Drucksache - 0343/VI
Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:
(Text siehe Rückseite) Bezirksamt Mitte von Berlin 10.01.2024 Ordnung, Umwelt, Natur, Straßen und Grünflächen 22600
Bezirksverordnetenversammlung Drucksache Nr.: 0343/VI Mitte von Berlin Vorlage -zur Kenntnisnahme- Orientierungsrahmen zur Umsetzung von Kiezblocks in Mitte Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen: Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 16.06.2022 folgende Anregung an das Bezirksamt beschlossen (Drucksache Nr. 0343/VI)
Das Bezirksamt wird ersucht:
bei der Umsetzung von Kiezblocks in Zukunft folgenden Grundorientierungen zu folgen:
1. Um dem immer weiter wachsenden Durchgangsverkehr in Nebenstraßen zu begegnen, wird angestrebt in den nächsten Jahren in den Wohnkiezen von Mitte zahlreiche Kiezblocks zu schaffen. Vorzusehen ist dies zunächst mittels kostengünstiger und einfacher Maßnahmen wie Diagonalsperren, Quersperren, (gegenläufige) Einbahnstraßen und Teileinziehungen. Prioritär geprüft werden solche Kiezblockkonzepte, die meist von Initiativen aus dem jeweiligen Wohnkiez erarbeitet wurden und die durch Sammlung von Unterschriften durch die jeweilige Initiative bzw. Einwohner*innenanträge eine besonders sichtbare und breite lokale Unterstützung erfahren haben. Prioritär umgesetzt werden Konzepte mit einem hohen Reifegrad. Die Reihenfolge der Einreichung der Projekte ist nicht ausschlaggebend. Durch ihre guten Kenntnisse der Verkehrsflüsse und der örtlichen Gegebenheiten sind die Initiativen gut positioniert, um effektive Konzepte gegen zu viel Durchgangsverkehr zu erarbeiten und aber gleichzeitig andere wichtige Anforderungen (z.B. Gewährleistung freier Durchfahrt für Buslinien im Kiez) zu berücksichtigen. Diese Mitwirkung von örtlichen Initiativen sowie deren Unterstützung durch zahlreiche Unterschriften ist als entscheidender Teil von Bürger*innenbeteiligung für die Planung und Umsetzung von Kiezblocks anzusehen.
2. Darauf aufbauend werden in den Folgejahren in diesen neu geschaffenen Kiezblocks schrittweise Maßnahmen zur Gestaltung des öffentlichen Raumes umgesetzt, um so die wohnortnahe Aufenthaltsqualität zu verbessern (z.B. Entsiegelung, Begrünung, Aufstellung von Hochbeeten für Urban Gardening und von Blumenkübeln, Spielstraßen, Schaffung von kleinen Begegnungsorten). Diese Umgestaltung soll zunächst beschränkt sein auf Maßnahmen, die keine Tiefbauarbeiten erforderlich machen. Erfahrungen anderer Städte und anderer Berliner Bezirke und insbesondere auch Ideen aus den Kiezen werden bei der Wahl der Maßnahmen berücksichtigt.
3. Die von den lokalen Initiativen vorgelegten Kiezblockkonzepte werden vom Bezirksamt hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Sinnhaftigkeit überprüft. Dabei werden die Straßenverläufe im Nebenstraßennetz, die übliche Verkehrsdichte auf den umliegenden Hauptverkehrsstraßen und andere technische Aspekte wie z.B. ausreichende Schleppkurven für die Fahrzeuge von BSR und Feuerwehr an vorgesehenen Standorten von Diagonalsperren berücksichtigt. Bei erforderlichen Anpassungen der Maßnahmen erfolgt Rücksprache mit den lokalen Initiativen, die die Kiezblock-Konzepte erarbeitet haben. Ggfs. lädt das Bezirksamt zu einem Klärungsgespräch (online oder offline) mit der Initiative und weiteren interessierten Bürger*innen. Mindestens zwei Wochen vor der Umsetzung des endgültig vereinbarten Konzepts erfolgt eine niedrigschwellige Information für die Bewohner*innen im Kiez z.B. über die Aufnahme in die Vorhabenliste des Bezirks, Handzettel, Schilder/Plakate in den Straßen. Die BVV ist rechtzeitig zu informieren. Erweisen sich einzelne der Maßnahmen später als nicht ausreichend effektiv, um den Durchgangsverkehr abzuhalten, so können Modifikationen am Konzept vorgenommen werden. Prinzipiell soll die Modifikations- und Korrekturfähigkeit möglichst hoch sein.
