Auszug - Wie weiter mit der Gotenburger Straße 9?  

 
 
30. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM)
TOP: Ö 9.3
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 19.09.2019 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 20:50 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
2025/V Wie weiter mit der Gotenburger Straße 9?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenFraktion Bündnis 90/Die Grünen
Verfasser:Neugebauer, Schneider, Kurt 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Wortprotokoll

Bezugnehmend auf den BA-Beschluss vom 27.08.2019 fragen wir das Bezirksamt:

 

  1. Welche Schritte hat das Bezirksamt bisher unternommen, um die wohnungslosen BewohnerInnen der Gotenburger Straße 9 in bestehende Unterkünfte für Wohnungslose zu vermitteln, da die Unterkunft nur notdürftig hergerichtet wurde und nicht für einen dauerhaften Betrieb als Wohnungslosenunterkunft ausgelegt ist?

 

BzStaR Herr Gothe antwortet: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrter Herr Kurt. Die Gotenburger Straße 9 beschäftigt uns schon eine ganze Weile, immer wieder, das ist auch eine bemerkenswerte Adresse mit viel Auf und Ab. Zwischen der Fachstelle Soziale Wohnhilfe und dem Träger finden regelmäßig Konsultationen statt, um Einzelfälle zu besprechen und zu schauen, was man tun kann. Das Ziel ist aber nicht Leute wegzuschieben, sondern die Betroffenen in die Lage zu versetzen, selbstbestimmt zu wohnen und zu arbeiten. Die Verlegung ist deshalb kein erstrangiges Ziel, sondern wird immer dann in die Wege geleitet, wenn es von dem Betroffenen auch ausdrücklich selber gewollt ist. Es ist auch nicht so, dass die Gotenburger Straße nur notdürftig hergerichtet ist, sondern sie hat sich als eine Einrichtung und eine Unterkunft für Familien unterschiedlicher Herkunft bewährt. Das kann man eigentlich durchaus sagen. Seit der Wiederaufnahme des Betriebes im Herbst 2017, das war der Fall mit der Kameruner Straße, ist es mit Unterstützung der AWO gelungen, von den 93 ehemaligen Bewohner*innen der Kameruner Straße 36 Personen in eigenen Wohnraum zu vermitteln, 16 Personen sind nach Bulgarien zurückgekehrt, zwei haben das Wohnheim gewechselt  und 13 ehemalige Bewohner*innen der Kameruner Straße haben das Wohnheim aus anderen Gründen verlassen. Es gibt insgesamt noch 27 Personen, die ehemals in der Kameruner Straße gewesen sind, davon gibt es elf Personen, bei denen es keine Kostenübernahme vom Jobcenter gibt und zusätzlich gibt es vier Personen aus Mischbelegungen in der Gotenburger Straße, für die es auch keine Gegenfinanzierung der Unterbringungskosten gibt und für die das Amt für Soziales zuständig ist.

  1. Was hat das Bezirksamt nunmehr vor, um für jene 15 wohnungslosen BewohnerInnen ohne Sozialhilfeansprüche dauerhafte sozialrechtliche Lösungen mit Bleibeperspektive in Berlin zu finden?

 

BzStaR Herr Gothe antwortet: Dazu ist zu sagen, dass die Betroffenen in unsere Fachstelle vorgeladen werden und es ihnen verdeutlicht, dass sie keine sozialhilferechtlichen Ansprüche und somit keine Bleibeperspektive haben. Zugleich wird ihnen, und das wird des Öfteren wiederholt, ein Angebot  für Überbrückungsleistungen gemacht. Diese Angebote müssen aber freiwillig angenommen werden. Auch sollen die Betroffenen intensiv beraten werden und zwar hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung als auch möglicherweise bestehender Unterstützungsmöglichkeiten bei, zum Beispiel, gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Eine zwangsweise Entfernung verbietet sich, auch aus humanitären und verfassungsrechtlichen Gründen und sie würde auch von den Gerichten gar nicht toleriert werden. Das beherzigen wir natürlich und insofern ist das kein Lösungsweg, der für uns an diesem Standort praktiziert wird.

