155. Kiezspaziergang am 8.11.2014
Vom Sophie-Charlotte-Platz zum RBB-Fernsehzentrum
Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann
Treffpunkt: Am U-Bahn-Ausgang Sophie-Charlotte-Platz
ca. 1,8 km
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 155. Kiezspaziergang. Wie Sie
wissen ist morgen der 25. Jahrestag des Mauerfalls. Vor 25
Jahren erreichte die friedliche Revolution in der DDR ihr Ziel und beseitigte die Mauer, die unser
Berlin seit dem 13. August 1961 so unmenschlich geteilt und
Familien zerrissen hat. Es war der glücklichste Tag für
Berlin und für ganz Deutschland, und 25 Jahre danach wollen
wir diesen Tag miteinander feiern. Daneben dürfen wir in
diesem Jahr aber auch den 9. November 1938 nicht vergessen. Die
Pogromnacht, in der die Synagogen brannten, ist zum Symbol
geworden für all das in unserer Geschichte, was sich niemals
wiederholen darf.
Heute wollen wir uns mit beiden Themen beschäftigen.
Wir gehen über den Kaiserdamm zum RBB-Fernsehzentrum. Auf dem Weg gibt es
zahlreiche Stationen, die uns an den 9. November 1938
erinnern.
Charlottenburg und Wilmersdorf waren während der Zeit der
Teilung West-Berliner Innenstadtbezirke und grenzten nicht an
den Ostteil der Stadt. Es gab also keine Mauer in diesen beiden
Bezirken. Als historischer Ort für das 25jährige Jubiläum
käme deshalb bei uns der Kurfürstendamm in Frage, auf dem
damals die Trabi-Parade stattfand oder der damalige
SFB, der bei den Ereignissen eine
wichtige Rolle spielte.
Im Fernsehzentrum des RBB wird eine
Ausstellung zum Jubiläum “25 Jahre Mauerfall” zu
sehen sein. RBB-Intendantin Dagmar
Reim wird uns begrüßen, und der Ausstellungsmacher Thomas
Donker wird uns seine Ausstellung vorstellen. Er hat den 9.
November 1989 als Pressefotograf miterlebt und kann deshalb
auch als Zeitzeuge von seinen Erlebnissen berichten.
Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen den nächsten Treffpunkt
für den 156. Kiezspaziergang mitteilen. Es ist wie immer der
zweite Samstag des Monats, also der 13. Dezember, um 14.00 Uhr.
Wir treffen uns auf dem Joachimsthaler Platz am U-Bahnhof
Kurfürstendamm. Wir werden zum Hohenzollernplatz gehen und
dort die architektonisch sehr interessante Kirche am
Hohenzollernplatz besichtigen. Sie stammt von Fritz Höger,
wurde 1933 eröffnet und gilt als Hauptwerk des norddeutschen
Backsteinexpressionismus. Auf dem Weg dorthin werden wir wie
immer eine Menge Entdeckungen machen.
Sophie-Charlotte-Platz
Der Sophie-Charlotte-Platz wurde 1892 benannt nach der
Namensgeberin von Charlottenburg, der preußischen Königin
Sophie Charlotte, der Gemahlin von König Friedrich I. 1910
wurde der Platz mit Rasen, Rabatten, Hecken und Bäumen
angelegt.
Kaiserdamm
Der Kaiserdamm erhielt seinen Namen 1906 nach dem damaligen
Deutschen Kaiser Wilhelm II. Am 26 April 1967 wurde er in
Adenauerdamm umbenannt. Aber nach vehementen Protesten der
Bevölkerung erhielt er bereits am 15. Januar 1968 seinen alten
Namen zurück. Ersatzweise wurde dann für Konrad Adenauer der
Adenauerplatz am Kurfürstendamm gefunden.
Seit 1900 war das “Heerstraßenprojekt” entstanden, eine
geradlinige Prachtstraßenverbindung von Berlin durch den
Tiergarten über Charlottenburg und das südliche Spandau bis
zum Truppenübungsgelände bei Döberitz westlich von
Spandau.
Für die Nationalsozialisten wurde dieser Straßenzug zur
Ost-West-Achse, die als riesige Paradestraße ausgebaut werden
sollte und teilweise auch ausgebaut wurde. Albert Speer selbst
hat die Straßenlampen entworfen, die noch heute entlang des
Straßenzuges stehen, auch hier am Kaiserdamm.
