Stolpersteine Gasteiner Str. 13

Hauseingang Gasteiner Straße 13

Hauseingang Gasteiner Straße 13

Diese Stolpersteine wurden am 8. April 2022 verlegt.

Für Gertrud Blochs Mutter Fanny Putter wurde vor dem Haus Gasteiner Straße 13 am 8. April 2022 ein Stolperstein verlegt

Stolperstein Lina Joseph

Stolperstein Lina Joseph

HIER WOHNTE
LINA JOSEPH
GEB. POLLACK
JG. 1870
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
29.4.1941

Lina Pollack wurde am 1. Februar 1870 in Freiburg im Breisgau geboren. Ihr Vater war der Kaufmann Jacob Pollack, ihre Mutter war Sophia geb. Kaufmann. Lina hatte vier Geschwister – so war es handschriftlich in der Sterbeurkunde Sophia Pollacks vermerkt – von denen jedoch nur drei bekannt sind: Eugen, geb. am 16. Februar 1871, Recha Leers geb. Pollack, geb. am 22. Februar 1872 und Hermine Wilde geb. Pollack, geb. am 2. Oktober 1878. Alle Geschwister kamen in Freiburg auf die Welt.

Am 19. März 1894 heiratete Lina vor dem Berliner Standesamt den drei Jahre älteren Hugo Joseph. Laut Heiratsurkunde war sie „ohne besonderen Beruf“. Hugo stammte aus Breslau und war Bankbeamter und Sohn des Lehrers Dr. phil. Richard Joseph. Trauzeuge war u. a. Linas Bruder Eugen, der ebenfalls damals schon in Berlin ansässig war und in Schöneberg in der Martin–Luther–Straße eine Schirmfabrikation betrieb. Sophia Pollack war mit ihren Kindern nach Berlin gezogen, nachdem ihr Mann Jacob in Freiburg verstorben war.
Lina und Hugos Ehe blieb allem Anschein nach kinderlos. Sie wohnten von Beginn ihrer Ehe an in der Gasteiner Straße 13, Gartenhaus 1. Stock.
1911 wurde Linas Mutter durch einen Herzschlag aus dem Leben gerissen und am 28. September 1916 starb ihr Mann Hugo im Alter von 49 Jahren. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee bestattet.
Lina behielt die eheliche Wohnung in der Gasteiner Straße, vielleicht hat sie zur Finanzierung ihres Unterhalts Zimmer an andere jüdische Mitbewohner vermietet.
Noch vor der sogenannten „Wannseekonferenz“, in der zynischerweise die „Endlösung der Judenfrage“, d.h. die systematische Ermordung aller europäischen Juden beschlossen wurde, und ein halbes Jahr vor den ersten Deportationen der Berliner Juden nach Litzmannstadt (Łódź) nahm sich Lina Joseph das Leben. Die zunehmende offene Entrechtung, Diskriminierung und Drangsalierung der jüdischen Bevölkerung wird für Lina nicht mehr auszuhalten gewesen sein.
Sie wurde noch in das Krankenheim der Israelitischen Gemeinde in der Elsässer Straße (heute Torstraße) eingeliefert und verstarb dort am 29. April 1941. In der Sterbeurkunde wird ein „Freitod“ nicht erwähnt, sondern es ist von einer „arteriellen Embolie des Unterschenkels“ und „Kreislaufschwäche“ die Rede. Auch in der Beerdigungsanmeldung, die durch den Bruder Eugen erfolgte, wird als Todesursache „Kreislaufschwäche“ angegeben. Eine Kennkarte, die dem International Tracing Service vorliegt, bestätigt jedoch den Freitod.
Lina Joseph wurde am 4. Mai 1941 an der Seite ihres Mannes auf dem Jüdischen Friedhof Berlin – Weissensee bestattet. Ihr Grab ist im Feld T, Abt. IV, Reihe 25 Nr. 105608 zu finden.

Recha Leers und Eugen Pollack, die zusammen in der Wielandstraße 30 bei Linas Schwester Hermine Wilde wohnten, wurden zunächst am 9. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 19. September 1942 in Treblinka ermordet.

