Drucksache - 0421/XIX  

 
 
Betreff: Planungen für das Kleingartengelände an der Säntisstraße transparent machen
Status:öffentlichAktenzeichen:siehe DS 1326/XVIII
 Ursprungaktuell
Initiator:Die Fraktion der CDUBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtentwicklung Entscheidung
14.11.2012 
9. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Änderungen im Ausschuss beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
24.10.2012 
13. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Beratung
13.03.2013 
13. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
10.04.2013 
14. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Zwischenbericht zur Kenntnis genommen   
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Beratung
21.11.2012 
14. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Erledigung
20.02.2013 
17. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Beschlussempfehlung
Mitteilung zur Kenntnisnahme
1326-Anlage A_120202_Anfrage_IIC
1326-Anlage B_120210_IIC_Antwort_07-3058-3_Säntisstr95-129R
1326-Anlage C_SenStadt_Wille
1326-Anlage D_121204_Stellungnahme_Rechtsamt
1326-Anlage E_121217_Anfrage_SenStadt_IB_FNP_Änderung
1326-Anlage F_121221_EBA_Antwort
1326-Anlage G_130108_SenStadt_IB_Antwort
1326-Anlage H_130208_Dezin_Anwohnerinformation
SenStadt_Wille_Anlage 1
SenStadt_Wille_Anlage 2
SenStadt_Wille_Anlage 3
SenStadt_Wille_Anlage 4
SenStadt_Wille_Anlage 5
SenStadt_Wille_Anlage 6
SenStadt_Wille_Anlage 7
SenStadt_Wille_Anlage 8

Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 17.02.2010 folgendes beschlossen:

„Die Bezirksverordnetenversammlung bekundet ihren Willen, die Kleingartenanlage der Eisenbahnlandwirtschaft „Säntisstraße“ in ihrer jetzigen Funktion zu erhalten.

Mit der Kleingartenanlage besteht eine natürliche Abgrenzung zwischen dem Bahngelände auf der einen Seite und nahe gelegenen Einfamilienhausbereichen auf der anderen Seite. Die Kleingartenanlage erfüllt wesentliche, positive Klimaeffekte und bietet eine erhaltenswerte Freizeitgestaltung inmitten der Großstadt.

Im Falle einer geplanten Erschließung zum Gewerbepark würden Belastungen durch den notwendigen Wirtschaftsverkehr (Schwerlast- und Nutzerverkehre) entstehen, die die Kapazität der umliegenden Straßenzüge deutlich überschreitet und eine unzumutbare, zusätzliche Belastung der dort betroffenen Anlieger bedeutet. Eine Schaffung von Einzelhandel auf dem Gelände lehnt die Bezirksverordnetenversammlung ab.

Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sind aufgefordert, im Rahmen des geltenden Rechts gemeinsam mit dem Grundstückseigentümer und den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern auf eine langfristige Sicherung der Kleingartenanlage hinzuwirken.

Der BVV ist kontinuierlich über den aktuellen Sachstand zu berichten.“

Sowie die

M I T T E I L U N G - zur Kenntnisnahme -

 

des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin

über die Drucks. Nr.    421/XIX   aus der BVV                             vom 21.11.2012

Betr: Planungen für das Kleingartengelände an der Säntisstraße transparent

machen

 

Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 21.11.2012 folgendes beschlossen:

„Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt, eine erneute rechliche Prüfung der planungsrechtlichen Situartion im Bereich der Eisenbahnlandwirdschaft Säntisstraße durch das Rechtsamt zu veranlassen. Geprüft werden soll insbesondere, ob und welche rechtlichen Mittel zur Verfügung stehen, um die bestehende Kleingartenkolonie dauerhaft zu sichern, ohne Schadensersatzpflichten für den Bezirk zu provozieren.

Ferner wird das Bezirksamt ersucht, gegenüber dem Ausschuss für Stadtentwicklung die für den bereits genehmigten Bau des Logistikstandortes an der Säntisstraße 89 erfolgte Prüfung der Verkehrs- und Lärmsituation ebenso offen zu legen wie die für eine geplante weitere Nutzung bzw. Bebauung erteilten Bauvorbescheide. Darüber hinaus sind Form und Zeitpunkt erfolgter Anwohnerinformationen gegenüber der BVV darzustellen.

