Historie des Standesamtes Mitte von Berlin

Die Historie der Berliner Standesämter und der Standesämter in Berlin-Mitte

Grundlage:
Personal -Nachweisung der Berliner Gemeinde – amtliche Herausgabe des Statistischen Bureaus Berlin in den Jahren von 1874 – 1945 und Archiv des Zentrums für Berlin-Studien

Bis 1874

Bis 1874 lagen die Aufgaben der Beurkundung von Geburten, Heiraten und Sterbefällen in Deutschland bei den Kirchen.

1874

Gründung von 13 weltlichen Standesämtern in Berlin und Bestellung von 13 besonderen Standesbeamten und 13 Vertretern:

  • Standesamt Nr. 1: ( Berlin, Alt-Cölln, Friedrichswerder und Dorotheenstadt )
    Sitz: Brüderstr. 2, Standesbeamter: H. Dolmann, Major a.D. Stellvertr.: H. Goldammer, städt. Turnlehrer a..D.
  • Standesamt Nr. 2: Friedrichstadt
    Sitz: Jerusalemer Str. 59, Standesbeamter: H. Dr.phil. Noht, Stadtältester, Stadtrat a.D. Stellvertr.: H. Kunze
  • Standesamt Nr. 3: Friedrich-Vorstadt I und Schöneberger Revier
    Sitz: Kleinbeerenstr. 2, Standesbeamter: H. von Erichsen, Premier-Lieutnant a.D., Stellvert.: H,. Berduscheck, Landwehr-Hauptmann
  • Standesamt Nr. 4: Friedrich-Vorstadt II und Tempelhofer Revier
    Sitz: Kleinbeerenstr. 2, gleiche Beamte wie St.Amt Nr. 3
  • Standesamt Nr. 5: Luisenstadt I
    Sitz: Wrangelstr. 133, Standesbeamter: H. von Kameke, Stellvertr.: H. von Maltzahn
  • Standesamt Nr. 6: Luisenstadt II und Neu-Cölln
    Sitz: Kürassierstr. 9, Standesbeamter: H. Justinius, Stellvertr.: H. Gutzeit
  • Standesamt Nr. 7: Stralauer Revier
    Sitz: Pallisadenstr. 87, Standesbeamter: H. Karstädt, Stellvertr.: H Haller von Hallerstein, Lieutnant a.D.
  • Standesamt Nr. 8: Königstadt
    Sitz: Weinstr. 5, Standesbeamter: H. von Steinkeller, Polizei-Lieutnant a.D. Stellvertr.: H. Köls
  • Standesamt Nr. 9: Spandauer Revier
    Sitz: Artilleriestr. 8, Standesbeamter: H. von Kendell, Hauptmann a.D., Stellvertr.: H. Ultan, Landwehr-Hauptmann
  • Standesamt Nr. 10: Rosenthaler Vorstadt
    Sitz: Templiner Str. 12, Standesbeamter: H. von der Osten, Stellvertr.: H. Thiede
  • Standesamt Nr. 11: Oranienburger Vorstadt
    Sitz: Gartenplatz 4/5, Standesbeamter: H. Gordan, Lieutnant a.D., Stellvertr.: H. Witt, Lieutnant a.D.
  • Standesamt Nr. 12: Friedrich-Wilhelm-Stadt und Moabit
    Sitz: Kronprinzenufer 25, Standesbeamter: H. Knörke, Pfarrer a.D., Stellvertr.: H. von Oppell
  • Standesamt Nr. 13: Wedding und Gesundbrunnen
    Sitz: Bellermannstr. 89, Standesbeamter: H. Balzer, Prediger a.D., Stellvertr.: H. Lewinstein

Auffällig ist einerseits der kleinteilige Zuschnitt der neuen Ämter (heute würde man sagen: bürgernahe Verwaltung – damals orientierte man sich an den bestehenden Kirchensprengeln und der Mobilität der Bürger) – und andererseits der überproportionale Anteil an Adeligen und Militärangehörigen im neuen Berufsstand Standesbeamter.
Offensichtlich wollte man dem Klerus von Staats wegen besonders honorige weltliche Standesbeamte entgegenstellen und betraute mit den Standesamtsaufgaben nicht die “normalen” Verwaltungsbeamten

1900

Die Standesämter 1 und 2 sind fusioniert zum
  • Standesamt Nr. 1/2 ( 1894 ),
    Sitz: Grünstr. 5/6

Das Standesamt Nr. 4 wurde aufgeteilt in 2 Ämter:

  • Standesamt Nr. 4A:
    Sitz: Kleinbeerenstr. 2, Standesbeamter: H. Berduschek, Stellvertr. H. Baron von Koschkull
  • Standesamt Nr. 4B:
    Sitz: Böckhstr. 9/10

Das Standesamt Nr. 5 wurde aufgeteilt in 2 Ämter:

  • Standesamt Nr. 5A:
    Sitz: Mariannenufer 1a
  • Standesamt Nr. 5B:
    Sitz: Köpenicker Str. 4

Das Standesamt Nr. 7 wurde aufgeteilt in 2 Ämter:

  • Standesamt Nr. 7A:
    Sitz: Kleine Frankfurter Str. 6
  • Standesamt Nr. 7B:
    Sitz: Rigaer Str. 8

Das Standesamt 10 wurde in 2 Ämter aufgeteilt:

  • Standesamt Nr. 10A:
    Sitz: Zehdenicker Str. 17/18
  • Standesamt Nr. 10B:
    Sitz: Eberswalder Str. 10

Auch das Standesamt 12 wurde aufgeteilt:

  • Standesamt Nr. 12A:
    Sitz: Alt Moabit 120
  • Standesamt Nr. 12B:
    Sitz: Wilhelmshavener Str. 4/5

Die Standesbeamten und ihre Stellvertreter waren damals direkt dem Reich und dem Magistrat von Berlin unterstellt und keine normalen Beamten der Stadt Berlin. Ab 1900 wurden wegen der ständig steigenden Beurkundungszahlen zusätzlich 7 sog. Hilfs-Stellvertreter bestellt.

1910

  • Neues Standesamt Nr. 7C:
    Sitz: Pillauer Str. 6, 1 Standesbeamter, 1 Stellvertreter, 3 Bürohilfsarbeiter ( u.a. H. von Knobelsdorff), 1 Bürogehilfe.
  • Neues Standesamt Nr. 10C:
    Sitz: Lychener Str. 107/108, 1 Standesbeamter, 1 Stellvertreter, 2 Bürohilfsarbeiter, 1 Bürogehilfe
  • Neues Standesamt Nr. 13A:
    Sitz: Badstr. 22, 1 Standesbeamter, 1 Stellvertreter, 3 Bürohilfsarbeiter und ein Bürogehilfe
  • Neues Standesamt Nr. 13B:
    Sitz: Willdenowstr. 28, insgesamt bereits 4 Bürohilfsarbeiter

Die Anzahl der sog. “Hilfs-Stellvertreter” hat sich bereits auf 15 erhöht; darunter der Freiherr von Maltzahn und mehrere Dr. phil.

1920

Groß-Berlin wird gegründet.

  • Es existieren noch immer 20 Innenstadtstandesämter. Die Standesamtsgeschäfte führten 20 Standesbeamte, 19 Stellvertreter und 13 Standesbeamten-Hilfsvertreter.

Im ersten Verwaltungsbericht der neuen Stadtgemeinde Berlin für die Zeit vom 1.10.1920 – 31.03.1924 heißt es:

“Das Standesamtswesen ist keine reine kommunale Angelegenheit. Die Standesämter als solche sind Staatsbehörden; sie erledigen Angelegenheiten der allgemeinen Landesverwaltung und führen Dienstsiegel mit dem preußischen Adler. Die Geschäfte werden überwiegend von Beamten wahrgenommen, die gemäß §4 Abs. 1 des Personenstandsgesetzes vom Oberbürgermeister mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde hierzu bestellt sind. Die – insbesondere in Alt-Berlin, Charlottenburg und Lichtenberg noch vorhandenen – vom Magistrat gemäß § 4 Abs. 2 des Personenstandsgesetzes angestellten besonderen Standesbeamten werden bei Freiwerden ihrer Stellen durch Verwaltungsbeamte ersetzt werden. Die von der Stadt bei der Neuordnung der Verwaltung beabsichtigte Aufteilung und Abgabe der Standesämter an die Bezirksämter scheiterte bisher am Widerstand der Aufsichtsbehörde; doch dauern die Verhandlungen noch an. Da sich die Zahl der standesamtlichen Akte, insbesondere die der zu beurkundenden Geburten, nicht unwesentlich verringert hat, wurde wenigstens eine räumliche und personelle Vereinigung der Standesämter unter Beibehaltung der bisherigen 20 Standesamtsbezirke erreicht, die noch um den Standesamtsbezirk Rudolf-Virchow-Krankenhaus vermehrt wurde. Die räumliche Zusammenlegung der Standesämter wurde Anfang 1923 durchgeführt, wodurch sich die Verwaltungskosten verminderten. Jetzt sind 21 Standesamtsbezirke – zu 14 Bureaus vereinigt – vorhanden. 1/2/6 – 3 – 4A/B – 5A/B – 7A/C – 7B – 8 – 9/10A – 10B/C – 11 – 12A/B – 13A – 13B – RVK. Die standesamtlichen Geschäfte werden von 13 Standesbeamten – 10 besonderen Standesbeamten – 2 Polizeikommissaren ( Verwaltungsinspektoren ) und 1 Stadtamtmann – , 16 stellvertretenden Standesbeamten ( darunter 1 Stadtsekretär ) und 2 Standesbeamten -Hilfsvertretern wahrgenommen. Weitere Kosten ließen sich ersparen, wenn die Nebenregister fortfallen würden. Die von der Stadt hierzu gegebenen Anregungen werden von den Aufsichtsbehörden noch geprüft.”