Kaiserdamm 118: Wohnhaus
Das Wohnhaus wurde 1907/08 von Hermann Heider gebaut. Es steht
unter Denkmalschutz und wurde 1990 restauriert. Es ist ein
mehrgeschossiges Mietshaus im Stil der Neorenaissance mit einer
kolossalen Giebelfront, einer mit Mosaiken verzierten
Ladenzone, einem über dem Eingangsportal auf mächtigen
figürlichen Konsolen ruhenden Erker, sowie weiteren, grau
verputzten Erkern. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
zogen Offiziere der Roten Armee in die bis zu 400 qm großen
Wohnungen.
Kaiserdamm 1: Polizeipräsidium
Charlottenburg
Dieses Haus wurde 1906 bis 1910 von Oskar Launer und Kloeppel
für das damalige Polizeipräsidium Charlottenburg gebaut. Die
Barockfassade aus Werkstein will die Passanten beeindrucken.
Das Haus steht unter Denkmalschutz. Heute ist hier das Referat
Umweltkriminalität des Landeskriminalamtes und der Abschnitt
24 untergebracht.
Nach der Eingemeindung Charlottenburgs nach Berlin im Jahr 1920
wurde in dem Haus die Kriminalpolizei untergebracht, und in den
1920er Jahren hatte der Berliner Vizepolizeipräsident und Chef
der Kriminalpolizei Bernhard Weiß hier seine
Dienstwohnung.
Nach dem Abitur im Jahr 1900 studierte Bernhard Weiß
Rechtswissenschaften in Berlin, München, Freiburg und
Würzburg und schloss das Studium mit der Promotion ab.
1904/1905 absolvierte er eine militärische Ausbildung zum
Reserveoffizier.
Im Ersten Weltkrieg stieg er zum Rittmeister auf und wurde mit
dem Eisernen Kreuz zweiter und erster Klasse
ausgezeichnet.
Im Sommer 1918 wurde er als Stellvertretender Leiter der
Kriminalpolizei in Berlin in den Polizeidienst aufgenommen,
1925 wurde er Chef der Kriminalpolizei und 1927
Vizepolizeipräsident.
Weiß, der Mitglied der DDP war,
griff als Beamter der Republik gegen Rechtsbrüche systematisch
durch. Er wurde Opfer regelmäßiger Diffamierungskampagnen der
aufkommenden NSDAP unter dem Berliner
Gauleiter Joseph Goebbels, der Weiß wegen seiner jüdischen
Herkunft stets als “Isidor Weiß” bezeichnete. Besonders in
Goebbels Hetzpostille “Der Angriff” war Weiß ständig
Gegenstand antisemitisch motivierter Diffamierungen in Texten
und Karikaturen. Mit Weiß hatte Goebbels einen Feind gefunden,
der seiner Nazi-Ideologie entsprach: ein Bürger jüdischer
Herkunft und Repräsentant der Republik, im Nazijargon
“Vertreter des Systems”.
Weiß führte gegen Goebbels mehr als 60 erfolgreich
verlaufende Prozesse. Als Vizepolizeipräsident bekämpfte
Weiß die Pöbeltruppen der SA und gleichermaßen die
Kampfformationen der Kommunisten, die der Weimarer Republik
ebenfalls feindselig gegenüberstanden.
In der Berliner Bevölkerung und in der Polizei war Weiß sehr
populär und geachtet. Liebevoll-despektierlich nannten sie ihn
“Vipoprä”.
Nach dem “Preußenschlag” Papens 1932 verlor Weiß – wie
die gesamte Regierung Preußens – sein Amt. Nach kurzer Haft
wurde er freigelassen und lebte bis zum März 1933 in Berlin.
Als die Nazis ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatten,
ermöglichten ihm Kollegen die Flucht.
Weiß floh 1933 über Prag nach London, wo er 1951 kurz nach
der Wiedererlangung seiner deutschen Staatsbürgerschaft
starb.
2008 wurde an seinem damaligen Wohnhaus am Steinplatz 3 eine
Gedenktafel für ihn angebracht.
Und am 1. November 2010 enthüllten Berlins Innensenator
Ehrhart Körting, Polizeipräsident Dieter Glietsch und
Vize-Polizeipräsidentin Margarete Koppers hier an diesem Haus
eine Gedenktafel mit folgendem Text:
“Bernhard Weiß
1880 Berlin – 1951 London
Polizeivizepräsident in Berlin
von 1927 bis 1932
Preußischer Jude – Kämpferischer Demokrat
In diesem Polizeigebäude wohnte
Dr. Bernhard Weiß während seiner Amtszeit.
Er gehörte zu den Wenigen, die sich dem
aufkommenden Nationalsozialismus
mit rückhaltlosem Einsatz entgegenstellten.”
Kaiserdamm 114: Erich Maria Remarque
Schräg gegenüber, am Haus Kaiserdamm 114 enthüllte die
Hellersdorfer Erich-Maria-Remarque-Oberschule 1999 eine
Gedenktafel für Erich Maria Remarque, die von der Schule
gespendet worden war. Der Text lautet:
“Hier wohnte 1925 der Schriftsteller
Erich Maria Remarque, der bis 1931 in Berlin lebte.
