Drucksache - 1707/3
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Wir fragen das Bezirksamt:
Das Bezirksamt beantwortet die Große Anfrage schriftlich wie folgt:
Zu 1.: Das Prinzip der Subsidiarität ist in der Jugendhilfe und im Bereich des Sozialrechts explizit verankert.
§ 4 Abs. 1 und 2 SGB VIII: "Die öffentliche Jugendhilfe soll mit der freien Jugendhilfe zum Wohl junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammenarbeiten. Sie hat dabei die Selbständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten. Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen."
Nach § 75 SGB XII soll der öffentliche Träger von eigenen Maßnahmen absehen, wenn die Hilfe im Einzelfall durch freie Träger gewährleistet wird: "Zur Erfüllung der Aufgaben der Sozialhilfe sollen die Träger der Sozialhilfe eigene Einrichtungen nicht neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen anderer Träger vorhanden sind, ausgebaut oder geschaffen werden können."
Darüber hinaus soll nach § 5 SGB XII der öffentliche Träger die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe angemessen unterstützen und mit eigenen Hilfen zurückstehen, soweit diese durch die freie Wohlfahrtspflege erbracht werden.
Auch im Bereich der ambulanten und stationären Pflege schließt § 71 SGB XI die Leistung durch nicht selbständig wirtschaftende Einrichtungen, d.h. Einrichtungen der öffentlichen Hand, explizit aus.
Aufgrund der gesetzlich normierten Nachrangigkeit öffentlicher Angebote werden weite Teile sozialer Leistungen vom zuständigen Träger der Jugend- und Sozialhilfe zwar bewilligt, dieser erbringt die Leistungen jedoch nicht selbst. Die Abwicklung der Leistung erfolgt dann in einem Dreiecksverhältnis zwischen dem/der leistungsberechtigten Bürger/in, dem öffentlichen Träger und dem Leistungsdurchführenden.
Beispiele sind die Angebote freier Träger in der gemeindepsychiatrischen Versorgung des Bezirks und der Wohnungslosenhilfe. Daneben gibt es Angebote durch " Freie Träger", die zuvor nicht durch das Bezirksamt vorgehalten wurden, wie z.B. die Mobilitätshilfsdienste für behinderte und ältere Menschen.
Die Leistungen der freien Träger sind daher unverzichtbar.
Ein Vergleich mit staatlichen Einrichtungen ist nicht möglich, da die durch die freien Träger vorgehaltenen Leistungen nicht gleichzeitig durch staatliche Einrichtungen erbracht werden.
Für die Jugendhilfe gilt, dass Erziehungshilfen ausschließlich durch freie Träger erbracht werden; Ausnahme sind lediglich Beratungsleistungen. In der Jugendarbeit und der Tagesbetreuung gehört der öffentliche Träger zur Trägervielfalt (vgl. hierzu auch die BVV-Beschlusslage). Beide haben unterschiedliche Rahmenbedingungen und Profile und ergänzen sich damit.
Insgesamt wird die Arbeit mit den freien Trägern als sehr positiv bewertet.
Zu 2.: In der geteilten Nachkriegsstadt Berlin gab es in West wie in Ost einen Schwerpunkt in öffentlichen Angeboten.
In der Jugendhilfe sind deshalb verstärkt Aufgabenanteile auf freie Träger übertragen worden. Allerdings hat das nicht zwangsläufig zu einer Zusammenarbeit mit mehr freien Trägern geführt, da sich das Jugendamt insbesondere auf die Zusammenarbeit mit den in den jeweiligen Regionen verorteten Trägern konzentriert (wobei es keine "Exklusivrechte" gibt).
