110 Jahre Kaiserdamm – vom Theodor-Heuss-Platz zum Sophie-Charlotte-Platz

mit Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann am 29.10.2016

Station 1: RBB

Station 1.1: Theodor-Heuss-Platz
Der Theodor-Heuss-Platz wurde am 18. Dezember 1963 nach dem ersten Bundespräsidenten benannt, 6 Tage nach seinem Tod am 12. Dezember 1963 in Killesberg bei Stuttgart. Zur Platzbenennung wurde auf dem Platz eine Gedenktafel enthüllt. Von 1906 bis 1933 und von 1947 bis 1963, also vor und nach der Zeit des Nationalsozialismus, hieß der Platz Reichskanzlerplatz, von 1933 bis 1945 Adolf-Hitler-Platz.

Sieben Straßen münden auf den Theodor-Heuss-Platz, darunter der heute zu ehrende Kaiserdamm.

Station 1.2: Kaiserdamm
Der Kaiserdamm verbindet heute den Sophie-Charlotte-Platz mit dem Theodor-Heuss-Platz und ist ein Abschnitt der wichtigen Ost-West-Verbindung. Zu repräsentativen Zwecken wurde von 1904 bis 1906 auf einem unbefestigten Weg eine breite Prachtstraße geschaffen. Sie sollte von Berlin durch den Tiergarten über Charlottenburg bis zum Truppenübungsgelände bei Döberitz westlich von Spandau gehen. Die Allee, die die Bismarckstraße nach Westen verlängert, erhielt nach Kaiser Wilhelm II. (1859-1941), dem Initiator des Straßenbaus, den Namen Kaiserdamm.

1908 wurde die U-Bahnlinie fertiggestellt, welche vom Knie (heute Ernst-Reuter-Platz) zum Reichskanzlerplatz (heute Theodor-Heuss-Platz) führte. So entstanden unter dem Kaiserdamm die Bahnhöfe Kaiserdamm und Sophie-Charlotte-Platz. Im Zuge der nationalsozialistischen Baumaßnahmen in Berlin versah Albert Speer den Kaiserdamm als Teil der neuen Ost-West-Achse mit den typischen, noch heute vorhandenen Doppelstraßenleuchtern.

Ursprünglich endete der Kaiserdamm am Bahnhof Heerstraße. 1950 wurde der Teil des Kaiserdamms von dort bis zum neugestalteten Theodor-Heuss-Platz in die Heerstraße einbezogen.

Aufsehen erregte 1967 die Umbenennung in Adenauerdamm. Da der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer bei der Berliner Bevölkerung jedoch nicht besonders populär war, musste die Straße nach Protesten der Bürger bereits 1968 wieder in Kaiserdamm umgetauft werden. Ersatzweise wurde dann für Konrad Adenauer der Adenauerplatz am Kurfürstendamm gefunden.

Station 1.3: Masurenalle 16-20: RBB-Fernsehzentrum
Am 12. Juli 1965 legte Bundespräsident Heinrich Lübke den Grundstein für das neue SFB-Fernsehzentrum. Es wurde von Robert Tepez als 14stöckiges Hochhaus zwischen Masurenallee und Kaiserdamm gebaut. Im Januar 1968 wurde hier das erste Fernsehstudio in Betrieb genommen. 1970 zog dann die komplette Fernsehabteilung des SFB hier ein.

Gemeinsam mit dem baugeschichtlich bedeutsamen „Haus des Rundfunks“ an der Masurenallee ist dieses Ensemble seit der Fusion von SFB und ORB am 1.5.2003 der Berliner Standort des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb). Der zweite, gleichberechtigte Standort befindet sich auf dem filmhistorisch berühmten Gelände in Potsdam-Babelsberg.

