Stolpersteine Sybelstraße 61

Hauseingang Sybelstr. 61, 2014

Hauseingang Sybelstr. 61, 2014

Diese Stolpersteine sind am 1.4.2014 verlegt worden.

Stolperstein Margot Ingeborg Caminer, 2014

Stolperstein Margot Ingeborg Caminer, 2014

HIER WOHNTE
MARGOT INGEBORG
CAMINER
JG 1925
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Wilhelm Traube, 2014

Stolperstein Wilhelm Traube, 2014

HIER WOHNTE
WILHELM TRAUBE
JG. 1866
VERHAFTET
POLIZEIGEFÄNGNIS BERLIN
ERMORDET 28.9.1942

Stolperstein Sophie Mendelsohn, 2014

Stolperstein Sophie Mendelsohn, 2014

HIER WOHNTE
SOPHIE MENDELSOHN
GEB. GOLDSTEIN
JG. 1868
DEPORTIERT 17.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 22.9.1942

Stolperstein Gertrud Cohn, 2014

Stolperstein Gertrud Cohn, 2014

HIER WOHNTE
GERTRUD COHN
GEB. PINCSOHN
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
19.4.1943

Stolperstein Adelheid Königsfeld, 2014

Stolperstein Adelheid Königsfeld, 2014

HIER WOHNTE
ADELHEID
KÖNIGSFELD
GEB. KÖNIGSFELD
JG. 1882
DEPOIRTIERT 5.6.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 22.5.1944

Adelheid Königsfeld wurde am 15. Juli 1882 in Kobier/Oberschlesien, heute Polen, als Tochter von Josef und Maria Königsfeld geboren. Über ihre Kindheit und Jugend ist nichts bekannt. Als sie 1917 den Kaufmann Otto Königsfeld heiratete, brachte sie eine Tochter mit in die Ehe[1].

Bis in die späten 1920er Jahre lief das Geschäft ihres Mannes, über das wir keine genaueren Angaben haben, offensichtlich recht ordentlich. Die Eheleute lebten am Kaiserdamm 28 in Charlottenburg. Nach dem ersten Offenbarungseid ihres Mannes veränderten sich ihre Lebensbedingungen erheblich. Ihr Mann arbeitete nun als Handelsvertreter für Möbel. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten verstärkte diesen ‚sozialen Abstieg‘ in den 1930er Jahren. Das Ehepaar musste schon 1933 in eine andere, vermutlich kleinere Wohnung in der Bismarckstraße 68 ziehen, 1938 erfolgte dann der Umzug in die Sybelstraße 61.Nach einem zweiten Offenbarungseid in diesem Jahr verleiteten die finanzielle Not und der Versuch, eine Auswanderung finanziell abzusichern, Otto Königsfeld dazu, gegen das Devisengesetz zu verstoßen.

Der illegale Transfer von Devisen ins Ausland wurde entdeckt, Otto Königsfeld im März 1940 verhaftet, im Sommer 1940 für dieses ‚Devisenverbrechen‘ vor Gericht gestellt[2].
Nach der Verurteilung ihres Mannes bemühte sich Adelheid Königsfeld mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die Situation für ihren mittlerweile schwer herzkranken Ehemann zu verbessern. So oft es ging besuchte sie in im Gefängnis in Frankfurt, wo er seine zweijährige Haftstrafe abzusitzen hatte. Für sie bedeutete das jedes Mal neun Stunden Fahrzeit mit dem Zug. Auch finanziell fiel ihr dies nicht leicht, sie lebte schon längere Zeit von den Zuwendungen vermögender Verwandter. Nachdem das Gericht in 1941 die Begnadigung ihres Mannes in Aussicht gestellt hatte, sofern die Geldstrafe und die zu zahlenden Gerichtskosten beglichen würden, musste sie sich auch darum kümmern. Die finanzielle Not erzwingt im Dezember 1940 einen weiteren Umzug in die Giesebrechtstraße 15. Dort wohnt Adelheid Königsfeld jetzt zur Untermiete.

Dankesschreiben von Adelheid Königsfeld an den Konsulenten Dr. Siegfried Popper (Frankfurt) vom 14. Januar 1942

Zahlreiche Briefe, Behördengänge und Fahrten nach Frankfurt sind in den Unterlagen des Finanzamtes und des Gerichtes dokumentiert und führten letztlich zum Ziel: Freilassung ihres Mannes aus der Haft im Januar 1942[3].

