Drucksache - 0992/XXI  

 
 
Betreff: Bezahlkarte für Geflüchtete diskriminierungsfrei ausgestalten
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Die Fraktion GRÜNEDie Fraktion GRÜNE
Verfasser:1. Herr Joswich, Torben Elias
2. Frau Drews, Simone
Losert, Ronja
Drucksache-Art:AntragAntrag
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
20.03.2024 
28. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Bürgerdienste, Soziales, Senioren und demographischen Wandel Beratung
18.04.2024 
16. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bürgerdienste, Soziales, Senioren und demographischen Wandel      

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass bei einer Einführung eines Bezahlkartensystems für geflüchtete Menschen die Einhaltung von Datenschutz und Schutz vor Diskriminierung gewährleistet wird, so dass dieses System nicht zur Restriktion und Diskriminierung genutzt wird. 

 

Konkret muss sichergestellt werden, dass:

 Persönlichkeitsrechte nicht beschränkt werden: Es darf keine Möglichkeit zur Einsicht in Zahlungen der Personen, etwa durch Verwaltungen, genommen werden. Dies birgt ein großes Missbrauchspotenzial. 

 

 ebenfalls keine Verknüpfung mit Daten aus dem Ausländerzentralregister oder anderen behördlichen Informationen erfolgt, die missbraucht und gegen geflüchtete Menschen eingesetzt werden könnten. Die Datensicherheit muss jederzeit garantiert und sichergestellt werden. Diese Punkte würden ermöglichen, dass zulasten der Personen „Profile“ über das Kauf- und Bewegungsverhalten erstellt werden können. 

 

 Bargeldabhebungen in jedem Fall und ohne Festlegung von maximalen Geldbeträgen immer möglich sind und durch die Möglichkeit der Bargeldabhebung Wochenmärkte, Flohmärkte u. ä. ohne Einschränkung für den günstigen Einkauf genutzt werden können.

 

 Warengruppen nicht ausgenommen werden. Es handelt sich um bewilligte Leistungen der Personen, bei denen jede weitere Restriktion ein Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt. 

 

 es keine “de facto Residenzpflicht und Einschränkung der Bewegungsfreiheit gibt, etwa durch eine geographische Eingrenzung für die Nutzung der Karte. Diese muss deutschlandweit einsetzbar sein.

 

 ausgezahlte Leistungen, die der Person zustehen, nicht gesperrt oder eingezogen wird, etwa bei einem Rechtskreiswechsel (folgend der gegenwärtigen Praxis). Das gilt besonders für den Wechsel aus dem AsylbLG-Bezug und mögliche vorher nicht verausgabte Leistungen.

 

 die Einrichtung von Bankkonten bei allen Personengruppen, die Anspruch auf die Einrichtung eines Bankkontos (mindestens Basiskonto) haben, mit allen darin enthaltenen Funktionen, erhalten bleibt. Zielgruppe der Bezahlkarte können ausschließlich Menschen sein, die keinen Anspruch oder faktischen Zugang zu einem Bankkonto haben.

 

 Jede Person eine eigene Bezahlkarte ausgestellt bekommt, um Abhängigkeiten, etwa von Frauen im familiären Kontext, zu verhindern. 

 

 Bezahlungen online möglich sind, damit z. B. vor Ort nicht verfügbare Produkte und Lebensmittel bestellt oder Online-Sonderangebote genutzt werden können und Überweisungen auf andere Konten uneingeschränkt möglich sind. 

 

 keine Diskriminierung durch das Design einer Karte entsteht, die Geflüchtete in jeder Bezahlsituation erkennbar macht und dadurch ein hohes Stigmatisierungspotenzial birgt.

 

Der Bezirksverordnetenversammlung soll bis Oktober 2024 detailliert berichterstattet werden, welche konkreten Maßnahmen das Bezirksamt ergriffen hat.

 

Begründung:

 

Die Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind existenzsichernd. Diese Regelung basiert auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat am 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10) die seit 1993 unangepasst geltenden Sätze als verfassungswidrig eingestuft. Ähnlich wie bei dem Hartz-IV-Urteil aus dem Jahr 2010 hat das Gericht argumentiert, Leistungen müssten existenzsichernd sein, um die Würde des Menschen zu gewährleisten. Dementsprechend bezog sich das Bundesverfassungsgericht auf Artikel 1 unseres Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Für diesen sowie für Artikel 20 unseres Grundgesetzes gilt die sogenannte Ewigkeitsklausel, sie sind also nicht änderbar.

r das Land Berlin sowie für die Bezirke kommt eine Einführung in einer haushälterisch äerst angespannten Lage. Während die pauschalen Minderausgaben steigen, würden vermutlich allein um die zehn Mio. Euro pro Jahr für die Transaktionskosten der Bezahlkarten draufgehen. Angesichts desaströser Zustände in einigen Unterkünften für Geflüchtete ist kaum zu begründen, warum dieses Geld nicht in eine menschenwürdige Grundversorgung fließen sollte. Bisher konnte auch nicht ausreichend dargelegt werden, dass es eine effektive Erleichterung für die Bezirke durch ein Bezahlkartensystem gibt.

Ebenfalls kritisiert der Flüchtlingsrat Berlin eine solche Karte auch als „diskriminierendes und bevormundendes Instrument, das massiv in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen eingreift”. Umso wichtiger ist es, dass die Bezirke ein klares Zeichen für die Ausgestaltung dieser Karte im o.g. Sinne setzen. Aus den genannten Gründen begleiten wir die wahrscheinliche Einführung eines Bezahlkartensystems aus einer kritischen Perspektive. Um tatsächlich einen verwaltungstechnischen Fortschritt zu erreichen, ist es zentral, dass ein Bezahlkartensystem diskriminierungsfrei ist und tatsächlich nur der Verbesserung von Verwaltungshandeln dient.

 
 

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