Hermine Wildes Mann, den Redakteur und Schriftsteller Richard Max Wilde, hatte man im November 1938 im KZ Sachsenhausen ermordet. Sie selbst wurde ebenfalls nach Theresienstadt deportiert. Im Februar 1945 fuhr ein Sonderzug mit 1200 freigekauften Jüdinnen und Juden aus dem KZ Theresienstadt in das in der östlichen Schweiz gelegene St. Gallen – unter den Geretteten war Lina Josephs Schwester Hermine Wilde. Deren 1903 geborener Sohn Joachim-Hans konnte rechtzeitig mit Frau und Kind nach Argentinien flüchten, er starb 1993. Wolfgang, der zweite Sohn, 1911 geboren, wurde am 28.06.1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Für ihn und seinen Vater Richard Wilde liegen Stolpersteine vor der Wielandstraße 30 (https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179408.php)

Recherche und Text: Karin Sievert
Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Bundesarchiv
Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz


Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 

Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

Archiv Centrum Judaicum
Neue Zürcher Zeitung: „Die freigekauften Juden aus Theresienstadt“
Archiv für Zeitgeschichte Zürich
ITS Arolsen Archives

Stolperstein Emma Salzmann

Stolperstein Emma Salzmann

HIER WOHNTE
EMMA SALZMANN
JG. 1877
DEPORTIERT 11.7.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Emma Salzmann kam am 11. Dezember 1877 in Lissa (poln. Leszno) am Südrand der preußischen Provinz Posen auf die Welt. Über Emmas Leben gibt es nur rudimentäre Informationen.
1913 ist im Adressbuch der von Lissa ca. 50 km entfernten Stadt Glogau der Name Therese Salzmann unter der Anschrift Schulstraße 16 zu finden. Daneben ist Natalie Salzmann als Inhaberin eines bekannten Glogauer Schuhgeschäfts eingetragen. Es ist naheliegend, dass es sich bei Therese Salzmann um Emma und Natalies Mutter handelt, denn 1936 steht Emma Salzmann unter derselben Adresse – Schulstraße 16.

Adressbuch Glogau 1913

Adressbuch Glogau 1913

Während Natalie Salzmann verh. Krebs eine erfolgreiche Frau im Geschäftsleben war, lebte die ältere Emma vermutlich berufslos und unverheiratet bei ihrer verwitweten Mutter.
Natalie Krebs verließ 1937 mit Mann und Tochter Glogau, da die Diskriminierung der jüdischen Geschäftsleute sie zwang, das Schuhgeschäft zu veräußern. Sie zogen nach Berlin in die Gasteiner Straße 13. Emma Salzmann ist vermutlich mit ihnen nach Berlin übergesiedelt und hat in der Wohnung der Familie Krebs im Gartenhaus oder in einer der kleineren Wohnungen des Hauses gelebt.

Adressbuch Glogau 1936

Adressbuch Glogau 1936

Am 11. und 13. Juli 1942 wurden mehrere Sammeltransporte mit deportierten Juden aus Berlin, Bielefeld und Hamburg in Bewegung gesetzt, deren Ziele einer besonderen Geheimhaltung unterlagen. Nicht nur die Deportierten, auch die in die Organisation der Transporte eingebundenen Stellen wurden über den genauen Zielort im Unklaren gelassen.

Deportationsliste 11. Juli 1942

Deportationsliste 11. Juli 1942

Emma Salzmann musste sich in der als Sammelstelle für Deportationen missbrauchten Synagoge in der Levetzowstraße in Moabit einfinden und wurde am 11. Juli 1942 mit diesem Sammeltransport verschleppt. Auf der Deportationsliste wurde sie als 15. Person registriert. Hier findet sich erstmals eine Berufsangabe: „Haush.“, was möglicherweise Hausgehilfin bedeuten könnte.
Emma Salzmann wurde im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.

Am 11. September 1942 wurden ihre Angehörigen Max und Natalie Krebs in das Böhmische Ghetto Theresienstadt deportiert und nach weiterer Deportation in Treblinka ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolpersteininitiative Charlottenburg -Wilmersdorf
Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
Deportationslisten

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Adressbücher Glogau von 1913 und 1936

Stolperstein Max Krebs

Stolperstein Max Krebs

HIER WOHNTE
MAX KREBS
JG. 1871
DEPORTIERT 11.9.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Max Krebs kam am 31. Dezember 1871 im Schlesischen Tworog (Horneck)/Gleiwitz auf die Welt. Sein Vater Simon Krebs war Gastwirt, seine Mutter hieß Bertha geb. Kallmann. Max besuchte das Gymnasium in Tarnowitz bis zur 10. Klasse. Er absolvierte eine Lehre und war nach deren Beendigung als „Reisender“ bei der Berliner Firma Alex Wolf beschäftigt.

Stolperstein Natalie Krebs

Stolperstein Natalie Krebs

HIER WOHNTE
NATALIE KREBS
GEB. SALZMANN
JG. 1882
DEPORTIERT 11.9.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

1911 heirateten Max Krebs und Natalie Salzmann in Glogau. Natalie wurde am 20. August 1882 in Glogau geboren. Sie besaß in der Preußischen Straße 49 ein renommiertes Schuhgeschäft, in das Max mit dem Tag der Hochzeit eintrat. Die Wohnung der Familie befand sich am Franziskanerplatz 12 und später in der Hohenzollernstraße 3.
Am 22. Oktober 1913 wurde die einzige Tochter Susi geboren. Sie wuchs in Glogau auf und ging dort zur Schule.