Hinsichtlich der weiteren Nutzung bzw. Bebauung ist das im Verlauf des weiteren Verfahren zu erstellende Verkehrs- und Lärmgutachten, mit dem der Eigentümer beauflagt wurde, dem Stadtentwicklungsausschuss mit dem Ziel vorzulegen, die städtebauliche Verträglichkeit einer weiteren Nutzung bzw. Bebauung prüfen zu können, bevor weitere Schritte eingeleitet werden.

Die Unterlagen werden im Rahmen des lnternetauftritts des Bezirkes dokumentiert.“

Hierzu wird berichtet:

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Tempelhof-Schöneberg hat im Februar 2010 ihren Willen bekundet, die Kleingartenanlage Säntisstraße zu erhalten. Das Bezirksamt ist dabei aufgefordert worden, gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Rahmen des geltenden Rechts auf eine langfristige Sicherung der Kleingartenanlage hinzuwirken. Das Bezirksamt hat sich nach dieser Willensbekundung verstärkt für den Erhalt der Kleingartenanlage (Kga) Säntisstraße eingesetzt. Die BVV wurde laufend über die aktuellen Sachstände informiert. Dies erfolgte unter anderem durch kontinuierliche Berichte im Stadtplanungsausschuss sowie in den Antworten zu einer Großen Anfrage (Drs. 1554/XVIII) in der BVV am 29.9.2010 und einer mündlichen Anfrage in der BVV am 31.8.2011. Die Kleingartenanlage Säntisstraße liegt jedoch planungsrechtlich in einem seit den 60er Jahren festgesetzten Gewerbe-, bzw. Industriegebiet. Insofern waren die Möglichkeiten des Bezirksamtes, den Wunsch zum Erhalt der Kleingärten selbst umzusetzen, stark eingeschränkt. Daher hat das Bezirksamt, ausgehend von diesem rechtlichen Status, in mehreren Gesprächsterminen versucht, zwischen dem neuen Eigentümer des Geländes und den Vertreterinnen und Vertretern der Kolonie zu vermitteln, um so den Verkauf des Geländes an die Kleingärtnerinnen zu ermöglichen. Am Ende sind diese Gespräche jedoch offenbar an den Preisvorstellungen des Investors gescheitert. Eine Handlungsoption hätte die Änderung der Bauleitplanung eröffnet, dem jedoch die Darstellung im Flächennutzungsplan (FNP) und die Zielsetzung des Senats (SenStadt und SenWirtschaft), diese Fläche als gewerbliche Baufläche vorzuhalten, entgegensteht. Eine Eisenbahnbefangenheit der Kleingartenfläche ließ sich – auch nach erneuten Recherchen im Jahr 2012 – nicht ermitteln. Alle angefragten Stellen (Eisenbahnbundesamt / Senatsverwaltung / Rechtsamt) haben die durchgeführten Verfahrensabläufe und die sich daraus resultierenden Schlussfolgerungen durch das Bezirksamt bestätigt.

In der nachfolgenden detaillierten Aufstellung wird der Sachstand zum Flurstück 1164 (Kleingartenanlage Säntisstraße) im Einzelnen dargestellt:


