Auszug - Personalsituation im Gesundheitsamt BE: Bezirksamt, Herr Dr. Mähl, Leiter des Gesundheitsamtes  

 
 
14. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit
TOP: Ö 6.2
Gremium: Soziales und Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 09.01.2018 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:40 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: Sitzungsraum 121
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
 
Wortprotokoll

Herr Dr. Mähl, dankt dem Ausschuss für die Einladung und dass er heute dem Ausschuss berichten darf. Er möchte heute die Situation im Gesundheitsamt so darstellen, dass der Ausschuss verstehe, was man benötige und warum es so wichtig sei und warum weitere Aktivitäten mit Blickrichtung, wie bekomme man die Senatsfinanzverwaltung überzeugt, notwendig seien. Man habe den Eindruck gewonnen, dass die Senatsfinanzverwaltung blocke und deshalb müsse das BA die Situation darstellen, um den Druck zu erhöhen.

 

Er bezieht sich anschließend auf die Große Anfrage „Offene Stellen im Gesundheitsamt und kein Ende in Sicht“ und vermittelt, dass derzeit 13,4 von knapp 200 Stellen nicht besetzt sind. Problematisch dabei sei, dass von 30 Facharztstellen 7,4 (25 %) nicht besetzt seien. Auch spiele eine Unterbezahlung eine wesentliche Rolle.

 

Anschließend berichtet er von einem aktuellen Ausschreibungsverfahren – Nachfolge der Fachbereichsleitung für Kinder und Jugendliche. Mitte Dezember sei der Leiter ausgeschieden, der sehr lange diesen Bereich mit 80 Mitarbeitern*innen leitete. Anfang 2017 wurde ausgeschrieben. In einer dritten Runde von Ausschreibungen im November 2017 konnte man 2 geeignete Bewerber finden. Beide äußerten ihre Gehaltsvorstellungen. Das BA liege 1.000 bis 1.500 € im Monat darunter. Beide haben abgesagt.

 

Herr Dr. Mähl habe die Frage „Welche Angebote der Versorgung kommen im Moment zu kurz?“ in die Bereiche weitergegeben. Antworten kamen sehr schnell. Er habe die Antworten leider nicht dabei, sagt aber zu, sie den Ausschussmitgliedern nach zu reichen.

Kernpunkte könne er vorstellen. Aus dem Bereich der Kinder und Jugendlichen schaffe man die gesetzlichen Notwendigkeiten (wie Einschulungsuntersuchungen und Kindergartenreihenuntersuchungen). Was darüber hinausgehe, komme momentan zu kurz und finde nicht statt. Man vernachlässige eine ganze Altersgruppe – Jugendliche. Man kümmere sich um die Kinder bis 5 bis 6 Jahre. Noch vor wenigen Jahren konnte man sich hinsichtlich des Jugendarbeitsschutzgesetzes um Jugendliche kümmern. Damit werde nun eine wichtige Zielgruppe vernachlässigt. Genauso sei es bei dem gesetzlichen Auftrag, Impfberatung anzubieten. Man mache das mit in der jungen Altersgruppe (Kita- und Einschulungsuntersuchung), darüber hinaus aber dann nicht mehr. Bei der Sozialarbeit habe man den gesetzlichen Auftrag nach Kinderschutzgesetz, die Erstgeborenen aufzusuchen. Man musste sich auf die allerersten Vorsorgeuntersuchungen beschränken. Personell werde das BA zwei weitere Sozialarbeiter*innenstellen zur Verfügung stellen, damit der Bereich des Kinderschutzes so schnell wie möglich erfüllt werden könne.

 

Zum kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst teilt Herr Mähl mit, dass auch hier nur die aller dringlichsten Fälle nur noch kurzfristig gesehen werden. Eine Netzwerkarbeit komme zu kurz.

