Stolpersteine Nassauische Str. 16 a

Hauseingang Nassauische Str. 16 a

Hauseingang Nassauische Str. 16 a

Diese Stolpersteine wurden am 22. Oktober 2009 verlegt.

Stolperstein für Ilse Blumenthal

Stolperstein für Ilse Blumenthal

HIER WOHNTE
ILSE BLUMENTHAL
JG. 1891
DEPORTIERT 16.6.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET MAI 1944 IN
AUSCHWITZ

Stolperstein für Bianca Blumenthal

Stolperstein für Bianca Blumenthal

HIER WOHNTE
BIANCA BLUMENTHAL
JG. 1891
DEPORTIERT 16.6.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET MAI 1944 IN
AUSCHWITZ

Bianca und Ilse Blumenthal wurden als Zwillinge am 13. Juni 1891 in Berlin geboren. Ihr Vater war der Kaufmann und Geschäftsinhaber Louis Blumenthal (* 2. März 1852) aus Lauenburg (Lebork) in Hinterpommern an der Ostseeküste. Er hatte am 21. Dezember 1882 Franziska Cassel (* 4. Mai 1862), Tochter von Arndt und Johanna Cassel aus Baldenburg (Biały Bór), Kreis Schlochau, geheiratet. Am 13. Dezember 1884 kam ihr erstes Kind, ihr Sohn Alfred, zur Welt.

Über die Kindheit und Jugend der Zwillinge konnte nichts recherchiert werden. Ilse erlernte den Beruf einer Büroangestellten. Bianca wurde Kontoristin von Beruf.
Ihr sechs Jahre älterer Bruder Alfred erlernte wie sein Vater den Beruf eines Kaufmanns und lebte als alleinstehender Mann in der Lützowstraße 54 in Berlin-Tiergarten-Mitte.
Er erkrankte zu einem nicht bekannten Zeitpunkt an Epilepsie. In der „Städtischen Anstalt für Epileptische – Wuhlgarten” bei Biesdorf/Berlin starb Alfred am 6. September 1917 mit 32 Jahren. Der Klinikkomplex war Ende des 19. Jahrhunderts östlich der Berliner Stadtgrenze zur Behandlung von Epilepsiekranken erbaut und eröffnet worden.
Zwei Monate nach Alfreds Tod starb am 18. November 1917 ihr Vater mit 65 Jahren in der gemeinsamen Wohnung in der Potsdamer Straße 118. Die Mutter wurde mit 55 Jahren Witwe, die Zwillinge mit 26 Jahren Halbwaisen.
Als die Mutter am 19. Januar 1925 starb, wohnte die Familie in der Pallasstraße 7/8 in Berlin-Schöneberg. Das Jüdische Adressbuch führt Ilse Blumenthal dann in der Gleditschstraße 30 in Berlin-Schöneberg.
Wann genau die Zwillinge in die Nassauische Straße 16 a zogen, ist nicht bekannt. Im Telefonbuch findet man sie dort ab 1938.

Ab September 1941 wurden Bianca und Ilse wie alle Juden und Jüdinnen im Deutschen Reich gezwungen, den gelben Stern zu tragen. Dass sie zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, ist wahrscheinlich.

Der fünf Jahre ältere Diplom-Ingenieur Paul Murinick (* 15. März 1886 in Sankt Petersburg), der bei der „Minderheiten-Volkszählung“ noch um die Ecke in der Güntzelstraße 46 gewohnt hatte, lebte zum Zeitpunkt ihrer Festnahme durch die Gestapo als Untermieter bei den Zwillingen. Das Reichssicherheitshauptamt wies sie, wie in der Deportationsliste vermerkt, dem Alterstransport am 16. Juni 1943 zu. Drei Tage nach ihrem 52. Geburtstag wurden die Zwillinge mit weiteren 458 Personen in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Fast ein Jahr lebten sie unter katastrophalen Bedingungen im Ghetto. Paul Murinick starb mit 57 Jahren am 3. Januar 1944 aufgrund der unmenschlichen Verhältnisse. Bianca und Ilse deportierte die SS am 18. Mai 1944 weiter nach Auschwitz. Hier ermordeten sie sie in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau kurz nach ihrer Ankunft.
Bianca und Ilse starben einen Monat vor ihrem 53. Geburtstag.

