Drucksache - 0304/4  

 
 
Betreff: Einkaufsstraßen und Flaniermeile oder Shopping-Mall?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Dr.Vandrey/Kaas Elias/Wieland/Dr.Heise 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
16.08.2012 
11. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Beantwortung

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

1.      Welche Bestrebungen von Investoren gibt es, im Bezirk großflächigen Einzelhandel zu errichten?
 

2.      Wie will das Bezirksamt auf durch großflächigen Einzelhandel drohenden höheren motorisierten Individualverkehr und eine Verödung der Geschäftsstraßen reagieren?
 

3.      Wie entwickelt sich die Ladennutzung bzw. wo kommt es im Bezirk zu vermehrtem Leerstand von kleinen Ladenlokalen?
 

4.      Mit welchen Mitteln will der Bezirk die Aktivitäten des Handels steuern und das Heft des Handelns in der Hand behalten?
 

5.      Hält der Bezirk ein Einzelhandelskonzept für erforderlich?

 

 

Zur Beantwortung Herr BzBm Naumann:

 

Frau Vorsteherin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Dr. Heise, ich denke, aus der gleich folgenden Beantwortung wird deutlich, dass wir nicht nur Absichten hegen, etwas zu tun, sondern in einer Kontinuität auch schon eine Menge getan worden ist und wir weiter bereit und willens sind, dieses konsequent auch in Zukunft zu tun.

 

Zu 1.

Derzeit liegt ein Vorbescheidantrag für das Grundstück Quedlinburger Straße 11 vor. Zur Sicherung des Bebauungsplanverfahrens VII-3-1B, das dort ein Gewerbegebiet vorsieht, hat das Bezirksamt eine Veränderungssperre erlassen.

Des Weiteren liegt ein Antrag eines Lebensmitteldiscounters zur Nachnutzung des ehemaligen Bauhaus-Standortes in der Mecklenburgischen Straße 24 vor. Der Antrag ist planungsrechtlich zulässig. Darüber hinaus gab es in der Vergangenheit mehrere Nachfragen zum Gelände des „Teppichland Berlin“ in der Lise-Meitner-Straße und zum Reemtsma-Grundstück in der Mecklenburgischen Straße.

Allgemein besteht das Interesse, vorhandene Discounter über die Schwelle von 1.200 m² Bruttogeschossfläche in die Großflächigkeit zu vergrößern, das ist ja vorhin eingangs der Sitzung auch schon durch Herrn Stadtrat Schulte verdeutlicht worden.

 

Zu 2. und 4.

Das Bezirksamt stellt systematisch ältere Bebauungspläne, die Gewerbegebiete festsetzen, auf die Baunutzungsverordnung von 1990 um, damit dort großflächiger Einzelhandel ausgeschlossen werden kann. Dieses erfolgt nach einem Prioritätsplan, den der damalige Ausschuss für Stadtplanung der BVV zustimmend zur Kenntnis genommen hat. Diese Linie gilt bis heute.

 

Das Umwelt- und Naturschutzamt verfügt über kein Instrumentarium, um vor, ich betone, vor Entstehung derartiger Einrichtungen damit verbundene unerwünschte Folgewirkungen begrenzen oder gar vermeiden zu können. Es unterstützt allerdings daher das Stadtentwicklungsamt, durch entsprechende Bebauungsplanverfahren zum Ausschluss derartiger Vorhaben das Entstehen dieser Einrichtungen zu steuern mit dem Ziel der Verhinderung oder Begrenzung.

Bei bestehenden Einrichtungen wäre eine Einwirkung seitens des Umwelt- und Naturschutzamtes nur in den sehr engen Grenzen des anlagenbezogenen Immissionsschutzrechts denkbar. Eine unmittelbare Begrenzung von Verkehrsmengen ist über das Immissionsrecht nicht möglich, da dieses in erster Linie auf den Schutz von Anwohner/innen vor Immissionen angelegt ist.

Meine Damen und Herren, aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzamtes ist der Erlass einer Stellplatz-Begrenzungsverordnung durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt überfällig und wäre ein wichtiges weiteres Instrument neben den genannten Planverfahren.

 

Zu 3.

Meine Wirtschaftsförderung hat die Anfrage den Mitgliedern der Dach-Arbeitsgemeinschaft aller im Bezirk organisierten Geschäftsstraßenvereinigungen, und das sind immerhin 18 Mitglieder, zur Kenntnis gegeben und um eine aktuelle Einschätzung für den jeweiligen Geschäftsstraßenstandort gebeten.