Historische Nutzung und Abfolge des Planungsrechts

In der Zeit vor dem 2. Weltkrieg wurden umfangreiche Planungen zur Umgestaltung der Eisenbahnanlagen der Deutschen Reichsbahn in und um Berlin durchgeführt und zum Teil auch baulich umgesetzt. Im Bereich des heutigen S-Bahnhofs Buckower Chaussee war das Güterwagenwerk Marienfeldegeplant.  Dem Heft 12 der Verkehrstechnikvom 20.6.1938 lässt sich entnehmen, dass mit dem Umbau/ Neubau des Ausbesserungswerkes Marienfelde begonnen wurde. Östlich der Kolonie befand sich zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges ein Reichsbahnlager. Der zugehörige Gleisanschluss erfolgte durch ein bogenförmiges Zubringergleis (Baugleis heutiger Kolonie-Hauptweg). Mit Kriegsende ist das Reichsbahnlager aufgegeben worden und in der Flurkarte von 1952/61 nicht mehr dargestellt. Entsprechend war auch das Baugleis funktionslos. Die Ansiedlung der Kolonie auf den augenscheinlich bis dahin ungenutzten Flächen erfolgte erst nach Aufgabe des Reichsbahnlagers. Nachdem die ehemaligen Planungen der Reichsbahn nach Kriegsende nicht mehr weiterverfolgt wurden, hat das Land Berlin durch den Baunutzungsplan von 1960 das Areal zwischen Säntisstraße, Richard-Tauber-Damm, Buckower Chaussee und Berlin-Dresdener Eisenbahn als gewerbliche Baufläche (beschränktes / reines Arbeitsgebiet) ausgewiesen. Geringe östliche Teilflächen am Richard-Tauber-Damm wurden als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Der Baunutzungsplan als übergeleiteter B-Plan gilt im Zusammenhang mit den planungsrechtlichen Bestimmungen der Bauordnung Berlin 1958 und den förmlich festgestellten Straßen- und Baufluchtlinien als qualifizierter Bebauungsplan.

Da der FNP für Berlin von 1964 aber das gesamte Areal als gewerbliche Baufläche darstellte, hat das Bezirksamt Tempelhof am 5.2.1973 die Einleitung des Bebauungsplanes XIII-128 für den gesamten Bereich zwischen Berlin-Dresdener-Bahn, Säntisstraße, Richard-Tauber-Damm und Buckower Chaussee beschlossen. Anlass für die Aufstellung war der Ansiedlungswunsch einer Firma in dem als allgemeines Wohngebiet (WA) ausgewiesenen Bereich am Richard-Tauber-Damm. Die Schwechtenstraße sollte in nördlicher Richtung verschwenkt und bis zur Säntisstraße verlängert werden. Im weiteren Verfahren wurde der Bebauungsplan aufgrund seiner Größe in 5 Einzelpläne mit den Bezeichnungen XIII-128 a-e geteilt.

Bei der Aufstellung dieser B-Pläne wurde im Rahmen der TöB auch geklärt, welche Flächen zwischen Säntisstraße, Richard-Tauber-Damm, Buckower Chaussee und Berlin-Dresdener Eisenbahn der Planfeststellung unterliegen. Die Auslegung dieser Bebauungspläne wurde am 24.04.1978 im Amtsblatt für Berlin bekannt gemacht. Dem begleitenden Schriftverkehr im Rahmen der Bebauungsplanverfahren ist zu entnehmen, dass die Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens (VdeR) den betreffenden B-Plänen zustimmt, sofern gemäß Planfeststellungsbeschluss planfestgestellte Gleisanlagen nachrichtlich übernommen werden. Parallel dazu hat die Bahn am 18.4.1980 einen Planfeststellungsbeschluss gefasst. Hierin festgestellt wurden Eisenbahnanlagen für den Güterumschlag im südlichen Bereich des Bahngeländes zwischen Schwechtenstraße und Buckower Chaussee, jedoch nicht auf dem Koloniegelände.

Der Bebauungsplan XIII-128d südwestlich der Schwechtenstraße ist daraufhin im April 1984 eingestellt worden, da die betr. Flächen sämtlich der Planfeststellung unterlagen.

Die Bebauungspläne XIII-128b und c, welche insbesondere auch die Umwidmung der Wohngebietsflächen im Bereich des Richard-Tauber-Dammes beinhalteten, wurden am 14.04.1987 festgesetzt. Der Bebauungsplan XIII-128c hat entsprechend die planfestgestellten Flächen nachrichtlich übernommen.