Bis zur endgültigen Begnadigung vergingen noch mehr als drei aufregende Monate, in denen sie sich um die Bezahlung der Strafe in Höhe von ca. 16.500 RM kümmerte und gleichzeitig immer wieder eine erneute Inhaftnahme von Otto Königsfeld drohte[4].

Schreiben des Generalstaatsanwaltes Frankfurt an Adelheid Königsfeld vom 24. Januar 1942

Hinzu kam der im Februar 1942 erzwungene weitere Umzug von der Giesebrechtstraße 15 in die Levetzowstraße 11a, unmittelbar neben dem „Sammellager“ für die Deportation der Berliner Juden. Adelheid Königsfeld spielte in dieser Zeit sogar mit dem Gedanken, dass das Ehepaar sich freiwillig zur „Evakuierung“ melden sollte, um einer erneuten Inhaftierung ihres Ehemannes zu entgehen[5]. Offensichtlich war den Eheleuten Königsfeld nicht klar, was sich tatsächlich unter dem von den NS-Behörden benutzten Begriff der „Evakuierung“ verbarg.

Adelheid und Otto Königsfeld hatten nach der endgültigen Begnadigung am 1. Mai noch genau vier gemeinsame Wochen in Freiheit. Am 27. Mai 1942 wurde Otto Königsfeld plötzlich verhaftet und am 28./29. Mai im KZ Sachsenhausen mit 249 weiteren jüdischen Männern erschossen. Eine Woche später, am 5. Juni, wurde Adelheid Königsfeld zusammen mit knapp 100 Angehörigen der ermordeten Männer in einer von Eichmann geplanten Aktion in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Sie widerstand den unmenschlichen Lebensbedingungen im Lager noch fast zwei Jahre, bis sie am 22. Mai 1944 starb.

Recherche und Text: Willi Creutzenberg

fn1. Ob diese Tochter unehelich geboren war oder aus einer früheren Ehe von Adelheid Königsfeld stammte, ist nicht bekannt. Der Hinweis auf die Tochter stammt aus der im Gefängnis Frankfurt-Preungesheim entstandenen ‚Personalakte‘ von Otto Königsfeld (vgl. HStA Wiesbaden Bestand 409/4 Nr. 3480).

fn2. Zwar waren die Devisenverkehrsbeschränkungen bereits unter Reichskanzler Brüning eingeführt worden, die Nationalsozialisten wandten sie aber besonders gerne gegen jüdische Bürger an, um ihnen letztlich ihr Vermögen zu rauben und sie so zu kriminalisieren.

fn3. Siehe hierzu die Akten im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Bestand 409/4 Nr. 3480, Bestand 474/3 Nr. 789 und Bestand 519/3 Nr. 35381.

fn4. Das Geld floss später tatsächlich aus dem bereits beschlagnahmten Vermögen des Schwagers Hugo Aufricht. Da dieser bereits seinen Wohnort Beuthen Richtung Neuseeland verlassen hatte und ausgebürgert worden war, kümmerte sich Martin Königsfeld, ein Bruder von Adelheid, der ebenfalls in Beuthen wohnte, bei den dortigen Behörden um die Freigabe des Geldes.

fn5. Das deutet ihr Berliner Rechtsanwalt Dr. Günther Loebinger in einem Schreiben an den Frankfurter Anwalt Dr. Siegfried Popper vom 31. 3. 1942 an. (Vgl. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Bestand 474/3 Nr. 789)

Stolperstein Otto Königsfeld, 2014

Stolperstein Otto Königsfeld, 2014

HIER WOHNTE
OTTO KÖNIGSFELD
JG. 1875
VERHAFTET 27.5.1942
SACHSENHAUSEN
ERMORDET 28.5.1942

Otto Königsfeld wurde am 10. Juli 1875 in Nikolai in Oberschlesien, heute Polen, als Sohn des Glasermeister Aron Königsfeld und seiner Frau Charlotte geb. Steinberg, beide aus Gleiwitz, geboren. Er besuchte eine Zeitlang die jüdische Schule in Nikolai und machte anschließend eine dreijährige Lehre als Schuhmacher. Mit 21 Jahren absolvierte er die zweijährige Militärzeit und nahm danach in Berlin Arbeit an. 1905 machte er sich dort als Kaufmann selbständig.