Station 1.4: Kaiserdamm 77-79: Gedenktafel / Theodor-Herzl-Schule
Die Gedenktafel an dem Haus Kaiserdamm 77-79 wurde am 1. November 2000 enthüllt. Ihr Text lautet:

“Hier befand sich von 1933 bis 1938 die
THEODOR-HERZL-SCHULE
Der jüdische Schulverein hatte sie 1920 gegründet
als eine religiös neutrale zionistische Schule
mit koedukativer Erziehung
Ihre Leiterin Paula Fürst
wurde 1942 nach Auschwitz deportiert
und dort ermordet”

2005 erschien das Buch von Martin-Heinz Ehlert mit dem Titel “Paula Fürst. Aus dem Leben einer jüdischen Pädagogin.” Paula Fürst war eine der jüdischen Pädagoginnen, die in einer immer feindlicher werdenden Umwelt “Inseln der Geborgenheit” geschaffen haben. Dazu später mehr…

Die jüdischen Schulen waren für die meisten zunächst nur ein notdürftiger Ersatz für die regulären deutschen Schulen, von denen sie vertrieben worden waren. Aber sie wurden schnell zum Rettungsanker. Sie vermittelten Schutz und Hoffnung – Hoffnung auf das eigene Überleben und Hoffnung auf das Überleben der Kultur und Menschlichkeit.

Station 2: Kaiserdamm 84

Station 2.1: Stolpersteine für Carl und Henriette Huth
Die Stolpersteine wurden von Peter Sommeregger und Frank Mengewein gespendet und am 8.10.2015 verlegt. Darauf steht:

HIER WOHNTE
HENRIETTE HUTH
GEB. GOTTLIEB
JG. 1884
DEPORTIERT 24.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 2.1.1942

HIER WOHNTE
CARL HUTH
JG. 1882
„SCHUTZHAFT“ 1938
SACHSENHAUSEN
DEPORTIERT 24.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 3.5.1942

Henriette Gottlieb wurde am 1. Juni 1884 in Berlin geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Sängerin im dramatischen Sopran erhielt sie 1909 ein erstes Engagement in Plauen. Bereits 1912, mit 21 Jahren, wurde sie an der Städtischen Oper in Charlottenburg engagiert. Diesem Haus blieb sie bis zu ihrer Entlassung 1933 „aus rassischen Gründen“ treu. In den Jahren 1927 bis 1930 war sie in kleineren Partien bei den Bayreuther Festspielen aufgetreten. Eine Gedenktafel erinnert dort an ihr Schicksal. Im Jüdischen Adressbuch 1931 hatte sie einen eigenen Eintrag mit der Anschrift Kaiserdamm 84. Nach 1933 konnte sie nicht mehr auftreten.

Carl Huth wurde am 3. Juli 1882 in Glatz (Schlesien) geboren. Das Bundesarchiv nennt als Wohnort Leipzig, bevor er nach Berlin zog. Er war im Berliner Adressbuch 1937 mit dem Zusatz „Alteisen“ eingetragen, was bedeutet, dass er Alteisenhändler war. Im Berliner Branchenbuch 1935 findet sich unter „Alteisen, Groß- und Einzelhandel“ der Eintrag: Huth, K. Charlottenbg, Kaiserdamm 84.

Nachdem auch Carl Huth sein Geschäft verlor, lebten die Eheleute in äußerst prekären Verhältnissen. Vom 10. November bis 20. Dezember 1938 war Carl Huth in Sachsenhausen im Konzentrationslager inhaftiert. Dort ist er, wie alle nach der Reichspogromnacht willkürlich Festgenommenen, misshandelt worden. Am 24. Oktober 1941 wurde das Ehepaar vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald in das Ghetto von Litzmannstadt (Lodz) deportiert. Dort kam Henriette Gottlieb-Huth am 2.Januar 1942, Carl Huth am 3. Mai 1942 ums Leben.

Die Stimme der Künstlerin ist auf mehreren Schallplatten erhalten.