 

Folgende Geschäftsstraßen haben sich hierzu geäußert:

 

Nach Auskunft der Werbegemeinschaft Suarezstraße und der beiden Interessengemeinschaften Reichsstraße und Sesenheimer Straße ist dort kein Leerstand zu verzeichnen. Frei werdende Läden werden bislang immer wieder schnell vermietet, wenn auch leider meist zu höheren Mieten.

 

Die Arbeitsgemeinschaft Wilmersdorfer Straße Fußgängerzone hat ebenfalls keinen Leerstand zu vermelden. Frei werdende Läden werden schnell wieder vermietet. Seit der Eröffnung der Wilmersdorfer Arcaden im Jahr 2008 und ich hab mir erlaubt, liebe Bezirksamtskollegen hinzuzufügen, und aufgrund der vom Bezirk ergriffenen infrastrukturellen Verbesserungsmaßnahmen in den letzten Jahren hat sich die Fußgängerzone insgesamt positiv entwickelt.

Die Arbeitsgemeinschaft City wiederum erklärt für den Bereich Kurfürstendamm/Tauentzienstraße ebenfalls keinen Leerstand.

 

Laut Stellungnahme der Kaiserdamm-Interessengemeinschaft ist dort z. Z. ein geringer Ladenleerstand zu verzeichnen. Durch den Neubau der BMW-Niederlassung Berlin erhofft man sich eine positive Entwicklung auch für die ansässigen Geschäfte am Kaiserdamm.

Kritisch wird von dort aus die Häufung von Einkaufszentren in Berlin, wie Sie es ja eben auch in ihrer Begründung ausgeführt haben, dargelegt, die bis spät in die Nacht bedienen, was Inhaber geführte Läden normalerweise nicht leisten können. Des Weiteren werden behördliche Auflagen, nicht günstige Bankkredite sowie Nichttolerierung von kurzzeitigem Parken in zweiter Spur verantwortlich für möglichen Leerstand gemacht. Auch die geringe Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger in Berlin, und da war ich ein wenig überrascht, die Überalterung werden mit als Ursache angesehen.

 

Die Arbeitsgemeinschaft Uhlandstraße teilte mit, dass in ihrem Geschäftsbereich zwischen Düsseldorfer Straße und Kurfürstendamm (nördlicher Teil der Uhlandstr.) kein Leerstand zu verzeichnen sei.

Nicht so positiv sieht es allerdings für den südlichen Teil der Uhlandstraße zwischen Hohenzollerndamm und Berliner Straße aus. Dort ist Leerstand anzutreffen. Schuld hieran seien in erster Linie die hohen Mieten und die Ignoranz der Vermieter/innen.

Aus Anlass der Kleinen Anfrage Nr. 0085/4 vom 22.5.2012 wurde durch die Wirtschaftsförderung eine Bestandserhebung des gesamten Abschnittes der südlichen Uhlandstraße zwischen Hohenzollerndamm und Berliner Straße vorgenommen. In dem Bereich befinden sich 98 Ladengeschäfte, davon stehen 10 Läden leer, wobei in 2 Läden eher Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Der betroffene Bereich in der Uhlandstraße ist problematisch, da die für Geschäftsstraßen typische „Laufkundschaft“ fehlt. Ein signifikanter Anstieg des Ladenleerstandes in der Uhlandstraße generell ist jedoch nicht zu erkennen. Aktuelle Entwicklungen in den letzten Monaten, wie die Schlecker-Insolvenz und die Filialkonzentration der Geschäftsbanken, haben in allen Geschäftsstraßen zu einem höheren Leerstand geführt.

 

Die Interessengemeinschaft Nürnberger Straße teilt mit, dass auf der östlichen Hotelseite für die Ladenzeile, für die das Hotel als Vermieterin verantwortlich ist, seit Anfang des Jahres kein Leerstand mehr zu verzeichnen ist. Allerdings hat man hier auch die Mieten senken müssen, um Leerstand zu vermeiden. Schon ein Hinweis darauf, wie man auch Leerstand kreativ begegnen kann.

Kritisch wird die Entwicklung der gegenüberliegenden westlichen Seite gesehen. Hier ist ein ständiger Wechsel und Leerstand zu verzeichnen, Stichwort Fluktuation, leider sind z. Z. auch keine hochwertigen Läden auf dieser Seite vorhanden.