In dieser Zeit entstanden die Antikriegsromane
“Im Westen nichts Neues” und “Der Weg zurück”.
Remarque wurde am 22.06.1898 in Osnabrück geboren
und starb am 25.09.1970 in Locarno.”
Dies war die erste Wohnung von Remarque in Berlin. Gesucht
hatte er eine “gut möblierte Zwei- bis Dreizimmerwohnung,
Morgensonne oder überhaupt sonnig, möglichst abgeschlossen
oder abgeteilt, mit Bad und Küchenbenutzung”. Hier fand er,
was er suchte.
Bereits 1972 wurde an der Wittelsbacherstraße 5 in Wilmersdorf
eine Gedenktafel für Remarque enthüllt. Dort lebte er bis
1929, und dort schrieb er seinen berühmten Roman “Im Westen
nichts Neues”.
Kaiserdamm 115: 6 Stolpersteine
Vor dem Haus nebenan am Kaiserdamm 115 wurden 2007 6
Stolpersteine verlegt.
Der Kaufmann Arthur Blumenthal war seit 1925 Eigentümer und
mit seiner Familie Bewohner des Hauses. Er wurde am 17.3.1943
gemeinsam mit seiner Tochter Eva Simon, seinem Schwiegerson
Werner Simon und seinem zweijährigen Enkel Dan Simon nach
Theresienstadt und am 28.10.1944 weiter nach Auschwitz
deportiert und ermordet. Seine Schwägerin Henriette Marcus
entzog sich am 3.2.1943 durch Freitod der Deportation. Ihre
Schwester Bertha starb am 5.4.1944 in Theresienstadt.
Kaiserdamm 10: Stolpersteine
Walter Jesaias Greve, geboren am 9.3.1886 und Evelyn Greve,
geboren am 1.7.1928, versuchten im Mai 1939 mit der MS „St.
Louis“ aus Deutschland zu fliehen, wurden aber weder in Kuba
noch in den USA an Land gelassen. Das
Schiff kehrte nach Europa zurück. Familie Greve fand Aufnahme
in Frankreich, floh nach Kriegsbeginn weiter nach Italien.
Walter und Evelyn wurden dort von der Gestapo gefasst und 1944
aus dem Sammellager Modena (vermutlich) nach Auschwitz
deportiert und dort ermordet.
Kaiserdamm Ecke Wundtstraße:
Erwin-Barth-Platz
Der Platz direkt gegenüber führt in den Lietzenseepark. Er
wurde am 28.November 2005 zum 125. Geburtstag Erwin Barths nach
ihm benannt, dem bedeutenden Charlottenburger
Stadtgartendirektor, der auch den Lietzenseepark gestaltet hat.
Kaiserdamm 16: Armin T. Wegner
Am 17.5.2002, an seinem 24. Todestag, wurde unter großer
Anteilnahme der armenischen Gemeinde diese Gedenktafel für
Armin T. Wegner enthüllt. Sie musste auf dem Gehweg angebracht
werden, weil die Hausbesitzer nicht damit einverstanden waren,
die Tafel an ihrem Haus anzubringen.
Der Text lautet:
“Hier, im Hause Kaiserdamm 16,
lebte von 1925 bis zu seiner Verhaftung am 16. August
1933
der Schriftsteller, Lyriker und Journalist
Armin T. Wegner
16.10.1886 – 17.5.1978
Als Augenzeuge berichtete er über den Völkermord
an den Armeniern im 1. Weltkrieg.
In einem Brief an Hitler protestierte er schon im April
1933
gegen die Verfolgung der Juden.
Als Pazifist denunziert, verschleppten ihn die
Nationalsozialisten in die Konzentrationslager Oranienburg,
Börgermoor und Lichtenburg.
Seine Bücher wurden verbrannt, sein Werk verschwiegen.
In Armenien wie in Israel zählt er zu den
GERECHTEN DER VÖLKER”
Als Jürgen Serke im Jahr 1976 bei Recherchen für sein Buch
“Die verbrannten Dichter” den 90jährigen Schriftsteller
Armin Theophil Wegner in Rom besuchte, um ihn zu interviewen,
da reagierte dieser mit den Worten: “Ich war der einsamste
Mensch. Ich habe noch so viel zu sagen. Warum seid ihr denn
nicht früher gekommen?”