Das Schuhgeschäft Natalie Salzmann vor 1911.

Das Schuhgeschäft Natalie Salzmann vor 1911.

Das Schuhgeschäft wurde von Natalie und Max Krebs gemeinsam geführt, laut Adressbuch blieb Natalie als Eigentümerin eingetragen. Sie beschäftigten drei Angestellte. Die Geschäfte liefen so gut, dass Max Krebs das Grundstück mit dem Haus an der Preußischen Straße 49 kaufen konnte.

Das Schuhgeschäft Salzmann modernisiert.

Das Schuhgeschäft Salzmann modernisiert.

Zu der zahlungskräftigen Kundschaft des „Schuhhauses Salzmann“ gehörten Offiziere, Gutsbesitzer und höhere Beamte der Stadt, die die Markenware des Geschäfts zu schätzen wussten. Wie eine frühere Nachbarin der Familie Krebs berichtete „..genoss die Familie Krebs in Glogau einen besonders ehrenhaften Ruf und führte auch privat ein sehr gepflegtes Haus. Wie ich weiß, konnte Herr Krebs aus dem Erwerb seines Geschäftes seiner Tochter eine gute Erziehung angedeihen lassen und liess der Lebenszuschnitt auf eine sehr gute Existenz schliessen, was sowohl aus den Reisen, als auch aus seiner gut eingerichteten Wohnung hervorging.“

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 ging der sofortige Boykott der jüdischen Geschäfte einher. In der ca. 24 000 Einwohner umfassenden mittleren Kleinstadt Glogau lebten inmitten der vorwiegend protestantischen Bevölkerung nur einige hundert Juden. Das Geschäft der jüdischen Eheleute Krebs war jedermann bekannt. Ein großer Teil der Kundschaft getraute sich deshalb nicht mehr, den Laden zu betreten – oder mied ihn absichtlich. Die Umsätze des Geschäfts gingen dramatisch zurück, 1935 wurden bereits Verluste verzeichnet. Max und Natalie Krebs sahen sich gezwungen, das Schuhgeschäft aufzugeben und es weit unter Wert zu verkaufen. Neuer Besitzer war Heinrich Nowak, der das Schuhgeschäft unter dem Namen „Schuh Nowak Glogau weiterführte.

1937 siedelte die Familie nach Berlin um und zog in eine Wohnung im Gartenhaus II in der Gasteiner Straße 13. Der größte Teil ihrer wertvollen Wohnungseinrichtung war in Glogau geblieben und dort zu Schleuderpreisen veräußert worden. Vielleicht hofften Natalie und Max Krebs, in der Großstadt unter vielen tausenden Juden weniger den Diskriminierungen ausgesetzt zu sein – ein Trugschluss, wie sie und alle anderen Juden erfahren mussten. Da es in Berlin für den jüdischen Kaufmann Max Krebs keinerlei Möglichkeiten mehr gab, in seinem Beruf zu arbeiten, lebte die Familie von dem Wenigen, das ihnen nach der Beschlagnahme ihres Vermögens geblieben war.
Susi heiratete 1939 und hieß nach ihrer Eheschließung Glaser. Nach den Auswüchsen der Pogrome im November 1938 und der darauf massiv einsetzenden Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung fassten Susi Glaser und ihr Ehemann den Entschluss auszuwandern. Sie fanden in Sao Paulo, Brasilien Asyl. Susi sollte ihre Eltern nie wiedersehen.
Am 11. September 1942 wurden Max und Natalie Krebs mit dem 100 Menschen umfassenden „62. Alterstransport“ in das Böhmische Ghetto Theresienstadt verschleppt. Offenbar war das Ghetto zu dieser Zeit schon hoffnungslos überfüllt, denn nur eine Woche später, am 29. September, deportierte man sie weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo sie sofort nach Ankunft ermordet wurden.