Der Bebauungsplan XIII-128e, welcher gewerblichen Bauflächen auf dem Koloniegelände beinhaltete, sowie Teile der Bahnanlagen südlich der Schwechtenstraße nachrichtlich darstellte, ist mit Datum vom 6.09.1991 eingestellt worden. Begründung war insbesondere, dass eine Verlängerung der Schwechtenstraße nach Norden mit Durchstich zur Säntisstraße nicht mehr als erforderlich erachtet wurde und somit das wesentliche Planerfordernis entfallen war. Da die Ausweisungen des geltenden Baunutzungsplanes darüber hinaus Baurecht (beschränktes und reines Arbeitsgebiet) ermöglichten, war der Bebauungsplan entbehrlich.

Bereits 1996 beschloss der Bezirk eine Aktualisierung und Überarbeitung der Bereichsentwicklungsplanung BEP 2 und 3. Für die Kolonie Säntisstraße verfolgte der Bezirk dabei das Ziel, die Kleingartenkolonie langfristig zu sichern. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung widersprach bereits damals diesen Überlegungen und antwortete wie folgt:

„Der FNP stellt gewerbliche Baufläche dar, eine Änderung ist nicht vorgesehen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie sieht die Inanspruchnahme als gewerbliche Baufläche als nachrangig an. Trotzdem ist die Kleingartenanlage längerfristig als gewerbliche Wachstumsreserve zu erhalten.“

Entsprechend wurde die Fläche im Nutzungskonzept als Dissensflächen dargestellt. Die BEP 2 und 3 wurde im März 1999 von der BVV Tempelhof beschlossen.

Die Bezirksverordnetensammlung von Tempelhof-Schöneberg hat am 16.3.2005 den Bebauungsplan XIII-B1 beschlossen, der die meisten Gewerbe- und Industriegebiete bezogen auf die Art der Nutzung im Alt-Bezirk Tempelhof auf die Baunutzungsverordnung 1990 (BauNVO 90) umstellt. Auch das Flurstück 1164 liegt im Geltungsbereich des XIII-B1, die BVV hat somit im Jahr 2005 den gewerblich, bzw. industriellen Charakter des Grundstücks bestätigt und als Nutzungsart nunmehr Gewerbe- und Industriegebiet festsetzt. Die Nutzungsmaßfestsetzungen des übergeleiteten Baunutzungsplans mit der Baustufe IV/3 gelten weiterhin.

Inhaltliche Recherche zur Planungshoheit des Flurstücks 1164

Die Flurkarte von 1978 zeigt, dass innerhalb der Kleingartenanlage auf der Trasse des ehemaligen, nicht mehr in Betrieb befindlichen Zubringergleises (Baugleis), Fußwege hergestellt wurden. Die Kolonie selber war nie durch Bahnnutzung berührt. Das Zubringergleis zu einem an anderer Stelle gelegenen Bahnlager ist vor 1960 und damit vor Inkrafttreten des Baunutzungsplanes aufgegeben worden. Eine bestehende Planfeststellung für den Bereich der Kolonieflächen ist für das Bezirksamt nicht herzuleiten.

Auf den durch die Vivico Real Estate GmbH am 12. Dezember 2008 für mehrere Flurstücke im Bereich Säntisstraße und Richard-Tauber-Damm gestellten Antrag auf Freistellung von Bahnbetriebszwecken erfolgte mit Freistellungsbescheid des Eisenbahnbundesamtes (EBA) vom 26.08.2010 eine Ablehnung der Freistellung für das Flurstück 1164 (Kolonie Säntisstraße) mit der Begründung, die in Rede stehende Fläche sei nie gewidmete Bahnanlage gewesen und könne von daher auch nicht freigestellt werden.

Gegen den betreffenden Freistellungsbescheid ist durch den Grüner Säntispark e.V. Widerspruch eingelegt worden. Darüber hat das EBA den Bezirk am 5.10.2010 informiert. Am 19.01.2011 hat die Vivico Real Estate GmbH in Bezug auf das betr. Flurstück 1164 den Freistellungsantrag (per Fax an das EBA) zurückgenommen. Damit war auch der eingelegte Widerspruch des Grüner Säntispark e.V. gegenstandslos. Darüber informierte das EBA den neuen Eigentümer mit Schreiben vom 11.05.2011. Durch die Rücknahme des Antrages wurde das Freistellungsverfahren in Hinblick auf das Flurstück 1164 (keine Bahnfläche) eingestellt und der Widerspruch des Grüner Säntispark e.V. erledigte sich in der Hauptsache. Zwischenzeitlich scheiterte eine Klage der KleingartenpächterInnen gegen die vom Bezirksamt 2010 erteilten Vorbescheide vor dem Verwaltungs-, bzw. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, da das Gericht zu dem Schluss kam, dass die Kleingartenpächter den erteilten Vorbescheiden keine eigenen Rechte entgegensetzen können.