Armin T. Wegner ist fast vergessen. Kaum eines seiner Bücher
ist im Buchhandel erhältlich. Er ist einer der vielen
Deutschen, denen Hitler ihre Heimat genommen hat. Viele von
ihnen waren auch nach 1945 nicht in ihrer alten Heimat
willkommen. Armin T. Wegner wurde sogar zeitweise für tot
gehalten.
Er ist nicht nur ein wichtiger Autor, sondern auch ein großes
Vorbild, ein Verfechter der Menschenrechte und ein mutiger
Demokrat, der unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme im Jahr
1933 Zivilcourage bewiesen hat, wie kaum ein anderer. Das ist
im Ausland bekannter als bei uns.
In Israel und in Armenien zählt er nicht von ungefähr zu den
“Gerechten der Völker”.
Der 1886 in Elberfeld geborene Armin Theophil Wegner wurde im
Ersten Weltkrieg Augenzeuge des Völkermords an den Armeniern.
Er berichtete über diesen Völkermord und schuf darüber seine
beeindruckendsten literarischen Werke, besonders “Weg ohne
Heimkehr” und “Der Knabe Hüssein”. Seit 1925 lebte er
hier in dem Haus am Kaiserdamm 16, und hier schrieb er auch
seinen wohl bemerkenswertesten und mutigsten Text: Am
Ostermontag, dem 11. April 1933, schrieb Armin T. Wegner einen
Brief an Adolf Hitler, in dem er ihn aufforderte, die
antisemitischen Maßnahmen in Deutschland einzustellen:
“Ich wende mich an Sie als ein Deutscher, dem die Gabe der
Rede nicht geschenkt wurde, um sich durch Schweigen zum
Mitschuldigen zu machen.”
Wenn wir diesen Brief heute lesen, dann wissen wir nicht, was
wir mehr bewundern sollen, den Mut des Autors, seine klare,
unmissverständliche Sprache, seine Menschlichkeit und
moralische Integrität, seine Parteinahme für die verfolgten
jüdischen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die
Selbstverständlichkeit, mit der er die Menschenrechte in
Deutschland einfordert oder die Naivität, mit der er glaubt,
den Diktator mit Argumenten überzeugen zu können. Er
schreibt: “Gerechtigkeit war stets eine Zierde der Völker,
und wenn Deutschland groß in der Welt wurde, so haben auch die
Juden daran mitgewirkt…
Wir haben das Blutopfer zwölftausend jüdischer Männer im
Kriege angenommen, dürfen wir mit einem Rest von Billigkeit im
Herzen ihren Eltern, Söhnen, Brüdern, Enkeln, ihren Frauen
und Schwestern verwehren, was sie sich durch viele Geschlechter
erworben haben, das Recht auf Heimat und Herd?”
Der Brief an Hitler endet mit den Worten: “Ich beschwöre
Sie! Wahren Sie den Edelmut, den Stolz, das Gewissen, ohne die
wir nicht leben können, wahren Sie die Würde des deutschen
Volkes!”
Wir wissen, dass Wegners Brief keinen Erfolg hatte. Wir wissen,
dass die Nationalsozialisten sich um das Gewissen und die
Würde der Deutschen nicht scherten. Wir wissen, dass sie gegen
jede Moral und Menschlichkeit handelten. Umso mehr beeindruckt
uns heute der Brief von Armin T. Wegner. Die Antwort der
Nationalsozialisten war brutal: Wegner wurde verhaftet und in
Konzentrationslagern misshandelt, bevor er 1934 nach England
fliehen konnte. Anschließend emigrierte er nach Italien und
lebte bis zu seinem Tod am 17.Mai 1978 in Rom.
Das Gottfried-Keller-Gymnasium hat eine Patenschaft für diese
Gedenktafel übernommen, das heißt eine Klasse sorgt
regelmäßig für den guten Zustand der Tafel und setzt zum
Beispiel am Geburts- und Todestag Wegners besondere Zeichen der
Erinnerung.
Dies ist ein guter Anlass, sich mit unserer Geschichte
auseinander zu setzen, und, wie die Schule betont, gerade für
die große Gruppe türkischer Schülerinnen und Schüler, auch
mit der türkisch-armenischen Geschichte.
Kaiserdamm 102: Ferdinand Bruckner
Schräg gegenüber, am Haus Kaiserdamm 102, wurde 1987 eine
Berliner Gedenktafel, also eine Porzellantafel der KPM, für Ferdinand Bruckner enthüllt.
“Wohnhaus von
FERDINAND BRUCKNER
-Theodor Tagger-
26.8.1891 – 5.12.1958
Dramatiker, Lyriker, Gründer
und erster Direktor
des Renaissance-Theaters”
Kaiserdamm 19: Stolpersteine
Vor dem Haus Kaiserdamm 19 erinnern zwei Stolpersteine an Frida
Holz und Rose Seligmann. Sie wurden mit dem ersten
Ost-Transport aus Berlin am 18.10.1941 über das Sammellager in
der Synagoge Levetzowstr. 7-8 und den Bahnhof Grunewald nach
Litzmannstadt und von da am 8. Mai 1942 nach Kulmhof (Chelmno)
deportiert und dort ermordet.
