Drucksache - 0547/4  

 
 
Betreff: "Geheime Heime" für chronisch psychisch Erkrankte auch in Charlottenburg-Wilmersdorf?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD/Grüne/Linke (fraktionslos) 
Verfasser:Wuttig/Hansen/Dr. Vandrey/Kaas Elias/Cieschinger 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
21.03.2013 
18. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Arbeit Beratung
25.04.2013 
14. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Arbeit vertagt   
14.05.2013 
15. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Arbeit ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
16.05.2013 
20. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Antrag
Dringlichkeitsbeschlussempfehlung
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme

Die BVV möge beschließen:

"Geheime Heime" für chronisch psychisch Erkrankte auch in Charlottenburg-Wilmersdorf?

 

Die BVV hat in ihrer Sitzung am 16.5.2013 Folgendes beschlossen:

 

Das Bezirksamt wird ersucht zu überprüfen, in wie vielen Pflegeheimen im Bezirk psychisch erkrankte Menschen untergebracht sind und dafür Sorge zu tragen, dass diese Menschen ihrem Krankheitsbild entsprechend versorgt werden.

 

Der BVV ist bis zum 31.7.2013 zu berichten.

 

 

Das Bezirksamt teilt dazu mit:

 

Im Zusammenhang mit vermuteten Fehlplatzierungen psychisch erkrankter Menschen in Pflegeheimen wurde im Zeitraum 2003-2006 eine berlinweit angelegte Heimstudie der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und der FU-Berlin durchgeführt. Die Untersuchung widmete sich vorrangig der Frage, wie viele Menschen mit psychischer Erkrankung sich in Pflegeheimen befinden. Hierzu wurden  Fragebögen an 272 Berliner Heime geschickt, von denen 71 Heime (26%) geantwortet haben. In der Fragebogenerhebung wurde auch nach der aktuell im Vordergrund stehenden Erkrankung gefragt. Bei 816 Bewohnern bestand zum Befragungszeitpunkt eine psychische Störung im engeren Sinne (ohne Demenz und Abhängigkeitserkrankung). Etwa 44% dieser Bewohner waren jünger als 66 Jahre.

Wie die Forscher betonten, ist daraus jedoch nicht zu schließen, dass alle Menschen mit psychischer Störung in den Heimen auch fehlplaziert sind.

 

Ein wesentliches Motiv für eine eventuelle Versorgung psychisch kranker Menschen in Pflegeheimen kann in einer, in ambulant-psychiatrischen Betreuungseinrichtungen in Berlin nicht möglichen geschlossenen Unterbringung bestehen.

Im Rahmen einer Fragebogenaktion zum Thema "geschlossene Unterbringung" wurden deshalb im November 2012 alle 34 vollstationären Pflegeeinrichtungen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf befragt, inwieweit psychisch kranke Menschen (ohne Demenz) mit einem Unterbringungsbeschluss nach § 1906 BGB betreut werden.

Von den 34 Einrichtungen im Bezirk antworteten 14 Einrichtungen (41%). Alle beantworteten die Frage nach geschlossener Unterbringung mit "nein".

 

Da von einer Fehlplatzierung in einem Pflegeheim prinzipiell eher dann ausgegangen werden kann, je jünger die Klienten sind, befasste sich eine Facharbeitsgruppe der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Charlottenburg-Wilmersdorf im November 2012 mit der Frage der Unterbringung jüngerer Klienten in Pflegeheimen.

Festgestellt wurde, dass in Einzelfällen, bei denen eine Betreuung über die Eingliederungshilfe zeitweilig gescheitert ist, eine Alternative in der Unterbringung in einem Pflegeheim gesehen wird.

Bei den besagten Klienten handelt es sich überwiegend um jüngere Klienten mit einem hohen Hilfebedarf, die jedoch keine Hilfe oder Unterstützung im System der Eingliederungshilfe annehmen oder krankheitsbedingt zulassen können. Dies geht in hohem Maße mit fehlender Medikamenten-Compliance einher. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte hierbei auch die, bis zu diesem Zeitpunkt unklare rechtliche Situation hinsichtlich der Möglichkeit einer medikamentösen Zwangsbehandlung. Konsens besteht darin, dass die im Einzelfall erfolgende Unterbringung in einem Pflegeheim für diese Klienten nicht dauerhaft sein soll. Es wurde festgelegt, dass aktive Anstrengungen unternommen werden, für diese Menschen eine Perspektive, unterstützt durch das System der Eingliederungshilfe, zu entwickeln.

 

Hierzu wurde folgendes Vorgehen vereinbart:

Neben der bereits für das Steuerungsgremium Psychiatrie (SGP) Charlottenburg-Wilmersdorf seit längerer Zeit bestehenden Vereinbarung, dass im SGP von den Trägern über sogenannte "schwierige Entlassungen", z.B. bei geplanter auswärtiger Heimunterbringung eines Klienten, informiert wird, soll nun auch eine beabsichtigte Verlegung in ein Heim nach SGB XI im SGP mitgeteilt werden. Gleichzeitig soll im SGP ein Zeitraum vereinbart werden, nach dem der Fall dort wieder aufgegriffen wird. Nach Ablauf der vereinbarten Frist erinnert der Psychiatriekoordinator im SGP an den Klienten. Der letzte Versorgungsträger aus dem Bereich der Eingliederungshilfe nimmt daraufhin Kontakt mit dem gesetzlichen Betreuer auf und prüft zusammen mit dem SGP abermals Möglichkeiten hinsichtlich einer Versorgung im System der Eingliederungshilfe.

 

Zusammengefasst werden kann, dass mit den oben genannten Festlegungen dem innerhalb des Beschlusses angesprochenen Problembereich in unserem Bezirk bereits bestmöglich nachgegangen wird. Zur Vermeidung von Abschiebetendenzen in den Heimbereich ist es jedoch unbedingt erforderlich, ein leistungsfähiges psychiatrisches Hilfesystem vorzuhalten. Dies betrifft die ungekürzte Zurverfügungstellung der bezirklichen Zuwendungsmittel für die grundlegenden Versorgungsbausteine der bezirklichen psychiatrischen Pflichtversorgung (PEP-Mittel) ebenso, wie die Sicherstellung adäquater Maßnahmen im Bereich der Eingliederungshilfe. Von vordringlicher Bedeutung ist hierbei das Vorhandensein bezahlbaren Wohnraums für psychiatrische Betreuungsangebote.

 

Wir bitten, den Beschluss als erledigt zu betrachten.

 

 

 

Klaus-Dieter Gröhler                                                                                              Carsten Engelmann

Stellv. Bezirksbürgermeister                                                                       Bezirksstadtrat


 

 
 

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