Drucksache - 0134/4  

 
 
Betreff: Konsequenzen aus dem Fall "Zoe in Weißensee"
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Klose/Sell 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
15.03.2012 
7. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Beantwortung
Nachfrage/Antwort

Wir fragen das Bezirksamt:

 

Wir fragen das Bezirksamt:

 

1.      Welche Konsequenzen hat das Jugendamt aus den Versäumnissen der beteiligten Ämter und Träger im Bezirk Pankow im Fall Zoe gezogen?

 

2.      Wie überprüft das Jugendamt die Arbeit der in unserem Bezirk tätigen Träger in der Einzelfallhilfe und bei vergleichbaren Leistungen für Familien?

 

3.      Gab es in der Vergangenheit bzw. gibt es Hinweise  bei uns im  Bezirk auf Kindesmisshandlungen in bereits von einer Einzelfallhilfe betreuten Familien und wenn ja, wie wird mit diesen Hinweisen verfahren?

 

4.      Wie kann sicher gestellt werden, dass ein vergleichbarer Fall in Charlottenburg – Wilmersdorf verhindert werden kann?

 

 

Zur Beantwortung Frau BzStR’in Jantzen:

 

Frau Vorsteherin, Herr Sell, meine Damen und Herren. Ich beziehe mich zunächst erst einmal auf Ihre Frage. Also, Sie haben ja auf die Problematik, vor der wir stehen, schon selber in Ihrer Begründung hingewiesen.

 

Zu 1.

Diese Frage unterstellt ja zunächst mal, dass da tatsächlich Fehler festgestellt wurden oder Mängel sozusagen im Verfahren, und ich kann Ihnen nur sagen, das Erschreckende im Fall Zoe, nach dem was ich weiß von der Stadträtin und auch von meinen Kollegen ist, dass es eben nach den bisherigen Erkenntnissen dort keine Fehler im Verfahren und Verhalten der Mitarbeiterinnen gefunden wurden, jedenfalls nach den bisherigen Erkenntnissen. Da sind die Analysen noch nicht endgültig abgeschlossen, es werden ggf. noch Schwachstellenanalysen durchgeführt werden, aber bisher gibt es keine Anlass und deswegen auch noch keinen Hinweis, welche Konsequenzen aus diesem Fall sozusagen zu ziehen wären. Es ist wirklich erschreckend, dass zwei sehr in Kinderschutz erfahrene Fachkräfte diese Familie betreut haben und dann bestimmte Sachen doch nicht aufgefallen sind. Es hat aber auch damit zu tun, dass das Eingriffsrecht der Mitarbeiterinnen von freien Trägern oder Jugendamt natürlich auch nicht so geht, dass wir immer hingehen dürften und könnten und sagen, jetzt zeigen Sie uns das Kind mal. Also, da muss man vielleicht bei der Jugendhilfe auch noch mal gucken, wie weit Kontrolle vielleicht anders möglich ist, obwohl ich auch gleich zu Anfang sagen möchte, ich möchte nicht die totale Kontrolle in dem Sinne über unsere Familien. Mir wäre es dann wirklich wichtiger, wir hätten das Personal, die Möglichkeiten insbesondere auch im Bereich Jugendförderung, im Bereich frühzeitige Familienförderung, Familienbildung, Beratung, mehr als die, die wir bis jetzt haben, um eben junge oder auch ältere Eltern so zu stärken, dass sie eben in Krisensituationen anders reagieren und sich wirklich gut, wie uns der § 1, wie Sie zitiert haben ja auch aufgibt. Also, das die Eltern in die Lage versetzt werden sich, um ihre Kinder so zu kümmern, wie wir das alle wünschen und wie es notwendig wäre.

 

Zu 2.

Wir arbeiten mit anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe zusammen, die dem Rahmenvertrag Jugend zwischen dem Land Berlin und der Liga der freien Wohlfahrtspflege beigetreten sind und über Trägerverträge mit der Senatsverwaltung verfügen. In diesen Verträgen ist festgelegt, dass regelmäßig Qualitätsentwicklungsdialoge durchgeführt werden, also zwischen Träger und den Auftraggebern, an denen dann die sogenannten hauptbelegenen Bezirke, wenn es mehrere Bezirke sind, die dort belegen, auch regelmäßig teilnehmen. Für jede von uns eingesetzte und finanzierte Hilfe ist eine Hilfeplanung erforderlich, die wird zu Beginn gemacht und in der Regel bei jeder Verlängerung, also halbjährlich. Bei diesen Besprechungen werden auf Grundlage der zwischen der Familie und der Jugendamtsmitarbeiterin erarbeiteten Problemsicht auf Grundlage sozialpädagogischer Diagnostik und ggf. der Stellungnahme weiterer zu beteiligender Fachkräfte, die Ziele, Teilziele, Hilfeschritte detailliert festgelegt und bei Verlängerung liegen dann auch Entwicklungsberichte der Träger vor.