Kaiserdamm 97: August Horch
Fünf Häuser weiter, am Kaiserdamm 97, widmete die Firma Audi
ihrem Gründer August Horch eine Berliner Gedenktafel, die im
Jahr 2000 an dem von der Charlottenburger Baugenossenschaft
1994 errichteten Haus der Nationen angebracht wurde. Das
frühere Wohnhaus von August Horch wurde im Zweiten Weltkrieg
zerstört. Der Text lautet:
“Hier wohnte von 1934 bis 1943
AUGUST HORCH
12.10.1868-3.2.1951
Automobilkonstrukteur
und Pionier des Kraftfahrzeugs
Begründer der Automobilmarken
“Horch” und “Audi””
Kaiserdammbrücke
Wir überqueren jetzt gleich die Autobahn und Ringbahn. Die
Kaiserdammbrücke wurde 1906 errichtet. Sie überquert die
Autobahn A 100, die Gleise der S-Bahn und der Fernbahn. Sie
besteht aus Stahl, ist 87 m lang, 50 m breit, hat eine Fläche
von 4.400 qm und ruht auf drei Reihen stählernen Säulen. Auf
jeder Seite hat sie fünf Fahrspuren, einen Radweg und einen
breiten Bürgersteig. Auch diese Brücke wurde 1967 für kurze
Zeit in Adenauerdammbrücke umbenannt, was aber bereits nach
wenigen Monaten wieder rückgängig gemacht wurde.
Mittelstreifen: Mahnmal für Giuseppe
Marcone
Am 14. Juni 2013 hat die Giuseppe Marcone Stiftung hier auf dem
Mittelstreifen des Kaiserdamms diesen Baum gepflanzt und eine
kleine Gedenktafel enthüllt.
Aus dem U-Bahnhof Kaiserdamm heraus wurde Giuseppe Marcone hier
am 17. September 2011 zu Tode gehetzt, als er auf der Flucht
vor Schlägern aus dem U-Bahnhof Kaiserdamm rannte und ihn ein
Auto auf der Straße überfuhr. Die Inschrift lautet:
“‘Ein Engel kam, lächelte und kehrte um.’
An dieser Stelle wurde Giuseppe Marcone
am 17. September 2011 im Alter von 23 Jahren durch
gewalttätige Jugendliche in den Tod gehetzt.
Möge sein Schicksal den Menschen Mahnung sein, einander mit
Achtung und Respekt zu begegnen.”
Die Giuseppe Marcone Stiftung für gegenseitige Achtung und
Zivilcourage wurde von der Mutter Vaja und dem Bruder Velin
Marcone gegründet, um die Erinnerung an ihren Sohn und Bruder
wach zu halten und um sich gegen Gewalt in unserer Gesellschaft
zu engagieren. Sie hat bereits ein Kunst-Licht-Projekt am
Alexanderplatz zur Erinnerung an jugendliche Opfer von Gewalt
im öffentlichen Raum und im Februar dieses Jahres eine
Lichtergalerie gegen Gewalt im Lietzenseepark installiert. Die
Familie Marcone lässt uns daran teilnehmen, wie sie aus ihrer
Trauer hoffnungsvolle Aktionen entwickelt – ganz im Sinne des
verstorbenen Giuseppe Marcone. Aus seinem Tod wird so eine
optimistische Mahnung zur Verständigung, zu gegenseitiger
Achtung und Zivilcourage.
Kaiserdamm 22: Drei Stolpersteine
Vor dem Haus Kaiserdamm 22 erinnern drei Stolpersteine an
Hedwig und Edith Broh und an Cato Bontjes van Beek.
Als Hitler 1933 an die Macht kam, war Cato Bontjes van Beek
zwölf Jahre alt. Sie hatte gerade einen zweijährigen
Aufenthalt bei ihrer Tante in Amsterdam hinter sich, sprach
fließend Niederländisch und freute sich, endlich wieder in
Fischerhude zu sein. Die Mutter Olga Bontjes van Beek,
Ausdruckstänzerin und Malerin, machte sich über Hitler
lustig. Bei den Besuchern, die zuhause ein- und ausgingen,
handelte es sich ebenfalls durchweg um Gegner des
Nationalsozialismus. Sie waren Literaten, Künstler und
Philosophen wie Theodor Lessing, der mit den Kindern die Moor-
und Heidelandschaft erkundete. Jeder in Fischerhude wusste: Die
Bontjes stehen links. Jan, der Vater, dessen Eltern aus den
Niederlanden stammten, war als „roter Matrose“ ins Dorf
gekommen. Man ließ ihn und die anderen gewähren.