 

Zum Fachbereich Hygiene teilt er mit, dass es zwischenzeitlich gar keinen Hygienearzt gegeben habe. Dr. Brockstedt hatte diese Tätigkeit für 2 Jahre übernommen. Danach übernahm 16 Monate Herr Dr. Mähl die Aufgaben. Mittlerweile gebe es wieder eine Hygienefachärztin. Eine weitere Stelle habe man mit einem Biologen besetzt. Von 4 Arztstellen seien nur 2 Stellen besetzt. Der Hygieneaufsicht nach Infektionsschutzgesetz komme man sehr langsam nach. Eine sehr gute Zusammenarbeit bestehe mit der Charité. Aber die gesetzlich vorgesehene Aufsicht könne das Gesundheitsamt nicht in dem gewünschten Umfang leisten.

Auftrag der sozial-psychiatrischen Dienste soll eine begleitende Hilfe bei Menschen in Kliniken, mit dem Anspruch, auch die Aufenthalte möglichst zu verkürzen, sein. Leider schaffe man das nicht mehr.

 

Die Beratungsstelle für Behinderte, auch durch den Zuzug von Geflüchtete, komme dem Auftrag der Gesundheitsförderung bzw. dem präventiven Ansatz nicht mehr nach.

 

Das Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung konnte über die letzten 10 Monate nur noch einmal monatlich eine ärztliche Beratung anbieten. Für die Schwangerenberatung könne man die gesetzlich vorgeschriebenen Mutterschaftsrichtlinien gar nicht einhalten. Mit einer Hebamme und einer Ärztin müsse man schauen, was man schaffe und was nicht. Personen auf die anderen 4 Standorte zu verweisen sei nur eingeschränkt möglich. Das Klientel sei nicht so alphabetisiert, dass sie sich in ihrem Wohnort einigermaßen auskennen.

 

Abschließend vermittelt Herr Dr. Mähl und regt an, sich darüber Gedanken zu machen, ob man verhältnismäßig wenig Geld in die Hand nehmen könnte, um das zu ändern.
Die Senatsfinanzverwaltung argumentiere, dass das Gesundheitsamt der Meinung sei, dass, was finanziell derzeit den Ärzten angeboten werde, sei ausreichend, um das notwendige Personal zu gewinnen. Herr Dr. Mähl habe darauf eine Antwort formuliert, weiß aber nicht, wo sie sich gerade befinde. Er möchte nicht nur das notwendige Personal, sondern er möchte mit motivierten, fachlich guten Menschen im Gesundheitsamt sozialkompensatorische Versorgung in Mitte gestalten und aufbauen. Man habe sich großen Herausforderungen zu stellen, denen man sich momentan nicht stellen könne.

Man sollte auch einen Fokus darauflegen, die Leitungsstellen wieder angemessen auszugestalten und hochqualifizierte Bewerber*innen gewinnen. Ende 2016 habe man ausgerechnet, was das kosten würde. Zugrunde wurde gelegt, was Ärzte jetzt verdienen und was würden sie nach dem Ärztetarif, der an den Kliniken bezahlt werde, verdienen. Man rede im Bezirk von einer Größenordnung von ca. 150.000 € im Jahr.

Um diese Forderung publik zu machen, haben die Amtsärzte verstärkt seit 2 Jahren an die Senatsverwaltung entsprechende Eingaben gemacht und auch der damalige BzBm Dr. Hanke habe das unterstützt. Eine Anpassung stehe im Koalitionsvertrag. Eine Anpassung sei in 2018 so angedacht, dass zuerst die vakanten Stellen besetzt werden sollten  und dann in 2019 an die Erhöhung der Gehälter zu gehen. Das funktioniere in dieser Reihenfolge aber nicht. Nötig sei die umgekehrte Reihenfolge: Anhebung der Entgelte, um so die offenen Stellen zügig zu besetzen. Er bittet um Unterstützung.

