Drucksache - 0902/4  

 
 
Betreff: Halbzeitbilanz der Trägervertretung
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Wuttig/Böhm 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
10.04.2014 
31. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin schriftlich beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage, schriftliche Beantwortung
GA 0902-4 Halbzeitbilanz der Trägervertretung Anlage

Wir fragen das Bezirksamt:

 

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Wie beurteilt die bezirkliche Vertretung im Job Center die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit der letzten zwei Jahre?
     
  2. Wie beurteilt die bezirkliche Vertretung im Job Center das Angebot für bestimmte benachteiligte Zielgruppen innerhalb der Kunden und Kundinnen (Menschen mit Migrationshintergrund/Jugendliche ohne Abschlüsse/Alleinerziehende) des Job Centers?
     
  3. Wie beurteilt die bezirkliche Vertretung im Job Center den Wirkungsgrad der sozialintegrativen Leistungen, für die die Kommune verantwortlich ist?
     
  4. Welche Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Kommune und Job Center aus dem seit einem Jahr vorliegenden KGST-Gutachten wurden in der Trägervertretung diskutiert oder gar zur Umsetzung erwogen?

 

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

 

die Große Anfrage wird wie folgt schriftlich beantwortet:

 

Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Bezirksamt den Geschäftsführer des Jobcenters um eine persönliche Einschätzung gebeten. Diese Einschätzung ist in die folgende Stellungnahme des Bezirksamtes eingeflossen. Die Geschäftspolitik des Jobcenters wird in der Trägerversammlung einvernehmlich zwischen allen Beteiligten beschlossen. Deshalb wird auch die Einschätzung zu den aufgeworfenen Fragen einvernehmlich von den kommunalen Vertretern in der Trägerversammlung des Jobcenters getragen.

 

 

1. Wie beurteilt die bezirkliche Vertretung im Jobcenter die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit der letzten zwei Jahre?

 

Der Bestand der Langzeitarbeitslosen konnte in den vergangenen zwei Jahren 2012 und 2013 im Vergleich zu 2011 im Jahresdurchschnitt um rund 676 bzw. -10,9% auf 5.515 gesenkt werden. Die konkreten Zahlen sind aus der Anlage zu ersehen. (Quelle Statistik der BA - für die Jahre 2007-2013)

 

Die Reduzierung der Quote ist erfreulich. Allerdings wird die verbleibende Zahl immer noch als zu hoch angesehen. Damit stellt sich weiterhin die Aufgabe, möglichst vielen der Betroffenen eine Erwerbsperspektive zu eröffnen.

 

Neben dem Aspekt der Langzeitarbeitslosigkeit wird im Jobcenter immer stärker auch ein Fokus auf die Frage des Langzeitbezuges von Transferleistungen gelegt.

 

2. Wie beurteilt die bezirkliche Vertretung im Jobcenter das Angebot für bestimmte benachteiligte Zielgruppen innerhalb der Kunden und Kundinnen (Menschen mit Migrationshintergrund/ Jugendliche ohne Abschlüsse/ Alleinerziehende) im Jobcenter?

 

a) Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund

 

In den vergangenen Jahren verringerte sich der Bestand an arbeitslosen Ausländern um 254 bzw. -6,4 %. Eine statistische Erfassung der Entwicklung der arbeitslosen Migrantinnen und Migranten ist dabei nicht möglich.

Angebote für Kunden mit Migrationshintergrund gibt es sowohl von Seiten des Jobcenters wie auch von der Senatsverwaltung und des Bundesministeriums über ESF geförderte Maßnahmen. Im Vordergrund stehen dabei Sprachkurse zur Verbesserung der Deutschen Sprache sowie zur gezielten Erlangung von Sprachkenntnissen im Zielberuf.

Ebenso stehen auch Maßnahmen zur Aktivierung speziell für diese Kundengruppe zur Verfügung. Das Angebot für Kunden mit Migrationshintergrund ist sehr umfassend, berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Kunden sowie ihren Bildungsstand und ihr Sprachniveau.

 

Gleichzeitig können alle Kunden mit Migrationshintergrund auch das gesamte Angebotsportfolio (Förderinstrumente des SGB II) des Jobcenters nutzen

 

Beispiele für mögliche Förderungen wären:

??Teilnahme an Integrationskursen und berufsbezogenen Deutschkursen

??Unterstützung beim Anerkennungsverfahren von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen

??Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung Aktivierung und beruflichen Eingliederung ( bei Bedarf mit in Kombination mit berufsspezifischer Deutschförderung)

??Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ( bei Bedarf in Kombination mit Deutschqualifizierung)

 

 

b) Angebote für Jugendliche (unter 25) ohne Abschlüsse

 

Der Bestand jugendlicher Arbeitsloser (zwischen 15 und 25 Jahren) konnte in den vergangenen zwei Jahren 2012 und 2013 im Vergleich zu 2011 um 86 bzw. -9,8 % gesenkt werden.