Die Abteilung Soz verfügt nicht über Vergleichszahlen. Ein Anstieg von Anspruchsberechtigten nach dem SGB XII führt nicht automatisch zu einem verstärkten Einsatz freier Träger. Das bestehende Verhältnis zwischen freien und öffentlichen Trägern verändert sich aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht. Zum Beispiel wurde im Psychiatrie-Entwicklungs-Programm von 1996 explizit festgelegt, welche Träger sich in Berlin an der ambulanten Pflichtversorgung beteiligen. Die Träger jeden Bezirks verfügen über ein "gedeckeltes" Trägerbudget, so dass die Träger nicht beliebig expandieren können.
Das relativ neue Konzept der "Pflege-WGs" hat zwar zu einer kaum mehr überschaubaren Expansion von Angeboten geführt. Damit ging aber nicht zwingend auch die Bildung neuer Träger bzw. eine Steigerung der Einsätze einher, da viele bekannte Träger diese Angebote zusätzlich in ihre Palette aufgenommen haben und die Klient/innen andere Angebote zugunsten der Pflege-WG nicht in Anspruch nehmen.
In Bezug auf bezirkliche Einrichtungen wurde zum 01.01.2009 eine Einrichtung für wohnungslose Frauen abgegeben. Zum Juli diesen Jahres wird der Seniorenclub in der Bundesallee an einen freien Träger übergeben werden. Damit kann im Bezirkshaushalt eine Einsparung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Angebots seitens eines freien Trägers erzielt werden.
Zu 3.: In Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es zur Zeit 198 öffentlich geförderte Kindertagesstätten. Davon gehören 20 Einrichtungen zum öffentlichen Träger "Kindertagesstätten Nordwest Eigenbetrieb von Berlin". Die übrigen 178 Tagesstätten werden von freien Trägern in unterschiedlicher Rechtsform (e.V., gGmbH, Stiftung d.ö.R) betrieben.
Für alle Träger gelten die gleichen rechtlichen und fachlichen Bedingungen. Dazu gehören das Kindertagesförderungsgesetz, das Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz, die Kindertagesförderungsverordnung und das Sozialberufe-Anerkennungsgesetz ebenso wie die Qualitätsvereinbarung Tageseinrichtungen und die Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen der freien Jugendhilfe.
Voraussetzung ist, um öffentliche Förderung zu erhalten, die Abgabe einer Beitrittserklärung zu den letztgenannten Vereinbarungen.
Zuständig für die Aufsicht über die Kindertagesstätten in Berlin ist die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung.
Durch die Vielfalt der Träger mit einem breiten pädagogischen Angebot und unterschiedlichen Konzeptionen ist es Eltern in Charlottenburg-Wilmersdorf möglich, für ihre Kinder entsprechend ihren Vorstellungen eine geeignete Kindertagesstätte auszuwählen.
Zu 4.: Ja; ein Hauptgrund hierfür ist die vom Senat vorgegebene Reduzierung des Personals im öffentlichen Dienst.
Eine weitere Vorgabe durch die Koalitionsvereinbarung war beispielsweise das 2/3 der Kitaplätze in freier Trägerschaft vorgehalten werden sollten.
Schwierigkeiten der Aufgabenübertragung auf freie Träger gibt es aktuell insbesondere im Bereich der Jugendarbeit, da es bisher leider keine im Land Berlin einvernehmlich geregelten Finanzierungsformen gibt.
Im Bereich Soziales gibt es seitens des Senats keine konkreten Vorgaben, die den Bezirk zwingen, öffentliche Aufgaben auf freie Träger zu übertragen.
Für den öffentlichen Gesundheitsdienst wurde im Zuge der ÖGD-Reform geprüft, ob die Aufgaben des zahnärztlichen Dienstes und die therapeutische Versorgung von Säuglingen, Kleinkindern und Schüler/innen, die nicht in staatlicher Erfüllungsverantwortung, sondern in Gewährleistungsverantwortung liegen, an freie Träger übertragen werden können. Es hat sich jedoch gezeigt, dass freie Träger diese Leistungen nicht erbringen konnten bzw. nicht erbringen wollten.
Zu 5.: Entsprechende Vergleichszahlen liegen hier nicht vor.
Reinhard Naumann Bezirksstadtrat
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