Auszug - AWO-Projekt. Refugium Gotenburger Straße, Herr Grunewald stellt das Projekt, die Entwicklung (seit Räumung Haus in der Kameruner Str.) und Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Mitte vor.  

 
 
37. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit
TOP: Ö 7.2
Gremium: Soziales und Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 14.01.2020 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 20:05 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: Sitzungsraum 121
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
 
Wortprotokoll

Herr Grunewald dankt für die Einladung und gibt dem Ausschuss einen Überblick, wie die Einrichtung in der Gothenburger Straße laufe. Im letzten Jahr wurden viele Anfragen von der BVV gestellt. Herr Grunewald teilt mit, dass die Einrichtung in der Gothenburger Straße bis 2017 eine Notunterkunft für geflüchtete Menschen war und wurde dann geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war geplant, das Objekt in eine Obdachloseneinrichtung r Familien übergehen zu lassen, bis irgendwann einmal die Schulsanierung beginne, damit das Gebäude nicht verfalle. Unglücklicherweise kam dann der Notstand der Schließung in der Kameruner Straße, so dass das Jugendamt in der Gothenburger Straße 24 Familien (101 Personen = 24 Familien; 14 Kinder von 0 bis 5 Jahre und 33 Kinder von 6 bis 17 Jahre sowie 19 Kinder ohne Schulbesuch) einquartieren musste. Die Anfangszeit war sehr schwierig, weil die meisten Familien kaum Leistungen (auch ohne Krankenversicherung) vom BA bekamen. Viele Kinder waren nicht in den Schulen. Ein Clearing fand dann über das Jugendamt mit Lebenshilfe e.V. statt. Für jede Familie sollte ein Antrag beim Jobcenter gestellt werden. Es habe sich herausgestellt, dass 21 Familien nicht anspruchsberichtigt für Leistungen waren. Man habe dann nach und nach versucht, die Familien in die richtige Richtung zu lenken. Mit Stand vom 31.12.2019 gebe es noch 16 Personen (1 Kind von 0 bis 5 Jahre, 4 Kinder von 6 bis 12 Jahre, und 3 Kinder bis 17 Jahre, ein Kind davon verweigere die Schule und sei Mutter geworden; sie lebt immer noch in der Einrichtung) aus dem ehemaligen Gebäude der Kameruner Straße, die alle im Leistungsbezug seien. Der Bezirk Mitte muss sich nicht mehr Gedanken darüber machen, wie er das finanzieren müsste und wie sei die Unterbringung. Die Personen seien auch krankenversichert. Die Bewohner/-innen aus der Kameruner Straße hatten von Anbeginn an einen sehr hohen Bedarf an sozialbetreuerischer Unterstützung. Viele hatten keine Papiere, keine Unterlagen, so dass man schauen musste, wie geht es mit den Familien weiter. Man habe sich immer in Absprache mit dem Sozialamt gegenseitig informiert: was könnte man tun, was könnte man machen. Herr Grunewald betont, dass die Arbeit so fortgeführt werden sollte, wie bei den geflüchteten Menschen. Die Personen sollen zur Selbständigkeit, sie sollen zu eigenständigen Tätigkeiten gebracht werden. Sie sollen selbst in der Lage sein z. B. Anträge stellen oder Ämter besuchen etc. Die Familien wurden dahingehend unterstützt und man habe auch versucht, die entsprechenden Netzwerke einzubinden (wie die Caritas, Romaverein). Das schwierige sei, dass die Menschen zwar einmal dort hingehen, aber dann nicht mehr. Die meisten bulgarischen Bewohner/-innen sprechen nur rkisch und die dort anzubinden, sei sehr schwierig. Die Bemühungen des AWO-Projektes haben aufgezeigt, dass die Familien aus der Kamerumer Straße in den Leistungsbezug gebracht wurden, sie unterstützen bei den Schulden, es wurde versucht, einen regelmäßen Tagesablauf zu gestalten (ein Hauptproblem sei, die Männer kümmern sich fast gar nicht um ihre Familien und die Frauen seien mit ihren Kindern völlig überfordert). Das sei nur durch die gute Zusammenarbeit mit dem Bezirk Mitte zu schaffen, nicht nur mit dem Sozialamt, auch mit dem KJGD, Schulamt und Jugendamt. Herr Grunewald betont, dass diese Obdachlosen es eigentlich soweit geschafft haben. Es handele sich um eine gemischte Belegung in dem Objekt Gothenburger Straße (Familien aus der Kameruner Straße, normale obdachlose Menschen aus der EU und Familien aus dem ehemaligen geflüchteten Bereich). Die anfänglichen Bedenken hinsichtlich der gemischten Belegungen haben sich nicht bestätigt. Zwischenmenschliche Probleme gebe es aber immer mal, aber im Großen und Ganzen funktioniere alles. Besonders freut sich Herr Grunewald daber, dass die Kinder miteinander klarkommen. Es wurde festgestellt, mit den Erwachsenen zu arbeiten, sei sehr schwer (man bekommt sie schwer aus ihrer Lebensstruktur heraus) und deshalb lege man einen hohen Fokus auf die Kinder (dass sie regelmäßig die Schule besuchen usw.).
Zusammenfassend teilt Herr Grunewald mit, dass von den 101 Bewohnern/-innen 85 Personen = 10 Familien ausgezogen seien. Davon haben 41 Personen eine Wohnung bekommen. Es gab einen Todesfall; 9 Personen = Zuständigkeitswechsel, 9 Personen = Wohnheimwechsel, 1 Familie = Mutter-Kind-Heim, 23 Personen über Nacht verschwunden.
Die Einrichtung habe seit dem 13.10. 374 Personen betreut, 256 Personen seien ausgezogen. Davon haben insgesamt 25 Familien eine Wohnung bekommen. Der Fokus werde daraufgelegt, Menschen aus der Obdachlosigkeit zu holen und dass sie ein normales Regelleben führen können.
 

