Auszug - Beschlagnahmung von Wohnraum nach ASOG – Hindert die geläufige Unterbringungspraxis das Bezirksamt hieran?  

 
 
33. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM und INTEGRATIONSPREISVERLEIHUNG)
TOP: Ö 8.5
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 19.12.2019 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 22:35 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
2249/V Beschlagnahmung von Wohnraum nach ASOG – Hindert die geläufige Unterbringungspraxis das Bezirksamt hieran?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenFraktion Bündnis 90/Die Grünen
Verfasser:Kurt 
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
 
Wortprotokoll

Herr Gothe teilte im Rahmen der letzten BVV mit, dass eine Beschlagnahmung von Wohnraum nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) nur dann möglich ist, wenn nicht genügend alternative Unterkünfte zur Verfügung stehen.

 

 

  1. Wie ist die Formulierung „wenn nicht genügend alternative Unterkünfte zur Verfügung stehen“ auszulegen?

    Herr BzStR Gothe antwortet: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrter Herr Kurt, Sie knüpfen mit Ihrer Mündlichen Anfrage an eine Diskussion aus der letzten BVV an, wo ich ja ausgeführt hatte, dass eine Beschlagnahme nur dann in Frage kommt, wenn nicht genügend alternative Unterkünfte zur Verfügung stehen und fragen jetzt noch mal nach, wie man das präzise definieren kann?
    Es gibt hier wenig Interpretationsspielraum aus Sicht meiner Behörde. Der ordnungsrechtliche Eingriff einer Ordnungsbehörde gegen einen Wohnungsvermieter ist einer der höchsten Rechtsgüter und damit verbunden an wesentliche Voraussetzungen geknüpft. Das kommt nur dann in Frage, wenn eine Notlage nicht anders zu beheben ist und keine alternative Unterbringung zu finden ist. Nur dann könnte als Ultimaratio dann eine zeitlich befristete Wiedereinweisung in Betracht zu ziehen sein. Wir sind aber, das hatte ich das letzte Mal auch schon ausgeführt, gerade bei Einzelfällen eigentlich immer in der Lage, eine geeignete ASOG-Unterkunft dann eben auch anzubieten.

 

  1. Inwiefern hat das Bezirksamt definiert, was eine alternative Unterkunft ist (z.B. eine Wohnung statt einer Unterbringung im Wohnungslosenheim / Hostel)?

    Herr BzStR Gothe antwortet: Sie fragen, ob das Bezirksamt selber noch schärfer definiert hat, was eine alternative Unterkunft ist? Da muss man einfach noch mal klarstellen, es geht nicht um die Versorgung mit gleichwertigem Wohnraum, sondern das ASOG ist einfach nur eine Maßnahme der Gefahrenabwehr nach dem Ordnungsrecht. Das heißt, da geht es im Prinzip darum, dass man sagt, Hauptsache es ist ein Dach über dem Kopf, das angeboten werden kann. Mehr bietet dieses Ordnungsrecht nicht. Es wird dann komplizierter, wenn bei den Betroffenen z. B. eine psychiatrische Indikation vorliegt, die eben bedeutet, dass man diesen Menschen oder diese Menschen nicht in eine ganz normale ASOG-Unterkunft unterbringen könnte, wenn man dieser psychiatrischen Indikation gerecht werden will und das wollen natürlich. Man kann sich auch einen Fall vorstellen, wo gerade ganz besondere Lebensumstände vorliegen z. B. die Geburt eines Kindes, die unmittelbar bevorsteht oder gerade passiert ist. Auch dann ist klar, dass eine x-beliebige „ASOG-Unterkunft“ natürlich nicht in Frage kommt, sondern dann müssen wir schon sehr gewissenhaft schauen, dass wir eine Unterkunft finden, die diesen Umständen dann auch gerecht wird.
     
  2. sste das Bezirksamt davon absehen, laufend Unterkünfte nach dem ASOG zu akquirieren bzw. sich an der geplanten gesamtstädtischen Unterbringung zu beteiligen, um eine Notlage herbeizuführen, durch welche Wohnraum nach dem ASOG beschlagnahmt werden könnte?