Diese Bemühungen erinnern stark an die Diskussionen zur Bezirksreform in den Jahren 1997 -2000. Im Übrigen sind die Nebenregister auch 2014 noch nicht fortgefallen! 1923 hat sich die Trennung von Kirche und Staat offensichtlich zur Normalität entwickelt. Eine besondere Heraushebung der Standesbeamten aus der normalen Verwaltung als Pendant zur Kirche nicht mehr notwendig. Nun kann auch ein Normalbürger diese Arbeit übernehmen – allerdings nur mit Genehmigung der obersten Landesbehörde. Diese Bestimmung galt übrigens noch bis 1985! Heute werden die Standesbeamten vom Bezirksamt bestellt. Die Senatsverwaltung für Inneres als Aufsichtsbehörde wird von der Bestellung unterrichtet.

In den Außenbezirken, den früheren Vororten, gehört 1923 die Verwaltung der Standesämter bereits zu den Bezirksämtern. Es existieren insgesamt 66 Standesämter in diesen neuen Bezirken!! Die Standesbeamten dieser neuen Stadtteile sind bereits überwiegend Verwaltungsbeamte. Besondere Standesbeamte gibt es nur noch in den Bezirken Lichtenberg und Charlottenburg.

Aus dem Geschäftsbericht der Standesämter vom 01.04.1923 – 31.03.1924: Einwohnerzahlen:
Alt – Berlin: 1.980,6 T
Charlottenburg: 355,5 T
Neukölln: 287,1 T
Schöneberg: 232,9 T
Lichtenberg: 191,8 T
Wilmersdorf: 174,4 T
Steglitz: 155,7 T
Spandau: 110,8 T
Pankow: 99,8 T
Reinickendorf: 99,6 T
Treptow: 95,2 T
Tempelhof: 65,7 T
Cöpenick: 62,9 T
Weißensee: 57,0 T
Zehlendorf: 41,1 T = 4.010, 1 Mio Einwohner in Groß-Berlin.

Für die gesamte Stadt haben die Standesbeamten damals neben den eigentlichen Beurkundungen der Geburten, Heiraten und Sterbefälle 38.944 Aufgebote entgegengenommen, 1.534 Legitimationen , 890 Namensgebungen, 730 Adoptionen, 5.898 Ehescheidungen, 72 Untersagungen zur Weiterführung von Familiennamen, 265 Wiederannahmen von Familiennamen, 996 Berichtigungen, 479 Namensänderungen, 123 Ehelichkeitserklärungen, 188 Unehelichkeitserklärungen und 222 Anerkennungen von Vaterschaften bearbeitet.

1928

Auszug aus dem Verwaltungsbericht der Stadt Berlin vom 31.März 1928:

“Die Bemühungen um die Neubildung der Standesamtsbezirke und die Angliederung der Standesämter in Alt-Berlin an die Bezirksämter wurden einstweilen eingestellt, weil zunächst abgewartet werden sollte, ob die Pläne, die eine Umorganisation der Stadt verfolgen, sich verwirklichen lassen.” Das Standesamt I/II wurde wieder ab 1925 in Berlin I und II zerlegt – es gibt wieder 22 Standesamtsbezirke in Alt-Berlin und 66 Bezirke im übrigen Berlin. Die Standesbeamten der Innenstadt unterstehen unmittelbar der Hauptverwaltung (Magistrat); die Dienststellenleitergeschäfte für die 22 Standesämter nimmt ein Stadtamtsrat; später der Bürodirektor der Zentralen Hauptverwaltung (Generalbüro) wahr. Die Sach-und Personalkosten trägt nunmehr die Gemeinde, der auch die Gebühren zufließen!

