Drucksache - 2551/V  

 
 
Betreff: Sozialer Ungleichheit in der Bürger*innenbeteiligung begegnen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenBezirksamt Mitte von Berlin
Verfasser:Neugebauer, Siewer, Kurt, Kociolek und die übrigen Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
18.06.2020 
39. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM) - Gäste bitte vorher anmelden überwiesen   
Soziale Stadt [Transparenz, Bürgerbeteiligung, QM, SPK] Entscheidung
22.06.2020 
35. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziale Stadt [Quartiersmanangement, Transparenz und Bürgerbeteiligung, Sozialräumliche Planungskoordinierung] ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
20.08.2020 
40., öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
05.11.2020 
42. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin vertagt   
01.12.2020 
öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin - MIT LIVESTREAM mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
1.Antrag Grüne vom 09.06.2020
2. BE SozSta vom 22.06.2020
3. Beschluss vom 20.08.2020
4. VzK SB vom 23.10.2020

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

 

(Text siehe Rückseite)


Bezirksamt Mitte von Berlin Datum: .10.2020

Stadtentwicklung, Soziales und Gesundheit Tel.: 44600

Sozialraumorientierte Planungskoordination

Bezirksverordnetenversammlung Drucksache Nr.: 2551/V

Mitte von Berlin


 

Vorlage -zur Kenntnisnahme über

Sozialer Ungleichheit in der Bürger*innenbeteiligung begegnen

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 20.08.2020 an das Bezirksamt beschlossen (Drucksache Nr. 2551/V)

 

Das Bezirksamt wird ersucht, bei zukünftigen Bürger*innenbeteiligungsprozessen (gemeint sind alle Beteiligungsprozesse von Bürger*innen in ihrer Bezirksregion, an denen das Bezirksamt durch seine verschiedenen Fachämter mitwirkt) sicherzustellen, dass sich hinsichtlich der beteiligenden Personen deutlich stärker als bisher die gesellschaftliche wie soziale Vielfalt der Bevölkerung im Bezirk Mitte widerspiegelt.

 

Hierzu sind Maßnahmen zu entwickeln, wie Bevölkerungsgruppen, die aufgrund ihrer sozialen Lage, körperlicher / geistiger Behinderung, sprachlicher Barrieren, unzureichender Kenntnisse über bezirks- wie landespolitische Beteiligungsprozesse und / oder -formen sowie mangelnder zeitlicher Ressourcen stärker als bisher sich in bezirkliche Beteiligungsprozesse einbringen können.

 

Diesbezüglich wird das Bezirksamt u.a. gebeten:

 

1 Darzustellen, welche konkreten Maßnahmen die Fachämter im Rahmen von
Beteiligungsprozessen schon heute anwenden, um o.g. Bevölkerungsgruppen
zu erreichen.

 

2. Aus den bisherigen Beteiligungsprozessen im Bezirk Mitte jene hinsichtlich der
angewandten Beteiligungsformen bzw. -instrumente zu analysieren, an
welchen sich gemessen an sonstigen Beteiligungsprozessen besonders viele
Personen beteiligt haben, die als sozial benachteiligt gelten, prekär beschäftigt
sind bzw. einen zugeschriebenen Migrationshintergrund aufweisen.

 

3. Aus jenen bisher in 1. erfolgreich angewandten Beteiligungsformen- bzw.
Instrumenten sowie weiteren, welche das Bezirksamt recherchieren im
Rahmen dieses Antrags recherchieren soll, einen „Instrumentenkasten“ aus
Best-Practice-Maßnahmen für die bezirklichen Fachämter zu entwickeln,
welcher bei zukünftigen Beteiligungverfahren bedarfsorientiert angewandt
werden soll.

 

4. Bei der Konzeption von zukünftigen bezirklichen Beteiligungsprozessen sowie
bei Ausschreibungen für die Durchführung von Beteiligungsprozessen darauf
hinzuwirken, dass mind. als ein Beteiligungsziel eine stärkere Beteiligung von
Bevölkerungsgruppen verankert wird, die u.a. als sozial benachteiligt gelten,
prekär beschäftigt sind bzw. einen zugeschriebenen Migrationshintergrund
aufweisen.