Biografische Zusammenstellung: Karin Sievert – Stolpersteininitiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 
WGA 

Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

ITS Arolsen
Adressbuch Glogau von 1913

Stolperstein Samuel Mathias

Stolperstein Samuel Mathias

HIER WOHNTE
SAMUEL MATHIAS
JG. 1861
DEPORTIERT 18.6.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 28.8.1942

Am 2. Januar 1861wurde in Koschmin (poln. Kozmin)/Posen Samuel Mathias geboren. Sein Vater war der Kaufmann Meyer Mathias, die Mutter hieß Therese geb. Fuchs. Ob Samuel weitere Geschwister hatte, ist nicht bekannt.
Samuel wurde ebenfalls Kaufmann und war in der Damen – Konfektionsbranche tätig. Schon 1876 ging er 15-jährig nach Berlin in die Lehre von Moritz Levin, der am Hausvogteiplatz ein „Konfektionsgeschäft en gros“ hatte. Nach Abschluss der Lehre nahm Samuel weitere Stellungen an und machte sich schließlich mit einem Konfektionsgeschäft in der Brunnenstraße selbstständig.
Am 12. Februar 1890 heiratete er Marie Fraenkel. Marie war am 7. Oktober 1862 in Dobrzyca/Krotoschin/Posen als Tochter von Julius Fraenkel und Dorothea geb. Fuchs geboren worden.
Samuel und Marie bekamen drei Söhne. Am 8. Dezember 1890 kam Kurt Max auf die Welt, ein Jahr darauf, am 28.Oktober 1891, Hans Leo. 10 Jahre später, am 24.September 1900 wurde Erich Manfred geboren. Die Familie wohnte zuerst in der Invalidenstraße 2, zog dann um an den Zionskirchplatz und schließlich in die Brunnenstraße 186, wo sich auch Samuels Geschäft befand.
Samuel verkaufte 1905 sein Konfektionsgeschäft und trat in die Firma seines Schwagers „Fraenkel und Roer“, Weißwaren Konfektion, als Chefeinkäufer ein.

Samuel Mathias Mitteilung von Fraenkel und Boer

Mitteilung von Fraenkel und Boer

1932 setzte sich Samuel Mathias zur Ruhe und lebte mit seiner Familie von seinen Ersparnissen.
Seit April 1934 wohnten Samuel und Marie Mathias in der Gasteiner Straße 13. Ihre 3-Zimmer Wohnung befand sich im Gartenhaus, 2. Treppe rechts. Die Wohnung war recht komfortabel ausgestattet mit einer zusätzlichen Mädchenkammer, Fahrstuhl, Balkon, fließend Warmwasser, einer Dampfheizung und einem Badezimmer.
Das Ehepaar Mathias bekam, nachdem der Mieterschutz für Juden 1939 aufgehoben wurde, zwei Untermieter zugewiesen. Es handelte sich um Siegfried Kraft und Johanna Heimann. Johanna Heimann wurde am 12. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und Siegfried Kraft nahm sich am 4. März 1943 angesichts der bevorstehenden Deportation das Leben. Sie wurden vermutlich nach der Verschleppung ihrer Vermieter noch einmal in andere Wohnungen eingewiesen.

Wenige Tage vor ihrer Deportation mussten Samuel und Marie Mathias gegenüber der Oberfinanzbehörde eine Vermögenserklärung abgeben. Sie listeten in diesem Formular akribisch auf, was ihnen 1942 noch verblieben war. Anscheinend war ihnen bis zu diesem Zeitpunkt noch ihr kompletter Hausrat erhalten geblieben. Neben einem kleineren Sparguthaben und der auf 900 RM geschätzten Wohnungseinrichtung wurde ein in Koschmin liegendes Grundstück, das Samuel Mathias zu einem Drittel gehörte, „zugunsten des Dt. Reiches“ eingezogen. Eine beglaubigte Abschrift dieser Verfügung wurde Samuel Mathias am 17. Juni 1942 „im Hause Gr. Hamburgerstr. 26 übergeben“. Das ehemalige Altenheim der Jüdischen Gemeinde in der Großen Hamburger Straße diente als Sammelstelle für die Menschen, die alsbald abtransportiert werden sollten.
Am 18. Juni 1942 wurden Marie und Samuel von diesem Ort aus mit dem 7. Alterstransport, einem sogenannten kleinen Transport, der 50 Personen umfasste, in das böhmische Ghetto Theresienstadt deportiert.

Samuel Mathias überlebte im Ghetto nur etwa 2 Monate, er wurde am 28. August ums Leben gebracht, Marie Mathias erlag den unmenschlichen Verhältnissen am 20. September 1942. In den Todesfallanzeigen der Ghettoärzte war als Todesursache „Enteritis, Darmkatarrh“ bzw. „Enterocolitis, Darmentzündung“ angegeben, eine übliche Umschreibung der wahren Todesursache. Im überfüllten Ghetto herrschten zu allen Zeiten Hunger, Seuchen und katastrophale hygienische Verhältnisse, denen die ohnehin geschwächten Menschen oft rasch zum Opfer fielen.