1917 heiratete er in zweiter Ehe Adelheid, geb. Königsfeld, die am 15. Juli 1882 in Kobier in Oberschlesien geboren worden war[1]. Sie brachte eine Tochter mit in die Ehe. 1928 ging Otto Königsfeld in Konkurs und musste einen Offenbarungseid leisten. Von da an arbeitete er als Möbelvertreter. Die Familie wohnte in der Sybelstraße 61 in Charlottenburg. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute verbesserten sich nicht mehr grundlegend. 1938 musste Otto Königsfeld erneut einen Offenbarungseid leisten. Von da an lebten sie von Zuwendungen von Verwandten der Ehefrau, Otto Königsfeld selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits wegen einer Herzschwäche erwerbsunfähig[2].

fn1. Wann und wen er in erster Ehe geheiratet hat, ist nicht bekannt. Im Übrigen stammen die folgenden Informationen aus der in der Strafanstalt Preungesheim entstandenen ‚Personalakte‘ für Otto Königsfeld (HStA Wiesbaden Bestand 409/4 Nr. 3480)

fn2. Vgl. hierzu auch: HStA Wiesbaden Bestand 519/3 Nr. 35381 (Devisenakte Königsfeld)

Antrag des Untersuchungshäftlings Otto Königsfeld zum Halten der ‚Frankfurter Zeitung‘.

In dieser Situation ist es nachvollziehbar, dass sich die Eheleute der im Februar 1939 für Juden verordneten Abgabe von Gold, Silber und Schmuck an die öffentlichen Abgabestellen verweigerten und ein Goldstück, eine goldene Brosche und eine goldene Uhr einbehielten. Otto Königsfeld erklärte später, dass es Erinnerungsstücke an seine erste Ehefrau gewesen seien. Am 30. März 1940 wurde Otto Königsfeld festgenommen und am 4. April in der Strafanstalt Plötzensee in Untersuchungshaft genommen. Der Vorwurf: Königsfeld habe Personen, die Devisen und inländische Währung ins Ausland schaffen wollten, gegen Provision an einen entsprechenden Geschäftsmann aus Frankfurt vermittelt. Damit hatte er sich im nationalsozialistischen Staat eines schweren Devisenvergehens schuldig gemacht. Das Verfahren wurde am Landgericht in Frankfurt geführt, Otto Königsfeld dazu von der Strafanstalt Plötzensee in das Untersuchungsgefängnis Frankfurt verlegt. Die in diesem Zusammenhang bei den Königsfelds durchgeführte polizeiliche Wohnungsdurchsuchung brachte dann auch die unerlaubt zurückgehaltenen Wertgegenstände ans Tageslicht, die dann in das Verfahren einbezogen wurden.

Auszug aus dem Schreiben des Konsulenten Dr. Günther Loebinger vom 31. März 1942 an den Konsulenten Dr. Siegfried Popper (Frankfurt a. M.)

Am 27. Juli 1940 wurde Otto Königsfeld von der III. Strafkammer beim Landgericht Frankfurt zu zwei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 10.000 RM verurteilt. Anschließend wurde er am 23. August in das Zuchthaus Preungesheim/Frankfurt zur Verbüßung der Strafe verbracht. Seine Frau bemühte sich von Anfang an um Erleichterung der (Einzel-)Haftsituation ihres schwer herzkranken Mannes. So beantragte sie z. B., ihren Mann von Frankfurt in eine Haftanstalt nach Berlin zu verlegen, damit es für sie einfacher würde, ihn zu besuchen. Alle von ihr gestellten Anträge blieben erfolglos.

Im April 1941 beurteilte der Leiter der Strafanstalt in seiner Stellungnahme zu ihrem Gnadenantrag die Haftsituation für Otto Königsfeld angesichts seines Alters und Gesundheitszustandes als ‚bedrückend‘[3]. Während er daher unter bestimmten Auflagen, insbesondere einer hohen Geldzahlung, eine Begnadigung befürwortete, wurde der Antrag vom Generalstaatsanwalt abgelehnt. Obwohl sich ihre eigene Situation als Jüdin in Berlin immer weiter verschlechterte, kämpfte Adelheid Königsfeld intensiv weiter um die Freilassung.