 

5. Zu prüfen, inwiefern sog. Planungszellen Formen der Bürger*innenbeteiligung
ergänzen können, um die Vielfalt der Bevölkerung stärker hierbei abzubilden
(siehe https://www.boell.de/de/2016/02/24/wie-kann-buergerbeteiligunginklusiv-sein ).

 

 

Das Bezirksamt hat am 20.10.2020 beschlossen, der Bezirksverordnetenversammlung dazu Nachfolgendes als Schlussbericht zur Kenntnis zu bringen:

 

Zu 1.

Die Fachämter des Bezirksamtes Mitte wenden vielfältige Formate im Rahmen von Beteiligungsprozessen an, um die im obg. BVV-Beschluss benannten Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Exemplarisch folgen die diesbezüglichen Ausführungen von Seiten des Straßen- und Grünflächenamtes, des Jugendamtes und des Amtes für Weiterbildung und Kultur.

 

Im Rahmen von (Neu-)Baumaßnahmen des Straßen- und Grünflächenamtes wird zum Projektstart mit den Planungsbeteiligten die Organisation des Beteiligungsprozesses geklärt.

Um die Einbindung schwer erreichbarer Gruppen zu verbessern, spielen insbesondere eine gezielte Veranstaltungsorganisation und Öffentlichkeitsarbeit sowie aktivierende Beteiligungsformate eine zentrale Rolle. Dafür ist es notwendig, die Beteiligungshemmnisse zu analysieren und Angebote entsprechend anzupassen. Die relevanten Zielgruppen und die Wege der Ansprache sind vielfältig. Zu erprobten Maßnahmen zielgruppengerechter Ansprache zählen z.B. frühzeitige Ansprache, Informationen in leichter Sprache, eventuelle Mehrsprachigkeit, inklusive Ansprache, geeignete Kommunikationskanäle, leicht erreichbare, barrierefreie Veranstaltungsorte, Assistenzen, Dolmetscher, Kinderbetreuung u.v.m. Die Praxis zeigt, dass inklusive Veranstaltungsorganisation und Öffentlichkeitsarbeit allein jedoch nicht ausreichen, um schwer erreichbare Personen zu aktivieren. Nötig sind angemessene, aktivierende und motivierende Beteiligungsformate. Hier können Schlüsselakteure vor Ort, wie Quartiersmanagements und Stadtteilzentren, durch gezielte persönliche Ansprache, niedrigschwellige Angebote und informelle Kontakte unterstützen. Insbesondere Bürgerausstellungen, Stadtspaziergänge und aufsuchende Befragung eignen sich als niedrigschwellige Beteiligungen zur Aktivierung schwer erreichbarer Zielgruppen.

 

Als Beispiele werden die Erarbeitung der Verkehrsgutachten QM Pankstraße (2018) und QM Badstraße (2019-2020) erläutert. Bürgerbeteiligung an der Verkehrsplanung kommt heutzutage eine besondere Bedeutung zu. So wurde auch in diesen beiden Projekten eine umfangreiche Partizipationsarbeit geleistet. Als öffentliche Auftaktveranstaltung diente jeweils ein gemeinsamer Stadtspaziergang, damit Bewohnende direkt vor Ort auf Probleme hinweisen können. In verschiedensten Workshop- und Dialog-Formaten konnten sich Anwohnende ebenfalls mit ihren Hinweisen und Ideen einbringen. Über digitale Newsletter der Quartiersmanagements (QMs) wurde über Zwischenstände informiert und Ergebnisse zum Download bereitgestellt. Alle Öffentlichkeitsveranstaltungen wurden durch Flyer und Aushänge in den Hauseingängen beworben. Dadurch wurden alle Anwohnenden in der gleichen Weise über die Veranstaltungen informiert. Zusätzlich befanden sich Aufrufe zu den Veranstaltungen auf der Homepage der QMs sowie der Homepage des Bezirksamtes Mitte.