Die 1930er Jahre verliefen für Cato weitgehend ohne Konflikte.
Daran änderte auch die Scheidung der Eltern kaum etwas. Jan
Bontjes van Beek zog nach Berlin, gründete dort eine
Keramikwerkstatt und heiratete zum zweiten Mal, und zwar eine
Innenarchitektin mit jüdischen Vorfahren.
Ende 1937 besuchte Cato eine kaufmännische Fachschule in
Berlin und absolvierte eine Lehre als Keramikerin in der
Werkstatt ihres Vaters. In dessen Wohnung lernte sie im
September 1940 Libertas Schulze-Boysen kennen, die Frau von
Harro Schulze-Boysen, der neben Arvid Harnack der Kopf der von
der Gestapo so genannten Roten Kapelle war. Durch sie geriet
Cato sofort ins Zentrum der Widerstandsgruppe und erfuhr von
den Gräueltaten, die an der Ostfront an Polen, Russen und
Ukrainern verübt wurden. Zusammen mit ihrem Freund Heinz
Strelow stellte sie sich gegen das verbrecherische NS-Regime.
Cato wirkte an der Herstellung und Verteilung von Flugblättern
mit und versteckte Verfolgte. Sie half französischen
Kriegsgefangenen und ukrainischen Zwangsarbeiterinnen. Ein von
der deutschen Abwehr abgefangener und entschlüsselter
Funkspruch aus Moskau, der die Klarnamen der führenden Köpfe
der Berliner Roten Kapelle nannte, wurde der Gruppe zum
Verhängnis. Die Zerschlagung einer der größten
Widerstandsgruppen mit dem zugleich höchsten Anteil an Frauen
begann im Herbst 1942. Die Gestapo verhaftete etwa 130
Anhänger, darunter Cato Bontjes van Beek. Im Januar 1943
verurteilte das Reichskriegsgericht sie und weitere Mitglieder
der Gruppe, darunter ihren Freund Strelow, zum Tode. Fast zehn
Monate verbrachte die junge Frau in Berliner Gefängnissen,
bevor sie am 5. August 1943 in Plötzensee hingerichtet wurde.
Sie war 22 Jahre alt.
Kaiserdamm 25: Wohnhaus von Hans
Scharoun
Dieses Wohnhaus am Kaiserdamm 25 wurde 1928/29 von Hans
Scharoun und Georg Jacobowitz für die “Aktiengesellschaft
West für Textilhandel” gebaut. Es steht unter Denkmalschutz.
Der weiße sechsgeschossige Putzbau im Stil der Neuen
Sachlichkeit enthält Ein- bis Zwei-Zimmer-Appartements für
Alleinstehende.
Wie man sieht gibt es das Zeitalter der Singles schon etwas
länger. Gelobt wurden damals die optimale
Wohnflächenanordnung und die aufwendige Ausstattung.
Im Erdgeschoss befindet sich eine Ladenzone, im Dachgeschoss
Ateliers und Dachgärten. Ein geplanter Gaststättenservice
für die Bewohner wurde nicht realisiert.
Kaiserdamm 92 Ecke Messedamm 1: BMW-Niederlassung
Gegenüber, auf dem Grundstück Kaiserdamm 92 Ecke Messedamm 1
musste die damalige Landesversicherungsanstalt LVA Ende der 1980er Jahre ihr Verwaltungsgebäude
wegen Baufälligkeit aufgegeben. Es wurde 1995 abgerissen.
Baupläne der Berliner Volksbank auf dem Gelände wurden nicht
realisiert. Deshalb klaffte 17 Jahre lang eine hässliche
Baulücke, bis BMW hier seine neue
Niederlassung plante. Sie wurde pünktlich am 8. April dieses
Jahres eröffnet und ersetzt die frühere Berliner BMW-Zentrale an der Huttenstraße.
Kaiserdamm 89: Maly Delschaft
An dem Haus Kaiserdamm 89 wurde 2001 auf private Initiative
eine blaue Emailletafel mit weißer Schrift als Gedenktafel
für Maly Delschaft angebracht:
“In diesem Haus wohnte
1935-1995
Maly Delschaft
(Hamburg 4.12.1898 – 20.8.1995 Berlin)
Schauspielerin
Nach ihrer Ausbildung in Hamburg 1916-17
und Anfängerjahren in Bremen 1917-19 von 1921 an in 144
Filmen,
u.a. in “Der letzte Mann” (1924) und “Variete”
(1925).
