Stolpersteine Xantener Str. 4

Hauseingang Xantener Str. 4.

Hauseingang Xantener Str. 4.

Die Stolpersteine für Julius und Marie Cahn wurden am 20.03.2012 verlegt.
Der Stolperstein für Liane Brandt Cohen wurde am 2.4.2013 verlegt. Die Stolpersteine für Hedwig und Johannes Walter Hörniss wurden am 24.3.2023 verlegt und von den Enkelkindern Tim Stammers mit Ehefrau Cindy sowie Carol Froud mit Ehemann Robert gespendet.

Stolperstein Julius Cahn

Stolperstein Julius Cahn

HIER WOHNTE
JULIUS CAHN
JG. 1869
DEPORTIERT 28.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.9.1942
TREBLINKA

Stolperstein Marie Cahn

Stolperstein Marie Cahn

HIER WOHNTE
MARIE CAHN
GEB. MAMROTH
JG. 1879
DEPORTIERT 28.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.9.1942
TREBLINKA

Stolperstein Liane Brandt Cohen, Foto: F. Siebold, April 2013

Stolperstein Liane Brandt Cohen

HIER WOHNTE
LIANE
BRANDT COHEN
GEB. BEHREND
JG. 1884
DEPORTIERT 17.5.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Johannes Walter Hörniss

Stolperstein Johannes Walter Hörniss

HIER WOHNTE
JOHANNES WALTER
HÖRNISS
JG. 1894
DEPORTIERT 26.2.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Johannes Walter Hörniss wurde am 2. August 1894 als Sohn des Uhrmachermeisters Nikolaus Hörniss und seiner Frau Agnes, geb. Reuter, in Halle a.d.Saale geboren. Über seine Vorfahren ist nichts bekannt.

Ab 1. April 1904 bis 30. September 1909 besuchte Johannes die Mittelschule für Jungen und erhielt exzellente Zeugnisse in allen Fächern, einschließlich englisch und französisch. Am 1. Oktober 1909 begann er seine Ausbildung zum Kaufmann bei der Firma August Mann in Halle a.d. Saale und besuchte gleichzeitig die Berufsschule. Nach Abschluss der Lehre 1912 arbeitete er zunächst weiter in diesem Unternehmen, wechselte 1914 zur Firma C. Faust jun. in Stralsund und schließlich in die Ferd. Flinsch GmbH.

MILITÄRPASS MIT EISERNEM KREUZ

Militärpass mit Eisernem Kreuz

Gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 verpflichtete Johannes Hörniss sich im Alter von 20 Jahren freiwillig als Soldat und wurde im Infanterieregiment 203 eingesetzt. Im Oktober 1915 wurde er verwundet und in ein Reserveregiment versetzt. Im Juli 1917 wurde er reaktiviert und diente an der sog. „Palästinafront” in der 7. Armee unter General Erich von Falkenhayn. Er erkrankte an Malaria und wurde im Ortslazarett von Haidar Pascha in Palästina behandelt. Dort arbeitete er noch nach dem Waffenstillstand am 30. Oktober 1918 und kam im März 1919 nach Berlin. Er wurde mit dem „Eisernen Kreuz” und einer weiteren Medaille ausgezeichnet, da er den ganzen Krieg hindurch seinem Vaterland gedient hatte.

Heiratsurkunde.

Im Standesamt von Wilmersdorf heiratete der katholische Johannes Hörniss, der damals in der Uhlandstraße 49 in Berlin-Wilmersdorf wohnte, am 12. Mai 1923 Hedwig, die am 7. Februar 1895 als Tochter des jüdischen Kaufmanns Adolf Lewin und seiner Frau Frea, geb. Bein, in Berlin geboren worden war.

Bescheinigung über die kirchliche Trauung.

Das Ehepaar Hörniss lebte in der Xantener Straße 4. Johannes arbeitete in verschiedenen Telefongesellschaften – u.a. bei der Philips Deutschland GmbH, die 1926 als Tochterunternehmen des niederländischen Philips Konzerns in Berlin gegründet worden war. Von 1935 bis 1939 war er bei Kempinsky & Co. beschäftigt.

Am 31. Dezember 1923 wurde die erste Tochter Helga Frea und am 22. Oktober 1926 die zweite Tochter Lore geboren. Die Eltern ließen ihre beiden Töchter am 6. Juli 1934 in der Katholischen Pfarrkirche zu Halle a.d. Saale taufen. Zudem ließen sich Johannes und Hedwig angesichts der zunehmenden Repressalien des nationalsozialistischen Regimes gegen jüdische Menschen am 13. Februar 1939 in der St. Ludwig-Kirche in Wilmersdorf nach katholischen Ritus trauen. Diese Bekenntnisse zum katholischen Glauben schützten die Familie aber nicht vor der weiteren Verfolgung durch die Nationalsozialisten und ihrem Rassenwahn.

Abgangszeugnis Helga Hörniss.

Helga besuchte nach der Volksschule gut vier Jahre lang die Königin-Mathilde-Schule, eine Oberschule für Mädchen in Wilmersdorf. Ihr Abgangszeugnis aus der 5. Klasse vom 11. Oktober 1938 besagte, dass sie die Schule verlasse „um sich auf einen Beruf vorzubereiten” – sie war knapp 15 Jahre alt. Das sollte vermutlich verschleiern, dass sie trotz der katholischen Taufe als jüdische Schülerin betrachtet wurde und keine öffentliche Schule mehr besuchen durfte.

Johannes Walter Hörniss

Johannes Walter Hörniss

Auch Lore besuchte die Königin-Mathilde-Schule und erhielt in der 2. Klasse ebenfalls am 11. Oktober 1938 ein Zeugnis, das keine entsprechende Bemerkung aufwies, sondern besagte, dass es „zum Wiederbeginn des Unterrichts, am 20. X., von dem Erziehungsberechtigten unterschrieben” vorzulegen sei. Auch sie wird allerdings vom weiteren Schulbesuch ausgeschlossen worden sein, denn nach der Pogromnacht vom 9./10. November wurde das schon im April 1933 verabschiedete „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen” dahingehend ergänzt, dass ab dem 15. November 1938 jüdischen Schülern und Schülerinnen der Besuch öffentlicher Schulen komplett verboten wurde, „…da es keinem deutschen Lehrer …mehr zugemutet werden (könne) an jüdische Kinder Schulunterricht zu erteilen”.

Den Eltern war die Bedrohung durch das nationalsozialistische Gewaltregime durchaus bewusst, zumal die Töchter trotz der katholischen Taufe gem. den Nürnberger Gesetzen von 1935 von den Nazis als „Mischlinge ersten Grades” angesehen wurden. So trennten sie sich von ihren Töchtern, und beide Mädchen wurden mit einem der letzten Kindertransporte 1939 nach England geschickt und konnten gerettet werden. Sie wurden zu Krankenschwestern ausgebildet. Johannes und Hedwig Hörniss versuchten, Visa für die Flucht nach Argentinien zu bekommen und hatten bereits im April 1939 die sogenannte „Reichsfluchtsteuer” bezahlt – vergebens.

Das Haus an der Xantener Straße 4 wurde von den Nationalsozialisten 1938/1939 zu einem sogenannten „Judenhaus” gemacht, in das viele jüdische Menschen zwangsweise eingewiesen wurden, nachdem sie vorher aus ihren angestammten Wohnungen vertrieben worden waren. Auch die Familie Hörniss musste damals „Untermieter” bei sich aufnehmen. Mindestens 22 Menschen wurden aus diesem Haus deportiert. Vor der Deportation wurde das Ehepaar Hörniss selbst auch noch aus seiner Wohnung an der Xantener Straße 4 vertrieben und zwangsweise in eine sog. „Judenwohnung” an der Düsseldorfer Straße 65 eingesiedelt.

HEDWIG HÖRNISS

Hedwig Hörniss

Die letzte Nachricht an ihre Töchter schrieben Johannes und Hedwig Hörniss am 24. Februar 1943. Vermutlich am Tag darauf mussten sie sich in dem von den Nationalsozialisten als „Sammellager” missbrauchten ersten Altenheim der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Große Hamburger Straße 26 einfinden. Von dort aus wurden sie am 26. Februar 1943 zum Güterbahnhof Moabit getrieben und mit dem sogenannten „30. Osttransport” – zusammen mit 900 weiteren jüdischen Berlinerinnen und Berlinern sowie 200 aus anderen Orten stammenden Menschen – nach Auschwitz deportiert.

Hedwig Hörniss wurde am 14. März 1943 ermordet. Für Johannes Hörniss gibt es kein genaues Todesdatum.

Recherche: Cindy und Tim Stammers (Sohn von Helga), Carol (Tochter von Lore) und Robert Froud
Biografische Zusammenstellung: Gisela Morel-Tiemann nach deren Angaben.

Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Adressbücher
- Deportationsliste: 30. Osttransport (statistik-des-holocaust.de) Nr. 1009 und 1010
- Dokumente und Fotos im Besitz der Nachkommen
- Palästinafront – Wikipedia

  • Hörniss Biography english

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Stolperstein Hedwig Hörniss

Stolperstein Hedwig Hörniss

HIER WOHNTE
HEDWIG
HÖRNISS
GEB. LEWIN
JG. 1895
DEPORTIERT 26.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 14.3.1943