Auszug - Stadtteilmütter in Charlottenburg-Wilmersdorf a) Erfahrungen und Vernetzungsstrukturen seit April 2009 b) Zukunft der Stadtteilmütter Gäste: Fr. Hesse-Kresinszky (Projektleiterin des Diakonischen Werks Steglitz und Teltow-Zehlendorf e.V.) N.N. (Stadtteilmütter)  

 
 
5. Öffentliche Sitzung des Integrationsausschusses
TOP: Ö 4
Gremium: Integrationsausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 25.04.2012 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:30 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Gertrud-Bäumer-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
 
Wortprotokoll
Beschluss

Frau Hesse-Kresinszky, die Projektleiterin und zwei ehemalige Stadtteilmütter berichten über die Entstehungsgeschichte, ihre eigenen Erfahrungen und die aktuellen Entwicklungstendenzen des seit 2009 in einer evangelischen Kirchengemeinde in Charlottenburg Nord (Träger: Diakonisches Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf e. V.) angesiedelten interkulturellen Projektes Stadtteilmütter Charlottenburg-Nord.

 

Hierbei handelt es sich um eine MAE-Maßnahme des bezirklichen JobCenters, die auf zwei Jahre angelegt war. Nach einem Jahr fand ein Wechsel in der Zusammensetzung der 15 Stadtteilmütter statt. Der erste Teil des Projektes bestand aus einer halbjährigen theoretischen Schulung, welche die langzeitarbeitslosen Frauen, die unterschiedliche bildungsmäßige Voraussetzungen für ihre Aufgabe mitbrachten, auf die halbjährige Praxisphase vorbereiten sollte. Die im Projekt vertretenen Sprachen waren außer Deutsch als Verkehrssprache die Sprachen Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch, Arabisch und Kurdisch. Die Stadtteilmütter, zu denen 12 Migrantinnen und 3 Frauen ohne Migrationshintergrund  gehörten, die in binationalen Ehen lebten, sollten durch ihre niedrigschwellige Tätigkeit Mütter aus allen im Sozialraum vertretenen ethnischen Gruppen über Fragen der kindlichen Entwicklung und Förderung mit Hilfe von mehrsprachigen Materialien informieren und mit den im Bezirk verfügbaren Hilfsangeboten bekannt machen. Dabei sollten auch Hausbesuche einen wichtigen Stellenwert haben.

 

In der alltäglichen Praxis zeigte sich jedoch, dass der ursprüngliche Plan – die Konzentration der Arbeit der Stadtteilmütter auf Frauen mit kleinen Kindern – modifiziert und die Informationen auf die Unterstützungsbedürfnisse von Frauen mit älteren Kindern/Jugendlichen in der Pubertät (z. B. Aufbau des Sekundarschulsystems, Übergang von Schule zu Beruf) ausgeweitet werden mussten.

 

Um das Projekt Stadtteilmütter im Sozialraum bekannt zu machen, wurden in verschiedenen Grundschulen in Charlottenburg Nord Elterncafes eingerichtet und auch Mütterberatung im Haus der Familie und im Nachbarschaftszentrum am Lietzensee angeboten.

Einige Stadtteilmütter haben sich nach der Beendigung der MAE-Maßnahme weiter qualifiziert, eine Ausbildung als Sozialassistentin absolviert und arbeiten jetzt im Bereich der Familienhilfe oder im Pflegebereich. Es besteht für sie zudem die Möglichkeit, sich anschließend zur Erzieherin weiter zu qualifizieren. Andere Frauen sind gegenwärtig dabei, den Mittleren Abschluss oder das Abitur nachzumachen. Die ehemaligen Stadtteilmütter berichten, dass ihre niedrigschwellige Informations- und Beratungstätigkeit für ihre Zielgruppe sehr hilfreich und nützlich war. Dass sie demselben ethnischen und teilweise auch sozialen Milieu wir ihre Klientinnen angehören, habe ihnen den Zugang zu den oftmals ethnisch isoliert lebenden Migrantinnen und die Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung zu ihnen erleichtert. Mittels des Schneeballsystems hätten sie oftmals auch Freundinnen und Nachbarinnen erreichen können. Dadurch sei es ihnen nicht nur möglich gewesen, eine beträchtliche informatorische Breitenwirkung zu erreichen, sie hätten in den Familien oftmals sogar eine Vorbildfunktion in Bezug auf die Möglichkeiten der Weiterbildung ausüben können.