Um dem Problem "kein oder unzureichender Schulabschluss" zu begegnen, wird ein vielfältiges Angebot vom Jobcenter direkt, über die Agentur für Arbeit und über freie Träger (hier vor allem ESF geförderter Maßnahmen) und auch den Volkshochschulen im Rahmen der Beratung den Jugendlichen angeboten.

Dieses Angebot wird in seiner Vielfalt und auch in der möglichen Anzahl der Förderplätze als ausreichend eingeschätzt.

 

 

c) Angebote für Alleinerziehende

 

Der Bestand alleinerziehender Arbeitsloser wurde in den vergangenen zwei Jahren 2012 und 2013 im Vergleich zu 2011 im Jahresdurchschnitt um 232 bzw. um -4,5% abgebaut.

Dieser Rückgang bleibt hinter der Entwicklung der Arbeitslosenquote gesamt (- 11,2%) zurück. Der Abbau ist aber dennoch positiv zu bewerten, da die Integration bei Alleinerziehenden weit schwerer ist und insbesondere bei Alleinerziehenden mit einem betreuungsbedürftigem Kind (z.B. Kinder unter drei Jahren), die ca. 15% aller Alleinerziehenden ausmachen, nicht die volle Verfügbarkeit angesetzt werden kann.

Die Angebote für diese Zielgruppe sind besonders vielseitig, d.h. dass verschiedene Maßnahmen und Maßnahmetypen sehr bedarfsgerecht auf den jeweiligen Menschen abgestimmt eingesetzt werden können. Neben den Angeboten aus dem SGB II Instrumentarium gibt es ESF bzw. senatsgeförderte Angebote, die von den Alleinerziehenden auch umfangreich genutzt werden.

 

Für die o.g. Zielgruppen, bei denen es vermehrt Probleme in der Vermittlung in Arbeit gibt, wurde ein umfangreiches und individuell einsetzbares Instrumentarium entwickelt, um Vermittlungshemmnisse zu beseitigen.

Insgesamt werden die Anzahl und Inhalte der Maßnahmen als bedarfsorientiert und ausreichend angesehen.

 

 

3. Wie beurteilt die bezirkliche Vertretung im Jobcenter den Wirkungsgrad der sozialintegrativen Leistungen, für die die Kommune verantwortlich ist?

 

Die sozialintegrativen Leistungen sind in § 16a Nummer 1-4 SGB II festgeschrieben und umfassen die Kinderbetreuung beziehungsweise die Pflege von Angehörigen, die Schuldnerberatung, die psychosoziale Betreuung und die Suchtberatung. Sie haben zum Ziel bei Bedarf den Prozess der Wiedereingliederung in Arbeit zu unterstützen und zu flankieren.

Im besten Fall wirken sie verzahnt mit den durch den Bund finanzierten Eingliederungsleistungen. In der Kombination werden die Arbeitsmarktchancen verbessert und der Einsatz der Arbeitskraft oft erst möglich.

Welche der einzelnen Komponenten hilfreich sind, ergibt sich insbesondere aus der individuellen Problemlage des bzw. der Arbeitssuchenden.

 

Die Aufgaben werden je nach Bedarf von verschiedenen Stellen wahrgenommen.

 

Die Schuldnerberatung wird über die bezirkliche Beratungsstelle beim Diakonischen Werk (Schuldner- und Insolvenzberatung) sichergestellt. Die Finanzierung der Schuldnerberatung wird durch die Senatsverwaltung und dem Bezirksamt realisiert.

Die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle führt wöchentliche Beratungen im Jobcenter durch. Bezogen auf die Nachfrage im Rahmen der Präsenzzeiten ist das Angebot als ausreichend zu bezeichnen.

Die psychosoziale Betreuung wird über Beratungsangebote beim Jugendamt (Regionaler Sozialdienst, Allgemeine Jugendberatung, Jugendgerichtshilfe) und Sozialamt/ Gesundheitsamt (Soziale Wohnhilfe, Sozialpsychiatrischer Dienst) sichergestellt.

Die Zusammenarbeit und Verfahrenswege / Übermittlungen / Zuweisungen etc. sind über Kooperationsvereinbarung mit dem Bezirksamt seit 2006 geregelt.

Die Suchtberatung wird seit 2005 durch eine enge Kooperation mit der örtlich zuständigen Suchtberatungsstelle "Drogennotdienst LogIn" gewährleistet. Über die genutzten Beratungsleistungen hinaus gibt es eine Kooperationsvereinbarung, die auch die Durchführung von gemeinsamen Projekten ermöglicht.