Auch die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Umgestaltung des nordöstlichen Bereichs des Leopoldplatzes (Maxplatz) in 2019-2020 kann beispielhaft benannt werden. Im Zuge eines mehrstufigen Beteiligungsverfahrens sollten hier insbesondere Kinder und Jugendliche, Institutionen und Akteur*innen, die rund um den Platz aktiv sind, sowie Menschen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Herkunft in den Planungsprozess eingebunden werden. Es wurden verschiedene gender-, diversity- und inklusionsgerechte Beteiligungsmodule entwickelt und in einem einjährigen Beteiligungsprozess umgesetzt. Parallel zum Beteiligungsverfahren fand unter https://mein.berlin.de/projects/leopoldplatz/ ein Onlinedialog über den gesamten Beteiligungsprozess statt.

 

Im Zuge der Digitalisierung gewinnen interaktive und dialogorientierte Formen der Beteiligung zunehmend an Bedeutung. Digitale Partizipation kann Barrieren abbauen, kann umgekehrt wiederum neue Barrieren bilden. Ältere Menschen sind noch immer häufig weniger damit vertraut als Jüngere, digitale Medien zu nutzen. Nachteilig ist zudem, dass auch die digitale Bürgerbeteiligung überdurchschnittlich viele Menschen mit höherem Bildungsabschluss anspricht. Die Digitalisierung kann vor diesem Hintergrund so auch als Verstärker von Ungleichheit wirken.

 

Im Bereich des Jugendamtes findet vor dem Start eines Beteiligungsprozesses mit allen relevanten Fachämtern eine intensive Absprache statt, um den Rahmen und die Grundstruktur des Verfahrens verbindlich festzulegen (Ziel, Ressourcen, Zeitplan, beteiligte Akteur*innen, Sozialraum etc.). Dieser Vorlauf bildet die Grundlage für einen erfolgreichen Beteiligungsprozess, die Informationen sind für eine zielgruppengerechte Öffentlichkeitsarbeit unabdingbar. Anschließend wird der Sozialraum, in dem die Maßnahme stattfindet, betrachtet, relevante Institutionen, wie Kitas, Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen, werden für Kooperationen angesprochen und festgelegt. Zudem werden Plätze bzw. Orte von Kindern und Jugendlichen im (halb)öffentlichen Raum lokalisiert, um hier Informationen zu Maßnahmen zu platzieren. Kinder und Jugendliche aus Schulen mit Förderschwerpunkten werden besonders berücksichtigt und die Öffentlichkeitsarbeit mit Blick auf die Zielgruppe entsprechend gestaltet (Informationen „face-to-face, Piktogramme, Videos etc.). Die Fachkräfte aus den Kinder- und Jugendbüros modifizieren für den Planungsabschnitt vielfältige und zielgruppenentsprechende Methoden, die Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Kontexten ansprechen und motivieren, sich zu beteiligen. Die Kinder- und Jugendbeteiligungsprozesse in Berlin Mitte umfassen eine Beteiligung in Institutionen und im (halb)öffentlichen Raum. So werden ergänzend auch immer Angehörige und Anwohnende erreicht. Die Anregungen und Impulse von erwachsenen Akteur*innen werden in allen Darstellungen mit aufgeführt, Bedarfe werden fachübergreifend kommuniziert. Im gesamten Prozess wird die Zielgruppe selbst über den aktuellen Stand transparent und altersgerecht informiert.

 