Vor dem Landgericht Bonn konnten die Pächter der Kleingartenkolonie im September 2012 in der ersten Instanz erfolgreich eine Klage zur Räumung und Herausgabe von Teilflächen der Kleingartenkolonie abwehren. Das Landgericht sah die nach Bundeskleingartengesetz und sonst erforderlichen formalen Erfordernisse für eine Kündigung zwar als erfüllt an, die nach § 9 Bundeskleingartengesetz in Frage kommenden Kündigungsgründe wurden durch das Gericht jedoch als nicht gegeben angesehen. Die Kündigung könne aufgrund der fehlenden konkreten und damit nicht bevorstehenden Grundstücksnutzung keinen Erfolg haben. Von Planungen, die nur Gegenstand eines Vorbescheides seien, könne der Grundstückseigentümer (Klägerin) jederzeit ohne größeren finanziellen Verlust wieder Abstand nehmen, wie er dies in der Vergangenheit auch praktiziert habe. Zudem werde aufgrund der vom Bezirksamt beantworteten Einzelfragen im Vorbescheid keine konkrete Zulässigkeit eines bestimmten Bauvorhabens ausgesprochen. Dieses unterliege hier zum Beispiel der vom Bezirksamt auferlegten Bedingung, dass ein Lärmgutachten die Machbarkeit der Vorhaben in Bezug auf das gegenüberliegende Wohngebiet bestätige. Dass die Klägerin ein planungsrechtlich zulässiges konkretes Vorhaben verfolgte, sei – nach Auffassung des Gerichts – zum Zeitpunkt der Kündigung (bzw. alternativ bezogen auf das Ende der Kündigungsfrist) nicht festzustellen. Zur planungsrechtlichen Situation der Kleingartenkolonie wurde ausgeführt: „...Ausweislich der Festlegung in dem übergeleiteten Bebauungsplan liegt das Grundstück zwar in einem Arbeitsbereich, mithin ist planungsrechtlich eine andere als die derzeitige kleingärtnerische Nutzung zulässig. Hieran ändert auch nichts angesichts des Einwands der Beklagten (Kleingartenpächter), das Land Berlin habe über das streitgegenständliche Gebiet keine Planungshoheit, denn ausweislich der Feststellung des Eisenbahnbundesamtes war das Gebiet nicht als Bahnbetriebsgelände, sondern als Vorratsvermögen einzustufen, wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.9.2012 unwidersprochen vorgetragen hat. Anhaltspunkte, dass diese Einschätzung unzutreffend ist, sind nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nicht aufgezeigt worden.“

Zu Jahresbeginn 2012 wurden dem Bezirksamt zwei weitere Vorbescheidsanträge für das Grundstück Säntisstrasse 95 127 sowie ein Bauantrag zum Nachbargrundstück Säntisstraße 89 zur Beurteilung vorgelegt. Diese Anträge hatte das Bezirksamt in Absprache mit dem Vorsitzenden des Vereins Grüner Säntispark e.V., zum Anlass genommen, erneut bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Referat IIC die Rechtsposition nachzufragen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat sich in ihrer Antwort vom 10.02.2012 mit sehr klaren Worten zur planungsrechtlichen Situation des Grundstücks geäußert: „… Danach liegt die o.g. Kleingartenanlage nicht auf planfestgestelltem Bahngelände. Der betreffende Freistellungsbescheid ist dem Bezirk bekannt…“

Unabhängig von dieser Antwort hat das Bezirksamt aufgrund weiterer Nachfragen des Kleingartenvereins Säntisstraße eine weitere inhaltliche Recherche zum Thema Planungshoheit für das Flurstück 1164veranlasst.

