Drucksache - 0779/XIX
des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin ÜBER DEN Beschluss der BVV (Drucksache Nr. 0779/XIX) vom 11. Dezember 2013
Bebauungsplanverfahren XI-226 und XI-227 (Einstellung) sowie 7-57B (Aufstellung)
Der BVV-Beschluss ersucht das Bezirksamt um Prüfung, wie die vorhandene Wohnnutzung auf den Grundstücken Bessemerstraße 44/76 planungsrechtlich gesichert werden kann und eine Perspektive für etwaige Investitionen an den Gebäuden offen gehalten werden kann.
Das Bezirksamt bittet Folgendes als Schlussbericht zur Kenntnis zu nehmen:
Bestandsschutzrechtliche Wirkung der Baugenehmigung: Die Gebäude wurden 1930 als Wohngebäude genehmigt und errichtet (vgl. Baugenehmigung). Planungsrechtlich handelte es sich bereits in den 1920 er Jahren bei dem Grundstück Bessemerstraße 44/76, genauso wie die Umgebung um ein Industriegebiet gemäß der Bauordnung Berlin 1929, in welchem Wohngebäude nicht zulässig waren. Die Wohngebäude wurden im Rahmen einer Befreiung genehmigt, sowohl bzgl. des Maßes als auch der Art der baulichen Nutzung. Erst auf der Grundlage eines umfangreichen Schriftverkehrs (Abwägung der Belange der Wohnungsnot Ende der 1920er Jahre gegen die Belange des Immissionsschutzes für die Bewohner in der beantragten Wohnbebauung Bewohner – „kleinen Leute, die auch Kammer und Küche als Aufenthaltsräume nutzen“) sah man im Bezirk von den erheblichen Bedenken ab und stimmte einer Befreiung zu. Denkmalschutz: Gemäß Denkmalliste ist die „Wohnanlage Eythstraße“ als Gesamtanlage mit den Objekten Eythstraße 14/64 und Bessemerstraße 44/76, 86/102 als Erweiterung der Lindenhof Siedlung 1995 unter Denkmalschutz gestellt worden. Aufgrund der Baugenehmigung genießt die bauliche Anlage Bestandsschutz. Wann die Baugenehmigung erteilt worden ist und welche baurechtlichen Bestimmungen ihr zugrunde lagen, ist unerheblich. In Ermangelung einer gesetzlichen Befristung gilt die Baugenehmigung eine unbegrenzte Zeit und vermittelt der realisierten baulichen Anlage in ihrer genehmigten Nutzung Bestandsschutz, solange ein funktionsgerecht genutzter Bestand vorhanden ist. Änderungen und Nutzungsänderungen baulicher Anlagen sind vom Bestandsschutz nicht erfasst, wohl aber die Instandhaltung, Modernisierung und bestimmungsgemäße Nutzung der vorhandenen Bausubstanz.
Fazit: Die vorhandene Bausubstanz und Nutzung sind sowohl bauordnungs- als auch denkmalschutzrechtlich gesichert. Die vorhandene Gebäudesubstanz kann instandgesetzt, modernisiert und renoviert werden, so es den Denkmalschutzvorgaben entspricht.