1932 bis 1937

Am 01.04.1932 wurden die Standesämter der Innenstadt den Bezirken unterstellt. Nur das räumlich mit der Krankenanstalt vereinigte Standesamt Rudolf-Virchow-Krankenhaus verblieb bei der Hauptverwaltung. Der Leiter der Standesämter 1,2 und 6, der auch als standesamtlicher Gutachter für die Hauptverwaltung tätig ist und zu den Geschäftsprüfungen der anderen Standesämter hinzugezogen wird, ist Beamter der Hauptverwaltung geblieben. Diesem “Hauptstandesamt”, das von 1928 bis 1932 an der Fischerbrücke 1a – ab 1932 im Alten Stadthaus, Parochialstr. 2, seinen Sitz hatte, wurde ab 1928 eine Beratungsstelle für Personenstandsrecht angegliedert. In- und ausländische Behörden nehmen die Beratungsstelle häufig in Anspruch.

Ab 1935 wurden die Standesämter mit den nationalsozialistischen Rassegesetzen mit vollkommen unnötigen Aufgaben zur Umsetzung des Nazi-Gedankengutes belastet und zweckentfremdet. Das Standesamt 1 hat sich nach der Machtübernahme der Nazis von einem Standesamt für Berlin zu einem Amt für das gesamte damalige deutsche Reich und allen Auslandsdeutschen entwickelt. Durch die Zuständigkeitsverordnung von 1934 wurde dem Standesamt die Ausstellung sämtlicher Ehefähigkeitszeugnisse für Deutsche, die im Ausland heiraten wollen, übertragen. Die Anzahl der Zeugnisse stieg von 632 im Jahre 1932 auf 1634 im Jahre 1935

1938

Bis auf geringe Ausnahmen wurden am 01.07.1938 die kleinen 88 Standesämter Berlins zu 20 Bezirksstandesämtern vereinigt. Für den Bezirk Mitte bedeutetete das: Die bisherigen Standesamtsbezirke 1, 2, 1/2, 6, 9 ,10A wurden zum Standesamt Berlin-Mitte mit Sitz in der Parochialstr. 2 und 3 im Alten und Neuen Stadthaus. Das Standesamt Berlin 1 hat bis zu diesem Zeitpunkt noch immer normale Beurkundungstätigkeiten wahrgenommen – allerdings in abgeschwächter Form gegenüber den Aufgaben für das übrige Deutschland. Es wird in dieser Funktion als I (Mitte) bezeichnet. Am 01.04.39 wurde das Standesamt 1 endgültig aus den normalen Berliner Standesämtern ausgegliedert und auf seine Sonderaufgaben beschränkt.

1954

Die DDR – Regierung brauchte das Alte und das Neue Stadthaus für ihre Ministerialverwaltung.

Das Standesamt Berlin-Mitte zog auf den Alexanderplatz Nr.1 ( Berolina-Haus ) ; das Standesamt I in Berlin (Ost) in die Rückerstr..9, Berlin-Mitte – im Westteil ist inzwischen ein* neues Standesamt I in Berlin ( West )* entstanden.
Sitz: Berlin-Dahlem, Lentzeallee 32

1990

Die Standesämter I in Berlin ( Ost ) und I in Berlin ( West ) werden am Standort Rückerstr. 9 in Berlin-Mitte vereinigt. Das Standesamt Berlin-Mitte führt jetzt die Bezeichnung Mitte von Berlin.

1993

Das Standesamt Mitte von Berlin zieht wieder in das Alte Stadthaus.

1997

Die Senatsverwaltung für Inneres benötigt das Alte Stadthaus komplett. Das Standesamt Mitte von Berlin zieht in die Wallstr. 23/24

2001

Die Bezirke Mitte, Wedding und Tiergarten fusionieren zum Bezirk Mitte von Berlin. Die 3 bisherigen Standesämter Mitte ( Wallstr. ), Wedding ( Müllerstr. 147 ) und Tiergarten ( Kürfürstenstr. 57 ) ziehen in das Neue Stadthaus – Parochialstr. 1/3. Der Kreis schließt sich. Das neue Standesamt Mitte von Berlin ist nunmehr für die Urkundensammlung der Hälfte von Alt Berlin zuständig – die Standesämter 1, 2 , 1/2, I (Mitte), 3, 6, 9, 10, 10A, 11, 12, 12A, 12B, 13, 13A, 13B.

Insbesondere die Abgrenzung der Aufgaben zwischen dem Standesamt I in Berlin und dem Berliner Standesamt Mitte führen auch noch heute zu Verwirrungen bei Bürgern und selbst bei Verwaltungsexperten. Bei der geschichtlich begründeten missverständlichen, oft geänderten Bezeichnung ist dies nicht verwunderlich.