Von den drei Söhnen des Ehepaares überlebten zwei den nationalsozialistischen Terror.
1923 hatte der älteste Sohn Kurt, ebenfalls Kaufmann wie der Vater und der Großvater in Berlin Berta Eberlein geheiratet. Er verstarb 1934. Ein schwerer Schicksalsschlag für die gesamte Familie.

Hans Mathias heiratete am 4. Dezember 1929 die 1907 in St. Gallen/Schweiz geborene Marie Christine Weber. Er ließ sich bei der Hochzeit evangelisch taufen. Mit ihr und den Kindern Gerda (*1930) und Kurt (*1936) zog er nach Stuttgart. Nachdem die Familie in Stuttgart ausgebombt worden war, übersiedelte sie nach Rottenacker/Oberschwaben. Nach Kriegsende, im April 1945, wurde Hans Mathias schwer krank, am 12. Juli 1945 starb er im Friedrich-List-Heim in Stuttgart-Cannstatt. Eine Behandlung seiner Krankheit in einer Tübinger Klinik konnte nicht durchgeführt werden, da sämtliches medizinisches Gerät zuvor durch die französischen Truppen abtransportiert worden war. Er hatte, obwohl Kaufmann, zuletzt als Hausmeister arbeiten müssen. Marie Christine ernährte von da an ihre Kinder durch Austragen von Zeitungen.

Erich Mathias gelang es, über England in die USA auszuwandern, er ließ sich in San Francisco nieder, heiratete dort und bekam zwei Kinder.

Recherche und Text: Karin Sievert
Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 
WGA 

Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

Weiter Angaben von Familienangehörigen

Stolperstein Marie Mathias

Stolperstein Marie Mathias

HIER WOHNTE
MARIE MATHIAS
GEB. FRAENKEL
JG. 1862
DEPORTIERT 18.6.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 20.9.1942

Stolperstein Fanny Putter

Stolperstein Fanny Putter

HIER WOHNTE
FANNY PUTTER
GEB. WALLNER
JG. 1864
DEPORTIERT 25.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 23.9.1942

Fanny Wallner kam am 16. Mai 1864 in Zarzicz auf die Welt. Zarzicz gehörte zum Bielitzer Land am äußersten Rand Oberschlesiens – damals in österreichischem Besitz.
Über Fanny Wallners Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, ebenso wenig über ihre Eltern.

Fanny Putter

Fanny Putter

Fanny heiratete Moritz Putter, geb. am 10. März 1861 in Eydtkuhnen. Er war wie sein Vater Lippmann Putter Kaufmann in der kleinen Handelsstadt an der litauischen Grenze. Durch den Ort führte die ehemalige deutsche Reichsstraße 1. Bis 1945 war Eydtkuhnen Knotenpunkt der preußischen Staatsbahnen und es spielte sich im Ort ein lebhafter Speditionshandel mit Getreide, Gänsen und russischen Pferden ab.

Wohnhaus der Familie Putter vor 1915 in Eydtkunen

Wohnhaus der Familie Putter vor 1915 in Eydtkunen.

Fanny bekam in Eydtkuhnen vier Kinder. Elsa wurde 1886 geboren, Gertrud am 14. Juni 1888, Erich am 9. November 1892 und Herbert am 7. Juli 1899. Fanny und Moritz Putter legten großen Wert auf die Bildung ihrer Kinder. Von Elsa ist bekannt, dass sie Krankenschwester wurde. Erich studierte Medizin und wurde praktischer Arzt, spezialisiert auf Bakteriologie und Hygiene. Er wurde im Ersten Weltkrieg als Arzt eingesetzt. 1921 heiratete er Elsa Conrad. Das Ehepaar bekam 2 Kinder, Eleonore (geb. 1923) und Klaus (geb. 1928).

1915 zog Familie Putter nach Berlin und wohnte zunächst in der Bleibtreustraße 17. Auch Moritz’ Bruder Bernhard, von Beruf Prokurist, war damals schon nach Berlin – Schöneberg übergesiedelt, wo er mit seiner Frau Toni und den Kindern Henny und Fritz Siegfried in der Hauptstraße 9 wohnte.

Nach der Scheidung Elsas von ihrem Mann Denes Bodr wohnte sie wieder bei ihren Eltern. Sie starb am 17. April 1916 in der elterlichen Wohnung.
Auch die erste Ehe von Herbert Putter scheiterte. Er hatte im Juli 1927 die Breslauerin Magdalena Blandowski geheiratet, war aber schon im Mai des darauffolgenden Jahres wieder geschieden. Zu dieser Zeit wohnte die Familie Putter in der Markgraf -Albrecht – Straße 13. 1932 zogen sie um in die Gasteiner Straße 13.
Die Wohnung in der Gasteiner Straße bestand aus einem Herrenzimmer, einem Wohnzimmer, 2 Schlafzimmern und einer Küche und war nach Angaben Herbert Putters mit wertvollem Mobiliar ausgestattet.