  1. Wie sieht das deutlich erweiterte Leistungsspektrum für die Unterkunft aus, dass die AWO dem Bezirksamt angeboten hat, und welche zusätzlichen Kosten würden hierbei anfallen?

 

BzStaR Herr Gothe antwortet: Tatsächlich ist es so, dass die AWO ihr praktiziertes Angebot systematisch dargestellt hat und modifizieren möchte. Dazu gibt es auch ein Konzept der AWO mit der Überschrift Pilotprojekt zur befristeten integrierten Notunterbringung von Familien, das ausgehend von dem bisherigen Tagessatz von 24 bis 25 Euro auch bedeuten würde, dass sich der Tagessatz erhöhen würde. Dieses Pilotprojekt ist interessant und der Leiter des AWO Refugiums hat sich bereit erklärt, dieses Projekt im Ausschuss für Soziales und Gesundheit vorzustellen. Das ist, wenn ich das richtig sehe, am 12.11.2019 schon terminiert, dass wir das im Ausschuss besprechen. Ich hoffe, das stimmt so.

  1. Welche konkreten Vorstellungen hat das Bezirksamt für das angedachte Angebot für eine pflegerische Versorgung der wohnungslosen BewohnerInnen und inwiefern gab es diesbezüglich schon Gespräche mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung?

 

BzStaR Herr Gothe antwortet: Hierzu wissen Sie, dass wir gerne diese ASOG Unterbringungen in verschiedene Kategorien ausdifferenzieren wollen, nämlich ASOG Light, ASOG Standard, ASOG Mix und ASOG Plus. Das sind Modelle, die versuchen, auf die spezifischen Bedürfnisse von Klienten etwas differenzierter zu reagieren und die nicht nur alle in eine Schublade zu packen. Das was im Moment in der Gotenburger Straße passiert, würde dieser Kategorie ASOG Mix entsprechen. Viele, oder einige andere Träger an anderen Standorten, bringen auch dieses sogenannte ASOG Plus Modell ins Gespräch und das machen wir auch. Es ist dann auch immer eine Frage, dass die erhöhten Tagessätze dann auch finanziert werden können. Wir sind da sowohl mit der Trägerlandschaft in Gesprächen, diese ASOG Angebote auszudifferenzieren und machen das auch ebenfalls mit der Senatsverwaltung für Soziales und  für Gesundheit, je nach Zuständigkeit und auch das soll in einem Ausschuss vorgestellt werden. Vielen Dank.

Herr Kurt (Grüne): Vielen Dank, Herr Gothe, für Ihre umfangreiche Antwort. Es ist erstmal gut, dass das Bezirksamt Verantwortung für diese Menschen übernimmt und sie unterbringt und dass der Unterbringungszeitraum um zwei Jahre verlängert werden konnte. Der Punkt ist nur, und deshalb auch die Große Anfrage dazu, ich glaube da bleiben auch viele Fragezeichen offen, weil Sie auch in dem BA Beschluss viele Punkte tangieren, aber darauf nicht eingehen. Wie ist man jetzt mit dem Modellprojekt verblieben? Wie gliedert sich das Ganze ins Gesamthilfesystem ein? Sie wissen, es wird demnächst die neue Vorstellung der Leitlinien der Wohnungslosenhilfe geben, wo auch ein wichtiger Punkt ist, mehr Unterkünfte für wohnungslose Familien zu schaffen. Zeitgleich ist angedacht, die gesamtstädtische Unterbringung auch von den Bezirken hoch ins Land zu holen, da läuft seit mehr als einem Jahr ein sehr umfangreicher Prozess auf Senatsebene und beim LAF. Wie gliedert sich das da ein? Wir haben hier ein Modellprojekt, heute wurde auf Abgeordnetenhausebene im Fachausschuss beschlossen, Geld bereitzustellen für die Häuser der Hilfe, von der Koalition. Ist das etwas, wo Sie sagen würden, das könnten wir uns als Bezirk vorstellen, dort auch die viertel Million, die pro Standort bereitgestellt wird, in Anspruch zu nehmen? Wie sieht es aus, und das hat mich ein bisschen gewundert, Sie haben in dem BA Beschluss angegeben, wie die Kosten aussehen und dort steht dann, dass wir für 2021 100.000 Euro Unterbringungskosten weniger eingeplant sind? Das kann ich mir an der Stelle nicht erklären. Was passiert mit diesen Menschen Ende 2020, die derzeit Überbrückungsleistungen abnehmen? Wir haben noch einen Antrag, später, eine Beschlussempfehlung aus dem Sozialausschuss, Sie haben das Thema ASOG Mix, ASOG Plus und ASOG Light angedeutet, dazu gibt es seit längerem eine umfangreiche Diskussion. Könnten Sie das noch spezifizieren? Gibt es seitens des Sozialamtes konkrete Überlegungen?