Im Bereich des Amtes für Weiterbildung und Kultur kann die (vorbereitende) Zusammenarbeit mit Akteur*innen im Sozialraum und die verbindliche Einbindung in Beiräte, Gremien etc. exemplarisch dargestellt werden. Für die Ausgestaltung zahlreicher Angebote oder Überlegungen zu Vorhaben, wie die Umgestaltung von Einrichtungen, steht das Amt in engem Austausch mit Akteur*innen der einzelnen Sozialräume in Mitte, wie den Quartiersmanagements, Familienzentren, Nachbarschaftseinrichtungen und Künstler*innen. Bei der Zusammensetzung vorbereitender Steuerungsrunden oder Gremien in vergangenen Beteiligungsverfahren, wie die Bürger*innenbeteiligung 2009 zur Erweiterung der Schiller-Bibliothek in der Müllerstraße, wurden eben diese lokalen Akteur*innen bewusst nicht nur als Expert*innen, sondern auch als Multiplikator*innen eingebunden, um möglichst alle interessierten Menschen im Sozialraum zum Verfahren zu informieren, mit ihren Bedürfnissen gezielt einzubinden und in ihrem vor-Ort-Bezug zu adressieren. Um möglichst viele soziale Barrieren vermeiden bzw. reduzieren zu können, sind partizipative Prozesse im Amt für Weiterbildung und Kultur stets an eine zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit geknüpft, die möglichst viele Menschen erreichen kann. Mehrsprachige Ankündigung anstehender Prozesse über digitale Kanäle, wie meinBerlin, Internetseite des Bezirksamtes Mitte, Kanäle der Fachbereiche und Netzwerkverteiler von Akteur*innen im Sozialraum, das Verschicken von Flyern und Plakaten an Netzwerkpartner*innen sowie die Bekanntmachungen in Schauvitrinen in den Gebäuden des Amtes für Weiterbildung und Kultur bilden hier Beispiele.

 

Anknüpfend an das Bestreben, eine größere öffentliche Wahrnehmung zu erzielen und das Aktivierungspotenzial im öffentlichen Raum auszuschöpfen, werden Interventionen im öffentlichen urbanen Raum mitgedacht und umgesetzt. Die Aktivierung durch vor-Ort-Bezug (z.B. Ausstellungen und Schautafeln in den Einrichtungen) sowie Interventionen im öffentlichen Raum (z.B. Werkstattverfahren Turmstr. 75- Ausstellung der Entwurfsideen in der benachbarten Arminiusmarkthalle) können hier genannt werden.

 

In der Zeit von Corona hat das Amt für Weiterbildung und Kultur ein laufendes Beteiligungsforum zum Kulturstandort Bärenzwinger in den digitalen Raum übersetzt, um ein Hinaustreten in die Öffentlichkeit auch weiterhin umsetzen zu können. Das Forum „renzwinger Visionen für den Kulturstandort“ wurde per Livestream übertragen, via Live-Chat konnten sich Interessierte in die Diskussion einbringen.

 

Um Sprachbarrieren zu mildern werden Piktogramme zusätzlich aufgenommen bei Präsentationen und Informationsmaterial, die Formulierungen in leichter Sprache gehalten, mehrsprachige Übersetzungen angeboten, unterschiedliche Methoden eingesetzt, die nicht nur oder in unterschiedlicher Ausprägung einen diskursiv-kommunikativen Ansatz verfolgen sowie Methoden und Instrumente in den Partizipationsprozess eingebaut, die niedrigschwellige Teilnahmemöglichkeiten durch gemeinsames, unmittelbares Gestalten beinhalten (z.B. künstlerische Ausdrucksformen, wie das Bauen von Modellen).

 

Die erforderlichen Partizipationsverfahren für Schulneubaumaßnahmen im Bereich des Schulamtes werden über die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie durchgeführt. Für die Grundschulneubaumaßnahmen sind entsprechende Eintragungen ebenfalls vorhanden. Für die weiteren Schulbaumaßnahmen werden Beteiligungsformen mit der Schulgemeinschaft genutzt, da es hier nicht um Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Umgebung geht.

 

Zu 2.

Voranzuschicken ist, dass es nachvollziehbar schwierig ist, in Beteiligungsverfahren zu erfassen, ob die Teilnehmenden einer sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppe angehören. Im Folgenden hier einige Beispiele verbunden mit den Einschätzungen von Seiten der Fachämter des Bezirksamtes.

 

r die Dokumentation von Beteiligungsprozessen im Bereich des Straßen- und Grünflächenamtes wird regelmäßig die Zahl der Teilnehmenden erhoben. Statistische Merkmale können nur im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung erfolgen, die erhobenen Daten dürfen keine Rückschlüsse auf konkrete Personen zulassen. Anonymisierte Abfragen nach Alter, Geschlecht, Muttersprache oder Bildungsstand können - sollten die Teilnehmenden freiwillig Auskunft geben - allenfalls getrennt erhoben werden. Insoweit sind Rückschlüsse auf angewendete Beteiligungsformen hinsichtlich einer sozialen Benachteiligung, einer prekären Beschäftigung oder eines Migrationshintergrundes schwer zu ziehen.

