Drucksache - 1315/XIX  

 
 
Betreff: Einleitung des Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 30 AGBauGB für die Grundstücke zwischen Monumentenstraße, östliche Grenze des Grundstücks Monumentenstraße 13, Verlängerung der Grundstücksgrenze bis zur Kesselsdorfstraße, Kesselsdorfstraße, Kolonnenstraße, Naumannstraße, Torgauer Straße, Cherusker Park und Wannseebahngraben im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:Mitteilung zur KenntnisnahmeMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
19.11.2014 
40. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Entscheidung
10.12.2014 
34. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
14.01.2015 
35. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Mitteilung zur Kenntnisnahme

des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin

 

des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin

über die Einleitung des Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 30 AGBauGB für die Grundstücke zwischen Monumentenstraße, östliche Grenze des Grundstücks Monumentenstraße 13, Verlängerung der Grundstücksgrenze bis zur Kesselsdorfstraße, Kesselsdorfstraße, Kolonnenstraße, Naumannstraße, Torgauer Straße, Cherusker Park und Wannseebahngraben im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg

 

BEGRÜNDUNG:

Anlass:

In den letzten Jahren wurden im Bezirk Tempelhof-Schöneberg zunehmend Bereiche mit angespanntem Wohnungsmarkt identifiziert. Diese Bereiche liegen überwiegend im Norden des Ortsteils Schöneberg. Die Bevölkerungsprognosen für Berlin gehen auch mittelfristig von einem Zuwachs der Bevölkerung aus, der sich gleichzeitig stark auf die innerstädtischen Ortsteile, wie Schöneberg, konzentriert und überwiegend durch kleine und jüngere Haushalte geprägt sein wird.

Ein angespannter Wohnungsmarkt führt in den innerstädtischen Lagen Berlins verstärkt zu sozialen Entmischungsprozessen. Diese können sich wie folgt städtebaulich auswirken:

-          Steigende Mieten und damit Verdrängung der BewohnerInnen aus ihrem Wohngebiet

-          Verstärkte Nachfrage und entsprechende Verknappung von günstigen Wohnungen im Bezirk / Nachbarbezirken (mit der möglichen Folge einer Segregation durch Fortsetzung des Verdrängungsprozesses in den dann nachgefragten Wohngebieten)

-          Öffentliche Aufgabe der Schaffung günstigen Wohnraumes (im Bezirk).

-          Vorhandene öffentliche und private Infrastruktureinrichtungen, die auf die ansässige Bevölkerung zugeschnitten sind, werden nicht mehr im Gebiet nachgefragt. Gleichzeitig entsteht an anderer Stelle ein neuer Bedarf. Dies wirkt sich auf die öffentliche Infrastrukturplanung und auf private Unternehmen sowie soziale Träger aus.

 

Erste Untersuchungen:

Vor diesem Hintergrund hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, vertreten durch den Fachbereich Stadtplanung, im Dezember 2012 eine Untersuchung zur Ermittlung von „Gebieten mit Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung“ in Auftrag gegeben. Der Untersuchungsbericht der „asum GmbH“ liegt seit Juni 2013 vor.

Ziel der Untersuchung war es, Teilräume im Bezirk zu identifizieren, in denen die ansässige Bevölkerung auf die im Gebiet vorhandene Wohnsituation und Infrastruktur angewiesen ist und gleichzeitig die Wechselbeziehung gefährdet ist. Also Bereiche, in denen aufgrund von Aufwertungspotential des Wohnungsbestandes und Aufwertungsdruck auf dem Wohnungsmarkt zu befürchten ist, dass soziale Verdrängungsprozesse mit negativen städtebaulichen Folgen ausgelöst werden können.

Als Ergebnis wurden drei Verdachtsgebiete im ganzen Bezirk ermittelt, die die o.g. drei Kriterien erfüllen und die bei sozialer Entmischung zu städtebaulich relevanten negativen Folgen führen können. Die Gebiete können aufgrund ihrer städtebaulichen / baulichen Struktur und stadträumlichen Lage die Voraussetzungen für eine soziale Erhaltungsverordnung aufweisen.

Der Aufwertungsdruck besteht in den in Rede stehenden Gebieten, insbesondere im Bereich der Modernisierung, Wohnungszusammenlegung sowie durch Abriss mit anschließender Neuerrichtung von höherwertigem Wohnungsbau.

