124. Kiezspaziergang am 14.4.2012

Vom Schloss Charlottenburg zum Goebelplatz

Bezirksstadtrat Marc Schulte, 14.4.2012, Foto: KHMM

Bezirksstadtrat Marc Schulte, 14.4.2012, Foto: KHMM

Bezirksstadtrat Marc Schulte

Treffpunkt: Vor dem Schloss Charlottenburg am Spandauer Damm gegenüber der Schloßstraße
ca. 3,4 km

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 124. Kiezspaziergang. Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann ist noch im Urlaub. Deshalb übernehme ich gerne seine Vertretung. Mein Name ist Marc Schulte, ich bin Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Ordnungsangelegenheiten. Und weil ich für Stadtentwicklung zuständig bin, habe ich mich besonders darüber gefreut, dass die UNESCO-Vollversammlung 2008 die Siedlung Siemensstadt in Charlottenburg-Nord zum Weltkulturerbe erklärt hat – als ein herausragendes Beispiel der Wohnungsbaukultur der 1920er Jahre.

Kartenskizze

Kartenskizze

Diese Weltkulturerbesiedlung ist heute unser Ziel. Und was liegt näher, als von hier aus zu starten, vom kulturellen und historischen Zentrum Charlottenburgs am Schloss.
Zwischen Schloss und Weltkulturerbe werden wir als weiteren Höhepunkt dieses Spaziergangs die alte und neue Schleuse Charlottenburg kennen lernen, und das ist auch deshalb ein Highlight, weil das Schleusengelände normalerweise nicht zugänglich ist. Heute aber wird uns der Leiter der Außenstelle Spandau des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin, Matthias Moneke, am Spreeufer hinter dem Schlosspark das Tor zur Schleuseninsel öffnen und uns das Gelände zeigen.

Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang mitteilen. Es wird der 125. sein, und dieses Jubiläum will Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann mit einer kleinen Überraschung mit Ihnen gemeinsam feiern, die ich aber noch nicht verraten darf.
Der Treffpunkt ist wie immer am zweiten Samstag des Monats also am 12. Mai, um 14.00 Uhr, und zwar auf dem Breitenbachplatz am U-Bahnausgang gegenüber dem Südwestkorso, genau am Dreiländereck Steglitz, Zehlendorf und Wilmersdorf. Es wird unter anderem durch die Künstlerkolonie zum Rüdesheimer Platz gehen.

Schloss Charlottenburg, 14.4.2012, Foto: KHMM

Schloss Charlottenburg, 14.4.2012, Foto: KHMM

Schloss Charlottenburg
Kurfürst Friedrich III, der spätere preußische König Friedrich I, schenkte seiner Gemahlin Sophie Charlotte die Gemeinde Lützow und Umgebung für eine Sommerresidenz. Sie ließ sich diese Residenz ab 1695 als “Schloss Lietzenburg” von Johann Arnold Nehring im Stil des italienischen Barocks bauen. Es war zunächst noch ein relativ bescheidener Landsitz, ohne Flügelbauten und ohne Kuppel. Nach dem frühen Tod von Sophie Charlotte im Alter von 36 Jahren am 1.Februar 1705 gab König Friedrich I. dem Schloss den Namen Charlottenburg.
Die Ansiedlung mit den wenigen Häusern rund um die Schloßstraße erhielt Stadtrechte, ebenfalls unter dem Namen Charlottenburg. Eine Urkunde zur Verleihung der Stadtrechte existiert nicht. Erhalten geblieben ist aber die Anordnung Friedrichs I., eine Stadtrechtsurkunde für Charlottenburg anzufertigen. Diese Anordnung trägt das Datum 5. April1705. Der Ursprung der Stadt Charlottenburg hängt also eng mit dem Schloss Charlottenburg zusammen. Das Dorf Lietzow wurde erst später, 1720, in die neue Stadt Charlottenburg eingemeindet.
Bis 1713 erweiterte Johann Friedrich Eosander von Göthe das Schloss zur Dreiflügelanlage mit Turm, Kapelle und Orangerie. 1740-46 errichtete Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff als Anbau rechts den Neuen Flügel, an dem wir gleich vorbeikommen werden.
1787-91 wurde der Orangerietrakt links durch den Theaterbau von Carl Gotthard Langhans erweitert.
1790 wurde von Georg Friedrich Boumann die Kleine Orangerie parallel zum Eosanderflügel errichtet. Nach den schweren Kriegsschäden von 1943 wurde das Schloss von 1956-62 äußerlich wieder hergestellt. Die Schlösserdirektorin Margarete Kühn hatte durchgesetzt, dass das Schloss wieder aufgebaut und nicht wie andere Ruinen nach dem Zweiten Weltkrieg vollends abgerissen wurde.
Die innere Rekonstruktion dauerte bis zum Ende der 70er Jahre. Bei der vergoldeten Fortuna auf der Turmkuppel handelt es sich um eine Nachschöpfung von Richard Scheibe von 1954.
Neben dem Zeughaus ist das Schloss Charlottenburg die bedeutendste erhaltene Barockanlage, sowie die größte der neun bestehenden Schlossanlagen Berlins.

Stüler-Bauten, 14.4.2012, Foto: KHMM

Stüler-Bauten, 14.4.2012, Foto: KHMM

Schlossstr. 1 und 70: Stüler-Bauten
Die beiden Baudenkmale gegenüber dem Schloss an der Schloßstraße 1 und 70 wurden 1851-59 von Friedrich August Stüler nach Entwürfen Friedrich Wilhelms IV. als Offiziers-Kasernen der Gardes du Corps erbaut. Die beiden Kopfbauten über jeweils quadratischem Grundriss sind spiegelbildlich aufeinander bezogen mit der Schlossstraße als Spiegelachse. Nach erheblichen Kriegsbeschädigungen wurden sie in den 1950er Jahren wiederhergestellt. Der westliche Bau wurde seit 1960 als Antikenmuseum genutzt. 1995 zog die Sammlung Berggruen ein, das heutige Museum Berggruen. Im östlichen Bau war von 1967 bis 2005 das Ägyptische Museum untergebracht. Nach einem Umbau wurde hier am 10.7.2008 die Sammlung Scharf-Gerstenberg. eröffnet. Die Sammlung zeigt unter dem Titel “Surreale Welten” hochkarätige Werke der Surrealisten und ihrer Vorläufer.
Das Spektrum der Künstler reicht von Piranesi, Goya und Redon bis zu Dalí, Magritte, Max Ernst und Dubuffet. Gemeinsam mit dem Museum Berggruen bildet die Sammlung ein Zentrum für die Kunst der klassischen Moderne. Die beiden Häuser zeigen exemplarisch die erfolgreiche Verbindung zwischen privatem Sammlertum und öffentlichen Institutionen.
Im Museum Berggruen ist eine der weltweit bedeutendsten Privatsammlungen mit Werken der Klassischen Moderne untergebracht. Sie wurde 1995 von dem Kunsthändler und Sammler Heinz Berggruen seiner Vaterstadt Berlin als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt und am 6. September 1996 eröffnet. Am 21. Dezember 2000 ging die Sammlung in den Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über. Picasso ist mit 80 Exponaten vertreten, den zweiten Schwerpunkt bilden Arbeiten von Paul Klee.
Heinz Berggruen starb am 23.2.2007 in Paris. Er wurde in Berlin auf dem Dahlemer Waldfriedhof beerdigt.
Seine Erben, darunter Sohn Nicolas Berggruen, wollen das Museum um fünfzig Werke der Klassischen Moderne erweitern, darunter Picasso, Matisse, Klee und Cézanne. Für die Erweiterung hat das Bezirksamt das benachbarte Kommandantenhaus zur Verfügung gestellt. Es wird derzeit umgebaut. Im Herbst dieses Jahres soll das erweiterte Museum wieder eröffnet werden.

Schloßstr. 1a: Bröhan-Museum
Hinter dem Museum Berggruen befindet sich an der Schloßstraße 1a das Bröhan-Museum, ebenfalls ein Baudenkmal. Das Haus wurde 1892/93 als Mannschaftsgebäude und Offizierswohnhaus der Gardes-du-Corps errichtet. 1929 wurde es von Alfred Richter für ein Polizei-Institut umgebaut. Die Nationalsozialisten richteten hier die SS-Führerschule ihrer Sicherheitspolizei ein.
Seit 1983 beherbergt dieses Haus das Bröhan-Museum, das aus der Privatsammlung Karl H. Bröhans hervorgegangen ist. Ausstellungsschwerpunkte sind Jugendstil, Art Deco und die Berliner Sezession. Neben Gemälden wird auch Industriedesign, Kunsthandwerk und Mobiliar gezeigt.

Gemeinsam mit diesen Museen, dem Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim und weiteren Einrichtungen in der Umgebung bildet das Schloss Charlottenburg das bedeutendste kulturelle Zentrum unseres Bezirks und eine der großen Touristenattraktionen Berlins.

Friedrich der Große auf dem Luisenplatz, 14.4.2012, Foto: KHMM

Friedrich der Große auf dem Luisenplatz, 14.4.2012, Foto: KHMM

Luisenplatz
Der Platz vor dem Knobelsdorff-Flügel des Schlosses Charlottenburg war im Eosanderplan Anfang des 18. Jahrhunderts als barockes Parterre vorgesehen. 1841 wurde er durch Peter Josef Lenné angelegt.
1902-05 wurde der Platz umgestaltet und mit einem Denkmal für Kaiser Friedrich III. von Joseph Uphues in der Platzmitte ausgestattet. Das Denkmal wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen. Der Platz wurde 1955 mit Rasen und jungen Bäumen gärtnerisch neu gestaltet. Inzwischen stehen hier zwei Kopien von Statuen.
Die erste Statue zeigt Friedrich I, den Ersten König der Preußen, wie es auf der Inschrift heißt. Er war der Gemahl von Sohie Charlotte. Die Statue wurde 1698 von Andreas Schlüter für den Hof des Zeughauses geschaffen, 1801 in Königsberg aufgestellt und ist seit 1945 verschollen. 1972 wurde der Nachguss hier aufgestellt.
Die zweite Statue zeigt Friedrich den Großen, hier erkennbar als Feldherr, Gesetzgeber und Friedensstifter. Das Original stammt von Johann-Gottfried Schadow.

Neuer Pavillon, 14.4.2012, Foto: KHMM

Neuer Pavillon, 14.4.2012, Foto: KHMM

Neuer Pavillon
Der Neue Pavillon wurde 1824/25 von Karl Friedrich Schinkel am Spreeufer auf einem quadratischen Grundriss als Sommerhaus für König Friedrich Wilhelm III. errichtet. Als Vorbild bestimmte der König die neapolitanische Villa Reale del Chiatamone, in der er bei seiner Italienreise 1822 gewohnt hatte. Unmittelbarer Anlass für die Errichtung des Pavillons dürfte die zweite 1824 geschlossene morganatische Ehe des Königs mit Auguste Fürstin von Liegnitz gewesen sein.
Die überwiegend als privates Refugium von Friedrich Wilhelm III. genutzte Sommervilla mit ihrer bürgerlich-einfachen Ausstattung wurde während des Zweiten Weltkriegs fast völlig zerstört.
In den rekonstruierten Innenräumen sind Gemälde der Romantik und des Biedermeier von Carl Blechen, Karl Friedrich Schinkel und Eduard Gaertner sowie Mobiliar, Skulpturen, Porzellan und Berliner Eisenkunstguss zu sehen.
Der Neue Pavillon ist nach umfassender Sanierung seit dem 4. Dezember 2011 mit einer neuen Dauerausstellung wieder geöffnet.

Schlossbrücke, 14.4.2012, Foto: KHMM

Schlossbrücke, 14.4.2012, Foto: KHMM

Schlossbrücke
Die Schlossbrücke führt am Luisenplatz über die Spree. 1709 wurde an dieser Stelle eine einfache Holzbrücke über die Spree mit der Bezeichnung “Berlinische Brücke” gebaut. Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurde sie ersetzt durch eine stärkere Jochbrücke. Diese wurde am Ende des Jahrhunderts durch Ludwig Hoffmann verbreitert und mit einem eisernen Überbau, sowie Bildhauerarbeiten von Max Dennert versehen. Sie wurde 1901 eröffnet.
1926-27 wurde sie von dem Stahlbauunternehmen A. Druckenmüller durch eine massive Eisenkonstruktion ersetzt.
Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde der in der Spree versunkene Eisenkörper geborgen und die Brücke 1946-49 wieder aufgebaut.

Schlosspark
Der Schlosspark wurde seit 1697 entlang der Spree als französischer Barockgarten angelegt. Im Park befinden sich das Mausoleum der Königin Luise und das Belvedere. Ende des 18. Jahrhunderts erfolgte eine teilweise Umgestaltung in einen englischen Landschaftsgarten nach Wörlitzer Vorbild. Seit 1819 wurde der Park nach Plänen von Lenné weiter ausgebaut. Nach Kriegsstörungen wurde der unmittelbar hinter dem Schloss gelegene Teil als barockes Parterre in Anlehnung an den ursprünglichen Zustand, der übrige Garten im englischen Stil neu angelegt. Im Frühjahr 2001 wurde das einzige Barockparterre Deutschlands originalgetreu rekonstruiert.
Für großen Zündstoff sorgte in den letzten Jahren die Frage, ob hier der Spreeradweg weitergeführt werden kann, der schon eine ganze Zeit lang bestand. Die gegensätzlichen Positionen schienen unversöhnlich. Vor knapp zwei Jahren hat jedoch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten eingelenkt und das Radfahren an ausgewählten Stellen und hier vor allem am Ufer zugelassen. Die erforderlichen Wege wurden im letzten Jahr gebaut.
Wir gehen diese Wege jetzt entlang, vorbei am Barock-Parterre und am Karpfenteich bis zum Belvedere.

Belvedere, 14.4.2012, Foto: KHMM

Belvedere, 14.4.2012, Foto: KHMM

Belvedere
Das Belvedere wurde 1788 von Carl Gotthard Langhans für König Friedrich Wilhelm II als Teehaus und Aussichtsturm erbaut. Das dreigeschossige Gebäude zeigt den Übergang vom barocken zum klassizistischen Stil. Den Grundriss bildet ein Oval, an das vier Rechtecke anschließen. Eine kupferbeschlagene Kuppel schließt das Gebäude nach oben hin ab. Auf dieser stehen drei vergoldete Knaben, die einen Blumenkorb auf ihren Köpfen halten. Sie stammen von Karl Bobek (1925–1992). Er hat die ursprüngliche Gruppe von Johann Eckstein (1735–1817) frei nachgestaltet.
Das Belvedere lag ursprünglich auf einer Insel. Im Krieg wurde es zerstört und 1956-60 vereinfacht wiederhergestellt. Heute ist darin eine Sammlung von Meiserwerken der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur zu sehen.
Wir verlassen jetzt den Schlosspark, gehen aber nicht über die Fußgängerbrücke zum Bahnhof Jungfernheide, sondern weiter an der Spree entlang zur Charlottenburger Schleuse.

Marc Schulte und Matthias Moneke auf der Schleuseninsel, 14.4.2012, Foto: KHMM

Marc Schulte und Matthias Moneke auf der Schleuseninsel, 14.4.2012, Foto: KHMM

Schleuseninsel
Ich freue mich sehr, dass Matthias Moneke, Leiter der Außenstelle Spandau des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin, sich heute die Zeit genommen hat, uns auf die Schleuseninsel zu lassen und uns die alte und die neue Schleuse Charlottenburg und die gesamte Schleuseninsel vorzustellen. Wir können dadurch zum einen eine reizvolle Wasserlandschaft in der Stadt betreten, die sonst leider für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Und zum anderen kommen wir so auf dem kürzesten Weg vom Schlosspark zur Weltkulturerbesiedlung. Herzlichen Dank dafür.

Auf dem Nonnendamm unter der Rudolf-Wissell-Brücke, 14.4.2012, Foto: KHMM

Auf dem Nonnendamm unter der Rudolf-Wissell-Brücke, 14.4.2012, Foto: KHMM

Rudolf-Wissell-Brücke
Die Brücke wurde 1958-61 als Teil der Bundesautobahn A 100 (Stadtring Berlin) gebaut. Sie ist mit 930 m die längste Brücke Berlins, benannt nach dem Reichsarbeitsminister und Widerstandskämpfer Rudolf Wissell. Die Brücke wird von 12 Stützen getragen und ist bis zu 16 m hoch. Mit einer Frequenz von mehr als 120.000 Fahrzeugen pro Tag ist die Brücke Teil eines der höchstbelasteten Autobahnabschnitts Deutschlands.