Station 2.2: Kaiserdamm 28: Gedenktafel / Alfred Döblin
Die Berliner Gedenktafel für Alfred Döblin an dem Haus Kaiserdamm 28 wurde 2003 enthüllt. Nachdem die Tafel 2005 gestohlen worden war, wurde ein Duplikat angebracht. Der Text lautet:

“In diesem Hause wohnte und praktizierte als Arzt
von 1930 bis 1933
Alfred Döblin
10.8.1878-26.6.1957
Schriftsteller, Dramatiker, Essayist
Er emigrierte aus Hitler-Deutschland
am Tag nach dem Reichstagsbrand
Seine Werke – darunter der Roman “Berlin Alexanderplatz”
fielen der Bücherverbrennung zum Opfer
Gefördert aus Mitteln der Stiftung Preußische Seehandlung”

Alfred Döblin war einer der wenigen Schriftsteller der Weimarer Republik, den es nicht in den Berliner Westen zog. Er bekannte sich zum Osten. Bis 1930 lebte und praktizierte er als Kassenarzt in einer Wohnung an der Frankfurter Allee 340 in Friedrichshain. Nachdem 1929 sein erfolgreichster Roman “Berlin Alexanderplatz” erschienen war, konnte er sich eine größere Wohnung leisten, und seine Frau Erna drängte ihn zum Umzug in die Achtzimmerwohnung am Kaiserdamm 28. Widerwillig gab er nach, und im Januar 1931 wurde der Umzug in die “vornehmste Bourgeoisiegegend des Berliner Westens” vollzogen, wie es in einer Glosse im “Bücherwurm” hieß. Das gutbürgerliche Milieu in Charlottenburg gefiel Döblin nicht. Er mietete für Anfang 1933 eine Wohnung in Neukölln, Hasenheide 83, in die er nach der Machtübernahme Hitlers jedoch nicht mehr einzog. Deshalb blieb dies die letzte Wohnung von Alfred Döblin und seiner Familie vor der Flucht im Jahr 1933.

Döblin emigrierte nach Frankreich und von dort in die USA, wo er zum Katholizismus übertrat. Er kehrte als französischer Kulturoffizier nach Deutschland zurück. Als er Deutschland im Jahr 1953 ein zweites Mal enttäuscht verließ, schrieb er an den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss: “Es war ein lehrreicher Besuch, aber ich bin in diesem Land, in dem ich und meine Eltern geboren sind, überflüssig.” Seinem Wunsch gemäß wurde er 1957 im lothringischen Housseras neben seinem Sohn Vincent beerdigt, der als franzöischer Soldat den Freitod gewählt hatte, um nicht den Deutschen in die Hände zu fallen.

Station 3: Kaiserdamm 89 / Ecke Messedamm

Station 3.1: Kaiserdamm 89: Gedenktafel / Maly Delschaft
Die Gedenktafel für Maly Delschaft wurde am 19.10.2001 enthüllt. Der Text lautet:

In diesem Haus wohnte
1935-1995
Maly Delschaft
(Hamburg 4.12.1898 – 20.8.1995 Berlin)
Schauspielerin
Nach ihrer Ausbildung in Hamburg 1916-17 und Anfängerjahren in Bremen 1917-19 von 1921 an in 144 Filmen,
u.a. in “Der letzte Mann” (1924) und “Variete” (1925).
In “Der Blaue Engel” (1929), der Marlene Dietrich weltberühmt
machte, sollte sie zunächst spielen.
Nach dem Krieg arbeitete sie vor allem bei der Defa.
Der Mauerbau 1961 beendete ihre Karriere.

Station 3.2.: Kaiserdamm 89: Stolperstein / Sigismund Sternberg
Der Stolperstein für Sigismund Sternberg wurde am 4.10.2010 vor dem Haus Kaiserdamm 89 verlegt.