Alle drei Verdachtsgebiete gemäß der asum-Untersuchung liegen im Ortsteil Schöneberg. Für alle drei Gebiete waren, entsprechend Priorität, Verfahren für soziale Erhaltungsverordnungen einzuleiten und auf der Grundlage tiefergehender Untersuchungen Verordnungen zu erlassen. Nachdem für die Bereiche „Barbarossaplatz / Bayrischer Platz“, „Bautzener Straße“ und „Kaiser-Wilhelm-Platz“ nunmehr drei Erhaltungsverordnungen (für ursprünglich zwei Verdachtsgebiete) erlassen wurden, war für den Bereich „Schöneberger Insel“ ein weiteres Verfahren zum Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung einzuleiten.

 

Verdachtsgebiet „Schöneberger Insel“

Abgrenzung des Verdachtsgebietes:

Im Rahmen der Ermittlung von Gebieten mit Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung hatten die Gutachter in einem mehrstufigen Verfahren Gebiete im Bezirk unter Betrachtung der Kriterien Aufwertungspotential, Aufwertungsdruck und Verdrängungsgefahr immer kleinräumiger abgegrenzt.

Das Verdachtsgebiet Schöneberger Insel gehört zum Planungsraum Schöneberger Insel und ist mit diesem bzgl. der Wohnblöcke fast identisch. Seine von anderen Wohngebieten abgeschnittene Lage zwischen Bahntrassen und Gewerbegebieten begründet auch die räumliche Abgrenzung des geplanten Erhaltungsgebietes.

 

Beschreibung des Verdachtsgebietes:

Das Verdachtsgebiet ist ca. 33 ha groß und stellt für ca. 10.000 Einwohner den Wohnort dar. Es weist eine sehr hohe Einwohnerdichte in einem fast vollständig erhaltenen Gründerzeitwohnquartier auf.

Das innerstädtische Gebiet mit urbanen Nutzungsstrukturen und guter Anbindung an den ÖPNV und das übergeordnete Verkehrsnetz ist gleichzeitig durch seine „Insellage“ zwischen drei S-Bahntrassen und gewerblichen Nutzungen räumlich von anderen Schöneberger Quartieren abgeschnitten. Die Wohnstraßen sind als ruhig einzustufen. Auf dem Grundstück des ehemaligen Kinderzentrums Monumentenstraße plant ein freier Schulträger neue Schul- und Betreuungseinrichtungen.

Angrenzend befinden sich eine Grundschule, eine Kindertagesstätte und eine Oberschule sowie verschiedene geplante und realisierte Grün- und Freiflächen.

 

Vorliegen der Kriterien:

Aufgrund des ermittelten Wohnungsbestandes, der Wohnungsgrößen, Zimmeranzahlen, der Wohnungsausstattung wird das Aufwertungspotential im Bereich der Schaffung von wohnwerterhöhenden Merkmalen nach Mietspiegel, zu denen auch sogenannte Luxusmodernisierungen gehören, vermutet. Die vorhandenen mittleren Wohnungsgrößen werden angesichts der Verteuerungen auf dem Wohnungsmarkt auch von Mittelschichtshaushalten nachgefragt. Anbauten von Aufzügen bei Dachgeschossausbauten, die auch Bestandswohnungen betreffen, werden erwartet. Aufgrund des geringen Anteils an Wohnraum mit Miet- oder Belegungsbindung fehlen mietdämpfende Strukturen.

Die überdurchschnittlich guten Verwertungsmöglichkeiten der das Gebiet prägenden Gründerzeitwohnungen bei Neuvermietung und Verkauf weisen auf einen Aufwertungsdruck hin. Im Bereich der Schöneberger Insel tragen die Planungen und Qualifizierungen von Grün- und Freiflächen darüber hinaus zur Attraktivitätssteigerung des Gebietes bei.

Anhand der Indikatoren „Wohnlage“, „Miet- und Kaufpreise“ und “Umwandlungsgeschehen“ wurde der Aufwertungsdruck ermittelt und analysiert. Gemäß dem aktuellen Mietspiegel gehört die Schöneberger Insel zur einfachen Wohnlage. Die ermittelten Angebotsmieten überstiegen im Jahr 2013 jedoch deutlich die Oberwerte für einfache Wohnlagen. Diese Entwicklung wirkt sich preistreibend aus. Wohnungsknappheit und die zentrale Lage begünstigen hier den Aufwertungsdruck. Zusätzlich nahm die Zahl der Umwandlungsanträge und Kaufverträge auffällig zu. Die erzielten Quadratmeterpreise (gemäß der Untersuchungsrecherche von asum GmbH) lagen deutlich über 2.000 €. Da Kaufverträge das Potential zur Objektsanierung und zur Steigerung des Ausstattungsstandards haben, ist auch die Zahl der Kaufverträge ein Indikator für einen zunehmenden Aufwertungsdruck.