In “Der Blaue Engel” (1929), der Marlene Dietrich
weltberühmt
machte, sollte sie zunächst spielen.
Nach dem Krieg arbeitete sie vor allem bei der Defa.
Der Mauerbau 1961 beendete ihre Karriere.
(www.cinegraph.de)”
Kaiserdamm 28: Alfred Döblin
Die Berliner Gedenktafel für Alfred Döblin an dem Haus
Kaiserdamm 28 wurde 2003 enthüllt. Nachdem die Tafel 2005
gestohlen worden war, wurde ein Duplikat angebracht. Der Text
lautet:
“In diesem Hause wohnte und praktizierte als Arzt
von 1930 bis 1933
Alfred Döblin
10.8.1878-26.6.1957
Schriftsteller, Dramatiker, Essayist
Er emigrierte aus Hitler-Deutschland
am Tag nach dem Reichstagsbrand
Seine Werke – darunter der Roman “Berlin
Alexanderplatz”
fielen der Bücherverbrennung zum Opfer
Gefördert aus Mitteln der Stiftung Preußische
Seehandlung”
Alfred Döblin war einer der wenigen Schriftsteller der
Weimarer Republik, den es nicht in den Berliner Westen zog. Er
bekannte sich zum Osten. Bis 1930 lebte und praktizierte er als
Kassenarzt in einer Wohnung an der Frankfurter Allee 340 in
Friedrichshain. Nachdem 1929 sein erfolgreichster Roman
“Berlin Alexanderplatz” erschienen war, konnte er sich eine
größere Wohnung leisten, und seine Frau Erna drängte ihn zum
Umzug in die Achtzimmerwohnung am Kaiserdamm 28. Widerwillig
gab Alfred nach, und im Januar 1931 wurde der Umzug in die
“vornehmste Bourgeoisiegegend des Berliner Westens”
vollzogen, wie es in einer Glosse im “Bücherwurm” hieß.
Das gutbürgerliche Milieu in Charlottenburg gefiel Döblin
nicht. Er mietete für Anfang 1933 eine Wohnung in Neukölln,
Hasenheide 83, in die er nach der Machtübernahme Hitlers
jedoch nicht mehr einzog.
Deshalb blieb dies die letzte Wohnung von Alfred Döblin und
seiner Familie vor der Flucht im Jahr 1933.
Döblin emigrierte nach Frankreich und von dort in die
USA, wo er zum Katholizismus
übertrat. Er kehrte als französischer Kulturoffizier nach
Deutschland zurück.
Als er Deutschland im Jahr 1953 ein zweites Mal enttäuscht
verließ, schrieb er an den damaligen Bundespräsidenten
Theodor Heuss: “Es war ein lehrreicher Besuch, aber ich bin
in diesem Land, in dem ich und meine Eltern geboren sind,
überflüssig.” Seinem Wunsch gemäß wurde er 1957 im
lothringischen Housseras neben seinem Sohn Vincent beerdigt,
der als franzöischer Soldat den Freitod gewählt hatte, um
nicht den Deutschen in die Hände zu fallen.
Kaiserdamm 29 Ecke Meerscheidtstraße 10: Ehem.
Kino
In dem Haus daneben, einem Wohnhaus im Stil der Neuen
Sachlichkeit, an der Ecke Meerscheidtstraße haben Gustav
Neustein und Peter Neumann 1927/28 in den ersten beiden Etagen
das Kino Splendid gebaut. Es wurde 1978 geschlossen und zum
Supermarkt umgebaut.
Kaiserdamm 77-79: Gedenktafel
Diese Berliner Gedenktafel an dem Haus Kaiserdamm 77-79 wurde
am 1. November 2000 von der Charlottenburger Bürgermeisterin
Monika Wissel gemeinsam mit dem Intendanten des SFB Horst Schättle und dem Vorsitzenden der
Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama,
enthüllt.
“Hier befand sich von 1933 bis 1938 die
THEODOR-HERZL-SCHULE
Der jüdische Schulverein hatte sie 1920 gegründet
als eine religiös neutrale zionistische Schule
mit koedukativer Erziehung
Ihre Leiterin Paula Fürst
wurde 1942 nach Auschwitz deportiert
und dort ermordet”
Die Gedenktafel wurde von Michael J. Pragai initiiert, der die
Schule von 1933 bis 1935 besuchte. 2006 veröffentlichte er
seine Autobiographie unter dem Titel “Zeuge zweier
Welten. Von Berlin nach Jerusalem. ein Diplomat
erzählt”.
2005 erschien das Buch von Martin-Heinz Ehlert mit dem Titel
“Paula Fürst. Aus dem Leben einer jüdischen
Pädagogin.”