Federführend durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Abt. VII erfolgte eine sehr umfangreiche Aktenrecherche über die Historie / Entwicklung der Bahnplanung im Bereich der Buckower Chaussee / Säntisstraße und darüber hinaus. Hierzu wurden Unterlagen zurück bis in die 1930er Jahre herangezogen. Die vorliegenden Unterlagen haben ein eindeutiges Bild zum Sachstand Planungshoheit für das Flurstück 1164ergeben.

Mit Schreiben SenStadtUm VII E 324 vom 4.6.2012 wird zusammenfassend mitgeteilt: Die Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) im Freistellungsbescheid vom 26.08.2010 in Bezug auf das in Rede stehende Flurstück 1164 wird von mir geteilt. In der Begründung wird aus meiner Sicht korrekt dargestellt, dass es sich bei dem Flurstück um sog. Vorratsvermögen zur Erweiterung der Bahnanlage handelt.Eine Freistellung war somit nicht erforderlich, da es sich bei der Fläche zu keiner Zeit um eine Betriebsanlage einer Eisenbahn handelte.

Damit bestätigt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wiederholt die bisherige Auffassung des Bezirksamts und blieb in beiden Antwortschreiben außerdem auch bei der bisher von ihr vorgetragenen Auffassung. Die Senatsverwaltung sieht keinen weiteren Klärungsbedarf und wird insbesondere auch keinen Antrag nach § 23 AEG beim Eisenbahnbundesamt stellen. Der planungsrechtliche Status und die Planungshoheit für das Flurstück 1164 ist somit zweifelsfrei geklärt, eine Freistellung als Bahnfläche ist nicht erforderlich.

Vorbescheidsanträge und Baugenehmigungen

Seit 2009 sind für das Grundstück Säntisstraße 95-129 insgesamt sieben Vorbescheidsanträge gestellt worden. Ein Antrag wurde negativ beschieden, zwei weitere Anträge sind zuständigkeitshalber an die Senatsverwaltung überwiesen und für einen weiteren Antrag ist gegen die Zurückstellung des Antrags Widerspruch eingelegt worden. Eine endgültige Entscheidung liegt hier noch nicht vor. Für insgesamt 3 Anträge sind Vorbescheide erlassen worden. Diese sind 3 Jahre gültig, so dass der jüngste Vorbescheid noch eine Gültigkeit bis zum Jahr 2015 hat, die beiden anderen werden im Jahr 2013 auslaufen. Diese Vorbescheide bedeuten jedoch nicht, dass auf dem Gelände mit dem Bau begonnen werden kann, denn ein dafür notwendiger Bauantrag liegt bisher nicht vor. In einem Vorbescheid werden lediglich die von den antragstellenden Personen gestellten Einzelfragen beschieden. Bei den erteilten Vorbescheiden ging es jeweils nur um planungsrechtliche Fragen, die aufgrund der Ausweisung des Geländes als Gewerbe- und Industriegebiet (gewerbliche Wachstumsreserve) positiv zu bescheiden waren. Fragen zu Lärm- und Umweltbeeinflussungen waren wegen der Fragestellung nicht zu berücksichtigen. Diese müssten im Rahmen eines Bauantrages ebenso geklärt werden wie die Frage, über welche Straße die Grundstücke erschlossen werden. Erst im Anschluss könnte eine Baugenehmigung erfolgen, die dem Bau- und Planungsrecht entspricht und ggf. dann mit entsprechenden Auflagen versehen sein könnte. Auf Erteilung einer Baugenehmigung besteht allerdings für den Eigentümer ein grundsätzlicher Rechtsanspruch.