BzStaR Herr Gothe: Sehr geehrter Herr Kurt. Sie haben völlig Recht. Das ist ein weites Feld und natürlich gibt es auch konkrete Überlegungen. Ich denke, es würde den Rahmen sprengen, das hier auszuformulieren. Nicht umsonst gibt es noch eine weitere Strategiekonferenz, die bereits anberaumt ist. Es würde eine solche Strategiekonferenz nicht geben, wenn alle Antworten im Prinzip klar wären. Das heißt, wir sind hier in der Gesamtstadt in einem Prozess begriffen, wo man sich neu justieren und neu ausrichten muss. Ich denke wir tun das sehr gut, Hand in Hand mit der zuständigen Sozialverwaltung auf der Senatsebene. Wir sind als Bezirk Mitte ein gern gesehener Partner bei der Sozialverwaltung, weil wir durchaus offen und vorwärtsdrängend mit dabei sind und die Idee, die ASOG Unterkünfte auszudifferenzieren ist ein Teil davon, dass man versucht, der komplexer werdenden Gemengeklage bei den Wohnungssuchenden gerecht zu werden. Das wollen wir im Ausschuss gerne weiter erörtern. Ein Anlass könnte dann auch sein, dass die AWO ihr neues Modell für die Gotenburger Straße im Ausschuss vorstellt und ich schlage vor, dass wir das dann als Fachdiskussion im Ausschuss weiterführen. Vielen Dank.

Herr Paetz (AfD): Sehr geehrter Herr Gothe. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, werden momentan 15 Personen untergebracht, die keinerlei Ansprüche auf irgendwelche Sozialhilfe haben. Sie können mich gerne berichtigen, wenn ich das falsch verstanden habe. Ist denn schon mit dem Landesrechnungshof gesprochen worden, ob das überhaupt der Landeshaushaltsordnung nach dem sparsamen Umgang mit den Mitteln zulässig ist?

BzStaR Herr Gothe: Die Antwort lautet Nein.

Herr Kurt (Grüne): Ich hätte aufgrund Ihrer Antwort noch eine Nachfrage. Haben Sie vor als Bezirksamt und auch als Sozialamt die Strategiekonferenz abzuwarten und dann mit dem Konzept, was Sie im Sozialamt haben, das nochmal reinzugeben, bevor Sie die AWO beauftragen oder wollen Sie das vorher tun?

BzStaR Herr Gothe: Wir warten gar nichts ab, sondern wir sind ja immer Teil des Prozesses. Wir haben zwischen der ersten und der zweiten Strategiekonferenz sogar eine federführende Rolle übernommen bei der Delegierung in Arbeitsgruppen und haben selber als Bezirk eine geführt, um einen Beitrag für die Gesamtdebatte zu leisten. Auch jetzt ist es so, dass wir in Vorbereitung der nächsten Strategiekonferenz auf der Arbeitsebene tatsächlich an Arbeitsgruppen, die das vorbereiten, mitwirken. Von Abwarten kann also keine Rede sein. Ich glaube, die Frage, ob man jetzt das neue AWO Konzept sofort oder danach umsetzt, das ist dann nicht die entscheidende Frage, denn wenn ich das richtig im Kopf habe, ist die Strategiekonferenz im November und wenn wir  uns davor ein Meinungsbild von diesem Modell im Ausschuss schaffen können, dann ist das umso besser. Vielen Dank.

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
BVV Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Sitzungsteilnehmer Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen