Stolpersteine Trautenaustraße 18

Hauseingang Trautenaustr. 18

Hauseingang Trautenaustr. 18

Diese Stolpersteine wurden am 29.04.2012 verlegt.

Stolperstein Abraham A. Bukofzer

Stolperstein Abraham A. Bukofzer

HIER WOHNTE
ABRAHAM A.
BUKOFZER
JG. 1886
DEPORTIERT 12.3.1943
ERMORDET APRIL 1943
AUSCHWITZ

Abraham Adolf Bukofzer wurde am 23. Februar 1886 in Bromberg (Bydgoszcz, Polen) geboren. Für seine Eltern, den Kaufmann Ludwig Louis Bukofzer (*1857) und Sophie Sara Ryfke Bukofzer geborene Silberblat (*1859), war er das dritte von insgesamt vier Kindern.
Isidor (*1883) war drei Jahre und Joseph (*1884) zwei Jahre älter als er. Am 13. Februar 1889 kam seine Schwester Henriette genannt Hennie zur Welt.

Über Abrahams Kindheit und Jugend konnte nichts recherchiert werden. Er wurde wie sein Vater Kaufmann von Beruf.

Abraham Bukofzer, der sich Adolf nannte, kannte seine spätere Ehefrau Anna geborener Silberblatt genannt Annie (*27. September 1892) bereits aus Kindertagen, denn sie war seine Cousine, die mittlere Tochter seines Onkels Moritz Silberblatt aus Berlin. Vermutlich hatte ihn dieser nach dem Tod seines Vaters nach Berlin geholt, damit er ihn in seiner 1914 gegründeten Knopffabrik in der Alexandrinenstraße 95/96 in Berlin-Kreuzberg unterstützte.

Als Adolf 33 Jahre alt war, heiratete er am 15. Oktober 1919 die 27-jährige Annie Silberblatt in Berlin. Trauzeugen waren sein älterer Bruder Joseph und Annies Schwager Siegbert Bruck. Sie wohnten mit der Familie seines Onkels und gleichzeitig Schwiegervaters in der Oranienstraße 120 in Berlin-Kreuzberg. Am 27. September 1920 wurden Adolf und Annie Eltern ihrer Tochter Alice, die sie Liesel nannten. Aufgrund der geistigen Behinderung ihrer Tochter, die sie als Erbkrankheit aufgrund ihrer Verwandtenehe deuteten, bekamen sie keine weiteren Kinder. Wann sie Liesel in die Heil- und Pflegeanstalt in Wunstorf in der Nähe von Hannover gaben, ist unbekannt.

Moritz Silberblatt nahm Adolf Bukofzer und den Ehemann seiner jüngsten Tochter Elly, Carl Weil (*12. November 1891), als zwei gleichberechtigte Teilhaber in sein Unternehmen, eine offene Handelsgesellschaft, auf. Er selbst arbeitete weiterhin täglich in der Firma, bestellte die Rohmaterialien, nahm die Arbeitsverteilung vor und war zuständig für den Versand. Adolf Bukofzer und Carl Weil besuchten als Vertreter der Firma die Kundschaft in der Konfektion und im Export.

Im Berliner Adressbuch 1934 bis 1937 war das Ehepaar Adolf Bukofzer in der Trautenaustraße 12 in Berlin-Wilmersdorf gemeldet. Ganz in der Nähe, in der Trautenaustraße 17, wohnte die 52-jährige Bianka Fanny Ehrlich (*1881), die Adolfs Schwiegervater Moritz Silberblatt am 31. Oktober 1933 mit 69 Jahren in zweiter Ehe geheiratet hatte. Gemeinsam zogen die beiden am 1. Januar 1936 in die Trautenaustraße 18 in eine komfortable großzügige 6-Zimmer-Wohnung im 1. Stock. Seine Schwägerin Elly und Carl Weil wohnten in der Güntzelstraße 34.

Trotz der zunehmenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten konnten sein Schwiegervater, sein Schwager und er die Knopffabrik bis April 1939 halten. Dann wurde auch dieser Betrieb Opfer der rassistischen „Arisierungspolitik“.

Bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939 waren Adolf und Annie bei Moritz Silberblatt in der Trautenaustraße 18 gemeldet. Moritz Ehefrau Bianka war zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon verstorben, denn sie wurde nicht registriert. Elly und Carl Weil gelang gerade noch rechtzeitig die Flucht nach New York, USA. Für Adolf und Annie kam eine Auswanderung vermutlich nicht in Frage, da sie ihre geistig behinderte Tochter Liesel nicht zurücklassen wollten.

Im Zuge der nationalsozialistischen Euthanasie-Politik, die mehr als 9.000 psychisch Kranke und geistig Behinderte aus Nord- und Mitteldeutschland in der Tötungsanstalt in Brandenburg an der Havel ermordete, wurde auch Liesel dort hingebracht und am 27. September 1940 der hierfür konstruierten Gaskammer von Ärzten ermordet.

Adolfs Mutter war zusammen mit seinem ältesten Bruder Isidor und dessen Ehefrau sowie seinem verwitweten Bruder Joseph bei der „Minderheiten-Volkszählung“ in der Chodowieckistraße 42 (2. Aufgang III. Etage) in Berlin-Prenzlauer Berg gemeldet. Auch seine jüngste Schwester Hennie war mit ihrem Ehemann Arthur Hirschfeld (*1883) und ihren beiden Söhnen Ludwig und Werner (*1922) von Küstrin nach Berlin gekommen. Sie wohnten 1939 in der Regensburger Straße 28 in Berlin-Wilmersdorf und später in der Bozener Straße 10 in Berlin-Schöneberg. Ihren beiden Söhnen gelang die Flucht nach Australien.

1941 wurden der 55-jährige Adolf und die 49-jährige Annie zur Zwangsarbeit verpflichtet.
Adolf arbeitete bei der Deutschen Lufthansa in Berlin-Tempelhof und Annie bei der Firma Pertrix GmbH in Niederschöneweide.

In der Trautenaustraße 18 mussten zwei weitere Untermieter aufgenommen werden. Adolf und Annie teilten sich ein Zimmer. Als erste der Familie wurden am 25. Januar 1942 seine Schwester Hennie und ihr Ehemann Arthur Hirschfeld in das Ghetto Riga deportiert. Hennie wurde später in das Konzentrationslage Stutthof gebracht, wo sie am 9. August 1944 starb. Arthur Hirschfeld war zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon tot.

Adolfs Schwiegervater Moritz Silberblatt holte die Gestapo Ende Juli 1942 ab und brachte ihn in das Sammellager Große Hamburger Straße 26. Am 10. August 1942 wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Drei Wochen später, am 31. August 1942, deportierte die Gestapo auch Adolfs Mutter Sophie Bukofzer dort hin. Am 26. September wurde sie in das Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert, wo sie ermordet wurde.

Adolfs Bruder Joseph wurde als dekorierter und verwundeter Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges am 19. November 1942 ebenfalls in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Moritz Silberblatt überlebte das Ghetto Theresienstadt ein halbes Jahr. Er starb am 16. Februar 1943 aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto.

Am 1. Dezember 1942 mussten Adolf und Annie aus der Trautenaustraße 18 ausziehen und zur Untermiete bei dem Hauptmieter Paul Swarensky und dessen Ehefrau Selma in die Landshuter Straße 4 (Gartenhaus Parterre) ziehen. Sein ältester Bruder Isidor und seine Ehefrau Mathilde Bukofzer geborene Kroner wurden am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Als Adolf und Annie einen Tag später, am Samstag, dem 27. Februar 1943, zur Arbeit gingen, wussten sie nicht, dass sie niemals wieder zurückkehren würden. Bei der sogenannten Fabrikaktion verhaftete die Gestapo sie am Arbeitsplatz und brachte sie in ein Sammellager, wo sie die Vermögenserklärung ausfüllen mussten. Schließlich wurden sie am 12. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

Adolf Bukofzer starb mit 57 Jahren aufgrund von Rassenwahn und Verschwörungstheorien.
Sein Bruder Joseph starb mit 59 Jahren am 23. März 1944 im Ghetto Theresienstadt. Nur die zwei Söhne der Schwester Hennie überlebten in Australien.

In der Oranienstr. 120 in Berlin-Kreuzberg, wo Adolf Bukofzer vor 1933 lange Zeit wohnte, wurde für ihn schon am 2. Mai 1996 ein Stolperstein verlegt.

Recherche und Text: Gundula Meiering, April 2025

Quellen:
Mapping the lives; Berliner Adressbücher; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives; Landesarchiv Berlin – WGA-Datenbank, Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage; Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärungen, Reg. 36A (II) 5118 Abraham und Anna Bukofzer; Recherchen im Rahmen der Ausstellung „Juden in Kreuzberg“ (1991) am Kreuzberg Museum, Biographische Zusammenstellung für Moritz Mendel Silberblatt in der Oranienstr. 120 von Lorraine Bluche

Stolperstein Annie Bukofzer

Stolperstein Annie Bukofzer

HIER WOHNTE
ANNIE BUKOFZER
GEB. SILBERBLATT
JG. 1892
DEPORTIERT 12.3.1943
ERMORDET APRIL 1943
AUSCHWITZ

Annie Bukofzer geborene Silberblatt, Trautenaustr. 18

Annie Bukofzer wurde als Anna Silberblatt am 27. September 1892 in Berlin geboren. Für ihre Eltern, den aus Białystok im Gouvernement Grodno im russischen Kaiserreich (heute Polen) stammenden Kaufmann Mendel Moritz Silberblatt (*6. März 1892) und der aus Posen stammenden Rosalie – genannt Rosa – Silberblatt geborene Scherek (*20. November 1868), war sie die zweite von insgesamt drei Töchtern. Ihre Schwester Betti (*16. September 1891) war ein Jahr älter als sie. Ihre kleine Schwester Elly kam fast sieben Jahre später am 11. März 1899 zur Welt. Seit Anfang der 1890er Jahre wohnte die Familie in der Oranienstraße 120 in Berlin-Kreuzberg.

Über ihre Kindheit und Jugend konnte nichts recherchiert werden. Am 23. Dezember 1912 heiratete ihre Schwester Betti mit 21 Jahren den 34-jährigen Kaufmann Siegbert Bruck (*6. Mai 1878). Am 13. November 1913 wurden sie Eltern ihrer Tochter Ruth Cäcilie.

Annie kannte ihren späteren Ehemann Adolf Bukofzer (*23. Februar 1886) bereits aus Kindertagen, denn er war ihr Cousin, der jüngste Sohn ihrer Tante Sophie Bukofzer geborene Silberblatt aus Bromberg (Bydgoszcz, Polen). Vermutlich hatte ihr Vater seinen Neffen Adolf nach Berlin geholt, nachdem dessen Vater gestorben und Moritz Silberblatt 1914 seine Knopffabrik in der Alexandrinenstraße 95/96 gegründet hatte und dort Unterstützung benötigte.

Als Annie 27 Jahre alt war, heiratete sie am 15. Oktober 1919 den 33-jährigen Kaufmann Abraham Adolf Bukofzer. Trauzeugen waren Adolfs älterer Bruder Joseph und Annies Schwager Siegbert Bruck. Am 27. September 1920 wurden sie Eltern ihrer Tochter Alice, die sie Liesel nannten. Aufgrund der geistigen Behinderung ihrer Tochter, die sie als Erbkrankheit aufgrund ihrer Verwandtenehe deuteten, bekamen sie keine weiteren Kinder. Wann sie Liesel in die Heil- und Pflegeanstalt in Wunstorf in der Nähe von Hannover gaben, ist unbekannt.

Ihre jüngste Schwester Elly heiratete am 2. April 1925 den aus Frankfurt am Main stammenden Carl Weil (*12. November 1891). Diese Ehe blieb kinderlos.

Ihre ältere Schwester Betti wurde 1927 krank und starb am 10. Oktober 1929 mit 38 Jahren. Zwei Jahre und fünf Monate später, am 7. März 1932, starb mit 63 Jahren auch die Mutter Rosa Silberblatt geborene Scherek. Ihr Vater wurde mit 68 Jahren Witwer.

Ein halbes Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten starb am 31. Juli 1933 ihr Schwager, der Witwer Siegbert Bruck, an einem Herzschlag. Seine Tochter Ruth, Annies Nichte, zog daraufhin zu ihnen in die Oranienstraße 120.

Ihr Vater Moritz Silberblatt nahm Annies Ehemann Adolf Bukofzer und Ellys Ehemann Carl Weil als zwei gleichberechtigte Teilhaber in sein Unternehmen, eine offene Handelsgesellschaft, auf. Er selbst arbeitete weiterhin täglich in der Firma, bestellte die Rohmaterialien, nahm die Arbeitsverteilung vor und war zuständig für den Versand. Adolf Bukofzer und Carl Weil besuchten als Vertreter der Firma die Kundschaft in der Konfektion und im Export.

Im Berliner Adressbuch 1934 bis 1937 war das Ehepaar Adolf Bukofzer in der Trautenaustraße 12 in Berlin-Wilmersdorf gemeldet. Ganz in der Nähe, in der Trautenaustraße 17, wohnte die 52-jährige Bianka Fanny Ehrlich (*1881), die Annies Vater am 31. Oktober 1933 mit 69 Jahren in zweiter Ehe heiratete. Beide zogen am 1. Januar 1936 in die Trautenaustraße 18 in eine komfortable, großzügige 6-Zimmer-Wohnung im 1. Stock.
Elly und Carl Weil wohnten in der Güntzelstraße 34. Im April 1936 emigrierte Annies Nichte Ruth über England nach São Paulo in Brasilien.
Trotz der zunehmenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten konnten ihr Vater, ihr Ehemann und ihr Schwager die Knopffabrik bis April 1939 halten. Dann wurde auch dieser Betrieb Opfer der rassistischen „Arisierungspolitik“.

Bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939 waren Annie und Abraham Adolf Bukofzer bei Moritz Silberblatt in der Trautenaustraße 18 gemeldet. Moritz‘ Ehefrau Bianka war zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon verstorben, denn sie wurde nicht registriert. Elly und Carl Weil gelang gerade noch rechtzeitig die Flucht nach New York, USA. Für Annie und Adolf kam eine Auswanderung vermutlich nicht in Frage, da sie ihre geistig behinderte Tochter Liesel nicht zurücklassen wollten.

Im Zuge der nationalsozialistischen Euthanasie-Politik, die mehr als 9.000 psychisch Kranke und geistig Behinderte aus Nord- und Mitteldeutschland in der Tötungsanstalt in Brandenburg an der Havel ermordete, wurde auch Liesel am 27. September 1940 dort hingebracht und in der Gaskammer von Ärzten ermordet.

1941 wurden die 49-jährige Annie und der 55-jährige Adolf zur Zwangsarbeit verpflichtet.
Annie arbeitete in der Firma Pertrix GmbH in Niederschöneweide. Die Fabrik produzierte Trockenbatterien und Taschenlampen für den Wehrmachtbedarf. Jüdische Berliner gehörten zu den ersten Zwangsarbeitern, die die Firma einsetzte. Ab Ende 1942 wurden diese durch polnische Zivilisten ersetzt. Adolf arbeitete bei der Deutschen Lufthansa in Berlin-Tempelhof.

Ihr Vater Moritz musste zwei weitere Untermieter in seiner Wohnung aufnehmen.
Ende Juli wurde Moritz Silberblatt von der Gestapo abgeholt und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht. Am 10. August 1942 wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er ein halbes Jahr später, am 16. Februar 1943, aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen starb.

Am 1. Dezember 1942 mussten Annie und Adolf aus der Trautenaustraße 18 ausziehen und zur Untermiete bei dem Hauptmieter Paul Swarensky und dessen Ehefrau Selma in die Landshuter Straße 4 (Gartenhaus Parterre) ziehen. Annies Schwager Isidor und dessen Ehefrau Mathilde Bukofzer geborene Kroner wurden am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet

Als Adolf und Annie einen Tag später, am Samstag, dem 27. Februar 1943, zur Arbeit gingen, wussten sie nicht, dass sie niemals wieder zurückkehren würden. Bei der sogenannten Fabrikaktion verhaftete die Gestapo sie am Arbeitsplatz und brachte sie in ein Sammellager, wo sie die Vermögenserklärung ausfüllen mussten. Schließlich wurden sie am 12. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. Anni Bukofzer geborene Silberblatt starb mit 50 Jahren aufgrund von Rassenwahn und Verschwörungstheorien.

In der Oranienstraße 120 in Berlin-Kreuzberg, wo Annie Bukofzer vor 1933 lange Zeit wohnte, wurde für sie schon am 2. Mai 1996 ein Stolperstein verlegt.

Recherche und Text: Gundula Meiering, April 2025

Quellen:
Mapping the lives; Berliner Adressbücher; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives; Landesarchiv Berlin – WGA-Datenbank, Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage; Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärungen, Reg. 36A (II) 5118 Abraham und Anna Bukofzer; Recherchen im Rahmen der Ausstellung „Juden in Kreuzberg“ (1991) am Kreuzberg Museum, Biographische Zusammenstellung für Moritz Mendel Silberblatt in der Oranienstr. 120 von Lorraine Bluche

Stolperstein Auguste Margarete Frankenbach

Stolperstein Auguste Margarete Frankenbach

HIER WOHNTE
AUGUSTE MARGARETE
FRANKENBACH
GEB. BERNSTEIN
JG 1866
DEPORTIERT 28.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 8.2.1943

Auguste Margarete Frankenbach wurde als Auguste Margarete Bernstein am 18. April 1866 in Gnesen (Gniezno, Polen) in der Nähe von Posen (Poznań, Polen) geboren. Für ihre Eltern, den Kaufmann Isaak Bernstein und Friedericke (Fritze) Bernstein geborene Pick, war sie das fünfte von insgesamt sieben Kindern. Ihr ältester Bruder Heimann (*1852) war 14 Jahre, Philipp (*1862) 4 Jahre, Adolf (*1863) 3 Jahre und Benno (*1865) ein Jahr älter als sie. Am 10. Oktober 1867 kam ihre ein Jahr jüngere Schwester Sara Cäcilie zur Welt. Als Margarete – genannt Jüttel – fast fünf Jahre alt war, wurde ihre jüngste Schwester Helene am 15. März 1871 geboren.

Sie besuchte eine Höhere Töchterschule in Berlin.

Wann und wo sie ihren späteren Ehemann, den aus Eisleben in Sachsen-Anhalt stammenden Kaufmann Max Frankenbach (*11. Juli 1861), kennenlernte, ist nicht bekannt. Die 28-jährige Margarete und der 26-jährige Max heirateten am 20. Januar 1894 in Berlin. Am 18. November 1894 wurden sie Eltern eines Sohnes, den sie Karl nannten.

Max Frankenbach baute zusammen mit seiner Ehefrau Margarete einen Großvertrieb für Bindfäden in der Alten Jakobstraße 20-22 in Berlin-Kreuzberg auf. Die Familie wohnte damals in der Ansbacher Straße 26 in Schöneberg. Als der Erste Weltkrieg begann, meldeten sich Max und der 20-jährige Sohn Karl freiwillig zur Armee. Der Sohn Karl starb am 28. März 1915 an der Front.

Nach dem Krieg eröffneten Max und Margarete in der Wallstraße 76-79 in Berlin-Mitte eine Bindfaden-Fabrik. Ihre Wohnanschrift war in den 1920er Jahren die Uhlandstraße 29 in Berlin-Charlottenburg. Bei ihnen wohnte laut Jüdischem Adressbuch 1930/31 auch Max’ ledige Schwester Jenny Frankenbach. In der Uhlandstraße 29 war Max im Amtlichen Fernsprechbuch auch als Handelsrichter ausgewiesen. Als er am 13. Dezember 1932 kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten starb, führte die 66-jährige Kauffrau Margarete Frankenbach die Fabrik, das Lager und den Großvertrieb von Bindfäden weiter. Max Frankenbach wurde auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.

Nach Berlin-Wilmersdorf in die Trautenaustraße 18 zog Margarete 1935, zusammen mit ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester, der Witwe und Kunstgewerblerin Helene Hurwitz. Noch 1938 war sie im Berliner Adressbuch als Kauffrau gemeldet. In dieser Zeit muss die Firma „arisiert“ worden sein. Ihre Schwester Cilly wohnte in ihrer Nähe in der Prager Straße 26. Auch Margaretes Schwager, der Kunstzeichner Theodor Frankenbach, lebte seit 1938 mit Ehefrau Elisabeth und Sohn Kurt in der Nähe, in der Nassauischen Straße 30.

Kurz nach der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939, wo sie noch in der 1. Etage der Trautenaustraße 18 registriert waren, zogen Margarete und Helene am 30. August 1939 als Untermieterinnen bei der Familie des ungarischen Staatsbürgers Koloman Weinberg in ein möbliertes Zimmer mit Bad- und Küchenbenutzung in die Ludwigkirchstraße 10a. Margarete war 74 Jahre alt und benötigte die Unterstützung und Pflege ihrer jüngsten Schwester.

Am 24. August 1942 wurden Margarete und Helene aufgefordert, ihre Vermögenserklärungen auszufüllen und sich am 28. August 1942 am Anhalter Bahnhof einzufinden. Von dort wurden die beiden Schwestern mit 98 weiteren Personen in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

Ihre Schwester, die Witwe Sara Littauer geborene Bernstein, sowie ihr Schwager Theodor und ihre Schwägerin Elisabeth Frankenbach wurden am 3. Oktober 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Elisabeth Frankenbach geborene Graupe starb schon nach 16 Tagen am 19. Oktober 1942 an einer im Ghetto weit verbreiteten Krankheit, der Enteritis, einer durch Viren oder Bakterien hervorgerufenen Darmentzündung. Ihr Ehemann Theodor folgte ihr am 2. November 1942 in den Tod. Auch er starb an Enteritis.

Noch hielten die Bernstein-Schwestern trotz der unmenschlichen Lebensbedingungen durch. Aber die Enteritis holte auch sie ein. Als Erste starb Cilly am 15. Januar 1943 mit 75 Jahren. Helene folgte ihr 20 Tage später mit 71 Jahren am 4. Februar 1943 in den Tod. Nur 4 Tage später starb auch Margarete Frankenbach mit 76 Jahren.

Recherche und Text: Gundula Meiering, Mai 2025

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the lives; Berliner Adressbücher; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives; Landesarchiv Berlin – WGA-Datenbank, Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage; Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärungen, Reg. 36A (II) 9748, Margarete Frankenbach

Stolperstein Helene Hurwitz

Stolperstein Helene Hurwitz

HIER WOHNTE
HELENE HURWITZ
GEB. BERNSTEIN
JG. 1871
DEPORTIERT 28.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 4.2.1943

Helene Hurwitz wurde als Helene Bernstein am 15. März 1871 in Gnesen (Gniezno, Polen) in der Nähe von Posen (Poznań, Polen) geboren. Für ihre Eltern, den Kaufmann Isaak Bernstein und Friedericke (Fritze) Bernstein geborene Pick, war sie das jüngste von insgesamt sieben Kindern. Ihr ältester Bruder Heimann (*1852) war 19 Jahre, Philipp (*1862) 9 Jahre, Adolf (*1863) 8 Jahre und Benno (*1865) 6 Jahre älter als sie. Am 18. April 1866 wurde ihre älteste Schwester Auguste Margarete geboren. Ein Jahr später, am 10. Oktober 1867, kam ihre zweite Schwester Sara Cäcilie zur Welt.

Wie ihre Geschwister erhielt auch sie eine höhere Bildung und schloss die Schule mit dem Reifezeugnis ab.

Wann und wo sie ihren späteren Ehemann, den aus Russ im Kreis Heydekrug, Ostpreußen stammenden Kaufmann Bernhard Hurwitz (*2. März 1869), kennenlernte, ist nicht bekannt. Der 28-jährige Bernhard und die 26-jährige Helene heirateten am 30. April 1897 in Berlin. Die Ehe blieb kinderlos.

Als Helene ihr Elternhaus verließ, wohnte die Familie Bernstein in der Oranienburger Straße 12 in Berlin-Mitte, einem stark jüdisch geprägten Wohnviertel ganz in der Nähe der Neuen Synagoge, die 1866 in der Oranienburger Straße 28 eingeweiht worden war.

Bernhard gründete eine Ledergroßhandlung in der Knesebeckstraße 70/71 in Charlottenburg in der Nähe des Kurfürstendamms, wo das Paar auch lebte. Bernhard Hurwitz starb nach 25 Jahre Ehe, fünf Tage nach der Silberhochzeit, am 5. Mai 1922 mit 53 Jahren. Helenes Bruder Adolf meldete den Todesfall beim Standesamt. Helene wurde mit 51 Jahren Witwe. Das Berliner Adressbuch führte sie 1923 als Kaufmannswitwe. Ab 1925 wurde angezeigt, dass sie in der 2. Etage des Gartenhauses wohnte. Hier gründete sie 1927 ein Schneideratelier. Im Berliner Adressbuch 1931 hieß es „Helene Hurwitz Moden“ und ab 1932 „Helene Hurwitz Kunstgewerblerin“.

Nach Berlin-Wilmersdorf in die Trautenaustraße 18 zog sie 1935 zusammen mit ihrer fünf Jahre älteren Schwester, der Witwe Auguste Margarete Frankenbach. Ihre Schwester Cilly wohnte in der Nähe in der Prager Straße 26.

Kurz nach der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939, wo sie noch in der 1. Etage der Trautenaustraße 18 registriert waren, zogen Helene und Margarete am 30. August 1939 als Untermieterinnen bei der Familie des ungarischen Staatsbürgers Koloman Weinberg in ein möbliertes Zimmer mit Bad- und Küchenbenutzung in die Ludwigkirchstraße 10a. Hier war es Helene nicht mehr möglich, als selbständige Schneiderin und Kunstgewerblerin zu arbeiten. Sie unterstützte und pflegte ihre ältere Schwester.

Am 24. August 1942 wurde sie aufgefordert, ihre Vermögenserklärung auszufüllen und sich am 28. August 1942 zusammen mit ihrer 76-jährigen Schwester Margarete Frankenbach am Anhalter Bahnhof einzufinden. Von dort wurden sie mit 98 weiteren Personen in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

Ihre Schwester, die Witwe Sara Littauer geborene Bernstein, wurde am 3. Oktober 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie starb mit 75 Jahren als erste der drei Schwestern am 15. Januar 1943 an den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto. Helene folgte ihr 20 Tage später mit 71 Jahren am 4. Februar 1943 in den Tod. Nur 4 Tage später starb auch Margarete Frankenbach mit 76 Jahren.

Recherche und Text: Gundula Meiering, Mai 2025

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the lives; Berliner Adressbücher; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives; Landesarchiv Berlin – WGA-Datenbank, Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage; Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärungen, Reg. 36A (II) 16396 Helene Hurwitz

Stolperstein Moritz Silberblatt

Stolperstein Moritz Silberblatt

HIER WOHNTE
MORITZ SILBERBLATT
JG 1864
DEPORTIERT 10.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 16.2.1943

Moritz Mendel Silberblatt wurde als Mendel Moritz Silberblat am 6. März 1864 in Białystok im Gouvernement Grodno im russischen Kaiserreich (heute Polen) geboren. Für seine Eltern, den Privatgelehrten Moses Wolf Silberblat und Ente Chaja Silberblat geborene Simipiazni, war er das jüngste von zwei Kindern. Seine Schwester Sophie Sara Ryfke (*20. März 1859) war fünf Jahre älter als er.

Über seine Kindheit und Jugend konnte nichts recherchiert werden. 1880, als Moritz 16 Jahre alt war, heirateten seine 21-jährige Schwester Sophie und Louis Ludwig Bukofzer (*1857) in Bromberg (Bydgoszcz, Polen).

Mendel Moritz wurde Kaufmann von Beruf und ging in die deutsche Reichshauptstadt Berlin. Wann und wo er seine spätere Ehefrau, die aus Posen stammende Rosalie, genannt Rosa, Scherek (*20. November 1868), kennenlernte, ist nicht bekannt. Rosas Mutter, die Witwe Pauline Scherek geborene Stern, gab am 1. Mai 1889 die Verlobung ihrer jüngsten Tochter Rosa mit Herrn Moritz Silberblatt bekannt. Das Paar heiratete am 10. Oktober 1889 in Berlin. Auf der Heiratsurkunde wurde die Namensänderung in „Silberblatt“ mit „tt“ vermerkt.

Moritz und Rosa wurden Eltern dreier Töchter. Ihre Älteste, Betti, wurde am 16. September 1891 geboren und die mittlere Tochter Anna ein Jahr später am 27. September 1892. Die jüngste Tochter Elly kam am 11. März 1899 auf die Welt. Sie wohnten seit den 1890er Jahren in der Oranienstraße 120 in Berlin-Kreuzberg.

Am 23. Dezember 1912 heiratete ihre älteste Tochter Betti mit 21 Jahren den 34-jährigen Kaufmann Siegbert Bruck (*6. Mai 1878). Sie wurden am 13. November 1913 Eltern ihrer Tochter Ruth Cäcilie. Siegbert Bruck war Mitinhaber der Schuhfabrik C. Leiser & Co. Die Familie wohnte in der Neuen Friedrichstraße 1.