Emissionen / Nutzungskonflikte im Bestand: Bei den in Rede stehenden Grundstücken handelt es sich (seit Beschluss des Baunutzungsplanes 1960) um ein Gewerbegebiet, folglich sind hier Immissionsschutzrichtwerte der TA-Lärm für Gewerbegebiet anzuwenden, auch wenn es sich um eine Wohnbebauung handelt. Würde eine Mischgebietsausweisung für die bestandsgeschützten Wohngebäude erfolgen, würde dies zu einer faktischen Betriebsuntersagung der benachbarten Betriebe führen. Aufgrund der Kooperation der Betriebe konnten, veranlasst durch Beschwerden, Verladeemissionen reduziert werden, die Emissionen der Fahrgeräusche auf der Privatstraße können nicht reduziert werden. Eine nächtliche Betriebsuntersagung käme einer vollständigen Betriebsuntersagung gleich. (Zusammenfassung des Schreibens von Um Ltg vom 6. Januar 2014)
Vorbereitende und verbindliche Bauleitplanung: Flächennutzungsplan: Gewerbliche Baufläche Stadtentwicklungsplan Industrie und Gewebe: Entwicklungsmaßnahme: Sicherung für den produktionsgeprägten Bereich; Aktivierung von Flächenpotentialen Entwicklungsansatz: Qualifizierung; Nutzung der besonderen Erschließungsqualität Räumliches Modell und Konzept: Die gewerblichen Bauflächen an der A 100 ... sind Flächen besonderer Erschließungsqualität und deshalb von herausgehobener Bedeutung für den produktionsgeprägten Bereich. Aufgrund der sich abzeichnenden Flächendefizite sind diese Standort besonders zu stärken. Leitbild: Vor dem Hintergrund sich ändernder Rahmenbedingungen benötigen produzierende Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität. Um die Zukunftsfähigkeit des produzierenden Sektors innerhalb der Stadt zu sichern und Konflikte mit anderen Nutzungen zu vermeiden, sollen große, zusammenhängende Flächen gegenüber dem Eindringen oder Heranrücken sensibler Nutzungen gesichert werden. Zur Minderung immissionsschutzrechtlicher Konflikte sollen zwischen gewerblichen Nutzungen und Wohnen angemessene Abstände eingehalten werden. Im Fall gleicher Wirkung sollen Maßnahmen baulicher Art Vorrang vor flächenbeanspruchenden Abstandsregelungen haben.
Durch den grundsätzlichen Ausschluss unverträglicher Nutzungen auf gewerblichen Bauflächen soll das Angebot an Grundstücken für Gewerbe und Industrie zu angemessenen Preisen gesichert und der Verdrängungsdruck auf ansässige Betriebe vermindert werden. Verbindliche Bauleitplanung: Baunutzungsplan aus dem Jahre 1960 in Verbindung mit der Bauordnung 1958 und den förmlich festgestellten Straßen und Baufluchtlinien: Beschränktes Arbeitsgebiet V/3.
Fazit: Gemäß geltendem Recht handelt es sich um ein Gewerbegebiet. Die Herabzonung auf ein Mischgebiet oder eine Wohngebiet für das in Rede stehenden Grundstück steht den Zielen der vorbereitenden Bauleitplanung sowie der informellen Planung entgegen. Demnach ist der innerstädtische, gut erschlossene Gewerbestandort zu erhalten, insbesondere für produzierende Betriebe. Das Heranrücken einer Wohnbebauung ist zu verhindern, um Einschränkungen für das Gewerbe auszuschließen. D.h. das Gewerbegebiet soll (auch nicht für Teilbereiche) weder durch eine Herabzonung auf ein Mischgebiet noch durch Beschränkungen bzgl. der Zulässigkeit von Emissionen planungsrechtlich eingeschränkt werden. Die Ausweisung als Mischgebiet käme zusätzlich nicht in Frage, da auf dem in Rede stehenden Grundstück nur gewohnt wird (keine Mischnutzung) und eine evtl. anzustrebende Mischnutzung auch mit den Eigentumsverhältnissen (Wohnungsbaugenossenschaft) städtebaulich nicht seriös begründet werden könnte. Die Sicherung des Grundstücks als Allgemeines Wohngebiet hätte noch stärkere Einschränkungen der angrenzenden gewerblichen Nutzung zur Folge. Betriebsstilllegungen und Schadensersatzansprüche mit Kosten in unbestimmter Höhe wären die Folge. Derartige Bebauungspläne haben in Berlin keine Chance auf Festsetzung.
Prüfergebnis: Auch wenn eine planungsrechtliche Sicherung der vorhandenen Wohnnutzung im Interesse der dort Wohnenden wäre, lässt sich dies vor dem Hintergrund der gesamtstädtischen Ziele nicht umsetzen. Die Wohnbebauung ist seit 80 Jahren die geduldete Fremdnutzung in gewerblichem Gebiet. Der Bestandsschutz eröffnet vielfältige Möglichkeiten für Investitionen. |
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