Nonnendamm
Den Namen “Nonnendamm” gab es schon im 13. Jahrhundert.
Er geht auf das im Jahr 1239 gestiftete Benediktiner-Nonnenkloster in Spandau zurück.
Das Kloster ließ durch die sumpfigen Niederungen einen Knüppeldamm zu seinen Charlottenburger Liegenschaften anlegen.
Im Lauf der Jahrhunderte entwickelte sich daraus eine Straße. Es ist eine der ältesten Straßen in Charlottenburg-Wilmersdorf.
Auch der Name des Volksparks Jungfernheide geht auf das Nonnenkloster zurück, denn dort lag das vom Spandauer Nonnenkloster bewirtschaftete Gebiet.

Atelierhaus, 14.4.2012, Foto: KHMM

Atelierhaus, 14.4.2012, Foto: KHMM

Nonnendamm 17: Atelierhaus
Das Atelierhaus wurde Ende der 1960er Jahre in einem Industriegebäude eingerichtet. 1898 bebaute die Charlottenburger Chemische Fabrik Urban & Lemm das Gelände. Der von dem Unternehmer Otto Lemm 1893 gegründete Familienbetrieb wurde zu einem der führenden Schuhcreme- und Metallputzmittelproduzenten. Durch seine Schuhcreme der Marke “Urbin” wurde Lemm reich und ließ sich 1907 in Gatow an der Havel die “Villa Lemm” bauen. In den 1920er Jahren zog die Firma dann nach Reinickendorf. Die Gebäude verfielen und wurden im Zuge des Mitte der 1990er Jahre begonnenen Havelausbaues des Verkehrsprojektes 17 bis auf das heutige Atelierhaus abgerissen. Heute arbeiten in dem Haus 15 Künstlerinnen und Künstler.

Nikolaus-Groß-Weg
Der Nikolaus-Groß-Weg wurde 1966 nach dem Gewerkschafter und Widerstands-kämpfer Nikolaus Groß benannt. Er wurde 1898 in Hattingen an der Ruhr geboren und am 23.1.1945 in Berlin-Plötzensee ermordet. Nikolaus Groß arbeitete seit 1915 als Bergmann. 1917 trat er in den christlichen Bergarbeiterverband ein und wurde Gewerkschaftssekretär. Er beteiligte sich aktiv am Widerstand gegen die Nazidikta-tur. Am 12. August 1944 verhaftete ihn die Gestapo. Am 15.1.1945 verurteilte ihn der Volksgerichtshof zum Tode und 8 Tage später wurde er in Plötzensee hingerichtet.

An der Feuerwache, 14.4.2012, Foto: KHMM

An der Feuerwache, 14.4.2012, Foto: KHMM

Nikolaus-Groß-Weg 2: Feuerwache Charlottenburg-Nord
Von 1963 bis 1968 wurden auf dem 47.500 qm großen Gelände in mehreren Bauabschnitten die Hauptfeuerwache und die Direktionsgebäude der Feuerwehrbranddirektion von West-Berlin gebaut, außerdem wurden hier die Feuerwehrleitstelle, die Zentralwerkstatt, der Technische Dienst und die Zentralbekleidungskammer eingerichtet. Ein 20 Meter hoher Übungsturm dient dem Training unterschiedlicher Feuerwehrmaßnahmen wie Klettern, Abseilen und Springen. Nach der Wiedervereinigung Berlins wurde der Sitz der Hauptfeuerwache Berlin und der Feuerwehrbranddirektion in die Voltairestraße 2 in Mitte verlegt.
Die rund 5 Meter hohe abstrakte Metallfigur des japanischen Künstlers Joshikuni Iida wurde 1967 vor der Feuerwache auf einem Stahlsockel aufgestellt. Sie besteht aus einem Quader mit einem vorstehenden runden Teil mit etwa 2 Metern Durchmesser in der Mitte.
In dessen Zentrum befindet sich wiederum ein kreisförmiges Teil. Das Ganze erinnert an einen aufgerollten Feuerwehrschlauch.

Letterhausweg
Der Letterhausweg wurde 1957 benannt nach dem Gewerkschafter und Widerstandskämpfer Bernhard Letterhaus. Er wurde 1894 in Barmen geborenund 1944 in Berlin-Plötzensee ermordet. 1928 bis 1933 war er als Zentrumsabgeordneter Mitglied des Reichstages. Als Wehrmachtssoldat seit 1939 unterstützte er als Hauptmann der Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht den militärischen Widerstand.
Nach dem gescheiterten Attentat des 20. Juli 1944 wurde er verhaftet, am 13.11.1944 zum Tode verurteilt und am Folgetag hingerichtet.