1914 gründete Moritz Silberblatt eine Knopffabrik in der Alexandrinenstraße 95/96 und beschäftigte auf zwei Etagen etwa 100 Arbeiter. Sein Großhandelsunternehmen belieferte die Berliner Konfektionsbranche. Besonders gefragt waren seine Spezialitäten, die Perlmuttschnallen und -knöpfe nach Pariser Vorbild. Moritz Silberblatt arbeitete sich zu einem der führenden Knopfhersteller des Deutschen Reiches hoch. Einmal im Jahr fuhr er zur Kur nach Karlsbad oder Marienbad. Zusätzlich machte er einmal im Jahr Urlaub, wobei er diesen regelmäßig mit einer Geschäftsreise nach Paris zu verbinden pflegte. Ihm und seiner Familie ging es gut.

Moritz mittlere Tochter, die 27-jährige Anna, und sein Neffe, der 33-jährige Abraham Adolf Bukofzer (*23. Februar 1886), der jüngste Sohn seiner Schwester Sophie, heirateten am 15. Oktober 1919. Am 27. September 1920 wurden sie Eltern ihrer Tochter Alice, die sie Liesel nannten. Aufgrund der geistigen Behinderung ihrer Tochter, die sie als Erbkrankheit aufgrund ihrer Verwandtenehe deuteten, bekamen sie keine weiteren Kinder. Seit wann Liesel in der Heil- und Pflegeanstalt in Wunstorf in der Nähe von Hannover untergebracht war, ist unbekannt.

Die jüngste Tochter Elly verlobte sich am 4. Januar 1925 mit Carl Weil (*12. November 1891) aus Frankfurt am Main. Das Paar heiratete am 2. April 1925 in Berlin. Moritz Silberblatt und Siegbert Bruck waren die Trauzeugen. Ihre Ehe blieb kinderlos.

Siegbert Bruck, Betti Bruck und ihre Tochter Ruth wohnten seit 1919 in Charlottenburg in der Wielandstraße 33, bis Siegbert Bruck Anfang der 20er Jahre eine Villa mit zwölf Zimmern am Kleinen Wannsee in der Bismarckstraße 10 erbauen ließ. Als Betti 1927 erkrankte, vermieteten sie die Villa und zogen in eine Stadtwohnung in der Bayernallee 47 in Berlin-Charlottenburg. Hier starb Betti Bruck geborene Silberblatt am 10. Oktober 1929 mit 38 Jahren. Ihre Tochter Ruth war damals 15 Jahre alt. Siegbert und Ruth Bruck zogen daraufhin in eine kleinere Wohnung in der Sybelstr. 43.

Zwei Jahre und fünf Monate nach ihrer Tochter starb am 7. März 1932 mit 63 Jahren Rosa Silberblatt geborene Scherek. Moritz Silberblatt wurde einen Tag nach seinem 68. Geburtstag Witwer.

Ein halbes Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten starb am 31. Juli 1933 Moritz’ verwitweter Schwiegersohn Siegbert Bruck an einem Herzschlag. Seine Enkelin Ruth sah als Ursache des Todes die vielen Aufregungen durch die neue Regierung. Im April 1933 musste Ruth ihre Ausbildung als Bühnenbildnerin aufgeben, weil ihr Professor an der Deutschen Staatsoper vor den Nazis nach Prag geflohen war und es Juden verboten war, die Oper zu betreten. Die 19-jährige Ruth zog nach dem Tod ihres Vaters zu ihrem Großvater Moritz Silberblatt in die Oranienstraße 120 und arbeitete in seiner Firma als Sekretärin.

Moritz Silberblatt nahm seine Schwiegersöhne Abraham Bukofzer und Carl Weil als zwei gleichberechtigte Teilhaber in sein Unternehmen, eine offene Handelsgesellschaft, auf. Er selbst arbeitete weiterhin täglich in der Firma, bestellte die Rohmaterialien, nahm die Arbeitsverteilung vor und war zuständig für den Versand. Abraham Bukofzer und Carl Weil besuchten als Vertreter der Firma die Kundschaft in der Konfektion und im Export.

Am 31. Oktober 1933 heiratete Moritz Silberblatt mit 69 Jahren in zweiter Ehe die in Riga geborene 52-jährige Bianka Fanny Ehrlich (*1881). Ihr Vater war der Rabbi Adolf Abraham Ehrlich. Fanny war die jüngste von insgesamt sechs Kindern. Sie betrieb Schreibbüros im Columbiahaus am Potsdamer Platz 1, in der Elßholzstraße 11 in Berlin-Schöneberg und in der Potsdamer Straße 122c. Sie wohnte bei der Heirat 1933 in der Trautenaustraße 17.

Gemeinsam zogen sie am 1. Januar 1936 in die Trautenaustraße 18 in eine komfortable, großzügige 6-Zimmer-Wohnung im 1. Stock, die sie neu einrichteten. Als Moritz hier wohnte, pflegte er regelmäßig eine Taxe nach Kreuzberg in die Firma zu nehmen. Auch seine 22-jährige Enkelin Ruth zog mit in die neue Wohnung. Freitag abends luden sie Annie Bukofzer und Elly Weill mit ihren Ehemännern regelmäßig zur Schabbatfeier ein. Annie und Abraham Bukofzer wohnten schon seit 1933 in der Trautenaustraße 12. Elly und Carl Weil lebten ganz in der Nähe in der Güntzelstraße 34. Im April 1936 emigrierte Moritz’ Enkelin Ruth über England nach São Paulo in Brasilien.

Trotz der zunehmenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten konnte Moritz Silberblatt die Knopffabrik bis April 1939 halten. Dann wurde auch dieser Betrieb Opfer der rassistischen „Arisierungspolitik“.

Bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939 waren Annie und Abraham Bukofzer bei Moritz Silberblatt in der Trautenaustraße 18 gemeldet. Moritz Ehefrau Bianka Silberblatt geborene Ehrlich war zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon verstorben, denn sie wurde nicht registriert.

Seine Tochter Elly und deren Ehemann Carl Weil waren im Mai 1939 noch in der Güntzelstraße 34 gemeldet. Kurz danach gelang ihnen gerade noch rechtzeitig die Flucht nach New York, USA.

Die in einer Anstalt untergebrachte, geistig behinderte Tochter Liesel des Ehepaares Bukofzer wurde im Zuge der nationalsozialistischen Euthanasie-Politik am 27. September 1940 in der Tötungsanstalt in Brandenburg an der Havel ermordet.

Seit September 1941 wurde Moritz verpflichtet, den gelben Stern zu tragen. Ab Oktober 1941 wurden Juden in den Osten deportiert und damit kam die große Angst, selbst deportiert zu werden. Nun war eine Ausreise aus Deutschland verboten. In der Zwischenzeit musste Moritz weitere Zimmer seiner Wohnung zwangsweise untervermieten. Der aus Thüringen stammende Max Spittel (*29. März 1879) mietete für 115 RM zwei Zimmer und Max Freund mietete ein Zimmer für 60 RM. Anna und Abraham Bukofzer zahlten für ein Zimmer 50 RM.

Moritz Silberblatt war der zweite Mieter, der aus der Trautenaustraße 18 deportiert wurde. Ende Juli 1942 brachte ihn die Gestapo in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 und verpflichtete ihn, eine Vermögenserklärung auszufüllen, die er am 27. Juli 1942 unterschrieb. Am 10. August 1942 wurde er dann mit dem 40. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Seine Schwester Sophie Bukofzer deportierte die Gestapo am 31. August 1942 ebenfalls nach Theresienstadt. Am 29. September 1942 erfolgte der Transport in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie ermordet wurde.

Im Ghetto traf Moritz außerdem seine Schwägerin Fanny Schwerin, Schwester seiner ersten Frau Rosa, und Alma Wilk, Schwester seiner zweiten Frau Bianka. Beide starben vor ihm an einer im Ghetto weit verbreiteten Krankheit, der Enteritis, einer durch Viren oder Bakterien hervorgerufenen Darmentzündung. Moritz überlebte das Ghetto ein halbes Jahr. Am 16. Februar 1943 – kurz vor seinem 79. Geburtstag – starb Moritz Mendel Silberblatt aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen im Lager. Auf der Todesanzeige war als Todesursache ebenfalls Enteritis vermerkt. Ob sein Neffe Joseph Bukofzer, der aufgrund seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg Mitte November 1942 auch nach Theresienstadt deportiert worden war, bei seinem Tod anwesend war, wird unbeantwortet bleiben. Joseph Bukofzer starb mit 59 Jahren am 23. März 1944 im Ghetto.

In der Oranienstraße 120 in Berlin-Kreuzberg, wo Moritz Mendel Silberblatt vor 1936 wohnte, wurde schon am 2. Mai 1996 ein Stolperstein für ihn verlegt.

Recherche und Text: Gundula Meiering, April 2025

Quellen:
Mapping the lives; Berliner Adressbücher; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives; Landesarchiv Berlin – WGA-Datenbank, Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage; Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärungen, Reg. 36A (II) 35632 Moritz Silberblatt; Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Entschädigungsbehörde (LABO) Reg. Nr. 170 355 Moritz Silberblatt Antragstellerin: Ruth Bruck, Elly Weill und Charles Weill (ehemals Carl Weil); Recherchen im Rahmen der Ausstellung „Juden in Kreuzberg“ (1991) am Kreuzberg Museum, Biographische Zusammenstellung für Moritz Mendel Silberblatt in der Oranienstraße 120 von Lorraine Bluche

Stolperstein Edith Steiner

Stolperstein Edith Steiner

HIER WOHNTE
EDITH STEINER
GEB. BRY
JG. 1872
DEPORTIERT 15.6.1942
ERMORDET IN
SOBIBOR

Edith Steiner wurde als Edith Bry am 5. Juli 1872 in Berlin geboren. Für ihre Eltern,
den Kaufmann Louis Bry (*1826) und Doris Bry geborene Rosenthal (*1834), war sie das jüngste von insgesamt acht Kindern. Das erste Kind Jenny wurde 1857 nur zwei Monate alt. Ediths ältester Bruder Jean (Jakob) (*1858) war 14 Jahre, Martha (*1859) 13 Jahre, Regina (*1861) 11 Jahre, David (*1863) 9 Jahre und Margarete (*1864) 8 Jahre älter als sie. Auch ihre Schwester Toni starb 1867 schon nach zwei Monaten. Ihr Vater starb am 3. Juli 1886 zwei Tage vor Ediths 14. Geburtstag.

Wann und wo sie ihren späteren Ehemann, den 31-jährigen aus Wien in Österreich stammenden Rechtsanwalt und Notar Ludwig Steiner (*13. Dezember 1864), kennenlernte, ist nicht bekannt. Sie heirateten am 2. April 1896 in Berlin. Trauzeuge war Ludwigs Onkel, der Rechtsanwalt Hugo Wurm, da sein Vater Carl Steiner zu diesem Zeitpunkt schon verstorben war. Ihr Sohn Carl Hans wurde am 23. März 1897 in der Friedrichstraße 21 in Berlin-Mitte geboren.

Von 1908 bis 1933 wohnte die Familie am Kurfürstendamm 57. Ediths Ehemann, der Justizrat Ludwig Steiner, führte seine Kanzlei zusammen mit Dr. Arthur Jacobi Unter den Linden 57/58.