Die Angebotsstruktur wird von allen Arbeitsbereichen des Jobcenters genutzt. 

 

Die psychosoziale Betreuung ist als Begriff nur schwer zu fassen. Sie dient der Bearbeitung und dem Abbau von psychosozialen Problemlagen, dabei sind die Grenzen zwischen dem psychiatrischen Bereich, der sozialpädagogischen Arbeit und zu den übrigen sozialen Leistungen des SGB II fließend. Indikatoren können Probleme bei der Alltagsbewältigung, Verarmung, Erkrankung, Wohnungslosigkeit, Verschuldung, Sucht und soziale Isolation sein. Gerade bei von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen können Problemlagen, die die Hilfe der Schuldner- oder Suchtberatung oder die psychosoziale Betreuung nötig machen, eher zu finden sein. Die Bearbeitung von sozialintegrativen Leistungen geht oft mit komplexen Problemlagen einher, z.B. mit einer Kombination von Verschuldung, Suchtproblematik und drohender Wohnungslosigkeit.

Ein Wirkungsgrad der in Anspruch genommenen Hilfen ist nur schwer festzustellen oder gar valide in Zahlen auszudrücken.

 

Für die entsprechenden Leistungen gibt es in den bezirklichen Stellen keine getrennte Erfassung, welchem Rechtsgebiet der bzw. die Hilfesuchende angehört. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Betreuung von Personen, die dem Rechtsgebiet des SGB II angehören, einen großen Umfang der Arbeit dieser Stellen ausmacht. Ohne die dort geleisteten Hilfestellungen wäre die Eingliederung in Arbeit in vielen Fällen nicht denkbar. Sie sind in ihrer Wirkung in der Regel oft nur mittel- oder langfristig und im Zusammenwirken untereinander zu betrachten. Die Nachfrage an den Leistungen bestätigt den Bedarf, es ist offensichtlich, dass in diesen Fällen eine Eingliederung in Arbeit ohne sozialintegrative kommunale Leistungen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sein wird.

 

Die bezirkliche Vertretung im Jobcenter beurteilt daher die sozialintegrativen Leistungen als sehr wichtigen Bestandteil bei der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. Der Wirkgrad hängt von der individuellen Problemlage ab und ist empirisch nicht zu erfassen.

 

 

4. Welche Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Kommunen und Jobcenter aus dem seit einem Jahr vorliegenden KGST - Gutachten wurden in der Trägervertretung diskutiert oder gar zur Umsetzung erwogen?

 

Aufgrund des KGST -Gutachtens wurde durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen ein Projekt zur verbesserten Organisation und Steuerung der Grundsicherung für Arbeitssuchende initiiert.

 

Als Projektthemen wurden festgestellt:

 

-          Steuerung im SGB II in Berlin

-          Leistungen nach § 16 a SGB II

-          Trägerversammlungen der Jobcenter und SGB II-Koordinierungsstelle

-          Prüfung grundsätzlicher Maßnahmen (Personalzuordnung, Organisation von Querschnittsaufgaben, Personalentwicklung)

 

Im Rahmen des Projektes werden die Ergebnisse der Evaluation zu diesen Fragestellungen unter Beteiligung aller beteiligten Stellen, das heißt Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Senatsverwaltungen, der Bezirke, der Jobcenter und der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, im Rahmen von vier Arbeitsgruppen diskutiert.

 

Die Arbeit dieser Arbeitsgruppen steht derzeit kurz vor ihrem Abschluss. Die Ergebnisse und Handlungsvorschläge werden im Mai dieses Jahres in das Lenkungsgremium eingebracht werden. Die erarbeiteten Ideen und Lösungsvorschläge werden zum Teil in weiteren Treffen für die Umsetzung vorbereitet werden.

Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist mit Vertretung im Lenkungsgremium und einer Beteiligung an drei Arbeitsgruppen in dem Projekt überdurchschnittlich stark vertreten.

 

Ein Teil der durch das Gutachten aufgeworfenen Fragen wird durch die Gespräche der Betroffenen in den Arbeitsgruppen bereits auf Arbeitsebene behandelt und ggf. umgesetzt. Es bedarf daher keiner Behandlung in der Trägerversammlung.

Weitere Ergebnisse, wie zum Beispiel die Überarbeitung der Geschäftsordnungen der Jobcenter, sind in der Vorbereitung und wurden daher noch nicht in die Trägerversammlung eingebracht. Die Diskussion in den Arbeitsgruppen und im Lenkungsgremium gewährleistet einen berlinweiten Überblick über die verschiedenen Problemlagen und Lösungsansätze. Sie sind damit vorerst das richtige Forum für die Bearbeitung der Vorschläge aus dem Gutachten der KGST, um möglichst zu in ganz Berlin gültigen Lösungen zu kommen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Engelmann

 


 

 
 

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