 

Im Rahmen des Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Umgestaltung des nordöstlichen Bereichs des Leopoldplatzes (Maxplatz) in 2019-2020 wurde zusätzlich zu den verschiedenen Umfragen am Leopoldplatz auf separaten Karten Alter, Geschlecht und Muttersprache abgefragt. Ca. die Hälfte der Teilnehmenden hat hier persönliche Angaben hinterlassen, wobei Rückschlüsse auf eine soziale Benachteiligung nicht seriös zu ziehen sind.

 

Die Fachkräfte der Kinder- und Jugendbüros Mitte dokumentieren die Beteiligungsprozesse sehr ausführlich. Die Dokumentationen eignen sich daher sehr für eine Analyse. Aktuelle Ergebnisse lassen sich aus der Planung für den nördlichen Leopoldplatz, dem Kinderbunten Bauernhof und der Spielplatzumgestaltung Iffland-/Mollstraße ableiten. 

 

Das Praxisbeispiel aus der laufenden Planung: „BiKu meets BENN in Kooperation mit BENN Mitte“ wird durch das Amt für Weiterbildung und Kultur dargestellt. Regelmäßig veranstaltet das Team BENN Mitte („Berlin entwickelt neue Nachbarschaften“) einen Abend für etwa 40 Ehrenamtliche, die sich in Unterkünften für geflüchtete Menschen in Mitte engagieren. Da die VHS Mitte auch Kursformate anbietet, die eben diesen Bereich in vielfältiger Weise abdecken, soll eine partizipative Veranstaltung für Ehrenamtliche in erweiterter Form der bisher stattgefundenen Veranstaltungen gemeinsam mit den vier Fachbereichen des Amtes für Weiterbildung und Kultur ausgerichtet werden. Diese dient dem gegenseitigen Kennenlernen sowie dem Austausch, wie eine Unterstützung und nachhaltige Teilhabe der Ehrenamtlichen aussehen könnte und um in einen Dialog zur grundlegenden Frage zu treten, was sich die ehrenamtlich Engagierten als Unterstützung für ihre Arbeit wünschen. Da die Moderation der Veranstaltung in Deutsch gehalten wird, wurden mehrere „Flüsterübersetzer*innen“ eingeplant, die nach Bedarf z.B. in Englisch oder Arabisch simultan übersetzen. Ebenso wurde darauf geachtet, die Moderation wie auch das begleitende Informationsmaterial in leichter Sprache zu halten und mit zusätzlichen Piktogrammen zu arbeiten. Für die Veranstaltung wurde bewusst ein kürzeres Zeitfenster in den frühen Abendstunden gewählt, um auch jene Interessierte erreichen zu können, die z.B. aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses tagsüber nicht teilnehmen könnten. Auch sind für die aktive Teilnahme an der Veranstaltung keinerlei Kenntnisse über bezirks- oder landespolitische Beteiligungsprozesse erforderlich. Für etwaige Fragen während der spielerisch gestalteten, partizipativen Abfragen sind mehrere Kolleg*innen eingeplant, die die jeweiligen Stationen betreuen.

 

Ergänzend zu den Ausführungen der Fachämter folgen dem BVV-Beschluss entsprechende, exemplarische Einschätzungen von Seiten der Stadtteilkoordinationen und Quartiersmanagement-Teams. Die Stadtteilteilkoordination Brunnenstraße Süd beispielsweise benennt hier Präsensveranstaltungen, Bewohnertreffen in den Unterkünften von Geflüchteten, das Nachbarschaftsforum in der Chausseestr., leichte Sprache sowie die Umfrage bei Kinder- & Jugendlichen in City54-Hostel.