Ihr Sohn Hans wurde Publizist von Beruf und veröffentlichte unter dem Namen Hanns, mit Doppel-n, Steiner. Am 27. September 1930 heiratete der Verlagsdirektor Hans Steiner die Verkäuferin Anna Helene Borchert.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde dem Justizrat Ludwig Steiner wie allen jüdischen Rechtsanwälten im Frühjahr 1933 erst einmal die Zulassung entzogen, dann wurde er als Rechtsanwalt aber wieder zugelassen.

Die Ehe von Sohn Hans und Schwiegertochter Anna wurde am 9. Februar 1934 geschieden.

Als Ediths Ehemann Ludwig Steiner mit 72 Jahren am 19. April 1937 starb, wohnten sie in der Lietzenbuger Straße 22 in Berlin-Charlottenburg, ganz in der Nähe ihrer Schwester, die in der Lietzenburger Str. 37 wohnte.

Am 14. Juni 1938 verhaftete die Gestapo ihren Sohn, den Kaufmann Hanns Steiner, in Berlin und internierte ihn sieben Monate im Konzentrationslager Buchenwald. Edith wohnte damals in der Brandenburgischen Straße 46. Als Hanns am 17. Januar 1939 entlassen wurde, wohnte sie zur Untermiete bei Bertha Walther in der Ansbacherstraße 34 in Berlin-Schöneberg. Vermutlich zog sie danach in die Trautenaustraße 18 zur Untermiete, denn als Hauptmieterin war sie nicht gemeldet.

Edith Steiner befand sich bei der „Minderheiten-Volkszählung am 17. Mai 1939 in der Heil- und Pflegeanstalt in Sayn (Bendorf) in der Nähe von Koblenz. Hierbei handelte es sich um die Jacoby´schen Heil- und Pflegeanstalt, eine Einrichtung für jüdische „Nerven- und Gemütskranke“.

Ediths Sohn Hanns Steiner war erneut festgenommen worden und saß in Hannover im Gefängnis in der Leonhardtstraße ein. Am 22. November 1939 wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt, wo er bis zum 11. September 1940 interniert war.

Am 15. Juni 1942 wurde Edith Steiner von Sayn aus über Koblenz, Köln und Düsseldorf in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Sie starb mit 70 Jahren.

Recherche und Text: Gundula Meiering, Mai 2025

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the lives; Berliner Adressbücher; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives; Landesarchiv Berlin – WGA-Datenbank, Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage; Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärungen, Reg. 36A (II) 36956 Hanns Steiner

Stolperstein Hanns Steiner

Stolperstein Hanns Steiner

HIER WOHNTE
HANNS STEINER
JG. 1897
VERHAFTET 1939
BUCHENWALD
1939 SACHSENHAUSEN
ERMORDET 1.2.1943
AUSCHWITZ

Carl Hans Steiner wurde am 23. März 1897 in der Friedrichstraße 21 in Berlin-Mitte geboren. Für seine Eltern, den aus Wien stammenden Rechtsanwalt und Notar Ludwig Steiner (*1864) und die aus Berlin stammende Edith Steiner geborene Bry (*1872), war er der einzige Sohn. Seit 1908 wohnte die Familie am Kurfürstendamm 57 in Charlottenburg.

Unter dem Namen Hanns, mit Doppel-n, Steiner wurde er Publizist, Verleger und Herausgeber von Beruf. Er arbeitete u.a. als Verlagsdirektor bei dem Almanach-Verlag mit Büro am Belle-Alliance-Platz, dem Buch-Film-Verlag und einem Verlag seines eigenen Namens, Hanns-Steiner-Verlag. Zusammen mit Lothar Brieger (*1879-1949) brachte er 1919 „Zirkus-Berlin: Bilder Berliner Lebens“ und 1920 „Die Stadt im Taumel: Zeitbilder“ heraus. Auch Kurt Tucholsky veröffentlichte unter zwei verschiedenen Pseudonymen Texte in diesem Buch. 1921 kündigte die Zeitschrift “Der Kinematograph” Hanns Steiners Buch „Madame Dubarry“ als eine “flotte Erzählung” an. Es handelte sich um eine Nacherzählung des berühmten UFA-Stummfilms “Madame Dubarry” von Ernst Lubitsch.

Am 27. September 1930 heiratete der Verlagsdirektor Hanns Steiner die Verkäuferin Anna Helene Borchert. Die Ehe wurde am 9. Februar 1934 geschieden.

Als Hanns 40 Jahre alt war, starb am 19. April 1937 sein Vater. Ein Jahr später, am 14. Juni 1938, verhaftete die Gestapo Hanns Steiner in Berlin und internierte ihn sieben Monate im Konzentrationslager Buchenwald. Der Grund für die Internierung konnte nicht recherchiert werden. Vermutlich brachte seine publizistische Tätigkeit ihn dort hin. Als Hanns am 17. Januar 1939 entlassen wurde, wohnte seine Mutter zur Untermiete bei Bertha Walther in der Ansbacherstraße 34 in Berlin-Schöneberg. Danach zog sie höchstwahrscheinlich in die Trautenaustraße 18 zur Untermiete, denn als Hauptmieterin war sie nicht gemeldet.

Bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939 war sie in der Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn im Landkreis Mayen-Koblenz, Rheinprovinz gemeldet.
Hanns wurde erneut festgenommen und saß in Hannover im Gefängnis in der Leonhardtstraße ein. Am 22. November 1939 wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt, wo er bis zum 11. September 1940 interniert war. Was danach mit ihm geschah, ist ungewiss.

Am 15. Juni 1942 wurde seine Mutter Edith Steiner von Sayn über Koblenz, Köln und Düsseldorf in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.

Hanns Steiner wurde am 1. Februar 1943 in Auschwitz ermordet. Wann er deportiert wurde, war nicht herauszufinden, weil sein Name auf keiner Deportationsliste auftauchte. Er starb mit 45 Jahren.

Recherche und Text: Gundula Meiering mit Unterstützung von Christine Wunnicke, Mai 2025

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the lives; Berliner Adressbücher; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives; Landesarchiv Berlin – WGA-Datenbank, Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage; Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärungen, Reg. 36A (II) Hanns Steiner

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