Text und Recherche: Gundula Meiering, Januar 2025

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the Lives; Berliner Adressbuch; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives – Deportationslisten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen über Ancestry; My Heritage

Stolperstein für Elisabeth Lichtenstein

Stolperstein für Elisabeth Lichtenstein

HIER WOHNTE
ELISABETH
LICHTENSTEIN
GEB. SCHÖNWALD
JG. 1879
DEPORTIERT 24.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 16.4.1943

Elisabeth Lichtenstein geborene Schönwald wurde am 30. November 1879 in Breslau geboren. Ihr Vater war der Kaufmann Paul Pincus Schönwald (* 21. Januar 1846), Sohn eines Webermeisters aus Lublinitz. Ihre Mutter Sara Schönwald geborene Moses (* 10. Dezember 1851), die Tochter eines jüdischen Kantors, stammte aus Schroda (Środa) im Osten der Provinz Posen. Sie hatten am 12. Dezember 1877 in Lublinitz geheiratet. Ihre ein Jahr ältere Schwester hieß Rosa (* 8. Oktober 1878). 1880 kam ihr Bruder Kurt, 1881 Ernst (* 24. Mai 1881) und 1884 Erich zur Welt.
Über Elisabeths Kindheit und Jugend konnte nichts recherchiert werden. Es ist anzunehmen, dass sie wie ihre Schwester Rosa Modistin wurde und später das Geschäft ihrer Schwester in Breslau übernahm.
Wann und wo Elisabeth den Kaufmann Max Lichtenstein (* 9. August 1869 in Ratibor (Racibórz)) kennenlernte, ist nicht bekannt. Am 5. September 1923 heirateten sie in Berlin-Schöneberg. Elisabeth war damals schon 43 und Max 54 Jahre alt.
Die Geschäftsinhaberin Elisabeth Schönwald wohnte damals in Berlin-Schöneberg in der Schwäbischen Straße 27. Der kaufmännische Angestellte Max Lichtenstein lebte zum Zeitpunkt der Heirat in Fredersdorf an der Ostbahn in der Nähe Berlins. Sein Bruder Dr. med. Hermann Lichtenstein praktizierte in Breslau, sodass anzunehmen ist, dass die Familien Schönwald und Lichtenstein sich aus Breslau kannten.
Ihre Trauzeugen waren der 39-jährige Apotheker Siegfried Falk aus der Königin-Augusta-Straße 50 in Berlin-Tiergarten, der auch aus Breslau stammte, und Elisabeths Bruder, der Kaufmann Ernst Schönwald, der damals in der Bozener Straße 9 in Berlin-Schöneberg wohnte.

1927 zogen Max und Elisabeth in die Nassauische Straße 16 a in eine komfortable 3-Zimmer-Wohnung im 4. Stock des Vorderhauses mit Fahrstuhl. Hier wohnten die beiden auch noch bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939. Noch im gleichen Jahr, am 4. September 1939, starb Max mit 70 Jahren an Herzschlagaderverkalkung und Herzschwäche. Elisabeth wurde mit 60 Jahren Witwe. Von der Reichsversicherungsanstalt bekam sie eine Witwenrente von 32 RM, die bei weitem nicht ausreichte, um die Miete in Höhe von 120 RM zu bezahlen. Sie bot deshalb zwei Zimmer ihrer Wohnung zur Untermiete an.
In das größere Zimmer von 27 qm zog das Ehepaar Ernst (* 1895) und Erna (* 1902) Rosenau. Für dieses Zimmer erhielt Elisabeth 60 RM. Laura Guttentag (* 1867) mietete ein 18 qm großes Zimmer für 50 RM.

1940 hatte Elisabeth noch ein Gesamtvermögen von 4.927 RM. 1941 blieben ihr noch ca. 2.100 RM. Als sie kurz vor ihrer Deportation 1942 ihre Vermögenserklärung ausfüllte, gab sie ein Guthaben von 165,80 RM bei der Deutschen Bank an.
Sie teilte dort ebenfalls mit: „Untermieter stehen in Arbeit und wandern nicht mit ab.“
Am 20. Juli 1942 unterschrieb sie die Vermögenserklärung, die ihr am 23. Juli in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 in Berlin zugestellt wurde. Am 24. Juli 1942 wurde sie in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort lebte sie noch gut acht Monate.