Fanny und Moritz Putter mit den Enkelkindern Klaus und Eleonore, den Kindern von Erich und Elsa Putter;

Fanny und Moritz Putter mit den Enkelkindern Klaus und Eleonore, den Kindern von Erich und Elsa Putter.

Familie Bloch und Putter

Familie Bloch und Familie Putter: Von links: Julius und Gertrud Bloch, Herbert Putter, Elsa und Erich Putter, Vorn: Fanny und Moritz Putter mit den Enkeln Klaus und Leonore

Die Kinder Fanny Putters Erich, Gertrud und Herbert

Die Kinder Fanny Putters Erich, Gertrud und Herbert.

Moritz Putter starb am 2. April 1938 in seiner eigenen Wohnung. Er war zum Zeitpunkt seines Todes 77 Jahre alt. Sein Sohn Erich, der eine Arztpraxis am Tegeler Weg 33 betrieben hatte, meldete den Tod seines Vaters beim Standesamt. Erich war 1933 die Zulassung als Kassenarzt entzogen worden und er arbeitete bis 1938 bei der Schering A.G. in Berlin.
Mit dem Tod ihres Mannes begann für Fanny eine besonders schreckliche Zeit. Mit den Pogromen vom 9./10. November 1938 wurden die systematischen Judendiskriminierungen und -verfolgungen immer aggressiver. Erich (er nannte sich später Eric) ging mit seiner Familie im April 1938 zunächst nach New Jersey, später Alexandria, Virginia. Er arbeitete dort weiter als praktischer Arzt. Vergebens hatte er gehofft, seine Mutter Fanny zum Mitkommen in die USA bewegen zu können.

Erich, Eleonore, Elsa und Klaus Putter kurz vor ihrer Abreise aus Berlin.

Erich, Eleonore, Elsa und Klaus Putter kurz vor ihrer Abreise aus Berlin.

Herbert, der 1938 vorübergehend in einen KZ inhaftiert gewesen war, folgte mit seiner Frau Maria (Mimi) geb. Rasumny seinem Bruder und ließ sich als Masseur in Kalifornien nieder.

Gertrud und ihr Ehemann, der Zahnarzt Dr. Julius Bloch, lebten einige Zeit zusammen mit Herbert in der Marburger Straße 9a. Im Adressbuch von 1939 findet sich unter dieser Adresse noch der Name Herbert Putter mit dem Zusatz „Lichtreklame“.
Am 15. August 1942 wurden Gertrud und Julius Bloch mit einem 1008 Personen umfassenden Transport nach Riga deportiert und am 18. August ermordet.
Fanny Putter musste miterleben, wie ihre Kinder das Land verließen, die Söhne in die USA und die Tochter Richtung Osten in den sicheren Tod. Am 25. August, 10 Tage nach der Deportation ihrer Tochter, wurde Fanny mit dem sog. 49. Alterstransport I/51 in das böhmische Ghetto Theresienstadt deportiert. Ihre Schwägerin Toni war schon am 4. August 1942 nach Theresienstadt verschleppt worden und am 18. August ums Leben gekommen.
Offenbar war das Ghetto zu diesem Zeitpunkt hoffnungslos überfüllt, denn Fanny wurde im Kinosaal des Ghettos untergebracht, wo sie am 25. September verstarb. Die offizielle Todesangabe lautete „Enteritis, Darmkatarrh“, eine übliche Angabe, die verschleiern sollte, dass Hunger, unvorstellbare hygienische Zustände, Seuchen und andere grassierende Krankheiten zum Tod der ohnehin geschwächten Menschen führten.

Herbert Putter verstarb am 17. Januar 1967 in Los Angeles. Er hatte 1958 ein Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverfahren eingeleitet.

Für Gertrud und Dr. Julius Bloch wurden vor dem Haus Marburger Straße 9a am 24. September 2008 Stolpersteine verlegt.
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179432.php
Für Fannys Schwägerin Toni Putter geb. Weitz wurde vor dem Haus Jenaer Straße 20 am 29. September 2010 ein Stolperstein verlegt. https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179593.php

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolpersteininitiative Charlottenburg -Wilmersdorf
Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin


Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

Weitere Angaben und Fotos von Fanny Putters Urenkelin Prof. Leslie Turpin

Stolperstein Kurt Erich Salomon

Stolperstein Kurt Erich Salomon

HIER WOHNTE
KURT ERICH
SALOMON
JG. 1905
„JUNI-AKTION“ 1938
SACHSENHAUSEN
ENTLASSEN MÄRZ 1939
VERHAFTET 1940
SACHSENHAUSEN
FLUCHT IN DEN TOD
8.8.1940