Infotafel 10 am Heilmannring, 14.4.2012, Foto: KHMM

Infotafel 10 am Heilmannring, 14.4.2012, Foto: KHMM

Heilmannring
Der Heilmannring wurde 1957 nach dem Politiker und Widerstandskämpfer Ernst Heilmann benannt. Er wurde 1881 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Berlin geboren und starb 1940 in Buchenwald. 1898 trat er in die SPD ein. 1903 schloss er sein Studium der Staats- und Rechtswissenschaften mit dem Referendarexamen ab, wurde aber als Jude nicht in den Staatsdienst übernommen. Er arbeitete von 1909 bis 1917 als Chefredakteur der “Volksstimme” Chemnitz und von 1919 bis 1933 als Redakteur des “Vorwärts”. 1919/20 war er Mitglied der Stadtverordnetenversammlung Charlottenburg, 1919 bis 1933 Mitglied des Preußischen Landtages und 1928 bis 1933 Reichstagsabgeordneter. Im Juni 1933 wurde Heilmann in Berlin festgenommen und im berüchtigten Columbia-Haus in Tempelhof inhaftiert, danach im Zuchthaus Plötzensee und in den Konzentrationslagern Oranienburg, Esterwegen, Dachau und schließlich Buchenwald.

Siemensstadt
Am 7.7.2008 erklärt die UNESCO-Vollversammlung Siemensstadt neben 5 weiteren Berliner Großsiedlungen der 1920er Jahre zum Weltkulturerbe. Die Siedlung Siemensstadt verbindet man mehr mit Spandau als mit Charlottenburg. Aber wir befinden uns jetzt in dem Teil der Siedlung Siemensstadt, der zu Charlottenburg-Nord gehört.
Die Großsiedlung Siemensstadt wurde 1929-31 unter der Gesamtplanung von Hans Scharoun errichtetet. Der Charlottenburger Teil gilt als beispielhaft für den fortschrittlichen Wohnungsbau der 1920er Jahre mit den aufgelockerten, von Freiräumen und Grünstreifen umgeben, meist fünfstöckigen Wohnzeilen. Mittelpunkt der Siedlung im Charlottenburger Teil ist der Goebelplatz, den wir gleich erreichen werden. Manche bezeichnen diesen Teil von Siemensstadt als ein bewohntes Open-Air-Museum der modernen Architektur.
Sie ist mit fast 1.400 Wohneinheiten ein Paradebeispiel für den Stil des Neuen Bauens in der Weimarer Republik.
Siemensstadt war die wichtigste architektonische Leistung und das Vorzeigeprojekt der Architekten-Vereinigung “Der Ring”, die1926 in Berlin gegründet wurde. “Der Ring” war ein Zusammenschluss junger Architekten, der sich zum Ziel setzte, das “Neue Bauen” zu fördern. Er bezog Position gegen den Historismus in der Architektur. Neben neuen architektonischen Ausdrucksformen suchten die Mitglieder des Rings auch nach neuen Bautechniken. Im Unterschied zu anderen Vereinigungen dieser Zeit gab es jedoch kein ausformuliertes Programm. Die treibende Kraft hinter der Gründung des Rings waren Hugo Häring und Ludwig Mies van der Rohe, die sich zu dieser Zeit ein Büro in Berlin teilten. Hugo Häring wurde von der Gruppe zu ihrem Sekretär gewählt. Die Mitglieder vertraten mitunter sehr unterschiedliche Haltungen.
Das wird insbesondere hier in Siemensstadt deutlich, wo auf engstem Raum unterschiedliche Wege der modernen Architektur der 20er Jahre zu besichtigen sind. Beim Bau der Siemensstadt von 1929 bis 1931 waren sechs Mitglieder des Rings beteiligt: Otto Bartning, Fred Forbat, Walter Gropius, Hugo Häring, Paul Rudolf Henning und Hans Scharoun. Die Freiflächen gestaltete Leberecht Migge. Die Gesamtleitung lag bei Hans Scharoun. Nach der Architektengruppe wurde Siemensstadt auch “Ringsiedlung” genannt.
Die Straßen und Plätze wurden nach Technikern, Erfindern und Physikern benannt, auf deren Entdeckungen der Erfolg der Siemens AG beruhte.
Markant für die Siedlung sind einige an Schiffsarchitektur erinnernden Bauformen. In der Siedlung Siemensstadt sind die überwiegend vier- bis fünfgeschossigen Wohnzeilen mit Flachdach weitgehend nach Süden ausgerichtet und werden durch breite Grünanlagen getrennt.
Licht, Luft und Sonne gab es dadurch für jede Wohnung, die alle über Bad und Innentoilette, Zentralheizung und Warmwasserversorgung, und einen Balkon oder eine Loggia verfügen. Heizung und Warmwasser wurden durch ein siedlungseigenes zentrales Heizwerk geliefert, das erste seiner Art im damaligen Berlin. Die einzelnen Wohnungen brauchten also keine eigenen Heizanlagen. Daher auch der Beiname »Rauchlose Stadt«.
Die Bauten gehören heute der GSW und der Deutschen Wohnen AG. Die GSW hat gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt 2004 zum 75. Geburtstag der Siedlung zehn Wegweiser mit vielen Informationen zu den Gebäuden und ihren Architekten aufgestellt. So ist ein Spaziergang durch die Siedlung auch ohne Kiezführer informativ. Die Deutsche Wohnen AG hat eine Infostation mit Café an der Goebelstraße 2 (Ecke Geißlerpfad) eingegerichtet. Sie wird von “Ticket B – Stadtführungen von Architekten“ und ist sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Spezielle Führungen können hier vereinbart werden.