Am 3. Oktober 1942 wurde ihre 75-jährige Untermieterin Laura Guttentag mit dem 3. Großen Alterstransport auch in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die Untermieter Ernst und Erna Rosenau folgten am 17. März 1943 nach Theresienstadt.
Aufgrund der unmenschlichen Zustände im Ghetto starb Elisabeth Lichtenstein geborene Schönwald am 16. April 1943 mit 63 Jahren.
Der Untermieter Ernst Rosenau wurde in Auschwitz ermordet. Seine Frau Erna Rosenau sowie Laura Guttentag haben Theresienstadt überlebt.

Text und Recherche: Gundula Meiering, Januar 2025

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the Lives; Berliner Adressbuch; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives – Deportationslisten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über Ancestry; My Heritage;
Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärung, Reg.36A (II) 23118 Elisabeth Lichtenstein

Stolperstein für Dr. Otto Meldelsson

Stolperstein für Dr. Otto Meldelsson

HIER WOHNTE
DR. OTTO
MENDELSSON
JG. 1880
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET MAI 1944 IN
AUSCHWITZ

Dr. med. Otto Mendelson, geboren am 26. März 1880 in Breslau, wurde am 03. Oktober 1942 nach Theresienstadt und von dort am 16. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sein Sohn Wolfgang Alexander Mendelson, geboren am 04. Mai 1925 in Berlin, wurde ebenfalls am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort ist er im März 1943 ermordet worden.

Stolperstein für Wolfgang A. Mendelsson

Stolperstein für Wolfgang A. Mendelsson

HIER WOHNTE
WOLFGANG A.
MENDELSSON
JG. 1925
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET MÄRZ 1943

Wolfgang Alexander Mendelsson wurde am 4. Mai 1925 in Berlin geboren. Sein Vater Dr. Otto Mendelsson (* 26. März 1880 in Breslau) war bei seiner Geburt 45 Jahre, seine Mutter Dr. Hedwig Rosa Luise Mendelsson geborene Caro (* 16. Juli 1893 in Berlin) 32 Jahre alt. Sie hatten am 4. Oktober 1923 geheiratet. Er war Facharzt für Haut- und Harnkrankheiten und sie war praktische Ärztin. Zusammen betrieben sie eine Gemeinschaftspraxis in der Lützowstraße 72 in Berlin-Tiergarten-Mitte.

Wolfgangs Großeltern mütterlicherseits, Dr. med. Heymann Caro und Flora Caro geborene Jastrow, lebten ebenfalls in Berlin, in der Bergmannstraße 110 in Kreuzberg. Flora Caro verstarb am 19. Januar 1936, als Wolfgang zehn war. Seine Großeltern väterlicherseits, der Kaufmann und Destillateur Adolph Mendelsson und Jenny Mendelsson geborene Auerbach aus Breslau, hatte er nicht mehr kennenlernen können. Sie waren schon vor seiner Geburt gestorben.

Als Wolfgang fünf Jahre alt war, starb am 17. August 1930 seine Mutter bei einem tragischen Busunfall in den Bergen in Hohenelbe (Vrchlabí, Tschechien), wie sein Cousin Allan Manning in einem USC Shoah-Foundation-Interview 1995 erzählte. Wolfgangs Vater wurde mit ca. 50 Jahren Witwer und alleinerziehender Vater. Die Urne von Dr. Hedwig Mendelsson wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt.

Schulkarte von Wolfgang Alexander Mendelsson

Von 1931-1935 besuchte Wolfgang eine öffentliche Volksschule. Aufgrund der zunehmenden Diskriminierungen gegenüber Juden wechselte er 1935 auf die im Mai 1935 gegründete „Private Jüdische Schule Dr. Leonore Goldschmidt“ in Berlin-Grunewald.