Kurt Erich Salomon kam am 6. September 1905 in Posen, poln. Posznan auf die Welt. Seine Eltern, der Kaufmann Julius Salomon und seine Frau Hulda geb. Kessel, hatten dort am 14. November 1898 geheiratet, zogen aber nach ihrer Hochzeit für einige Jahre nach Chemnitz, wo die beiden ältesten Kinder geboren wurden. Kurt hatte vier Geschwister: Hans, geb. am 24. September 1899 in Chemnitz, Lotte, geb. 27. Mai 1901 ebenfalls in Chemnitz, Norbert, geb. am 14. August 1902 in Posen und Gerhard, geb. 22. März 1908 ebenfalls in Posen.

Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Königsberg/Ostpreussen zogen die Salomons nach Berlin. Hier wohnten sie zuerst in der Güntzelstraße 15, Mitte der 30er Jahre bezogen sie eine geräumige Wohnung in der Paderborner Straße 2. Hans und Gerhard lebten – unverheiratet – bei ihren Eltern. Norbert war mit seiner Ehefrau Margarete und der 1930 geborenen Tochter Ellen nach Palästina ausgewandert. Auch Lotte Salomon verh. Gottschalck hatte Nazideutschland verlassen und war nach Chile emigriert.
Kurt zog in die Gasteiner Straße 13. Dort war er im Mai 1939 gemeldet, als im Rahmen einer Volkszählung alle Juden in einer Sonderkartei erfasst wurden.
Kurt Salomon war wie sein Vater Kaufmann, er hat nie geheiratet. Wie einer Karteikarte des Katasterbüros zu entnehmen ist, war Kurt Salomon Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.
Am 21. Juni 1938 wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. Die Gefangennahme geschah im Rahmen der sogenannten „Arbeitsscheu Reich Aktion“ zur „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“. Goebbels hatte die Berliner Polizei angewiesen, neben sogenannten „Asozialen“ auch Juden zu verhaften, die ausnahmslos in die bestehenden Konzentrationslager eingeliefert wurden.
Die Lagerleitung wies ihn mit der Häftlingsnummer 03808 und der Häftlingskategorie „AsoJ“ in den Häftlingsblock 15 ein. Erst am 23. März 1939 wurde er wieder entlassen.
Er musste nach seiner Entlassung aus dem KZ – traumatisiert durch Misshandlungen, Hunger und Entkräftung – miterleben, wie sein Vater Julius schwer an Krebs erkrankte und schließlich im August 1939 im Jüdischen Krankenhaus verstarb. Sein Bruder Gerhard meldete den Todesfall beim zuständigen Standesamt.
Die Mutter Hulda blieb mit Kurts Brüdern Hans und Gerhard in der Paderborner Straße in ihrer 4- Zimmer–Wohnung wohnen.
Offenbar war auch Kurt wieder zu seiner Mutter und den Brüdern in die Paderborner Straße 2 gezogen, bei seiner 2. Verhaftung am 30. März 1940 und der Einweisung – wiederum ins KZ Sachsenhausen – war dieses seine eingetragene Anschrift.
Dieses Mal wurde er unter der Häftlingskategorie „Schutzjude“ registriert und im Häftlingsblock 11 untergebracht. Die „Schutzhaft“ bezeichnet eine willkürlich verhängte Vorbeugehaft, in der die Gefangenen regelmäßigen Schikanen und Folterungen unterworfen waren.
Kurt konnte die Grausamkeiten der Haft nicht lange ertragen. Am 8. August 1940 nahm er sich durch Erhängen das Leben. Sein Leichnam wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee beigesetzt.

Hulda Salomon wurde am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert und von dort am 16. Mai 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und als 70-jährige Frau sicher sofort nach Ankunft ermordet.
Kurts Bruder Hans wurde am 29. November 1942 ebenfalls von der Wohnung in der Paderborner Straße aus nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Gerhard Salomon blieb in der großen Wohnung zurück. Er war schon seit 1941 zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. Ende Februar warnte ihn sein Chef, der von der bevorstehenden Razzia der Gestapo (Fabrikaktion) gegen die noch in Berliner Betrieben arbeitenden Juden erfahren hatte, er solle am kommenden Tag nicht zur Arbeit erscheinen.
In einer Sommerlaube versteckt, hielt er 2 Jahre und 2 Monate mit einer verschleppten Lungenentzündung bis zum Tag der Kapitulation durch. 1948 folgte er seiner Schwester nach Chile, wo er 1957 verstarb.