Exkurs Säntisstraße 89:

Für das Nachbargrundstück Säntisstraße 89 sind bereits Bauanträge gestellt worden, von denen zwei positiv beschieden worden sind. Die Baugenehmigung zur Errichtung eines Logistikgebäudes wurde ohne eine Verträglichkeitsauflage erteilt. Das für diese Fragen zuständige Umweltamt hatte aufgrund der vorgelegten Betriebsbeschreibung (nur 20 LKW-Bewegungen am Tag) keine Bedenken. Die planungsrechtlichen Stellungnahmen vom Januar und Mai 2012 enthielten allerdings den Zusatz:

„Auflage: Gemäß B-Plan XIII-128b, Planergänzungsbestimmung Nr.1 sind nur solche Betriebe zulässig, die das benachbarte allgemeine Wohngebiet nicht in unzumutbarer Weise durch Lärm beeinträchtigen. Bei der Zulassung von Nutzungen muss §50 Bundesimmissionsschutzgesetz beachtet werden. Zu den schutzwürdigen Nutzungen (Wohngebiet in der Säntisstraße) müssen angemessene Abstände eingehalten werden.“

Derzeit befindet sich ein erneuter Antrag für das Grundstück Säntisstraße 89 mit baulichen Modifikationen im Baugenehmigungsverfahren. Vor Erteilung der Baugenehmigung werden auch die Stellungnahmen des Umwelt- und Naturschutzamtes sowie des Tiefbauamtes eingeholt.

Ein Baubeginn, der bei der Bauaufsicht angezeigt werden muss, kann auf der Grundlage des neuen Antrages somit bisher nicht erfolgen. Ungeachtet hiervon sind genehmigungsfreie Arbeiten, wie Abrissarbeiten und sog. bauvorbereitende Maßnahmen möglich.

Erneute Prüfung nach dem Beschluss der Drucksache 421/XIX

In der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses im November 2012 ist das Bezirksamt ersucht worden, eine erneute rechtliche Prüfung der planungsrechtlichen Situation im Bereich der Eisenbahnlandwirtschaft Säntisstraße durch das Rechtsamt zu veranlassen. Dabei sollte insbesondere geprüft werden, welche rechtlichen Mittel zur Verfügung stehen, um die bestehende Kleingartenkolonie dauerhaft zu sichern, ohne Schadensersatzpflichten für den Bezirk zu provozieren.

Die Prüfung des Rechtsamtes hat Folgendes ergeben:

1) „Ein Antrag nach § 23 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) setzt die Eisenbahnbetriebsbefangenheit des Flurstücks 1164 voraus, die nach bisherigen Ermittlungen eindeutig nicht gegeben ist. Hiervon gehen übereinstimmend das Bezirksamt ... und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie das Eisenbahnbundesamt aus."

2) „Eine dauerhafte Sicherung der Kleingartenanlage ist nur im Wege der Bauleitplanung möglich, namentlich durch Festsetzung einer Grünfläche mit der Zweckbestimmung Dauerkleingärten (§ 9 Nr. 15 BauGB) in einem Bebauungsplan. Diese Möglichkeit hat das Bezirksamt jedoch nicht, weil der Flächennutzungsplan dort eine gewerbliche Baufläche darstellt und Bebauungspläne nach § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB zwingend aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sind."

Ergänzend hierzu hat das Bezirksamt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Abteilung I, im Dezember 2012 bezüglich einer Änderung des Flächennutzungsplans angeschrieben. Diese lehnt eine Änderung ab. „Die Fläche ist im gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft erarbeiteten und vom Senat beschlossenen Stadtentwicklungsplan Industrie und Gewerbe als Entwicklungsgebiet für den produktionsgeprägten Bereich (EpB-Gebiet) ausgewiesen. Hierbei handelt es sich um eine ca. 10 ha gewerbliche Potenzialfläche innerhalb eines großflächigen, zusammenhängenden Gewerbebandes entlang der Dresdner Bahn", heißt es zur Begründung.

Auch das Eisenbahnbundesamt ist nochmals bezüglich einer Eisenbahnbetriebsbefangenheit angeschrieben worden. In der Antwort vom Dezember 2012 heißt es, „dass nach den Erkenntnissen des Eisenbahn-Bundesamtes das Flurstück 1164 niemals Bahnbetriebszwecken gedient hat ... Daher unterliegt das Flurstück der kommunalen Planungshoheit."