Die Goldschmidt-Oase, wie sie viele Ehemalige nannten, bot den jüdischen Kindern einen Schutzraum vor den alltäglichen Anfeindungen und wurde zu einem Ersatzzuhause, in dem sie sich frei und unbeschwert entwickeln konnten. Durch die Anstellung von Philip Woolley, eines britischen Lehrers für muttersprachlichen Englischunterricht, erhielt die Ausbildungsstätte den Status einer zweisprachigen Schule, deren Abschlüsse von der Universität Cambridge anerkannt wurden. So konnten die Kinder auf die absehbare Emigration vorbereitet werden.

Seit 1938 wurde die Goldschmidt-Schule als ausländische Einrichtung geführt, da Dr. Goldschmidt sie für einen Kaufpreis von 10 RM an Philip Woolley, den britischen Lehrer, verkauft hatte. Aufgrund dessen wurde die Schule bei den Novemberpogromen 1938 nicht angetastet. Das rettete vielen Kindern das Leben. Sie konnten im Winter 1938 und im Frühjahr 1939 mit den Kindertransporten nach England emigrieren.

Wolfgangs Cousin Adolf Mendelsson aus Breslau war in der Reichspogromnacht 1938 in Breslau festgenommen und im Konzentrationslager Buchenwald interniert worden. Er wurde einen Monat später mit der Auflage frei gelassen, dass er Deutschland so schnell wie möglich verlassen müsse. Bevor er nach Australien emigrierte, traf er sich in Berlin noch mit Wolfgangs Vater. Er flehte ihn an, Wolfgang nach England zu schicken, sonst wäre er als Vater für den Tod seines Sohnes verantwortlich.

Adolf Mendelsson (Allan Manning) vermutete später in einem Interview, dass die sehr enge Beziehung zwischen Vater und Sohn die Ausreise Wolfgangs nach England verhinderte.

Bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939 waren der 13-jährige Wolfgang Mendelsson und sein 59-jähriger Vater Otto in der Nassauische Straße 16 a in Berlin-Wilmersdorf gemeldet.

Nach der Schließung der Goldschmidt-Schule wechselte Wolfgang im Oktober 1939 an eine andere jüdische Schule, wo der 16-Jährige am 31. März 1942 sein Abitur ablegte.
Danach arbeitete er als jugendlicher Helfer bei der Jüdischen Kultusvereinigung.

1941 zogen Wolfgang und sein Vater zu Wolfgangs Onkel Richard, dem jüngsten Bruder seines Vaters, in das Hansaviertel am Siegmunds Hof 15. Ein Jahr später, 1942, lebten sie zur Untermiete bei der Hauptmieterin Else Schragenheim in der Levetzowstraße 12 a. Dies war ihre letzte Adresse in Berlin. Im Herbst 1942 erhielten Otto, Wolfgang und Richard Mendelsson den Deportationsbefehl. Polizisten der Stapoleitstelle und der Kriminalpolizei brachten sie in die Sammelstelle in der Großen Hamburger Straße 26. Hier mussten sie ihre Vermögenserklärungen ausfüllen, die sie am 2. Oktober 1942 unterschrieben. Am 3. Oktober 1942 wurden Otto und Wolfgang zusammen mit 958 mehrheitlich älteren Personen mit dem „3. großen Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Da Richard noch Vermögen besaß, zu dem es womöglich von Seiten der Gestapo Rückfragen gab, wurde er erst am 28. Oktober 1942 mit 305 weiteren gelisteten Personen in das Ghetto Theresienstadt gebracht.

Wolfgang Mendelsson starb im März 1943 aufgrund von menschenunwürdigen Lebensbedingungen im Alter von 17 Jahren im Ghetto Theresienstadt.

Ein halbes Jahr später, am 17. Oktober 1943, starb auch sein Onkel Richard im Ghetto Theresienstadt. Wolfgangs Vater, Dr. Otto Mendelsson, blieb allein zurück. Er wurde am 16. Mai 1944 von Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Er starb mit 64 Jahren.

Text und Recherche: Gundula Meiering, Januar 2025

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the Lives; Berliner Adressbuch; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives – Karteikarten, Deportationslisten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über Ancestry; My Heritage; Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärung, Reg.36A (II) 26179 Otto und Wolfgang Mendelsson;
Jüdische Friedhof Berlin-Weißensee – Anfrage vom 15. Dezember 2024