 

Wir arbeiten darüber hinaus mit Trägern der Erziehungshilfe zusammen, die einen größeren Teil der Hilfen im Bezirk durchführen. Wir arbeiten mit denen in der Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII unabhängig zusammen, um gemeinsam dann interessierende Fragenentwicklung oder Probleme zu erörtern und Verfahrensweisen abzustimmen, das gleiche gilt auch für die Mitglieder im Jugendhilfeausschuss, soweit sie aus dem Bereich der Träger der freien Jugendhilfe kommen. Also, im System der Qualitätssicherung ist eigentlich ein regelmäßiger Dialog und eine Evaluation oder Kontrolle auch angelegt.

 

Zu 3.

Ja, es gibt und gab in Einzelfällen Hinweise, die sich aber eher auf Vernachlässigung als tatsächlich auf eine Kindeswohlgefährdung, also als Kinderschutzfall tatsächlich herausgestellt haben. Das Jugendamt geht diesen Hinweisen nach. Es hält Rücksprache mit den Trägern, es hält Rücksprache mit den Familien, ggf. werden auch Hausbesuche durchgeführt.  Nun ist ja klar, dass wir Familienhelferinnen einsetzen in Familien, wo Probleme bestehen und Sinn und Zweck der Hilfe ist letztendlich die Alltagssituation dort auf gefährdende Aspekte zu analysieren, mit den Eltern zu sprechen, sie auch darin zu unterstützen, andere Sichtweisen und Verhaltensmuster einzuüben, um eben gerade Gefährdungen und Vernachlässigung zu beseitigen. Der Anlass der Hilfe ist ja oft, dass es in den Familien diese Probleme gibt. Und es ist auch logisch, dass innerhalb der eingesetzten Hilfen weitere Krisensituationen in den Familien auftreten können, wo es auch zu Gefährdung der Kinder kommen kann. In dem Fall sind die Mitarbeiterinnen der Träger sozusagen verpflichtet oder die müssen einschätzen, kann ich gewährleisten, dass die Gefährdung des Kindes abgestellt wird durch mein eigenes Tun oder schaffe ich das nicht? Und wenn sie die Einschätzung haben, sie schaffen das nicht, dass muss mit dem Jugendamt Rücksprache gehalten werden, wenn es eine richtige Kindeswohlgefährdung ist, also ein Kinderschutzfall, dann geht die Reaktion oder die dann evtl. zu bewilligende oder einzusetzende Hilfe ja bis zu Inobhutnahme und der Unterbringung in eine Einrichtung.

 

Zu 4.

Ich muss einfach sagen, wir können leider nicht zu 100% sicherstellen, dass nicht auch ein vergleichbarer Fall in unserem Bezirk passiert. Wir können allerdings alles tun, auch mit den Maßnahmen, die wir vorher beschrieben haben, ggf. auch noch mit weiteren, um das Risiko zu minimieren. Also, Kinderschutz steht und fällt mit ausreichendem und qualifizierten Personal, und zwar bei den mit der Hilfe beauftragten Trägern, bei anderen zuständigen Stellen, wie z. B. dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, vor allem aber auch im Jugendamt. Die Überprüfung der Arbeit der eingesetzten Familienhelferinnen und auch der Hilfepläne, Fallkonferenzen, Gespräche mit Eltern und Kindern, dass alles braucht Zeit, die bei knapper werdenden personellen Ressourcen und bei gleichzeitig zunehmenden, komplizierteren Problemkonstellationen in den Familien dann für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft nicht mehr im ausreichenden Maße zur Verfügung steht und ich finde das zwar irgendwie schrecklich, wenn ich in den Nachrichten höre, mit dem Kind ist das und das passiert, ich hab jedes Mal, es kommt Charlottenburg-Wilmersdorf und es ist zwar blöd, gebe ich zu, aber ich bin erleichtert, wenn wir es nicht sind.

 

Ich bedaure jede Kollegin und Kollegen, weil es ist für uns Stadträte das Schlimmste, es ist aber auch insbesondere auch für den Mitarbeiter in unseren Ämtern wirklich dramatisch, denn wenn Sie so einen Fall haben und ich bin dann auch immer wieder entsetzt, wie die Presse eigentlich drauf haut, weil bevor sie überhaupt nachgefragt haben, was ist, kommt eigentlich die Überschrift „Jugendamt hat versagt“ und ich kann Ihnen das auch noch sagen, in der Zeit, wo das mit dem Baby am Spandauer Damm war, das sind dann die Polizeireporter, die anrufen und die interessieren sich wirklich nicht dafür, was man Ihnen erklärt, auch nicht dafür, wie Jugendämter arbeiten, unter welchem Druck sie stehen, die wollen nur wissen, dass die Stadträtin irgendwie sagt ja, mein Amt hat versagt und ich sage Ihnen eindeutig, ich werde diesen Aussage so nie machen, weil ich bin überzeugt, dass die Mitarbeiterinnen unter den gegebenen Umständen ihre Arbeit nach dem Stand der Technik oder wie man das nennt, also zumindest nach bestem Gewissen machen und schon aus Berufsethos sozusagen gucken, dass sie da gut insbesondere für die Kinder sorgen. Vielen Dank.

 

 


 

 
 

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