 

Die Erfahrungen des QM Moabit West zeigen, dass Beteiligungsformate v.a. dann auf Resonanz stoßen, wenn sich durch Thema oder Format des Angebotes ein großer Personenkreis angesprochen fühlt. Dabei wird unter Hinweis auf das vom QM Moabit West erarbeitete „Beteiligungskonzept 2014 Moabit West“ der soziale Status als gruppenübergreifender Faktor aufgeführt und soziale Schwäche bzw. Armut als Querschnittsthema erachtet, das wiederum die aktive Teilhabe der benannten Gruppen einschränkt. Gleichwohl existieren eine Reihe bereits etablierter Beteiligungsstrukturen, die einen großen Anteil ehrenamtlichen Engagements und politischer Partizipation aufzeigen. Das Stadtteilplenum ist z.B. ein Beteiligungsforum, bei dem Themen der Gäste aufgegriffen und aktuelle Entwicklungen im Quartier berichtet werden. Zudem findet hier eine Veröffentlichung der Entscheidungen des Quartiersrats statt. Daneben bestehen Netzwerke, AGs, Bildungsverbünde, z.T. entstanden aus Beteiligungsprozessen oder aus QM-Projekten,

die über die Kooperation mit Trägern Partizipationsangebote initiieren und daran mitwirken,

Informationen auszutauschen sowie Bedarfe zu ermitteln, wie das Kita-Netzwerk und der naturwissenschaftliche und kulturelle Bildungsverbund Moabit. Diese Netzwerke fungieren

auf der Multiplikator*innen-Ebene und erreichen die Zielgruppen über Träger. Auf der Homepage des QM gibt es ein Willkommen auf verschiedenen Sprachen, z.B. wurden

Corona-Informationsflyer mehrsprachig eingestellt. Das Informationsblatt des QM, das Quartierspapier, wird vor allem von älteren Menschen gerne angenommen. Zudem arbeitet das QM eng mit Trägern und Initiativen zusammen, die Mitbürger*innen ohne

oder nur geringen Deutschkenntnissen gezielt ansprechen oder mehrsprachige Beratung anbieten, wie z.B.  Stadtteilmütter in der B8.  Für alle Bewohner*innen werden Angebote im Vor-Ort-Büro geschaffen, die das Büro als Anlaufpunkt attraktiv machen und für die nachbarschaftliche Kontaktpflege nutzen (z.B. Leseecke, Bücherbank, Einrichtungsflyer, lokale Zeitschriften sowie weitere Informationsangebote). Die verstärkte Nutzung des Büros als Begegnungsort dient auch dazu, Informationen zu aktuellen Veranstaltungen und Entwicklungen weiter zu geben und nach Problemen im Quartier zu fragen. Zu Zeiten von Corona hat sich diese Nutzung vor die Tür verlagert. Für die Gremienwahlen wurde mit dem Wahlmobil eine starke Präsenz im öffentlichen Raum erreicht, die von unterschiedlichen Gruppen gut angenommen wurde. rgersteiggespräche mit einladendem Angebot in einer verkehrsberuhigten Spielstraße waren eine erfolgreiche Methode. Gesprächsrunden, Dialogtische oder Besuche bei den Kiezmüttern werden positiv aufgenommen. Ein Höhepunkt war die Organisation eines gemeinsamen interreligiösen Fastenbrechens unterschiedlicher Gemeinschaften in Moabit, vorbereitet durch ein Team verschiedener Träger im Gebiet und gewürdigt durch den Besuch des Bundespräsidenten.

 