 

Herr BV Freitag (Piraten) fragt nach den Aufgaben einer Hygieneaufsicht. Herr Dr. Mähl teilt mit, dass es ein Infektionsschutzgesetz gebe, in dem zu lesen sei, dass die Gesundheitsämter die Hygieneaufsicht über die Krankenhäuser haben. Man müsse die Kliniken besuchen und Raum für Raum eine Begehung durchführen. Es wird überprüft, ob die Hygienepläne aushängen. Das schließe die baulichen Voraussetzungen über die Mitarbeiterschulungen, Mitarbeiterbefragungen etc. ein und münde in einem Protokoll. Dort werden Missstände benannt und die Klinik sei in der Pflicht, dem Gesundheitsamt ein Abstellen dieser Missstände zu dokumentieren. An Hygienestandards rüttle man nicht. Es gebe gesetzlich festgelegte Rhythmen. Das Gesundheitsamt interpretiere seine Aufgaben als konstruktiver Partner. Man drücke keine Augen zu, komme aber mit den Begehungen nicht hinterher.

 

Herr BV Kurt (Grüne) stellt die Frage, was der Bezirk hinsichtlich der Personalfragen tun könnte? Herr BzStR Gothe teilt mit, dass alle Gesundheitsstadträte mit dem Lesen der Koalitionsvereinbarung gehofft haben, dass schnell ein Weg gefunden werde, der dazu führe, dass man eine bessere Bezahlung anbieten könne. Leider sei das nicht erfolgt. In der letzten Gesundheitsstadträtesitzung habe man seinen Unmut geäußert. Er vermute, es sei jetzt nötig, über den RdB einen Antrag zu formulieren, in dem der Senat aufgefordert werde, das Hamburger Modell (Anhebung der Entgelte der Ärzte auf den Ärztetarif) nach zu machen. Des Weiteren könnte man den Weg über das Berliner Abgeordnetenhaus gehen, dass die Koalition den Vertrag nicht einhalte und wie man das politisch in die Wege leiten könnte. Der Bezirk Mitte habe bei der Besetzung der Stelle von Dr. Brockstedt im Einzelfall versucht durchzusetzen, aber leider habe PersFin vermittelt, dass man dem nicht nachkommen könne. Herr Dr. Mähl teilt ergänzend mit, dass das Gesundheitsamt die Unterstützung des Bezirksamtes habe und dass man das ausreizen möchte. Man bewerte Vorerfahrungen großzügig. Man gewähre Stufen vorweg.

 

Frau BV Stein (Grüne) bezieht sich darauf, dass die Beratungen für schwangere Frauen nicht in dem Maße wahrgenommen werden können und fragt nach, welche Frauen das betreffe? Wer sucht das Gesundheitsamt hinsichtlich der Impfberatungen auf? Herr Dr. Mähl teilt mit, dass das Zentrum für Familienplanung allen (Versicherte wie nicht Versicherte) offenstehe. Es gab mit Stand Oktober 2015 über 500 Schwangerschaftsberatungen für Flüchtlinge, die sich illegal in Berlin aufhalten, die z.B. in Italien gemeldet waren, dort einen Anspruch auf eine Krankenversicherung hätten, in Berlin aber keinen Anspruch haben. Hinzu kommen noch viele zu Versorgende, wo der Versicherungsstatus nicht geklärt sei. Gleiches treffe auf Impfberatungen zu. Hinzu kommen noch die schwierig zu Erreichenden, die nicht zum Kinderarzt gehen. Nach Schulgesetz habe das Gesundheitsamt auch einen Auftrag zu erfüllen. Neben dem schulärztlichen Dienst habe man auch weitere Aufgaben. Auch müsse man den Jugendarbeitsschutz berücksichtigen.

 

Frau BV Ullrich (Grüne) dankt für den Vortrag. Sie regt an, an den Universitäten zu schauen, um Personal zu bekommen?

 

Der Vorsitzender, Herr Lötzer, fragt nach, ob Herr Dr. Mähl seinen vorgetragenen Bericht dem Ausschuss zur Verfügung stellen könne? Herr BzStR Gothe würde es begrüßen, wenn Herr Dr. Mähl eine kurze Begründung dem Ausschuss übermitteln würde, damit ein RdB-Antrag formuliert werde. Dann könnten auch die Bezirksverordneten tätig werden.

Herr Dr. Mähl sagt zu, dem nachzukommen und den Bericht nachzureichen.

 

 
 

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