Die BVV fasste auf ihrer Sitzung am 27.05.2020 folgenden Beschluss:
Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt zu beobachten, ob zukünftig leerstehende Wohnungen in den Gebieten der sozialen Erhaltungssatzung in relevanter Größenordnung an „Proforma-Mieter“ vermietet werden, mit dem Ziel eines anschließenden Ankaufes gem. § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB durch diese Mieter. Sollte diese missbräuchliche Vermietungspraxis in größerem Umfang beobachtet werden, wird das Bezirksamt ersucht, der BVV darzustellen, mit welchen geeigneten Mitteln des Verwaltungshandelns dem Symptom begegnet werden kann.
Das Bezirksamt teilt hierzu mit der Bitte um Kenntnisnahme mit:
Mit der am 14. März 2015 in Kraft getretenen und 2020 erneut beschlossenen Umwandlungsverordnung (GVBl. Nr. 5 vom 21.02.2020, S. 38) steht in allen derzeitigen und zukünftigen sozialen Erhaltungsgebieten Berlins die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Das Baugesetzbuch benennt im § 172 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 Nr. 2-6 die Fälle, in denen eine Genehmigung zu erteilen ist. Im Regelfall machen die Eigentümer/-innen vom Genehmigungstatbestand des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nummer 6 BauGB Gebrauch. Dieser besagt, dass eine Genehmigung zu erteilen ist, wenn Eigentümer sich verpflichten, „innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern“. Der Fachbereich Stadtplanung lässt im Falle der Genehmigung nach der § 172 Abs. 4 Satz 3 Nummer 6 BauGB regelmäßig eine Veräußerungsbeschränkung in das Grundbuch eintragen und behält sich die Genehmigung für spätere Wohnungsverkäufe vor (§ 172 Abs. 4 Satz 4 und 5 BauGB). Im Rahmen der Beurteilung eines Antrags auf Genehmigung zur Veräußerung einer einzelnen Wohnung ist zu prüfen, ob der Mieter ein regulärer Mieter ist. Eindeutig ist dies bei Personen der Fall, die bereits bei Erlass der entsprechenden Erhaltungsverordnung bzw. vor der entsprechenden Umwandlungsgenehmigung in den betroffenen Wohnungen wohnen. Schwieriger ist die Frage allerdings zu beantworten bei zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung leerstehenden Wohnungen und später leerstehenden Wohnungen, in die Personen einziehen. „Zum Kreis der Mieter im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB gehören nicht diejenigen Personen, die die betreffende Wohnung zwar tatsächlich bewohnen, diese Nutzung aber von vornherein nur mit der Absicht aufgenommen haben, die Wohnung käuflich zu erwerben“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 – 4 C 1/03 –, juris, 3. Leitsatz). Entscheidend sei daher zunächst, ob eine Person wie ein Mieter in der Wohnung lebe. Hierzu gehören zumindest der Abschluss eines Mietvertrags, die ordnungsgemäße Meldung sowie die reale Zahlung von Miete. Weiterhin ist zu klären, ab wann ein Mieter ein „regulärer Mieter“ im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB, also Teil des zu schützenden Milieus ist. Hierzu gibt es in der Kommentierung und Rechtsprechung keine eindeutigen Aussagen/Definitionen. Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg sowie einigen anderen Berliner Bezirken wird in Anlehnung an andere Rechtsbereiche eine Wohndauer von 6 Monaten angenommen. In Tempelhof-Schöneberg sind seit In-Kraft-Treten der Umwandlungsgenehmigung 2.444 Wohnungen auf 115 Grundstücken aufgrund von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB umgewandelt worden (Stichtag 30.06.2020 Hinweis: Nach diesem Datum bearbeitete Umwandlungsfälle sind unberücksichtigt, da in der Regel auch grundbuchlich noch nicht vollzogen). In den mehr als fünf Jahren der Geltungsdauer der Umwandlungsverordnung wurden trotz Eintragens einer Veräußerungsbeschränkung in die entsprechenden Grundbücher nur 20 Wohnungen an die jeweiligen Mieter veräußert. Davon lebten 14 Mieter schon vor der Umwandlungsgenehmigung in ihrer jeweiligen Wohnung, nur 5 Mieter zogen später ein; ein Erwerber war vorher Mieter in einem anderen Haus im selben Erhaltungsgebiet. Nähme man an, dass die fünf später zugezogenen Mieter als "Proforma-Mieter" zu werten sind, läge der Anteil im Verhältnis zu den umgewandelten Wohnungen bei ca. 0,002%.
Vor diesem Hintergrund ist daher nicht zu beobachten, dass leerstehende Wohnungen in relevanter Größenordnung an "Proforma-Mieter" vermietet werden mit dem Ziel eines anschließenden Ankaufs an diese Mieter.