Im QM Brunnenstr. beteiligen sich in der Regel, zumindest mit Blick auf die Gremienarbeit, mindestens 50% der Personen, die, wie im BVV-Beschluss formuliert, als sozial benachteiligt gelten oder prekär beschäftigt sind. Besonders kritisch sieht das QM Brunnenstr. die Formulierung des „zugeschriebenen Migrationshintergrundes“, der an sich kein Hindernis für eine Beteiligung darstellt. Die folgenden Maßnahmen beziehen sich auf das Beteiligungsprojekt „Kiezklima“, das von Oktober 2014 bis September 2017 in einem intensiven Beteiligungsprozess vielltige Ideen entwickelt hat, um den Kiez besser an immer heißere Sommer anzupassen und gleichzeitig bereits heute die Lebensqualität für alle zu verbessern. Das Projekt wurde im Rahmen folgender Anlässe vorgestellt: Gremien vor Ort, wie Quartiersrat und Runder Tisch „Aktiv im Alter“; Stadtteilfest bzw. Kiezflohmärkte; informelle Anlässe, wie Frauenfrühstück im Familienzentrum; Sprechstunden und Veranstaltungen von laufenden Projekten im Gebiet, wie z.B. der Gartensprechstunde; Einrichtungen, wie Schulunterricht; soziale Medien, wie Facebook; Abstimmung mit Wohnungseigentümer*innen und Wohnungsbaugesellschaften in Bezug auf Aushänge in den Schaukästen. Spontane Bürgersteiggespräche, Leitfadeninterviews mit Leuten, die bisher noch nicht über das Projekt informiert wurden, Workshops: „Klima zum Anfassen“, Infografiken im öffentlichen bzw. halböffentlichen Raum, Klimarundgänge, Wetterstationspaten, Tafel/Wunschbox im öffentlichen Raum bzw. an ausgewählten Höfen und Einrichtungen, Online-Plattform und Markt der Ideen stellten gewinnbringende Instrumente dar.

 

Nach Einschätzung des QM Soldiner Str. werden Menschen aus verschiedenen Nationalitäten und Bevölkerungsschichten für Beteiligungsprozesse erreicht, projektbezogen, themenbezogen oder aber aus Betroffenheit. Themenbezogene Beteiligung ist immer präsent. Bei Projekten des Projektfonds, die mit Schulen, Jugend und/oder dem Wohnungsumfeld zusammenarbeiten (z.B Budenzauber, Schach Campus, GrünthalerLeben, Brückenbauer) arbeiten Eltern, Kinder und Lehrer*innen sowie Senior*innen Hand in Hand, es werden hier viele verschiedene Nationalitäten und Bildungsschichten erreicht. Auch das gemeinsame Interesse an einem Thema und Betroffenheit bringen die Nachbar*innen zusammen. So organisieren sich z. B. Hausgemeinschaften, die verdrängt werden. Über diese Betroffenheit finden häufig Zusammenschlüsse unterschiedlicher Personen statt, in denen sich auch als sozial benachteiligt geltende und Personen mit zugeschriebenem Migrationshintergrund beteiligen.

 

Zu 3.

Das Methodenhandbuch, das das Büro für Bürgerbeteiligung hat erarbeiten lassen und welches auf deren Internetseite hinterlegt ist, bietet für die Fachämter und alle interessierten Akteur*innen einen hervorragenden Instrumentenkasten mit Blick auf Beteiligungsverfahren.

 

Daneben verfügt das Kinder- und Jugendbüro über einen „Methodenkoffer“. Dieser umfasst mehr als 200 Methoden, welche mit Blick auf die Zielgruppe entsprechend modifiziert werden. Durch die bundesweite Vernetzung der Beteiligungsinstitutionen findet ein Austausch zu angewandten Methoden statt. Diese werden mit Blick auf die Zielgruppen evaluiert und fortlaufend modifiziert, um Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Kontexten zu erreichen. In einem fachübergreifenden Austausch werden Wissen und Erfahrungen gerne eingebracht, bewährte Methoden können vorgestellt werden.

 

Exemplarisch werden die Erfahrungen des QM Brunnenstr. und des QM Soldiner Str. mit aufgeführt. Folgende Instrumente haben sich bewährt: direkte, persönliche Ansprache an Orten, an denen sich Leute aufhalten, die bisher nicht über Organisationen oder Aktivitäten im Gebiet engagiert sind; in Bezug auf die Öffentlichkeitarbeit frühzeitige Einbindung von geeigneten Multiplikator*innen (Akteure, Vereine, Einrichtungen) vor Ort, um persönlich über den geplanten Beteiligungsprozess z.B. im Rahmen von informellen Veranstaltungen oder Anwohner*innentreffen informieren zu können; Beteiligungsangebote müssen in barrierefreien, gut zu erreichenden Räumen vor Ort, wo die Maßnahmen zur Beteiligung von Anwohner*innen umgesetzt werden soll, stattfinden; Wahl der Uhrzeit am Abend; frühzeitige Einladung in leichter Sprache, wenig Text, bildorientiert, Übersetzung des Haupttextes in gebietsrelevanten Sprachen und Wiedererkennungswert der Maßnahme.