Heilmannring 60
Hier ist auf einer großen refliefartigen Bronzetafel auf einer Betonplatte ein Überblicksplan von Siemensstadt zu sehen. Dahinter steht die Infotafel Nr.10:
“Hans Scharoun Atelier und Wohngehöfte”
Wir werden jetzt nur noch einen kleinen Teil der Siedlung sehen können, aber man kann sie jederzeit anhand der 10 Informationstafeln selbst erkunden.

Goebelstraße 11-113: Langer Jammer
Eines der bekanntesten und größten Bauwerke der Siedlung ist der »Lange Jammer« von Otto Bartning mit seiner monotonen, scheinbar endlos, nämlich 500 Meter langen, gekrümmten Vorderfront. Die Wohnungen mit durchschnittlich 54 m² Fläche sind für die damaligen Verhältnisse großzügig mit Bad, WC und Heizung ausgestattet. Die 1929 bis 1930 gebaute Anlage galt als modern und wegweisend.

Goebelstraße 1-9: Scharoun-Haus
Der expressionistische Bau mit pinkfarbenen den Balkonen und Bullaugen stammt von Hans Scharoun. Im Zweiten Weltkrieg wurde der östliche Abschluss des “Langen Jammers”, den Otto Bartning 1929 gebaut hat, hier am Goebelplatz stark zerstört. Hans Scharoun ließ die Bauruine abreißen und schuf Ende der 50er Jahre dieses Laubenganghaus als neuen Abschluss des “Langen Jammers” – ganz im Stil des Neuen Bauens, und doch als eigenwilligen, auch farblichen neuen Akzent.

Goebelplatz, 14.4.2012, Foto: KHMM

Goebelplatz, 14.4.2012, Foto: KHMM

Goebelplatz
Der Goebelplatz wurde 1930 benannt nach dem Uhrmacher und Erfinder Henry Goebel. Er hieß eigentlich Johann Heinrich Christoph Göbel, wurde1818 in Springe geboren und wanderte 1848 nach Amerika aus. 1893 starb er in New York. Er gilt als Erfinder der Glühlampe, die Thomas Alva Edison seit 1879 technisch auswertete und industriell produzierte.
Der Goebelplatz ist Mittelpunkt des Charlottenburger Teils der Großsiedlung Siemensstadt. Die Häuser ringsum stammen von berühmten Architekten wie Walter Gropius, Otto Bartning, Hugo Häring und Rudolf Henning. Der Platz wurde nach der Erklärung zum Weltkulturerbe in seinem ursprünglichen Zustand wieder hergestellt, neu bepflanzt und damit für die Bürgerinnen und Bürger als Aufenthaltsort wieder attraktiver gemacht. Weitere Arbeiten im Bereich der Goebelstraße und des Jungfernheideweges werden mit 500 000 Euro aus Bundesmitteln zur Pflege des Weltkulturerbes finanziert.