Von jetzt an führt Adelheid Königsfeld mit Hilfe ihres Anwaltes bzw. ‚Rechtskonsulenten‘ einen intensiven, fast ein Jahr dauernden Kampf um die Freilassung ihres Mannes. Ihre eigene Situation verschlechterte sich in dieser Zeit angesichts der zunehmenden Verfolgung in Berlin und der Deportationen nach Osteuropa. So musste sie im Sommer 1941 in die Giesebrechtstraße 15 zu Frau Erhard ziehen[4]. Schließlich erreichte sie im Januar 1942 die vorläufige Entlassung ihres Mannes aus der Haft, nachdem sie zugesagt hatte, im Gegenzug einen Betrag von ca. 16.500 RM an die Gerichtskasse zu überweisen. Dankschreiben an den Rechtsanwalt, der die Eheleute in der ganzen Zeit beraten und unterstützt hatte, zeigen, wie glücklich die beiden in diesem Moment waren[5].

fn3. Vgl. hierzu Schreiben vom 1. 4. 1941 in: HStA Wiesbaden Bestand 409/4 Nr. 3480

fn4. Vgl. hierzu den Bericht über Marion Erhard (Stolpersteine Giesebrechtstr. 15 – Berlin.de Zugriff 27. 11. 2020). In der Wohnung der Familie Erhard lebten Ende 1941 schließlich 14 Personen, 12 davon als Untermieter.

fn5. Die Schreiben sind in der in Anm. 1 genannten Akte enthalten.

Es stellten sich in der Folge große Schwierigkeiten, an das von Verwandten in Beuthen zugesagte Geld zu kommen, das dann an die Gerichtskasse fließen sollte[6]. Es drohte die erneute Inhaftierung von Otto Königsfeld. Gleichzeitig verschärfte sich die allgemeine Judenverfolgung in Berlin. Im Februar 1942 mussten die Eheleute Königsfeld in die Levetzowstraße 11a, ein sogenanntes „Judenhaus“, ziehen. Damit wohnten sie in unmittelbarer Nachbarschaft zu der seit Oktober 1941 als „Sammellager für die Evakuierung“ genutzten Synagoge in der Levetzowstraße 8/9[7]. Das führte bei ihnen zu der Idee, sich freiwillig zur „Evakuierung“ zu melden, um der erneuten Festnahme des Ehemanns zu entgehen. Offensichtlich wussten sie nicht, welches Schicksal die „Evakuierten“ erwartete. Bevor diese Idee umgesetzt werden konnte, bekam Otto Königsfeld die Aufforderung, sich zum 15. April 1942 zum Strafantritt für die Reststrafe im Strafgefängnis Berlin-Spandau zu melden. Das konnte jedoch verhindert werden. Am 14. April war der notwendige Geldbetrag tatsächlich vom Oberfinanzpräsidenten Berlin wieder frei gegeben und an die Gerichtskasse in Frankfurt überwiesen worden.

Am 1. Mai 1942 teilte der Generalstaatsanwalt Otto Königsfeld dann förmlich folgendes mit:

bq. Auf das Gesuch Ihres Verteidigers Dr. Popper vom 16. April 1942 habe ich auf Grund der mir durch die Gnadenordnung erteilten Ermächtigung des Reichsministers der Justiz die Vollstreckung der Ihnen durch Urteil der Strafkammer in Frankfurt am Main vom 17.7.1940 auferlegten Gefängnisstrafe von zwei Jahren, und zwar des noch nicht verbüßten Teils auf die Dauer von drei Jahren, bis zum 1. Mai 1945 ausgesetzt.

fn6. Der Schwager von Adelheid Königsfeld, der Holzkaufmann Hugo Auftricht, war – als tschechischer Staatsbürger – mittlerweile von Beuthen nach Prag verzogen, sein Vermögen, darunter auch das Geld, das für Otto Königsfelds Freilassung eingesetzt werden sollte, von der Gestapo beschlagnahmt worden. (Vgl. hierzu Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt an die Gestapo Beuthen vom 10.10.1941 in: HStA Wiesbaden Bestand 474/3 Nr. 789)

fn7. Der Begriff ‚Evakuierung‘ wurde von den Nationalsozialisten genutzt, um damit die Deportation der jüdischen Menschen in die Ghettos bzw. Vernichtungslager im besetzten Polen zu verharmlosen.

Schreiben des Konsulenten Dr. Günther Loebinger (Berlin) an den Konsulenten Dr. Siegfried Popper (Frankfurt) vom 7. Juli 1942

Otto Königsfeld hatte noch genau vier Wochen, in ‚Freiheit‘ zu leben, wobei die Bedingungen in der Levetzowstraße 11a sicher keine wirkliche ‚Freiheit‘ bedeuteten.

Am 27. Mai 1942 wurde er von der Berliner Gestapo erneut festgenommen, nach Sachsenhausen geschafft und mit 249 weiteren jüdischen Männern im Rahmen der Racheaktion nach dem Attentat der Gruppe um Herbert Baum auf die Propaganda-Ausstellung der Nationalsozialisten „Das Sowjetparadies“ im Konzentrationslager Sachsenhausen erschossen.

Recherche und Text: Willi Creutzenberg