Thema des Monats August 2006

Mehr Grün für die Innenstadt?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Besucherinnen und Besucher Berlins sind immer wieder überrascht, wie grün die Stadt ist. Das gilt insbesondere für den westlichen Citybezirk Charlottenburg-Wilmersdorf: blühende Parks, schön angelegte Plätze, Tausende von Straßenbäumen und nicht zuletzt große Kleingartengebiete prägen den Bezirk. Viele Bürgerinnen und Bürger genießen diese grünen Oasen nicht nur, sondern kümmern sich engagiert um ihre Pflege. Auch für das Bezirksamt hat die Pflege des öffentlichen Grüns eine hohe Priorität, was bei den knappen öffentlichen Kassen nicht einfach ist. Deshalb gibt es auf die Frage nach mehr Grün für die Innenstadt durchaus zwiespältige Antworten.

SPD-Fraktion

Wir stellten uns vor, die Fahrtrichtungen des Kaiserdamms wären durch eine breite Baumreihe voneinander getrennt – vom Theodor-Heuss-Platz über die Bismarckstraße und Straße des 17. Juni bis zum Charlottenburger Tor. Verrückt, nicht? Schwierig, zu viel Technik im Boden! Für manche ärgerlich, eine Fahrspur und/oder Stellplätze gingen verloren, “wo doch sowieso schon so viel Gedränge und Stau ist! “. “Die historische Verbindung Paris-Warschau würde verniedlicht!” “Es gibt dafür doch sowieso kein Geld!”
Ja, fühlen Sie einmal dieser Vorstellung hinterher: Es wäre ein anderes Bild von dieser schrecklichen Stadtschneise. Vom grünen Neu-Westend über einen grünen Kaiserdamm zum grünen Tiergarten. Probleme würden verringert: Auf dem Mittelstreifen könnten die Fußgänger in Ruhe unter einem grünen Dach auf ihre Ampel für die zweite Hälfte der Überquerung warten. Stress-Abbau, (etwas) bessere Luft, mehr Sicherheit, mehr gefühlte Sicherheit. Der Kaiserdamm fände Anschluss an die grünste Stadt Europas, ein Stück von Berlin.
Solange kein Geld da ist, muss es auch nicht ganz schnell verbuddelt werden. Wir haben Zeit, Träume zu prüfen für zukünftige Entscheidungen. Für mehr Grün für die Innenstadt. Ein Beispiel.
Monica Schümer-Strucksberg

CDU-Fraktion

Es gibt ja immer wieder Wünsche, denen will man sich eigentlich gar nicht verschließen. Allerdings muss man sich realistischer Weise als Bewohner der grünsten Hauptstadt Europas eher darüber Gedanken machen, wie man das in unserem Bezirk vorhandene Grün schützt und auch weiterhin ausreichend pflegen kann. Dies ist in Zeiten “leerer Kassen” und in denen der Senat den Bezirken von Jahr zu Jahr weniger Geld für die Pflege des vorhandenen Grüns zur Verfügung stellt, das eigentliche Problem, was es zu lösen gilt. Denn wer durch unseren Bezirk spaziert, dem muss auffallen, dass wir bereits sehr viele schöne und derzeit noch gut gepflegte Grünflächen und Parks besitzen. Insbesondere darf man an dieser Stelle auch nicht die Kleingärtner vergessen, die mit Ihren Kolonien dankenswerter Weise einen großen Grünanteil ausmachen, der letztlich auch allen Bürgern als “Grüne Lunge” dient und zur Verfügung steht.
Die CDU-Fraktion möchte daher keine Blütenträume reifen lassen, die sich mit der Neueinrichtung von Grün befassen, sondern setzt sich eher beim Senat dafür ein, dass mehr Geld für die Pflege zur Verfügung gestellt wird, damit unser vorhandenes Grün auch zukünftig in der gewohnten Qualität gepflegt werden kann, und dem Bürger als Erholungsmöglichkeit zur Verfügung steht.
Bodo Schmitt, Stefan Häntsch