Abschließend vermittelt Herr Grunewald, dass jetzt wieder verstärkt obdachlose Familien hinzukommen, die keinen Leistungsbezug bekommen, weil sie aus Bulgarien zurück seien. Die Kollegen der Einrichtung fangen immer wieder bei Null an.

Herr Grunewald betont, dass das Sozialamt im Bezirk Mitte in Bezug auf die Obdachlosen eine sehr gute Arbeit leiste und ein sehr guter Ansprechpartner sei. Auch betont er, dass die Einrichtung so weiter geführt werde bis 2021, wenn dann der Schulbau beginnen werde.

Aktuellen Stand per heute: 130 Personen (10 Nationalitäten: Bosnien, Bulgarien, Deutschland, Kroatien, Moldavien, Libanon, Rumänien, Polen, Syrien und Palästinenser, die als ungeklärt laufen). Davon gebe es insgesamt 75 Kinder (22 Kinder von 0 bis 5 Jahre, 30 Kinder von 6 bis 12 Jahre, 24 Kinder von 13 bis 18 Jahre).
Da es einige Familien gebe, die es nicht schaffen, in ihren Regelalltag hinein zu kommen, werde man noch einmal mit dem Sozialamt des Bezirks Mitte Kontakt aufnehmen, damit diese Familien durch andere nachhaltige Hilfen unterstützt werden können. Die Familien könnten in der Gothenburger Straße gezielt betreut werden. Möglichkeiten würden bestehen.

 

Herr Grunewald lädt die Bezirksverordneten ein, das Gebäude in der Gothenburger Straße zu besuchen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Somit könnte man sich einen guten Einblick über die Einrichtung verschaffen und bräuchte nicht ständig viele Anfragen stellen, die nur auf dem Papier beantwortet werden. Auch schlägt Herr Grunewald vor, dass der Ausschuss für Soziales und Gesundheit eine Ausschusssitzung dort durchhren könnte.

 

Herr BV Kurt (Grüne) kritisiert das Bezirksamt. Es werde von einem Modellprojekt von 2018 gesprochen und 2019 wieder. Es wurde darin festgelegt, dass eine pflegerische Versorgung zur Verfügung gestellt werde. Die BVV habe keine Info erhalten. Zu Beginn ging es in der Gothenburger Straße um die Frage, was mit dem Gebäude in der Kameruner Straße geschehe? Die BVV und das BA meinte, dass das Gebäude instandgesetzt werden könnte, damit die Bewohner/-innen wieder in die Kameruner Straße zurückziehennnen. Die Idee habe sich dann ein wenig zerschlagen. Der Eigentümer fange jetzt mit den Reparaturen an. Herr Kurt hätte sich gewünscht, dass diese Diskussion früher hätte geführt werden müssen auch im Hinblick auf den Senat. Auf die Anfrage von Herrn Kurt von 2018 wurde geantwortet, dass Herr BzStR Gothe alles gut findet und es gebe keine Kritik. Fakt sei aber, dass der Senat Geld bereitgestellt habe für eine Unterkunft für obdachlose Familien. Diese Unterkunft gebe es jetzt in Reinickendorf. Für dieses Geld hätte sich auch der Bezirk Mitte bewerben können. Die Fraktion Bü90/Die Grünen frage sich, wo möchte man jetzt hin? Problem bestehe darin, dass der Bezirk Mitte immer mehr obdachlose Menschen habe und dass sie in vielen „Schrottimmobilien“ leben. Deshalb habe seine Faktion angefragt, dass sich das Bezirksamt Mitte die Menschen in den „Schrottimmobilien“ anschauen möge und wie man an diese Menschen herankommen könnte. Darauf habe das Bezirksamt nicht geantwortet. Es war Herrn Kurt nicht klar, dass es eine Unterkunft für obdachlose Familien hier gebe. Er findet das gut.
Er fragt nach,