HIER WOHNTE
SIGISMUND
STERNBERG
JG. 1869
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
11.2.1939

Sigismund Sternberg wurde am 11. November 1869 in Inowroclaw (zeitweise: Hohensalza) im Bezirk Bydgoszcz (deutsch: Bromberg) geboren. Er war Kaufmann und wohnte in Berlin im Lauf der Jahre an verschiedenen Adressen, zuletzt als Rentier, der von seinem Vermögen lebte, am Kaiserdamm 89. Am 11. Februar 1939, ein halbes Jahr, bevor er 70 geworden wäre, hat er seinem Leben selbst ein Ende gesetzt.

Station 3.3: Kaiserdamm 92 / Ecke Messedamm 1: BMW-Niederlassung Berlin
Ende der 1980er Jahre musste die damalige Landesversicherungsanstalt LVA ihr Verwaltungsgebäude wegen Baufälligkeit aufgegeben. Es wurde 1995 abgerissen. Baupläne der Berliner Volksbank auf dem Gelände wurden nicht realisiert. Deshalb klaffte hier 17 Jahre lang eine hässliche Baulücke, bis BMW hier seine neue Niederlassung plante. Architekt war Peter Lanz und Baubeginn 2008. Die Grundfläche beträgt 16.000 Quadratmeter. Entstanden ist ein großes quadratisches Glasgebäude mit 46.000 Quadratmetern Nutzfläche auf mehreren Ebenen. Am 7.5.2013 feierte BMW hier das Richtfest für sein 65 Millionen Euro teures Projekt. Die neue Niederlassung mit 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde am 8.4.2014 eröffnet. Gestern war hier die Ausstellungseröffnung 110 Jahre Kaiserdamm.

Station 3.4: Kaiserdamm 25 / Wohnhaus von Hans Scharoun
Das Wohnhaus gegenüber am Kaiserdamm 25 wurde 1928/29 von Hans Scharoun und Georg Jacobowitz für die “Aktiengesellschaft West für Textilhandel” gebaut. Es steht unter Denkmalschutz. Der weiße sechsgeschossige Putzbau im Stil der Neuen Sachlichkeit enthält Ein- bis Zwei-Zimmer-Appartements für Alleinstehende. Wie man sieht gibt es das Zeitalter der Singles schon etwas länger. Gelobt wurden damals die optimale Wohnflächenanordnung und die aufwendige Ausstattung. Im Erdgeschoss befindet sich eine Ladenzone, im Dachgeschoss Ateliers und Dachgärten. Ein geplanter Gaststättenservice für die Bewohner wurde nicht realisiert.

Station 4 : Kaiserdamm 95

Station 4.1: Mittelstreifen / Mahnmal für Giuseppe Marcone
Aus dem U-Bahnhof Kaiserdamm heraus wurde Giuseppe Marcone hier am 17. September 2011 zu Tode gehetzt, als er, verfolgt von Schlägern, aus dem U-Bahnhof Kaiserdamm in ein Auto rannte. Am 14. Juni 2013 hat die Giuseppe-Marcone-Stiftung auf dem Mittelstreifen des Kaiserdamms einen Baum gepflanzt und eine kleine Gedenktafel enthüllt. Auf der Gedenktafel steht:

“Ein Engel kam, lächelte und kehrte um.“
An dieser Stelle wurde Giuseppe Marcone
am 17. September 2011 im Alter von 23 Jahren durch gewalttätige Jugendliche in den Tod gehetzt.
Möge sein Schicksal den Menschen Mahnung sein, einander mit Achtung und Respekt zu begegnen.”

Die „Giuseppe-Marcone-Stiftung für gegenseitige Achtung und Zivilcourage“ wurde von der Mutter Vaja und dem Bruder Velin Marcone gegründet, um die Erinnerung an ihren Sohn und Bruder wach zu halten und um sich gegen Gewalt in unserer Gesellschaft zu engagieren. Die Familie Marcone lässt uns daran teilnehmen, wie sie aus ihrer Trauer hoffnungsvolle Aktionen entwickelt – ganz im Sinne des verstorbenen Giuseppe Marcone. Aus seinem Tod wird so eine optimistische Mahnung zur Verständigung, zu gegenseitiger Achtung und Zivilcourage.