Diese Aussagen bestätigen die Erkenntnisse, die das Bezirksamt seit 2010 für das Grundstück der Kleingartenanlage gewonnen und nach denen es gearbeitet hat. Eine langfristige Sicherung der Kleingartenanlage war und ist dem Bezirksamt aufgrund der planungsrechtlichen Situation nicht möglich. Eine entsprechende Information der BW ist u.a. im Rahmen der Beantwortung einer Mündlichen Anfrage in der Sitzung der BW am 31.08.2011 erfolgt.

Zusammenfassung

Aufgrund der eindeutigen Aussagen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und des EBAs, die insbesondere auf Initiative der Bezirksstadträtin für Gesundheit, Soziales und Stadtentwicklung eingeholt wurden, ist für das Bezirksamt der planungsrechtliche Status des Flurstücks 1164 eindeutig. Die Kleingartenkolonie liegt planungsrechtlich in einem Gewerbe- bzw. Industriegebiet. Entlang der Säntisstraße ist ein ca. 50m breiter Streifen als Gewerbegebiet ausgewiesen. Erst das Gebiet dahinter zur Schwechtenstraße hin ist Industriegebiet. Somit ist direkt an der Säntisstraße nur die Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben zulässig. Hierzu gehören u.a. auch Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude. Aufgrund dieser planungsrechtlichen Grundlage ist es dem Stadtentwicklungsamt nicht möglich gewesen, alle gestellten Einzelfragen in den Vorbescheidsanträgen negativ zu bescheiden. Vielmehr müssen Nutzungen, die dem Bauplanungsrecht entsprechen, zugelassen werden.

Die beiden aktuellen Vorbescheidsanträge für den Neubau eines Logistikzentrums (Vorbescheid Nr. 2012/147, 2012/205) wurden, ebenso wie die davor positiv beschiedenen Vorbescheidsanträge, unter anderem mit der Auflage erteilt, dass durch ein Lärm- und ein Verkehrsgutachten die Machbarkeit des Vorhabens, insbesondere in Verbindung mit dem an der Säntisstraße gegenüberliegenden Wohngebiet, nachgewiesen wird. Ansonsten bestehen hinsichtlich der Art der Nutzung keine städtebaulichen Bedenken. Die Flächen für die Baulogistik im Zusammenhang mit dem Neubau der Dresdner Bahn werden von den Anträgen nicht betroffen.

Grundsätzlich ist dem Bezirk an der Erhaltung von Kleingärten außerordentlich gelegen, dienen diese doch der gesundheitlichen Erholung und dem sozialen Zusammenhalt und sind überdies wichtige, dem Klimaschutz dienende Grünflächen. Der Schutz und Erhalt vorhandener Kleingärten lässt sich jedoch nur im Rahmen des Planungsrechts verwirklichen. Planungen können grundsätzlich nicht entgegen geltenden Flächennutzungsplänen oder ohne ein Erfordernis nach § 1 Abs. 3 BauGB erfolgen. Das Bezirksamt hat daher keine Möglichkeiten, aus eigener Zuständigkeit heraus die Kleingartenanlage Säntisstraße zu sichern. Initiativen, die Senat und Abgeordnetenhaus dahingehend beeinflussen, dass eine Sicherung des Koloniegeländes als Kleingartenfläche im FNP erfolgt, werden vom Bezirksamt ausdrücklich unterstützt.

Das Bezirksamt ist sich seiner Verantwortung für die Lebens- und Wohnqualität in dem angrenzenden Wohngebiet bewusst und wird weiterhin vor der Erteilung von Baugenehmigungen eine sehr genaue Prüfung der geplanten Bauvorhaben im Einzelfall (gemäß §15 BauNVO) unter Einbeziehung des Umwelt- und Naturschutzamtes sowie des Tiefbauamtes vornehmen. Insbesondere dem Rücksichtnahmegebot in Hinblick auf die angrenzende Wohnbebauung wird dabei ein besonderer Stellenwert zukommen.

Anlagen

-          Anfragen und Antworten von SenStadtUm (IB / IIC / VIIE) aus dem Jahr 2012

-          Antwort des EBA aus dem Jahr 2012

-          Prüfungsergebnis des Rechtsamtes

-          Informationsschreiben von Fr. Dr. Klotz aus dem Jahr 2013

 
 

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