  • ob Personen zugewiesen werden?
  • Laufe die Finanzierung über den Bezirk?
  • Werde zusätzlich etwas beantragt und finanziert über die Kältehilfe?

 

Herr BzStR Gothe vermittelt, dass das Bezirksamt Mitte erklärte, dass das Gebäude in der Kameruner Straße unbewohnbar sei und dass die Menschen, die dort wohnen so schnell wie möglich ausquartiert werden müssen. Es bot sich an, diese Menschen in das Gebäude in der Gothenburger Straße einzuquartieren, weil dort die Flüchtlingsunterbringung ausgelaufen war. Der Vertrag wurde verlängert. Das Bezirksamt Mitte habe das Haus in der Kameruner Straße geprüft, ob man es beschlagnahmen dürfe; leider führte kein Weg hinein.
Herr Dr. Schlese teilt ergänzend mit, dass das Gebäude in der Gothenburger Straße das Modellprojekt sei. Es gebe kein vergleichbares Projekt in Berlin, wo obdachlose Menschen aus verschiedenen Nationen so intensiv betreut, an eine Integration herangeführt werden, wie in diesem Objekt, deshalb sei dieses Objekt dem Bezirksamt Mitte auch so ans Herz gewachsen. Er bedankt sich in aller Form bei der AWO für ihre Bereitschaft, sich so intensiv einzusetzen. Im Laufe der Zeit konnte man die finanzielle Situation verbessern. Er verstehe die Kritik nicht.

 

Frau BV Linnemann (SPD) dankt für die Vorstellung und begrüßt, dass viele Familien in Wohnraum untergebracht werden konnten. Es gebe viele Menschen aus dem Gebäude der Kameruner Straße als auch insgesamt mit unbekanntem Aufenthalt. Sie fragt nach, ob man nachverfolgen könne, wo diese Menschen hingezogen seien und ob man das nachvollverfolgen könne, welche Unterstützungsleistungen es möglicherweise gebe? Sie sorgt sich um die Kinder mit unbekanntem Aufenthalt. An das Bezirksamt gerichtet meint sie, da der Standort Gothenburger Straße wieder als Schulstandort hergerichtet werde, ob das Bezirksamt Mitte dieses Modellprojekt weiter fortführenchte?

 

Auch dem Vorsitzenden, Herrn Lötzer, war das Modellprojekt lange nicht bekannt. Aus dem Bericht von Herrn Grunewald entnehme er, dass das Modellprojekt dringend erhalten bleiben müsse. Ab April 2021 benötige man eine Anschlusslösung. Er fragt nach, wie momentan die Möglichkeiten seien, dieses Modellprojekt zu verstetigen?

 

Herr BzStR Gothe teilt mit, dass das Problem in vielen Einrichtungen auftrete, dass obdachlose Menschen ihren Aufenthalt mit unbekanntem Ziel verlassen. In einigen Fällen haben diese Menschen eine Wohnung selbst gefunden. Das habe sich in den Belegungszahlen bzw. Zuständigkeitszahlen niedergeschlagen. Die Zahl, für die Mitte zuständig war (7.000 Menschen) sei gesunken, auch wegen des Zuständigkeitswechsels. Leider weiß man nicht, wo diese Menschen geblieben seien. Man müsse davon ausgehen, dass viele Menschen selbständig eine Wohnung gefunden haben. Die Idee, sie zu finden und weiter zu betreuen, findet Herr Gothe richtig, aber es sei kein schlechtes Zeichen, wenn Menschen aus so einer Einrichtung gehen und eine Wohnung finden.
Des Weiteren vermittelt Herr Gothe, dass es eine Fortführung des Modellprojektes geben werde. Leider gebe es keine Immobilie, um das fortführen zu können. Es sei auch nicht denkbar, dass das Bezirksamt Mitte aus der eigenen Zuständigkeit heraus solche Immobilien baue oder erwerbe. Mitte könne das Projekt so, wie es von der AWO geführt werde und so, wie es sich jetzt entwickelt habe, empfehlen, wenn es ein anderes Haus (auch in einem anderen Bezirk) geben sollte.

