt, dass das bisher sehr lange dauert. Sie würde das Landesamt für Gesundheit und Soziales an seine Verantwortung erinnern.

 

Frau BD Westphal (CDU) bezieht sich auf die Checkliste und schlägt vor, sich mit Herrn BzStR von Dassel zusammen zu setzen, um die Liste zu überarbeiten und zu schauen, in wie weit sie tragfähig ist. Die Liste soll dann an den Landesbeauftragten für Behinderten übergeben werden mit der Bitte, die Wohnungsbaugesellschaften im gesamten Land zu animieren. Über den Landesbeauftragen sollen das LASOZ und die anderen Bezirke mit ins Boot geholt werden. Damit soll eine Grundlage geschaffen werden.

 

Herr von Dassel dankt für die Anregungen. Er meint, Menschen sollen möglichst lange selbständig in ihre Wohnungen leben können, damit weniger finanzielle Unterstützung durch Dritte benötigt wird.
Zum JobCenter bemerkt er, dass das JobCenter vorrangig Menschen hat, die erwerbsfähig sind. Das trifft weniger auf die Rollstuhlfahrer/innen zu. Er begrüßt, mit einer Checkliste zu arbeiten. Auch sei es wichtig, die Landesebene in die Pflicht zu nehmen. Er bezweifelt, dass es gelingen wird, ein virtuelles Angebot so detailliert darstellen zu können, dass man vom Schreibtisch aus erkennen kann, ob das alle Anforderungen erfüllt. Eine Vorortbegehung würde er als sinnvoller erachten. Er sagt zu, an der Checkliste zu arbeiten, damit eine Bestandsaufnahme für alle gleichlautend abgewickelt werden kann. Herr von Dassel wird dieses Thema mit den Stadträten aus den anderen Bezirken diskutieren, weil sich die Landesebene und die Senatsverwaltung aus ihrer Verantwortung gezogen haben.

 

Der Vorsitzende, Herr Allendorf, fragt die Ausschussmitglieder, ob sie einen Antrag einbringen könnten, der das Bezirksamt bei der Senatsverwaltung unterstützen könnte.

 

Herr BV Rauskolb (CDU) würde das nicht tun. Er meint, wenn das Bezirksamt eine Aufgabe als Aufgabe erkannt hat, dann sieht er die Verantwortung als Bezirksverordneter nicht darin, noch einmal zusätzlich das Bezirksamt aufzufordern, etwas zu tun nur damit es bei der Senatsverwaltung vielleicht Eindruck machen könnte.

 

Der Vorsitzende, Herr Allendorf, wird mit Frau Knuth in Kontakt bleiben, wie weiter mit diesem Problem umgegangen wird.

Abschließend dankt er Frau Knuth für die Ausführungen und für die Beantwortung der gestellten Fragen.

 
 

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