Station 4.2: Kaiserdammbrücke
Wir überqueren jetzt gleich die Autobahn und Ringbahn. Die Kaiserdammbrücke wurde 1906 errichtet. Sie überquert die Autobahn A 100, die Gleise der S-Bahn und der Fernbahn. Sie besteht aus Stahl, ist 87 m lang, 50 m breit, hat eine Fläche von 4.400 qm und ruht auf drei Reihen stählerner Säulen. Auf jeder Seite hat sie fünf Fahrspuren, einen Radweg und einen breiten Bürgersteig.

Station 5: Kaiserdamm 97 / August Horch

Am Kaiserdamm 97 widmete die Firma Audi ihrem Gründer August Horch eine Berliner Gedenktafel, die im Jahr 2000 an dem von der Charlottenburger Baugenossenschaft 1994 errichteten Haus der Nationen angebracht wurde. Das frühere Wohnhaus von August Horch wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der Firmenname AUDI ist die Übersetzung des Familiennamens von HORCH ins Lateinische. Der Text der Gedenktafel lautet:

Hier wohnte von 1934 bis 1943
AUGUST HORCH
12.10.1868-3.2.1951
Automobilkonstrukteur
und Pionier des Kraftfahrzeugs
Begründer der Automobilmarken
“Horch” und “Audi”

Station 6: Kaiserdamm 101

Station 6.1: Kaiserdamm 101: Stolperstein / Paula Fürst
Dieser Stolperstein ist auf Initiative des Lehrerkollegiums der Paula-Fürst-Schule am 11.6.2015 verlegt worden. Dabei waren zahlreiche Schülerinnen und Schüler, die Texte und Musikstücke vortrugen, ebenso der Eltern-Lehrer-Chor. Inge Deutschkron (Jahrgang 1922), die den Holocaust versteckt in Berlin überlebt hat, berichtete aus ihrem Leben. Von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin war Rabbiner Jonah Sievers anwesend und sprach einen Psalm. Die Inschrift lautet:

HIER WOHNTE
PAULA FÜRST
JG. 1894
DEPORTIERT 23.6.1942
ERMORDET IN
MINSK

Paula Fürst wurde am 6. August 1894 im niederschlesischen Glogau als zweites Kind des jüdischen Kaufmanns Otto Fürst und seiner Frau Malvine geboren. Als Otto Fürst starb, zog Malvine Fürst 1906 mit Paula und deren älterem Bruder Richard nach Berlin. Im Jahr 1914, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, legte die erst 20-jährige Paula Fürst in Berlin-Wilmersdorf ihr erstes Lehrerinnenexamen ab, anschließend studierte sie ab 1917/18 an der Berliner Universität Geschichte und Französisch. Dieses Studium brach sie jedoch ab, vermutlich nachdem sie im Jahr 1922 Vorträge von Maria Montessori gehört hatte. Paula Fürst absolvierte in Berlin und Rom Montessori-Kurse und erwarb ein Diplom, das sie zur Leitung von Montessori-Heimen und Schulen berechtigte.

Die erste Montessori-Klasse an einer öffentlichen Schule in Deutschland wurde am 14. Februar 1926 an der 9. Volksschule in Berlin-Wilmersdorf in der Pfalzburger Straße eröffnet, und Paula Fürst war ihre erste Leiterin. Die Montessori-Klassen waren in einer Baracke in der Düsseldorfer Straße 3 untergebracht. Fürst engagierte sich auch publizistisch für die Verbreitung der Montessori-Pädagogik.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Montessori-Pädagogik als „un-deutsch“ verboten, Paula Fürst als Jüdin aus dem Staatsdienst entlassen. Noch im Jahr 1933 wurde ihr die Leitung der 1922 gegründeten Theodor-Herzl-Schule, einer jüdischen, zionistischen Privatschule angeboten, weil die bisherige Leiterin Paula Nathan nach Palästina auswanderte. Zu diesem Zeitpunkt gab es 40 000 jüdische Schülerinnen und Schüler in Deutschland (1939 waren es noch 9 000). Die Schule bestand aus 30 Klassen mit 780 Schülerinnen und Schülern sowie 20 Lehrerinnen.