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Berlin hat ein grünes Image, viele baumbestandene Straßen, schattige Plätze und über nationale Grenzen hinaus bekannte Parkanlagen. Hat sich Kreuzberg in den 1980er und 90er Jahren einen Ruf mit zahlreichen ökologischen Modellprojekten und Begrünungsprogrammen gemacht, so besticht Charlottenburg-Wilmersdorf durch historische Schmuckplätze und vorausschauend angelegte Grünzüge. Diese gartenkünstlerischen Errungenschaften brauchen jedoch Zuwendung und Pflege.
Der rot-rote Senat, der die Mittel für die Grünflächen zuweist, hält es jedoch offensichtlich nicht für erforderlich, auch in unserem Bezirk hochwertige Freiflächen zu unterhalten. So wurden dem Bezirk alle Mittel für Grünflächen der höchsten Pflegestufe gestrichen – repräsentative Anlagen im öffentlichen Raum sollen bei uns wohl eingespart oder privat finanziert werden. Auch bei den Friedhöfen soll der Bezirk überproportional sparen.
Für Charlottenburg-Wilmersdorf fordert Bündnis 90/Die Grünen eine differenzierte Mittelverteilung, die auch gewachsene Qualitäten berücksichtigt, damit auch bei uns hochwertige Anlagen – zum Beispiel mit Blumenrabatten – erhalten werden können. Geld allein für die “Begrünung sozialer Brennpunkte” bereit zu stellen, ist kurzsichtig und wenig nachhaltig.
Sibylle Centgraf

FDP-Fraktion

Verteilungskampf: Der rot-rote Senat will die Lebensverhältnisse in Berlin weiter angleichen. Er hat festgestellt: Charlottenburg-Wilmersdorf hat “zu viele” gut gepflegte Grün- und Gartenbaudenkmalanlagen. Dazu gehören wunderschöne Anlagen wie der Savignyplatz, der Rüdesheimer Platz oder die Lietzenseekaskaden mit aufwändiger Bepflanzung und hohem Erholungswert. Fazit: Unserem Bezirk sollen die Gelder für die Grünanlagenpflege stark gekürzt und an andere Bezirke mit schlechteren “Sozialindices” verteilt werden. Dort fließen die Mittel dem Globalhaushalt zu, so dass Grünanlagen damit wohl kaum geschaffen werden.
Unser Bezirk kann damit in Zukunft unsere Gartenbaudenkmäler nur dann erhalten, wenn er aus anderen Bereichen – zum Beispiel der Schulgebäudeunterhaltung – Geld in die Grünanlagen lenkt. Aus Sicht der FDP ist dies ein falscher Weg. Eine Verteilung darf nicht zum Ziel haben, das Niveau überall gleich gerecht auf null zu reduzieren, so dass hinterher kein Bezirk mehr ansprechende Grünanlagen vorweisen kann. Gleichmacherei ist keine sinnvolle Politik. Wir müssen den Mut haben, die Stärken unserer Stadt zu stärken. Schließlich steht unser Innenstadtgrün teils seit über einem Jahrhundert allen Berlinerinnen und Berlinern offen. Das soll auch in Zukunft so sein.
Björn Matthias Jotzo

Fraktionslose Bezirksverordnete (Die Linkspartei.PDS)

Über fehlendes Grün müssen wir in Berlin uns nicht beklagen. Mehr als ein Drittel der Fläche besteht aus Parks, Grün- und Erholungsanlagen, Wäldern, Friedhöfen und Kleingärten. Sie sind die “grüne Lunge” der Stadt.
Und diese “grüne Lunge” ist angesichts der Feinstaubentwicklung, aber auch der sozialen Strukturen ein Garant für die Lebensqualität in der Großstadt. Zudem ist das städtische Grün ein Standortfaktor und Touristenmagnet. Um diese Attraktivität zu erhalten, muss das Vorhandene gepflegt, müssen Defizite beseitigt, müssen aber auch neue Wege gefunden werden.
Die Pflege des öffentlichen Grüns ist eine Aufgabe der Berliner Bezirke. Die übermäßige Flächeninanspruchnahme und -versiegelung bei Grünflächen durch Bauvorhaben muss verringert werden, gleichzeitig sollen Entsiegelungsmaßnahmen den Flächenverbrauch ausgleichen. Bei nicht vermeidbarem Verlust von Grün sind zielgerichtete Ausgleichsmaßnahmen in Gebieten mit Gründefiziten zu ergreifen. Hier müssen die Bezirke Entscheidungen treffen, die aus ökologischer und sozialer Sicht dazu beitragen, die Lebensqualität in der Großstadt Berlin zu erhalten und – wo möglich – auch zu verbessern.
Benjamin Apeloig, Dr. Günther Bärwolff