    Herr BzStR Gothe antwortet: Sie fragen etwas, was ich nicht so richtig verstanden habe. Ich habe es so verstanden, das Sie fragen, wie könnte ein Fall konstruiert sein, wo wir sagen, wir haben gar keine ASOG-Unterkunft zur Verfügung. Also die Frage habe ich nicht so richtig verstanden, denn wir haben ja ASOG-Unterkünfte zur Verfügung, die wir dann auch zur Verfügung stellen können oder anbieten könne. Wir sind aber auf jeden Fall aktiv dabei bei der geplanten gesamtstädtischen Unterbringung mitzuwirken. Wir sind da im engen Kontakt und gestalten das aktiv mit und denken, dass auch die gesamtstädtische Steuerung nicht dazu führen könnte, dass wir in die Zwangslage kommen würden, keine ASOG-Unterkunft zur Verfügung zu haben. Das zeichnet sich aus meiner Sicht keinesfalls ab. Was ich nochmal ergänzend sagen kann ist, dass in dem Fall von dem Herrn Z, den wir ja auch im letzten SozGes-Ausschuss noch mal ausführlich in einem nichtöffentlichen Teil besprochen haben, dass ich die Senatsverwaltung im Nachgang schriftlich angefragt habe, ob sie in diesem Fall des Herrn Z. oder in einem anderen Fall und ob es da eine Definition seitens der Senatsverwaltung gebe, Voraussetzungen definieren könnten, wo eine ASOG-Unterkunft eben nicht in Frage kommt und eine Beschlagnahme das richtige Mittel wäre. Da habe ich aber noch keine Antwort erhalten. Sofern ich die erhalte, werde ich das natürlich dem Ausschuss zur Verfügung stellen. Vielen Dank.

    Herr BV Kurt (Grüne) dankt Herrn Gothe für seine Ausführungen. Mich würden folgende Punkte interessieren: Ist im ASOG definiert, was eine Unterkunft ist? Sie haben das jetzt abgelehnt. Also Sie haben das eher verneint. Zweite Frage: Sie haben gesagt, dass Ihre Behörde meint, dass es kein Interpretationsspielraum gibt. Teilt diese Auffassung auch das bezirkliche Rechtsamt? Und der dritte Punkt: In Bezug auf die Person mit psychiatrischen Indikationen bzw. Menschen, die jetzt ein Kind kriegen, da haben Sie ja jetzt selber faktisch eingeräumt, dass es Situationen geben kann, wo eine ASOG-Unterkunft nicht in Frage kommt. Was machen Sie dann? Mieten Sie dann eine Wohnung an? Wenn Ja, welche Personenkreise betrifft das noch?
    Herr BzStR Gohte antwortet: Ich hab nicht gesagt, dass dann keine ASOG-Unterkunft in Frage kommt, sondern die ASOG-Unterkunft muss dann darauf eingerichtet sein, auch mit solchen Fällen umgehen zu können. Und da gibt es ja Gott sei Dank in Mitte oder in ganz Berlin tatsächlich eine große Bandbreite von ASOG-Unterkünften, die ein spezielles Profil haben und das dann auch erlauben. Wenn es ein Fall ist von einer Mutter, die gerade ihr Kind bekommen hat oder kurz davorsteht, dann kann es auch sein, dass es tatsächlich keine ASOG-Unterkunft ist, aber dann gibt es, sagen wir mal, die Geburt steht unmittelbar bevor, ja auch die Möglichkeit, die dann schon in ein Krankenhaus zu überweisen. Also auch das ist denkbar. Aber jedenfalls ist in der bisherigen Praxis auch so ein Fall tatsächlich ja noch nicht vorgekommen, wo man sagen musste, also jetzt bitte nicht bzw. man kann dann, wenn ein Räumungsbescheid ansteht und man diese besonderen Lebensumstände vorliegen hat ja mit dem Gericht auch darüber sprechen, dass die dann noch mal Aufschub gewähren. Das ist ja durchaus möglich, war ja auch im Fall von Herrn Z. so, dass das Gericht bereit war, den Räumungstermin nochmals um (ich glaube um 6 Wochen) aufzuschieben. Das ist jetzt ja Ende Januar. Also man kann das dann schon mal händeln mit dem Gericht. Sie fragten noch, ob das Rechtsamt die gleiche Auffassung teilt?