Paula Fürst, die neue Direktorin der Schule, musste sich sehr anstrengen, geeignete zusätzliche Lehrer für die gewachsene Schülerzahl zu finden. Sie konnte und musste nun nicht nur ihre Erfahrungen und Vorstellungen entfalten, sondern auch ihr außerordentliches Organisationstalent gewinnbringend einsetzen. Paula Fürst hatte einiges zu bewältigen, denn es fehlte an Schulgebäuden und geeignetem Schulmaterial und es herrschte Unklarheit über die Unterrichtsinhalte.

1938 wurden jüdische Privatschulen ebenfalls verboten, und während der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurden nicht nur jüdische Geschäfte und Synagogen, sondern auch jüdische Schulen gestürmt und verwüstet, unter anderem die Theodor-Herzl-Schule – trotz der mutigen Gegenwehr von Lehrerinnen und Lehrern einschließlich der Direktorin. Paula Fürst übernahm daraufhin die Schulabteilung der Reichvereinigung der Juden. Nun unterstand ihr das gesamte jüdische Schulwesen in Deutschland. Gleichzeitig engagierte sie sich für die Auswanderung jüdischer Kinder aus Deutschland und begleitete im August 1939 einen der letzten Kindertransporte nach Großbritannien. Trotz eindringlicher Warnungen ihrer Freunde kehrte sie nach Berlin zurück.

Bis Herbst 1941 gelang es der „Fürstin“, wie sie sich gelegentlich ironisch nannte und liebevoll genannt wurde, an verschiedenen Orten (Privatwohnungen etc.) einen geregelten Unterricht zu organisieren. Bis zum Juni 1942 kümmerte sich Paula Fürst um die in Berlin verbliebenen Kinder. Sie wohnte mit ihrer Freundin der Sozialarbeiterin und Frauenrechtlerin Hannah Karminski am Kaiserdamm 101. Am 23. Juni 1942 wurde Paula Fürst zusammen mit 201 weiteren Berliner Juden deportiert. Vermutlich ging der Transport vom Güterbahnhof Moabit nach Minsk, der genaue Ort und das Datum von Paula Fürsts Tod sind unbekannt.

Fest steht, dass Paula Fürst eine der bedeutendsten Reformpädagoginnen des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland war. Am 16. August 2013 wurde die 1. Reformschule Charlottenburg in der Sybelstraße 20-21, eine Gemeinschaftsschule, nach Paula Fürst benannt.

Station 6.2: Kaiserdamm 17: Eisen-Döhring
Seit 120 Jahren befindet sich nun das Eisenwaren- und Hausratfachgeschäftes Eisen Döring an der Kaiserdamm-Brücke. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!

Station 6.3: Kaiserdamm 102: Ferdinand Bruckner
Am Haus Kaiserdamm 102 wurde 1987 eine Berliner Gedenktafel, also eine Porzellantafel der KPM, für Ferdinand Bruckner enthüllt. Darauf steht:

Wohnhaus von
FERDINAND BRUCKNER
-Theodor Tagger-
26.8.1891 – 5.12.1958
Dramatiker, Lyriker, Gründer
und erster Direktor
des Renaissance-Theaters

Station 7: Erwin-Barth-Platz

Der Platz hier führt in den Lietzenseepark. Er wurde am 28.November 2005 zu seinem 125. Geburtstag nach dem Charlottenburger Gartenbaudirektor Erwin Barth benannt. Barth wurde am 28. November 1880 geboren und starb am 10. Juli 1933. Er war vierzehn Jahre lang, von 1912 bis 1926, Gartenbaudirektor in Charlottenburg und anschließend von Groß-Berlin. In Charlottenburg hat er unter anderem den Volkspark Jungfernheide, den Savignyplatz, den Brixplatz, den Hochmeisterplatz, den Klausenerplatz, den Mierendorffplatz und den Lietzenseepark geschaffen.