Das Bezirksamt hat am 16.01.2024 beschlossen, der Bezirksverordnetenversammlung dazu Nachfolgendes als Schlussbericht zur Kenntnis zu bringen: Das Bezirksamt Mitte verfolgt seit November 2021 eine umfassende Kiezblock-Strategie, die im Straßen- und Grünflächenamt erarbeitet wird und finanziell von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klima und Umweltschutz (SenMVKU) im Rahmen des Programms „Maßnahmen zur Verbesserung der der Infrastruktur für den Fußverkehr“ mit dem Projekt „Modellprojekt Fußverkehr Kiezblocks in Mitte“ finanziell gefördert wird. Daher unterstützt das Bezirksamt Mitte das Ersuchen der BVV ausdrücklich. Die umfassende Kiezblock-Strategie des Bezirks Mitte bezweckt eine flächendeckende Verkehrsberuhigung in den Nebenstraßen des Bezirks. Sie zielt auf die Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und dient zugleich der Bereitstellung angemessener Flächen für den fließenden und ruhenden Fußverkehr sowie Fahrradverkehr. Die Kiezblock-Strategie stellt als städtebauliches Verkehrskonzept die konkreten verkehrsmäßigen Planungen im gesamten Bezirk Berlin-Mitte dar, die das Bezirksamt aus Gründen der geordneten städtebaulichen Entwicklung für erforderlich und zweckmäßig hält. Für jeden Kiezblock unterlegt das Straßen- und Grünflächenamt die Kiezblock-Strategie mit einer konkreten Maßnahmenplanung, die sowohl straßenverkehrsrechtliche als auch straßenrechtliche Maßnahmen beinhalten kann.
Die Zielsetzung von Kiezblocks ist es, Wohnquartiere lebenswerter zu machen, indem die Verkehrsbelastung reduziert, der öffentliche Raum für den Aufenthalt aufgewertet und an den Klimawandel angepasst wird. Der Begriff Kiezblock nimmt Bezug auf Berliner Wohnquartiere, die auch Kieze genannt werden. Kieze sind historisch und durch geografische oder städtebauliche Abgrenzungen gebildete Stadträume, welche mit einem eindeutigen Namen versehen werden. Sie entsprechen einem Stadtteil oder einer Siedlung eines Bezirks. Obgleich Kieze umgangssprachlich mit den typischen Berliner Gründerzeitvierteln verbunden sind, können Kiezblocks in allen Berliner Wohngebietstypen entstehen. Im Regelfall umfasst ein Kiez ein von Hauptverkehrsstraßen (übergeordnetes Straßennetz von Berlin), Flüssen oder Parkanlagen eingerahmtes Gebiet aus Nebenstraßen (z. B. Wohnstraßen). Anlass für die zivilgesellschaftliche Forderung nach Kiezblocks sind unerwünschte motorisierte Durchgangsverkehre, die – unterstützt durch Navigationssysteme – auf Nebenstraßen ausweichen, um der gestiegenen Verkehrsbelastung auf Hauptverkehrsstraßen auszuweichen. Des Weiteren sollen die Funktionen des öffentlichen Raums neu gewichtet werden: Öffentlicher Raum soll nicht nur der Abwicklung von Verkehren, sondern mit Blick auf die wachsende Stadt dem Aufenthalt und der Klimaresilienz der einzelnen Quartiere dienen. Diese Anforderungen werden u. a. durch das Berliner Mobilitätsgesetz gestützt: Die Umgestaltung von Berliner Kiezen unter den Aspekten der Mobilitätswende und den erforderlichen Anpassungen an den Klimawandel sind gesetzliche Ziele. Die Einrichtung von Kiezblocks ist somit eine Maßnahme, um diesen Vorgaben zu entsprechen. Die Kernziele von Kiezblocks lassen sich wie folgt beschreiben: 1. Verkehrsberuhigung eines Kiezes 2. Verbesserung der Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr 3. Verbesserung der Klimaresilienz von Kiezen 4. Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität 5. Verbesserung der gesundheitlichen Lebensbedingungen 6. Beitrag zur CO2-Emissionsminderung im Verkehrssektor 7. Schaffung von Räumen zur Stärkung nachbarschaftlicher Strukturen und des sozialen Zusammenhalts Diesen zentralen Zielen lassen sich weitere Teilziele zuordnen: 1. Verkehrsberuhigung eines Kiezes
2. Verbesserung der Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr
3. Verbesserung der Klimaresilienz von Kiezen
Die rechtlichen und konzeptionellen Grundlagen für die Einrichtung von Kiezblocks finden sich in folgenden Gesetzen, Planwerken und Programmen:
Kiezblocks werden durch das übergeordnete Straßennetz (Straßen der StEP-Stufen 0-IV) begrenzt, da diese eine Verbindungsfunktion für den Kfz-Verkehr besitzen. Innerhalb von Kiezblocks befinden sich nur Nebenstraßen (Straßen der StEP-Kategorie V), welche eine reine Versorgungs- und Erschließungsfunktion haben, sowie Wege in Grünanlagen. Abbildung 1: Durch das StEP-Netz Bestand (2021) entstehende Kiezblocks
Der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr Berlin 2030 (StEP MoVe) ist die Grundlage der verkehrsspezifischen Planungen und damit auch der hiesigen Kiezblock-Strategie. Er konkretisiert die berlinweiten verkehrsmittelspezifischen Handlungsziele.