 

Die Stadtteilmütter berichten aus, dass sie durch ihre Arbeit ansatzweise auch die Angst der von ihnen kontaktierenden Migrantinnen vor dem Jugendamt und seinen Hilfsangeboten abbauen konnten: die Frauen wandten sich auch bei schweren Familien- und Erziehungsproblemen von sich aus fast niemals an die zuständigen bezirklichen Einrichtungen, weil sie fürchteten, dass das Jugendamt ihnen bei Bekanntwerden von Problemen die Kinder wegnehmen würde.

 

Die Einbeziehung der Väter gelang den Stadtteilmüttern nur selten, weil diese nicht erreichbar waren oder sich für Erziehungsfragen nicht zuständig fühlten. Gegenwärtig wird im Bezirk auch darüber diskutiert, ob es unter sozialem und pädagogischem Aspekt sinnvoll sein könnte, analog zu den Stadtteilmüttern auch ein Stadtteilväterprojekt zu organisieren.

 

Die angestrebte Vernetzung der Stadtteilmütter mit den bezirklichen Institutionen im Bezirk gestaltet sich nach Aussage von Frau Hesse-Kreszinsky gegenwärtig sehr unterschiedlich. Während die Vernetzung mit dem Gesundheitsdienst und dem Jugendamt bereits recht gut funktioniere, hätten die von ihr kontaktierten Kitas und Schulen bisher kaum Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Stadtteilmüttern gezeigt.

 

Eine Evaluation des ersten Durchgangs des Projektes „Stadtteilmütter in Charlottenburg-Nord“ wurde 2009/2010 von Studentinnen der Evangelischen Hochschule Berlin im Diplomstudiengang Sozialarbeit/Sozialpädagogik unter Leitung von Prof. Dr. Brigitte Wiesmaier im Auftrag der Abteilung Soziales, Gesundheit, Umwelt und Verkehr durchgeführt (Abschlussbericht April 2011). Für eine Fortführung der Evaluation beim zweiten Durchgang fehlte jedoch das Geld.

 

Im Anschluss an die Darstellung der Arbeit der Stadtteilmütter werden die Projektperspektiven diskutiert.

 

Herr Engelmann informiert die Ausschussmitglieder über die Aktivitäten, die er bisher unternommen hat, um das Projekt auf eine sichere finanzielle Basis zu stellen, nach dem BVV (Drucksache Nr. 15/4) sich dafür ausgesprochen hatte, das Projekt Stadtteilmütter im Bezirk weiter zu führen. Er hat verschiedene Senatsverwaltungen um finanzielle Unterstützung für das Projekt gebeten, von diesen bisher aber nur moralisch Unterstützung erhalten.

 

Das bezirkliche JobCenter hat sich inzwischen zwar bereit erklärt, ab Herbst 2012 eine Anschlussmaßnahme mit 15 Frauen durchzuführen (via AGH/MAE), es ist ihm aufgrund veränderter gesetzlicher Bestimmungen aber nicht mehr möglich, die für eine erfolgreiche Arbeit der Stadtteilmütter erforderliche Qualifizierung zu finanzieren. Daher stellt sich die Frage nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten. Geplant ist eine diesbezügliche Anfrage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Weitere Vorschläge beinhalten eine erneute Kontaktierung der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen und die Thematisierung des Problems bei der nächsten bezirklichen Trägerversammlung.


 

 
 

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