Station 8: Kaiserdamm 114/115

Station 8.1: Kaiserdamm 114: Erich Maria Remarque
Am Haus Kaiserdamm 114 enthüllte die Hellersdorfer Erich-Maria-Remarque-Oberschule 1999 eine Gedenktafel für Erich Maria Remarque, die von der Schule gespendet worden war. Der Text lautet:

Hier wohnte 1925 der Schriftsteller
Erich Maria Remarque, der bis 1931 in Berlin lebte.
In dieser Zeit entstanden die Antikriegsromane
“Im Westen nichts Neues” und “Der Weg zurück”.
Remarque wurde am 22.06.1898 in Osnabrück geboren
und starb am 25.09.1970 in Locarno.

Dies war die erste Wohnung von Remarque in Berlin. Gesucht hatte er eine “gut möblierte Zwei- bis Dreizimmerwohnung, Morgensonne oder überhaupt sonnig, möglichst abgeschlossen oder abgeteilt, mit Bad und Küchenbenutzung”.

Bereits 1972 wurde an der Wittelsbacherstraße 5 in Wilmersdorf eine Gedenktafel für Remarque enthüllt. Dort lebte er bis 1929, und dort schrieb er seinen berühmten Roman “Im Westen nichts Neues”.

Station 8.2: Kaiserdamm 115: Stolpersteine
Vor dem Haus nebenan am Kaiserdamm 115 wurden 2007 6 Stolpersteine verlegt. Die Inschriften lauten:

HIER WOHNTE
ARTHUR BLUMENTHAL
JG. 1887
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

HIER WOHNTE
EVA SIMON
GEB. BLUMENTHAL
JG. 1916
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

HIER WOHNTE
WERNER SIMON
JG. 1903
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

HIER WOHNTE
DAN SIMON
JG. 1940
DEPORTIERT 16.06.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 23.10.1944
AUSCHWITZ

HIER WOHNTE
BERTHA LIBROWICZ
GEB. MARCUS
JG. 1865
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 5.4.1944

HIER WOHNTE
HENRIETTE MARCUS
JG. 1878
VOR DEPORTATION
FLUCHT IN DEN TOD
3.2.1943

Der Kaufmann Arthur Blumenthal war seit 1925 Eigentümer und mit seiner Familie Bewohner des Hauses. Er wurde am 17.3.1943 gemeinsam mit seiner Tochter Eva Simon, seinem Schwiegerson Werner Simon und seinem zweijährigen Enkel Dan Simon nach Theresienstadt und am 28.10.1944 weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Seine Schwägerin Henriette Marcus entzog sich am 3.2.1943 durch Freitod der Deportation. Ihre Schwester Bertha starb am 5.4.1944 in Theresienstadt.

Station 9: Kaiserdamm 118

Station 9.1: Kaiserdamm 118: Wohnhaus
Das Wohnhaus wurde 1907/08 von Hermann Heider gebaut. Es steht unter Denkmalschutz und wurde 1990 restauriert. Es ist ein mehrgeschossiges Mietshaus im Stil der Neorenaissance mit einer kolossalen Giebelfront, einer mit Mosaiken verzierten Ladenzone, einem über dem Eingangsportal auf mächtigen figürlichen Konsolen ruhenden Erker, sowie weiteren, grau verputzten Erkern. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zogen Offiziere der Roten Armee in die bis zu 400 qm großen Wohnungen.