Der StEP MoVe verfolgt das Ziel, die Verkehrswende in der wachsenden Stadt voranzutreiben durch:
Der StEP MoVe wurde am 2. März 2021 vom Senat verabschiedet. Mit dem Beschluss ist die fortlaufende Aktualisierung der Karten des Straßennetzes von Berlin (Bestand und Planung) verbunden. Die von den Kiezblockmaßnahmen angesprochenen Straßen sind jeweils sowohl im StEP-Bestandsnetz als auch im StEP-Netz Planung 2030 im StEP MoVe als Nebenstraße kategorisiert. Nebenstraßen entsprechen der StEP-Klasse V und erfüllen keine Verbindungsfunktion zwischen Berlin und anderen Städten oder auch nur zwischen einzelnen Stadtteilen bzw. Ortsteilzentren (vgl. SenMVKU, Berliner Straßennetz, Erläuterung zur Klassifizierung des übergeordneten Straßennetzes von Berlin, Dezember 2017).
StEP-V-Straßen haben den „Richtlinien für integrierte Netzgestaltung 2008“ (RiN08, FGSV) folgend eine kleinräumige Verbindungsstufe und keine Austausch-, sondern nur eine reine Versorgungsfunktion. Sie dienen der „Verbindung von Grundstücken zu Gemeinden/Gemeindeteilen ohne zentralörtliche Funktion“ (RiN08, S. 12). Straßen der StEP-Stufe V sind innerhalb des Stadtgebiets bezogen auf den Kfz-Verkehr reine Anliegerstraßen (RiN08, S. 15). Nebenstraßen sind daher vorrangig der Erschließung der dortigen Bereiche zu dienen bestimmt und nicht für die Verbindung zwischen einzelnen Stadtteilen bzw. Ortsteilzentren vorgesehen, so dass Kfz-Durchgangsverkehr dort nicht notwendig und vom SteP MoVe auch gar nicht vorgesehen ist.
Bezüglich der Veränderung von Verkehrsstraßen und Verkehrsströmen ist zum einen davon auszugehen, dass sich ein Teil des Kfz-Durchgangsverkehrs auf die umgebenden Hauptstraßen verlagern wird. Es entspricht aufgrund ihrer Verbindungsfunktion der Zweckbestimmung der Hauptstraßen, genau diesen Verkehr aufzunehmen.
Zum anderen ist bezüglich der Veränderung von Verkehrsstraßen und Verkehrsströmen davon auszugehen, dass ein anderer Teil der Wege sich auf andere Verkehrsmittel verlagern wird. Dieses Phänomen wird auch als „Verkehrsverpuffung“ beschrieben. Die aktuelle Meta-Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik, die die Ergebnisse zahlreicher nationaler und internationaler Studien zusammenfasst (Uta Bauer, Sonja Bettge, Thomas Stein, Verkehrsberuhigung: Entlastung statt Kollaps, Difu Policy Papers, Bd. 2, 2023), zeigt, dass sich befürchtete Effekte weitgehender Verkehrsverlagerungen auf das benachbarte Straßennetz bei Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Regel nicht einstellen, sondern vielmehr insgesamt eine Reduzierung des Kfz-Verkehrs eintritt zugunsten der dann attraktiveren Verkehrsmodalitäten (Fuß- und Radverkehr, ÖPNV).
Mehrere Maßnahmen kommen, gerade auch in Kombination, zur Einrichtung von Kiezblocks in Frage. Die wichtigsten zur Unterbindung bestimmter motorisierter Durchgangsverkehre bestehen in folgenden:
Die genannten Maßnahmen haben sich als effektivste Maßnahmen zur wirksamen Unterbindung von Kfz-Durchgangsverkehr erwiesen. Sie können auch in Verknüpfung mit Fahrradstraßen erfolgen, die nach dem Berliner Radverkehrsplan entsprechend dem das gesamte Stadtgebiet umfassenden Radnetz in darin ausgewiesenen Nebenstraßen angeordnet werden sollen. Weitere ergänzende Maßnahmen können insbesondere folgende sein:
Bei der Priorisierung und Auswahl von Kiezblocks werden folgende Faktoren berücksichtigt:
Je stärker ein Faktor in einem potenziellen Kiezblock vorhanden ist, desto höher wird er gewichtet. Nichts desto trotz ist die Auswahl und Umsetzung von Kiezblocks dynamisch und abhängig von weiteren Aspekten wie beispielsweise Baumaßnahmen anderer Stellen.
Im Rahmen der Umsetzung von Kiezblocks soll die Bevölkerung in folgendem Rahmen beteiligt werden:
A) Rechtsgrundlage: § 13 i.V.m. § 36 BezVG B) Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung
Keine
Keine Berlin, den 10.01.2024 Bezirksbürgermeisterin Remlinger Bezirksstadträtin Dr. Neumann
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