Auf die Nachfrage von Herrn Kurt (nicht zu verstehen), antwortet Herr Gothe wie folgt: Das Rechtsamt ist nicht anwesend. Aber ich vermute, dass das ist, das können wir aber auch gerne noch mal nachschieben, das ist nicht das Thema. Ich denke mal, dass da die Mindeststandards sicherlich irgendwo definiert sind ja, dass die Räume beheizt sind und über fließend Wasser verfügen müssen usw. Da wird es auch schon einen Katalog geben, der die Mindeststandards in einer ASOG-Unterkunft definiert. Da bin ich sicher.

Frau BV Jordahn (SPD) fragt nach: Sehr geehrter Herr Vorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Gothe, Art, denke ich mal, sprachen, wo eine Frau …und dann sprachen Sie noch von einer Überweisung in ein Krankenhaus. Gibt es da irgendwelche Zahlen, wie das finanziell geregelt ist? Was denn eigentlich passiert, wenn sozusagen die … und die Frau und das Kind …? (unverständlich, nicht ins Mikrofon gesprochen)
Herr BzStR Gothe antwortet: Sehr geehrte Frau Jordahn, das war in der Tat ein fiktiver Fall, wo ich denke, dass es solche besonderen Lebensumstände sind, dass eben eine Unterbringung in einer x-beliebigen ASOG-Unterkunft nicht in Frage kommt, um das anschaulich zu machen. Wenn ein solcher Fall auftritt und wir dann hoffentlich eine Einrichtung finden, die diese Frau übernehmen kann, dann bin ich sicher, dass auch die finanzielle Lösung dafür keine wirklich entscheidende Frage ist, sondern das wird sich finden. Ich kann gerne mal nachfragen, wie so was im Einzelfall gehändelt wird, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es einen Fall geben sollte, wo man sagt, ja wir hätten eine Unterkunft, aber die ist zu teuer, also können wir sie leider nicht anbieten. Das wird nicht passieren.

Frau BV Mayer (DIE LINKE) meint: Ja, das Deutsche Institut für Menschenrechte hat die Praxis ordnungsrechtlicher Unterbringung geprüft und hat festgestellt, dass die Verweildauer der Menschen, die dort untergebracht sind, so lang ist, dass das gar nicht mehr menschenwürdig ist. Und vor diesem Hintergrund würde ich mich fragen, ob das nicht vielleicht doch auch Berücksichtigung finden kann und dass Mittel der Beschlagnahmung möglich macht? Also als Frage formuliert jetzt.
Herr BzStR Gothe antwortet: Na ja, kann ich mir jetzt auch nicht so richtig vorstellen, wie der Fall konstruiert sein sollte. Das müsste ja so sein, dass eine Person eben geräumt wird aus der Wohnung, dann in eine ASOG-Unterkunft untergebracht wird und man dann nach einer Zeit x feststellt, jetzt ist eigentlich die Zeit wirklich über das erträgliche Maß hinaus, dann wird man nachträglich nicht irgendwie noch mal die Beschlagnahme ins Feld führen können, fürchte ich.

Herr BV Torno (AfD) fragt: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrtes Bezirksamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Gothe, die Frage, die ich mir stelle ist, wie viele ASOG-Unterkünfte gibt es erstens und zweitens wie viele solche ASOG-Unterkünfte wurden Menschen jetzt laufend, ablaufend im Jahr zur Verfügung gestellt?
Herr BzStR Gothe antwortet: Also Wohnungen nach ASOG gibts ja sowieso nicht, sondern ASOG sind Unterkünfte, die keine Wohnungen sind. Was ich parat habe ist die Zahl derjenigen, die wir wegen Wohnungslosigkeit untergebracht haben. Das sind bei den Flüchtlingen zurzeit etwa 3.700 Personen und bei den sonstigen Wohnungslosen 3.200, die vom Bezirk Mitte untergebracht sind.

 
 

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