Station 9.2: Kaiserdamm 1: Ehemaliges Polizeipräsidium Charlottenburg
Das Haus wurde 1906 bis 1910 von Oskar Launer und Otto Kloeppel als neobarocke Mehrflügelanlage um zwei Innenhöfe für das damalige Polizeipräsidium Charlottenburg gebaut und am 4.7.1910 mit einer feierlichen Schlüsselübergabe eröffnet. Wegen des sumpfigen Untergrundes musste es auf Stahlbetonpfählen gegründet werden. Das Innere beherrscht eine große zweigeschossige Pfeilerhalle. Nach der Eingemeindung Charlottenburgs nach Berlin im Jahr 1920 wurde aus dem Polizeipräsidium das Polizeiamt Charlottenburg, später das Polizeiamt West. In den 20er Jahren hatte der von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Herkunft diffamierte Berliner Vizepolizeipräsident und Chef der Kriminalpolizei Bernhard Weiß hier eine Dienstwohnung.

Heute sind hier das Referat Umweltkriminalität des Landeskriminalamtes und der Polizei-Abschnitt 24 untergebracht.

Am 01.11.2010 wurde an dem Gebäude eine Gedenktafel für Bernhard Weiß enthüllt. Der Text lautet:

Bernhard Weiß
1880 Berlin – 1951 London
Polizeivizepräsident in Berlin
von 1927 bis 1932
Preußischer Jude – Kämpferischer Demokrat
In diesem Polizeigebäude wohnte
Dr. Bernhard Weiß während seiner Amtszeit.
Er gehörte zu den Wenigen, die sich dem
aufkommenden Nationalsozialismus
mit rückhaltlosem Einsatz entgegenstellten.

Hier nun einiges zum Leben von Bernhard Weiß:

Nach dem Abitur im Jahr 1900 studierte Bernhard Weiß Rechtswissenschaften in Berlin, München, Freiburg und Würzburg und schloss das Studium mit der Promotion ab. 1904/1905 absolvierte er eine militärische Ausbildung zum Reserveoffizier. Im Ersten Weltkrieg stieg er zum Rittmeister auf und wurde mit dem Eisernen Kreuz zweiter und erster Klasse ausgezeichnet. Im Sommer 1918 wurde er als Stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei in Berlin in den Polizeidienst aufgenommen, 1925 wurde er Chef der Kriminalpolizei und 1927 Vizepolizeipräsident. Weiß, der Mitglied der DDP war, griff als Beamter der Republik gegen Rechtsbrüche systematisch durch. Er wurde Opfer regelmäßiger Diffamierungskampagnen der aufkommenden NSDAP unter dem Berliner Gauleiter Joseph Goebbels, der Weiß wegen seiner jüdischen Herkunft stets als “Isidor Weiß” bezeichnete. Besonders in Goebbels Hetzpostille “Der Angriff” war Weiß ständig Gegenstand antisemitisch motivierter Diffamierungen in Texten und Karikaturen. Mit Weiß hatte Goebbels einen Feind gefunden, der seiner Nazi-Ideologie entsprach: ein Bürger jüdischer Herkunft und Repräsentant der Republik, im Nazijargon “Vertreter des Systems”.

Weiß führte gegen Goebbels mehr als 60 erfolgreich verlaufende Prozesse. Als Vizepolizeipräsident bekämpfte Weiß die Pöbeltruppen der SA. Nach dem “Preußenschlag” Papens 1932 verlor Weiß – wie die gesamte Regierung Preußens – sein Amt. Nach kurzer Haft wurde er freigelassen und lebte bis zum März 1933 in Berlin. Als die Nazis ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatten, ermöglichten ihm Kollegen die Flucht. Weiß floh 1933 über Prag nach London, wo er 1951, kurz nach der Wiedererlangung, seiner deutschen Staatsbürgerschaft starb.

Station 9.3: Sophie-Charlotte-Platz
Der Sophie-Charlotte-Platz wurde 1892 benannt nach der Namensgeberin von Charlottenburg, der preußischen Königin Sophie Charlotte, der Gemahlin von König Friedrich I. 1910 wurde der Platz mit Rasen, Rabatten, Hecken und Bäumen angelegt.