Miriam Ellen Salomon, die Tochter Norbert Salomons reichte in Yad Vashem Gedenkblätter für ihre Onkel Kurt und Hans und ihre Großmutter Hulda ein.

Recherche und Text: Karin Sievert Stolpersteininitiative Charlottenburg -Wilmersdorf
Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 

Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

ITS Arolsen Archiv

Stolperstein Dr. Erwin Schleimer

Stolperstein Dr. Erwin Schleimer

HIER WOHNTE
DR. ERWIN
SCHLEIMER
JG. 1903
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Von dem jungen Ehepaar Ruth und Erwin Schleimer ist nur wenig überliefert. Ruth Hirsch kam am 1. März 1907 in Thorn (poln. Torun)/Westpreußen auf die Welt. Weder die Namen der Eltern noch möglicher Geschwister sind bekannt, da keinerlei Dokumente verfügbar sind, die Auskunft über ihr Leben geben könnten.
Von Erwin Schleimer, geboren am 6. Juni 1903 in Berlin, hingegen sind die familiären Verhältnisse bekannt.
Sein Vater, der Verleger Dr. phil. Alexis Alexander Schleimer (*1867) war der Herausgeber mehrerer Zeitschriften: „Satyr“, „Die Laterne“, „Kritische Wochenschrift“ und „Zeit im Bild“.

Verleger Dr. phil. Alexis Alexander Schleimer war der Herausgeber mehrerer Zeitschriften.

Verleger Dr. phil. Alexis Alexander Schleimer war der Herausgeber mehrerer Zeitschriften.

Erwins Mutter hieß Rosa Schleimer geb. Herzfeld (*1876) und stammte aus Magdeburg.

Als am 19. Oktober 1899 Erwins Bruder Julius geboren wurde, wohnte man in der Winterfeldstraße 34. Die Schleimers zogen mehrfach um. Zur Zeit von Erwins Geburt 1903 lebte die Familie Schleimer in der Potsdamer Straße 80a, später zog sie in die Sybelstraße 62 und danach ins Wilmersdorfer Rheingauviertel, Rüdesheimer Straße 1.

Geburtsverkündung Erwin Schleimer

Geburtsverkündung Erwin Schleimer

Die Brüder Schleimer verloren ihre Eltern schon sehr früh, die Mutter starb 37-jährig am 28. Januar 1913, Erwin war gerade 10 und Julius 14 Jahre alt. Ihr Vater Alexis starb am 22. Oktober 1920, er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee bestattet.
Es ist nicht bekannt, wer sich nach dem Tod der Eltern um die beiden Jugendlichen kümmerte. Eine Schwester von Rosa, Adele Flesch, lebte in Schöneberg. Vielleicht hat sie sich der beiden Neffen angenommen. Wir können auch nicht ermessen, ob Alexis Schleimers überlieferter Sinn für Humor und Satire Einfluss auf das Leben seiner Söhne hatte.
Der ältere Bruder Julius wurde Bankbeamter, er heiratete 1932 Emilie Martha Venter.
Erwin hingegen promovierte, in welchem Fachgebiet wissen wir nicht.
1931 wohnte er in der Tauentzienstraße 18a. Wann er Ruth Hirsch kennenlernte und heiratete ist ebenfalls nicht bekannt. Dokumente über die Eheschließung sind nicht auffindbar. Offenbar blieb die Ehe kinderlos.
Erwin und Ruth Schleimer lebten zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939, in der alle jüdischen Bewohner in einer Sonderkartei erfasst wurden, in der Gasteiner Straße 13. Da Erwin Schleimer unter dieser Adresse aber nicht als Haushaltsvorstand eingetragen war, hat das junge Ehepaar möglicherweise bei jemandem zur Untermiete gewohnt.
Am 15. August 1942 wurden Ruth und Erwin Schleimer in einem mit 1004 Menschen vollgepferchten Zug nach Riga deportiert. (Allerdings nennt das Gedenkbuch 938 Namen.)
Der Sonderzug „Da 401“ ging vom Güterbahnhof Moabit ab, alle Menschen dieses Transports wurden bald nach ihrer Ankunft auf dem Bahnhof Riga – Skirotava in den Wäldern von Rumbula und Bikernieki ermordet und in Massengräbern verscharrt, unter ihnen das Ehepaar Schleimer.
Julius und Emilie Martha Schleimer konnten ihr Leben durch Flucht nach Shanghai retten. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

Biografische Zusammenstellung: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

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Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

The Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem (CAHJP)
The Far Eastern Jewish Central Information Bureau (DALJEWCIB) Harbin – Shanghai

Stolperstein Ruth Schleimer

Stolperstein Ruth Schleimer

HIER WOHNTE
RUTH SCHLEIMER
GEB. HIRSCH
JG. 1907
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942