2006 besuchten 50 ehemalige Schülerinnen und Schüler der
Theodor-Herzl-Schule die Gedenktafel. Sie kamen aus aller Welt,
überwiegend aus Israel, zur Eröffnung einer von Martin-Heinz
Ehlert initiierten Ausstellung über ihre Schule im Deutschen
Institut für Internationale Pädagogische Forschung nach
Berlin.
Paula Fürst war eine der jüdischen Pädagoginnen, die in
einer immer feindlicher werdenden Umwelt “Inseln der
Geborgenheit” geschaffen haben. Die jüdischen Schulen waren
für die meisten zunächst nur ein notdürftiger Ersatz für
die regulären deutschen Schulen, von denen sie vertrieben
worden waren.
Aber sie wurden schnell zum Rettungsanker. Sie vermittelten
Schutz und Hoffnung – Hoffnung auf das eigene Überleben und
Hoffnung auf das Überleben der Kultur und Menschlichkeit.
Paula Fürst war eine leidenschaftliche Pädagogin, die in
einem Wilmersdorfer humanistischen Gymnasium zur Schule
gegangen war, im Victoria-Luise-Oberlyceum, dem heutigen
Goethe-Gymnasium an der Gasteiner Straße. Hier wurden ihr
nicht nur Wissen und Techniken vermittelt, sondern auch Ethik
und Moral, von der sie so lange nicht glauben konnte, dass sie
seit 1933 plötzlich außer Kraft gesetzt waren. Auch die
Montessori-Pädagogik, die sie – ebenfalls in Wilmersdorf –
erstmals praktizierte, wurde von den Nationalsozialisten
abgeschafft und verboten.
Paula Fürst leitete vom 1. Oktober 1933 bis 1939 hier die
damalige Theodor-Herzl-Schule des Jüdischen
Schulvereins.
Danach wurde sie Schuldezernentin der “Reichsvereinigung
deutscher Juden“ und damit eine der Mitarbeiterinnen von Leo
Baeck. Sie war für die jüdischen Schulen in ganz Deutschland
zuständig und versuchte bis zuletzt, einen Schulbetrieb für
die jüdischen Kinder und Jugendlichen
aufrechtzuerhalten.
Sie wohnte mit ihrer Freundin der Sozialarbeiterin und
Frauenrechtlerin Hannah Karminski am Kaiserdamm 101. Obwohl ihr
dringend geraten wurde, Deutschland zu verlassen und obwohl sie
noch im August 1939 einen Kindertransport nach London begleiten
konnte, kam sie zurück. Im Juni 1942 wurde sie nach Auschwitz
deportiert und dort ermordet.
Vor einem Jahr haben wir die Reformschule Charlottenburg an der
Sybelstraße 20-21 nach Paula Fürst benannt. An diesem
Standort befanden sich früher die Goerdeler-Grundschule und
die Pommern-Hauptschule.
Theodor-Heuss-Platz
Der Theodor-Heuss-Platz wurde am 18. Dezember 1963 nach unserem
ersten Bundespräsidenten benannt, 6 Tage nach seinem Tod am
12. Dezember 1963 in Killesberg bei Stuttgart. Von 1906 bis
1933 und von 1947 bis 1963 hieß der Platz Reichskanzlerplatz,
dazwischen, von 1933 bis 1945 Adolf-Hitler-Platz.
Masurenalle 16-20: RBB-Fernsehzentrum
Am 12. Juli 1965 legte Bundespräsident Heinrich Lübke den
Grundstein für das neue SFB-Fernsehzentrum. Es wurde von Robert Tepez als
14stöckiges Hochhaus zwischen Masurenallee und Kaiserdamm
gebaut. Im Januar 1968 wurde hier das erste Fernsehstudio in
Betrieb genommen. 1970 zog dann die komplette Fernsehabteilung
des SFB hier ein.
Die Silhouette ist markant und jetzt weithin sichtbar vom roten
rbb-Logo markiert.
Gemeinsam mit dem baugeschichtlich bedeutsamen „Haus des
Rundfunks“ an der Masurenallee ist dieses Ensemble seit der
Fusion von SFB und ORB am 1.5.2003 der Berliner Standort des
Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb).
Der zweite, gleichberechtigte Standort befindet sich auf dem
filmhistorisch berühmten Gelände in Potsdam-Babelsberg.
Ich freue mich sehr, dass die RBB-Intendatin Dagmar Reim und heute in das
RBB-Fernsehzentrum eingeladen hat, wo
wir eine Ausstellung zum Mauerfall vor 25 Jahren anschauen
können, wo wir einiges über den 9. November 1989 hören
werden und wo wir uns über unsere persönlichen Erinnerungen
an diesen Tag austauschen können.