 

Zu 4.

In den durch das Bezirksamt und die BVV in 2017 beschlossenen Leitlinien für Bürgerbeteiligung im Bezirk Mitte sind neun Grundsätze verankert, an denen sich alle Bürgerbeteiligungsverfahren in Berlin-Mitte orientieren. Dazu gehört u.a. der Grundsatz der zielgruppengerechten Ansprache: Alle Bevölkerungsgruppen sollen die Möglichkeit haben, sich aktiv in Beteiligungsverfahren einzubringen. Hürden für die Beteiligung werden durch eine zielgruppengerechte Ansprache und passende Beteiligungsformate abgebaut. Die Leitlinien für Bürgerbeteiligung werden von den Fachämtern bei der Konzeption, Vergabe und Umsetzung von bezirklichen Beteiligungsprozessen angemessen berücksichtigt.

Zu 5.

Das Format der Planungszelle wird im oben angeführten Methodenhandbuch detailliert beschrieben. Eine Planungszelle ist eine Gruppe von ca. 25 im Zufallsverfahren ausgewählten Bürger*innen, die für ca. eine Woche von ihren arbeitsalltäglichen Verpflichtungen freigestellt werden, um in Gruppen Lösungsvorschläge für ein vorgegebenes Planungsproblem zu erarbeiten. Die Ergebnisse ihrer Beratungen werden in einem sogenannten Bürgergutachten zusammengefasst.

 

Eine Grenze des Verfahrens liegt in der Freiwilligkeit der Teilnahme. Da es den per Zufallsstichprobe ausgewählten Personen freisteht teilzunehmen, hängt ihre Zusage von der Wichtigkeit ab, die sie mit dem Thema verbinden, von ihrer Überzeugung, Einfluss nehmen zu können, und vom Vertrauen, sich im Rahmen des Verfahrens äern zu können. Sozial benachteiligte, bildungsferne Gruppen könnten sich hier tendenziell eher gegen die Teilnahme entscheiden, wenn sie für sich zu wenige Einfluss- und Artikulationsmöglichkeiten sehen. Eine weitere Grenze, die die Teilnahmebereitschaft von sozial benachteiligten, bildungsfernen Gruppen und insbesondere von Migrant*innen und Migranten betreffen kann, besteht in erforderlichen Sprachkenntnissen. Die Planungszelle gilt in der Praxis als sehr arbeits-, personal- und zeitaufwendiges Verfahren, für das personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen in der Verwaltung bereitstehen müssen.

 

r eine gelingende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen eignet sich nach Einschätzung des Jugendamtes das Verfahren der Planungszellen nicht. Diese strukturierte Beteiligungsvariante ist durch die „Komm-Struktur“ hochschwellig angelegt. Die Kinder- und Jugendbüros in Berlin Mitte erreichen tatsächlich Kinder und Jugendliche aus verschiedensten Kontexten. Hier liegt der Erfolgsschlüssel darin, dass die Zielgruppe in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld an Maßnahmen beteiligt wird. Zudem werden die Zeitfenster für Aktionen und Projekte flexibel abgestimmt, in Institutionen eher am Morgen bzw. Vormittag innerhalb der Arbeitswoche, im (halb)öffentlichen Raum hingegen eher am späten Nachmittag bzw. Abend und auch an Wochenenden.

 

A)    Rechtsgrundlage:

§ 13 i.V. mit § 36 BezVG

B)    Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung

  1. Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:

Keine

  1. Personalwirtschaftliche Auswirkungen:

Keine

Berlin, den 20.10.2020

Bezirksbürgermeister von Dassel  Bezirksstadtrat Gothe

 

 
 

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