 

Laut Stellungnahme der Westfälischen Straße e.V. ist dort verstärkt in letzter Zeit Leerstand zu verzeichnen. Bis zur Anbringung des Radfahrangebotsstreifens im Sommer 2010 war die Fluktuation der Ladengeschäfte in der Westfälischen Straße sehr gering. Allein im letzten Jahr, seit ca. August 2011 bis heute, hat es jedoch ca. 18 Veränderungen (Geschäftsaufgabe und anschließende Neuvermietung bzw. Leerstand u. Angebot im Immobilienmarkt) im Abschnitt zwischen Henriettenplatz und Hochmeisterplatz gegeben. Derzeit sind in diesem Bereich fünf Geschäfte nicht vermietet.

Als Ursache für diese Entwicklung wird neben dem in der Straße generell geringen Parkplatzangebot die Einführung des Radfahrangebotsstreifens und die, wie mitgeteilt, „massiven Kontrollen durch das Ordnungsamt“, gesehen. Wurde früher das Parken in zweiter Spur geduldet, wird nun jeder Verstoß mit Bußgeldern geahndet. Kundinnen und Kunden, die bislang mit dem Auto kamen, meiden deshalb zunehmend die Westfälische Straße. Dieser Umstand führt für viele Unternehmen zu Umsatzeinbußen und vermehrt zu Unternehmungsschließungen.

Als Gegenmaßnahme setzt sich die Westfälische Straße seit Jahren für mehr Parkplätze mit Parkscheiben-Regelung ein. Dies wurde mir auch bei meinem Besuch vor Ort, liebe CDU-Fraktion, Besuch vor Ort des Bürgermeisters am 10.05.2012, dargelegt. Da die Parkscheibenregelung bereits mit Erfolg  unmittelbar gleich um die Ecke auf dem Kudamm praktiziert wird, befürworte ich im Sinne der Gewerbetreibenden eine entsprechende Veränderung und rege an, dass die BVV hierüber zeitnah eine Entscheidung trifft. Zumindest noch mal in den Diskurs einsteigt. Ich denke, ein Interessenausgleich müsste sich finden lassen mit gutem Willen.

 

Zusammengefasst ist positiv festzustellen, dass der weit überwiegende Teil der bei uns im Bezirk organisierten Geschäftsstraßen bislang keinen bzw. keinen vermehrten Leerstand zu vermelden haben.

 

Es besteht eine grundsätzliche Einigkeit bei den Vertreterinnen und Vertretern der Geschäftsstraßen darüber, dass die Ursache für Leerstand in erster Linie in zu hohen Mietforderungen seitens der Vermieterschaft begründet sind. An zweiter Stelle allerdings und das geht dann an unsere Adresse, wird zugleich die Parkplatzsituation im Innenstadtbereich angesehen. Ohne ausreichende, gut nutzbare bzw. kostengünstige Parkplatzsituation ist es besonders für kleine Geschäftsstraßen wie die Westfälische Straße schwer, im Wettbewerb mit Einkaufszentren samt Parkhäusern zu bestehen. Den Geschäftsleuten ist bewusst, dass der Bezirk bezüglich der zu hohen Mieten keine direkten Eingriffmöglichkeiten hat. Beim Thema Parkplätze bitten sie aber um mehr Gehör und Hilfe. Auch die Wirtschaftsförderung unterstützt daher das Anliegen der Westfälischen Straße nach mehr Parkplätzen mit einer Parkscheibenregelung.

 

Zu 5.:

Ein Einzelhandelskonzept für unseren Bezirk ist wenig sinnvoll, denn es entfaltet seine direkte Wirkung gemäß § 34 Abs. 3 BauGB nur in unbeplanten Bereichen der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Aufgrund des geltenden Baunutzungsplans sind in Charlottenburg-Wilmersdorf solche Fälle kaum vorhanden.

Auch ohne ein bezirkliches Einzelhandelskonzept hat das Bezirksamt Analysen zur Struktur der Nahversorgungszentren in der Vergangenheit erarbeitet, wird das auch weiterhin bei Bedarf tun und diese werden dann bei der Bebauungsplanung herangezogen.

Fazit: Priorität haben für uns, also in der City West – wie dargelegt -  diese Bebauungsplanverfahren, die unverändert geeignet sind, die reale Entwicklung mit Erfolg zu steuern.

 

 

 


 

 
 

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