Stolpersteine Schweidnitzer Str. 6

Stolpersteinverlegung vor dem Haus Schweidnitzer Str. 6, Foto: H.-J. Hupka, 15.4.2014

Stolpersteinverlegung vor dem Haus Schweidnitzer Str. 6, Foto: H.-J. Hupka, 15.4.2014

Diese Stolpersteine sind am 15.4.2014 verlegt worden. Sie wurden von Gabriele Blechschmidt, einer Urgroßnichte von Emma Levin, gespendet. Bei dem Gedenken war Gabriele Blechschmidt (auf dem Bild unter der Hausnummer) anwesend.

Stolperstein Emma Levin, Foto:H.-J. Hupka, 2014

Stolperstein Emma Levin, Foto:H.-J. Hupka, 2014

HIER WOHNTE
EMMA LEVIN
GEB. ARNFELD
JG. 1868
DEPORTIERT 23.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 24.1.1944

Emma Levin , geb. Arnfeld, wurde am 18. Juni 1868 in Bad Polzin in Pommern geboren. Sie war eine Schwester von Alma (geboren 1865), verheiratete Scheer, Ida (geboren 1872), verheiratete Hirsch, und Julius (geboren 1875), eines bekannten Schauspielers, Fotografen und Autors.

Mit ihrem Mann Leo führte Emma Levin ein Wäschegeschäft in Stettin. Wann und wo er ums Leben kam, ist nicht bekannt. Aus der Ehe stammten die Kinder Else und Julo, geboren am 5. September 1901 in Stettin.

Mit Beginn der Pogrome in Deutschland zog Emma Levin nach Berlin und lebte zuletzt als Untermieterin bei ihren unverheiratet gebliebenen Cousinen Lucie und Emma Fabian in der Schweidnitzer Straße 6 in Wilmersdorf.

Die Tochter Else konnte bald nach London flüchten. Sie heiratete Bruno Glade und hatte mit ihrem Mann einen Sohn Michael. Von da an kümmerte sich Sohn Julo um die Mutter, obwohl er selbst verfolgt war, zusammen mit einer Künstlerfreundin Maike Monjau, die darüber in dem Buch „… zu denen halten, die verfolgt sind“ berichtet hat.

Am 23. September 1942 wurde die 74-jährige Emma Levin mit einem von den NS-Behörden als „65. Alterstransport“ eingestuften Deportationszug mit 100 Menschen vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt gebracht und am 24. Januar 1944 ermordet.

Julo Levin war ein bekannter und geschätzter expressionistischer Maler. Er gehörte zu rheinische Kunstszene und lebte in Düsseldorf. Am 17. Mai 1943 wurde er an seinem letzten Berliner Wohnsitz in der Seidelstraße 7 von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Ihm ist die Sammlung von Zeichnungen jüdischer Kinder zu verdanken, die unter Titel „Verjagt, ermordet“ weltweit ausgestellt wurde.

Am 10.9.2013 sind in Berlin-Schöneberg an der Martin-Luther-Straße 84 vier Stolpersteine zum Gedenken an Alma Scheer, Ida Hirsch und deren Mann Julius Hirsch sowie an Julius Arnfeld verlegt worden. Alle vier waren gemeinsam nach Theresienstadt deportiert worden, nur Julius Arnfeld überlebte.
www.stolpersteine-berlin.de/de/biografie/5091
Siehe auch www.hagalil.com/archiv/2013/10/02/arnfeld/

In der Schweidnitzer Straße 6 lebten außer Emma Levin, Emma Fabian und Lucie Fabian fünf weitere jüdische Frauen: Rose Goldstein, Hermine Hiller, Kornelie Kapauner und Margarete Philippsohn, die alle deportiert wurden sowie Jeanne Hahlo, die Selbstmord beging.

Text: Gabriele Blechschmidt, ergänzt von Helmut Lölhöffel
Quellen: Private Dokumente von Gabriele Blechschmidt, Urenkelin von Julius Arnfeld, des Bruders von Emma Levin; Mieke Monjau „…zu denen halten, die verfolgt sind“. Eine biographische Befragung von Bernd H. Stappert (Hrsg.). Mössingen 1993, S. 90 und S. 189

Stolperstein Emma Fabian, Foto:H.-J. Hupka, 2014

Stolperstein Emma Fabian, Foto:H.-J. Hupka, 2014

HIER WOHNTE
EMMA FABIAN
JG. 1864
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
29.9.1942

Emma Fabian wurde am 6. September 1864 in Rüdersdorf (Brandenburg) bei Berlin geboren, ihre Schwester Lucie Fabian am 21. April 1874 ebenfalls in Rüdersdorf (Brandenburg). Sie waren Cousinen von Emma Levin, geb. Arnfeld, die bei ihnen zur Untermiete wohnte, bis sie nach Theresienstadt deportiert und ermordet wurde.

Ihr gemeinsamer letzter Wohnsitz war die Schweidnitzer Straße 6 in Berlin-Wilmersdorf. Die beiden Cousinen, 78 und 68 Jahre alt, wussten, dass ihr Abtransport den sicheren Tod bedeutete und entschieden sich gemeinsam für den Freitod. Mit ihrer Cousine Emma Levin hatten sie vorher darüber gesprochen. Sie stimmte nicht zu, aber letztlich blieb es bei dem Entschluss der beiden alten Damen, sich selbst das Leben zu nehmen.

Sechs Tage nach der Deportation Emma Lewins bereiteten sich Emma und Lucie Fabian abends vor dem Zubettgehen auf ihren Freitod vor. Sie nahmen Zyankali, das Julo Levin, der Sohn von Emma Levin, gemeinsam mit seiner Künstlerfreundin Mike Monjau heimlich besorgt hatte. Sie wählten am 29. September 1942 gemeinschaftlich den Freitod.

Das den jüdischen Frauen wohlgesonnene Hausmeisterehepaar des „Judenhauses“ Schweidnitzer Straße war von Julo Lewin und Maike Monjau heimlich eingeweiht worden. Sie meldeten erst nach dem Ableben der beiden alten Frauen, „daß kein Lebenszeichen aus deren Wohnung mehr kam“.

Text: Gabriele Blechschmidt
Quellen: Private Dokumente von Gabriele Blechschmidt, Urenkelin von Julius Arnfeld, einem Cousin von Emma und Lucie Fabian; Mieke Monjau „…zu denen halten, die verfolgt sind“. Eine biographische Befragung von Bernd H. Stappert (Hrsg.). Mössingen 1993

Stolperstein Lucie Fabian, Foto:H.-J. Hupka, 2014

Stolperstein Lucie Fabian, Foto:H.-J. Hupka, 2014

HIER WOHNTE
LUCIE FABIAN
JG. 1872
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
29.9.1942