Stolperstein Hessenallee 9

Foto folgt

Dieser Stolperstein wurde am 05.03.2013 verlegt.

Stolperstein Luise Bäck, Foto: F. Siebold, März 2013

Stolperstein Luise Bäck, Foto: F. Siebold, März 2013

HIER WOHNTE
LUISE BÄCK
GEB. EHRENSTEIN
JG. 1856
DEPORTIERT 15.11.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 17.2.1944

Luise Bäck, geb. Ehrenstein, wurde am 26. Juni 1856 in Szentistvanfalva (slowakisch Popudin, Ungarn) als Tochter von Sigmund Ehrenstein und seiner Frau Netti geboren. Luise hatte fünf Geschwister: Ida, Julius, Alexander, Emma (1841-1926), und Anna, die ebenfalls 1856 geboren ist und vermutlich ein Zwilling von Luise war. Anna, die Richard Hilfreich heiratete, starb 1928 in Wien.

Luise, genannt Lisi, die die österreichische Staatsangehörigkeit hatte, heiratete Josef Bäck, der am 9. März 1848 in Scheletau/Mähren als Sohn von Amalia Spitz und Joachim Baeck geboren wurde. Die Familie ist entfernt mit dem Rabbiner Dr. Leo Baeck verwandt. In der Heiratsurkunde war der Familienname Bäck geschrieben, jedoch nannten sich Luise und andere Familienmitglieder später Baeck. Luise und Josef Bäck wohnten in Wien, auch die Kinder wurden dort geboren: die Tochter Else am 11.März 1884, die Söhne Hans am 13. Juni 1886 sowie Hugo am 1. Januar 1888 und schließlich Margarethe am 24. März 1891.

Anfang des 20. Jahrhunderts starb Josef Bäck. Die beiden Töchter Else und Grethe wurden Schauspielerinnen. Else arbeitete ab 1915 an der Neuen Freien Volksbühne in Berlin, Theater am Bülowplatz, sie wohnte in Schöneberg in der Gleditschstr. 43 im 2. Stock. Ab 1925 war unter dieser Anschrift auch ihre Mutter Luise gemeldet, sie wohnte darüber im 3. Stock. Als „Louise Baeck“ und mit dem Zusatz „Private“ war sie im Adressbuch eingetragen. Grethe war von 1918 bis 1920 am Theater in Königsberg engagiert, ab 1924 war sie wie ihre Schwester in Berlin an der Volksbühne beschäftigt. Sie wohnte von 1931 bis 1939 in Wilmersdorf, Bonner Straße 2.

Else heiratete um 1925 Heinrich Neft, geboren am 17. Juli 1868 in Dingolshausen, einen anarchistischen Journalisten und Theaterdirektor, der zu ihr in die Gleditschstraße zog. Er hatte ab 1898 an der Neuen Freien Volksbühne Karriere gemacht: 1902 war er Kassierer, in den 1920er Jahren Geschäftsführer und von 1928 bis 1929 Intendant. 1931 schied er überraschend aus der Volksbühne aus, um ab 1. März 1933 zusammen mit Carl-Ludwig Duisberg das bankrotte Deutsche Theater zu pachten. Dieses Projekt endete aber schon im Juni 1934. Heinrich Neft nannte sich von da an Theaterdirektor a.D.
Seine Frau Else hatte von 1931 bis 1934 am Bundesratsufer 9 gewohnt und trat in einem „ Englischen Theater“ auf. Ab 1938 wohnten Else und Heinrich Neft zusammen mit Luise Baeck im Westend, Hessenallee 9. Unter der Naziherrschaft wurde Else Neft zweimal verhaftet, es gelang Heinrich Neft allerdings, sie herauszuholen.

Luise Bäck, schon 87 Jahre alt, wurde am 14. September 1943 in die Sammelstelle des Jüdischen Altersheims Iranische Straße 2 gebracht, am 15. November 1943 in einem Waggon mit 50 überwiegend alten Menschen vom Bahnhof Grunewald nach Theresienstadt deportiert und dort am 17. Februar 1944 ermordet.

Heinrich Neft, der kein Jude war, starb 1944. Unmittelbar nach seinem Tod wurde Else vor ihrer bevorstehenden Verhaftung gewarnt und wechselte in Berlin täglich den Aufenthaltsort. Es gelang ihr nach Wien zu entkommen, dort überlebte sie die Zeit bis zur Befreiung 1945 mit gefälschten Papieren und Lebensmittelkarten in einem kleinen Zimmer. Als amerikanische Soldaten Wien erreichten, organisierte sie ein Bühnenprogramm. Später konnte sie in die USA auswandern, wo sie ab 1951 in mindestens zehn Filmen mitwirkte. Sie starb im Juli 1968 in Los Angeles, Kalifornien.

Ihre Schwester Grethe hatte 1930 einen nichtjüdischen Oberleutnant geheiratet. Im Frühjahr 1933 wurde sie telefonisch vor ihrer bevorstehenden Verhaftung gewarnt: sie solle sofort in den nächsten Zug steigen. Sie floh, ohne ihrem Ehemann Bescheid zu sagen, mit einer einzigen Tasche nach Wien. Die Ehe mit dem Oberleutnant wurde annulliert. 1938 floh Grethe Baeck nach Prag, erreichte das letzte Flugzeug nach Paris und gelangte 1939 nach New York. Mit drei Dollar in der Tasche fand sie Hilfe bei den Quäkern und konnte bis 1940 im Scattergood Hostel in Iowa wohnen. Später lebte sie wie ihre Schwester in Los Angeles, heiratete Robert Dickason und starb am 18. September 1973 in Ventura, Kalifornien.

Hugo Baeck, der auch die österreichische Staatsangehörigkeit gehabt hatte, gelang es ebenfalls, in die USA zu flüchten. Zeitweise lebte er bei seiner Schwester Else in Kalifornien. Dort starb er 1960.
Hans Baeck, der ebenfalls die österreichische Staatsangehörigkeit hatte, heiratete Minna Schneid und konnte ebenfalls in die USA emigrieren. Hans war Kaufmann gewesen und verdiente sein Geld in den USA als Gelegenheitsarbeiter. Er starb am 6. Februar 1957 in Kalifornien.

Recherche und Text: Angelika Hermes

Quellen: Berliner Gedenkbuch; Bundesarchiv; Yad Vashem; holocaust.cz; Brandeburgiusches Landeshauptarchiv (BLHA); Berliner Adressbuch; Entschädigungsamt Berlin; Berliner Zeitung; geni.com; familySearch.org; imdb.com; Pittsburg Post Gazette 1951; Deutsches Bühnenjahrbuch 1981,1920,1931; Manfred Mackeben.