Die Analyse des Veränderungsdrucks erfolgte auf der Grundlage folgender Daten: Demografische Zusammensetzung, Migrationshintergrund, Bevölkerungsveränderung, Wanderungsbewegungen und Existenzsicherung. Die Schöneberger Insel zeichnet sich durch einen höheren Anteil jüngerer Erwachsener aus, als durchschnittlich in Schöneberg leben. Der Anteil der BewohnerInnen mit Migrationshintergrund entspricht dem Bezirksdurchschnitt, wobei eine abnehmende Tendenz festzustellen ist. Auch Familien mit kleinen Kindern ziehen verstärkt aus dem Gebiet heraus. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist mit über 50 % jedoch sehr hoch. Die ermittelten hohen Wanderungsbewegungen weisen auf eine hohe Gebietsattraktivität hin. Der Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter liegt nur leicht unter dem Berliner Durchschnitt. Die Kaufkraft im Gebiet nahm zu.

 

Soziale Erhaltungsgebiete

Das Ziel einer Verordnung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ist die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem bestimmten Gebiet und die Verhinderung der Verdrängung der bereits gebietsansässigen Wohnbevölkerung. Das Wort „Zusammensetzung“ stellt dabei auf das bestehende Mischungsverhältnis verschiedener Bevölkerungsgruppen bzw. –schichten ab. Aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB) folgt weiter, dass die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erforderlich sein muss. Solche Gründe liegen dann vor, wenn zwischen der in dem Gebiet wohnenden Bevölkerung einerseits und der vorhandenen Infrastruktur und Wohnungsstruktur- bzw. - situation anderseits eine bestimmte Passgenauigkeit besteht, die es zu wahren gilt.

 

Erhaltungsgebiet „Schöneberger Insel“

Auf der Grundlage der o.g. Untersuchungen ließ sich die Einleitung eines Verfahrens auf der Grundlage von § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB begründen. Die vorhandenen, allgemein stark nachgefragten Gründerzeitwohnungen und die stadträumliche Lage (die ruhigen Wohnstraßen, die gute ÖPNV-Anbindung, die vorhandenen und geplanten Parkanlagen) geben dem geplanten Erhaltungsgebiet als Wohnstandort eine ausgesprochene Attraktivität mit der Möglichkeit, hohe Kauf- und Mietpreise zu erzielen. Nachweisbar haben soziostrukturelle Veränderungen eingesetzt. Weitere Segregationsprozesse würden zu Lasten der sozial Schwachen gehen. Gerade die Verdrängung von Familien mit Kindern, von Migranten und Transferhilfeempfängern würde aufgrund einer starken Verwurzelung und dem Fehlen angemessenen neuen Wohnraumes zu städtebaulichen Folgen führen. Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist somit aus besonderen städtebaulichen Gründen zu erhalten.

 

Die aktuellen Entwicklungstendenzen (nach Fertigstellung der asum-Untersuchung) wurden von dem Büro TOPOS anhand der Auswertung des Sozialstrukturatlas 2013 im Rahmen einer Kurzstellungnahme vom 22. September 2014 dargelegt: „Der Planungsraum Schöneberger Insel, welcher fast mit dem geplanten Erhaltungsgebiet identisch ist, weist eine Rangverbesserung beim Vergleich des Sozialindex Berliner Wohngebiete auf. Diese Aufwertungstendenzen decken sich mit den Ergebnissen benachbarter Wohngebiete, für die im Jahr 2013 eine genaue Sozialstrukturenanalyse durchgeführt wurde. Aufgrund der erkennbaren Entwicklungstendenzen in diesen benachbarten Wohngebieten, wird von TOPOS die Dringlichkeit für steuernde Planungsinstrumente verstärkt gesehen.“

 

Im weiteren Verfahren sind die ersten Ergebnisse der o.g. asum-Untersuchung durch weitergehende Untersuchungen zu vertiefen sowie die dann vorliegenden, gebietsspezifischeren Ergebnisse zu analysieren und auszuwerten. Das Stadtforschungsbüro TOPOS wurde bereits zur Durchführung der Bestandsaufnahme und Analyse beauftragt.

 

Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung:

Der Beschluss über die Einleitung einer Erhaltungsverordnung für den Bereich Schöneberger Insel hat den Geltungsbereich gemäß der schlüssigen Abgrenzung des gleichnamigen Verdachtsgebiet in der o.g. Untersuchung übernommen.

Auf der Grundlage tiefergehender Untersuchungen können sich jedoch noch Änderungen ergeben.

 

Rechtsgrundlagen:

-          Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. Juli 2014 (BGBl. I S. 954)

-          Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3 November 2005 (GVBl. S. 692)

-              Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 10. November 2011 (GVBl. S. 693)

 

 
 

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