 

Herr Grunewald teilt ergänzend mit, dass die Menschen, die untergebracht seien, aus EU-Ländern (Bulgarien, Rumänien) kommen. Diese Familien haben in ganz Berlin verstreut Verwandte. Wenn diese Familien merken, dass sie keine Möglichkeit haben, Leistungen zu bekommen und nicht ins Jobcenter hineinkommen und die AWO-Mitarbeiter sie ansprechen, wie man sie unterstützen könnte, entziehen sich viele den Gesprächen und ziehen woanders hin. Die Familien, die über Nacht verschwinden, haben eigene Pläne oder wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden. Das gebe es auch im Asylbereich.

 

Herr BV Kurt (Grüne) fragt Herrn Grunewald, ob er den Ausschussmitgliedern eine Aufgabenbeschreibung zukommen lassen könnte? Des Weiteren fragt er nach, ob zum Thema Suchthilfe etwas ausgeführt werden könnte?

 

Herr Dr. Schlese vermittelt, dass man ein Paradigmenwechsel vollzogen habe. Im Gebäude in der Kameruner Straße ging man davon aus, dass es sich um Menschen handele, die hierherkommen und sorgen im Wesentlichen für sich selbst. Das sei allerdings schiefgegangen. Es entstanden Wohnungsbedingungen, die so schlimm waren, dass dem Jugendamt nichts Anderes übrigblieb, als die Kinder mit ihren Eltern aus diesen Wohnungen zu transportieren, damit die Kinder nicht zu Tode kommen, weil kein Geländer mehr an den Treppen war. Jetzt wurde der Paradigmenwechsel vollzogen und man müsse jetzt übergehen zu einem Konzept der intensiven Betreuung. Herr Grunewald schildere das. Jetzt werde gezeigt, dass mit den gleichen Menschen, die vorher in einem Mietshaus lebten und keine Ordnung halten konnten, es jetzt möglich sei, einen regulären Arbeits- und Schulbetrieb durch zu führen. In den 3 ½ Jahren bis Ende des geplanten Projektes werde das BA 5,5 Mio. € dafür ausgeben. Bei einem Steueraufkommen von 10.200,00 € pro Person zurzeit in Deutschland (Stat. Bundesamt) sei nach 3 ½ Jahren regulärer Teilhabe an der Gesellschaft genau dieses Geld wieder vorhanden. Wenn die Menschen genauso lange in Deutschland arbeiten, wie sie Leistungen in Anspruch genommen haben, sei das für die Gesellschaft Plus Minus Null. Schon nach dem 4. Jahr sei das für die Gesellschaft ein Gewinn. Wenn es gelinge, Menschen über die Schule oder über die Arbeit zu integrieren, dass sie ganz normal am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, sei das zunächst ein Nullsummenspiel, aber sobald sie ein Jahr länger erfolgreich in Deutschland seien, sei das für die gesamte Gesellschaft ein Gewinn. Die 5,5 Mio. €, die man jetzt investiere, sei eine Investition in die Zukunft, wenn es denn gelinge, die Menschen solange zu betreuen, bis es zum Selbstläufer werde. Das laufe nur über die Kinder. Das habe man im Flüchtlingsbereich auch. Die Eltern seien in der Regel nicht in gleicherweise integrierbar, wie die Kinder. Wenn es gelinge, die Kinder über das Schulsystem in die Gesellschaft zu integrieren, dann werde sich das volkswirtschaftlich langfristig rechnen, wenn sie an der Gesellschaft teilnehmen. Hier komme es darauf an, dass dieses Konzept möglichst nachhaltig sei. Mit jedem Monat, in dem dieses Konzept wirke, sei die Wahrscheinlichkeit, dass eine Integration gelinge, ein Stück wahrscheinlicher geworden.

Herr Dr. Schlese hofft, dass es gelingen werde, eine Fortsetzung über den April 2021 zu finden. Auch hofft er, dass viele Familien eine Wohnung finden, was sich sehr schwer darstelle, denn diese Familien finden sehr schwer Wohnungen. Herr Dr. Schlese sei rechtlich skeptisch, dass es eine Rückführung in das Gebäude in die Kameruner Straße geben werde, denn es gebe keine wirksamen Mietverträge, auch wenn das Haus wieder saniert würde sei die Chance, die Familien dort rechtssicher unter zu bringen, gleich Null.

 
 

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