Thema des Monats Oktober 2007

Umgang mit Scientologen - hier kann Berlin von Hamburg lernen

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Haus der Scientology, 9.1.2007, Foto: KHMM

Haus der Scientology, 9.1.2007, Foto: KHMM

Der Umzug der Berliner Scientology-Organisation vom Mariendorfer Damm in ein großes Geschäftshaus in Charlottenburg und die Eröffnung der neuen Niederlassung am 13.1.2007 lösten eine intensive Diskussion in der Berliner Politik und in den Medien über die Gefährlichkeit ihrer Ziele aus. Beim Hamburger Senat gibt es eine Arbeitsgruppe Scientology, von der deren Aktivitäten beobachtet und analysiert werden. Neben der Aufklärung der Öffentlichkeit über die Tätigkeit von “Scientology” berät die Arbeitsgruppe auch bei Problemen, die in Zusammenhang mit der Gruppierung auftreten und hilft aussteigewilligen Personen.

SPD-Fraktion

Seit einigen Monaten ist Scientology auch in unserem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf präsent und wirbt aggressiv für ihre pseudo-religiöse Organisation. Um mit der Öffentlichkeit Kontakt aufzunehmen, werden sogenannte freie Feldgruppen eingesetzt, die auf der Straße offensiv Passanten gegenüber für das eigene Unternehmen werben. Anders als in Berlin ist es nach der Hamburger Gesetzgebung unzulässig, Handzettel zur gewerblichen Nutzung und Werbung auf der Straße zu verteilen. Da die Scientology-Organisation ein Wirtschaftsunternehmen ist, hat Hamburg hier die Möglichkeit einzugreifen. Diese restriktive Regelung besteht in Berlin nicht. Es stellt sich die Frage, ob nicht auch eine landesrechtliche Anpassung in Berlin endlich erfolgen sollte. Eines ist sicher. Um sich in unserem Bezirk gegen die aggressiven Belästigungen der Scientologen zu wehren, brauchen wir das Engagement und die Zusammenarbeit aller Beteiligten: in der Politik und der Wirtschaft, der Verwaltung und in der Bevölkerung.
Das ist es, was wir von Hamburg lernen können!
Barbara Scheffer

CDU-Fraktion

Dass in dem CDU-regierten Hamburg vieles besser funktioniert als in dem rot-roten Berlin ist ja schon lange kein Geheimnis mehr. Das gilt nicht nur für die sich sehr gut entwickelnde Wirtschaft, sondern auch bei dem Umgang mit dem US-amerikanischen Wirtschaftsunternehmen “Scientology”. So existiert in Hamburg auf Landesebene bereits seit längerem eine Anlauf- und Beratungsstelle für Scientologyopfer. In Berlin weigert sich der Senat bislang noch, den durch “Scientology” Geschädigten Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Ähnlich ist es auch mit der Unterbindung aggressiver Straßenwerbung durch Scientologen. In Hamburg sind die gesetzlichen Grundlagen so gestaltet, dass es verboten ist, zu gewerblichen Zwecken auf der Straße Handzettel zu verteilen sowie Passanten anzusprechen oder anzuhalten. In Berlin sind solche Anwerbepraktiken aber erlaubt, da das Berliner Straßengesetz, was erst 2006 mit rot-roter Mehrheit im Abgeordnetenhaus beschlossen wurde, derartiges Vorgehen erlaubt. Man muss also feststellen, dass Hamburg beim Umgang mit Scientology deutlich besser aufgestellt ist als Berlin.
Stefan Häntsch

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

In Hamburg ist es verboten, auf öffentlichen Wegen Handzettel zu verteilen und Personen anzusprechen. Das Berliner Straßengesetz jedoch kennt diese Einschränkung nicht. Was können wir dennoch tun, um dem stellenweise aggressiven Verhalten gegenüber Passanten und massiven Belästigungen entgegenzutreten? Wir Grünen werden uns dafür einsetzen, dass unabhängig von einer Senatsinitiative eine Beschwerdestelle Scientology bei dem Bezirksamt eingerichtet wird. Bürger und Bürgerinnen sollen anrufen und Vorfälle melden können. Bei Beschwerden kann die Sondernutzungserlaubnis mit entsprechenden Auflagen verbunden werden. Ausstiegswillige sollen zukünftig nicht mehr nach Hamburg fliehen müssen. Diesen Menschen müssen in Berlin konkrete Ansprechpersonen genannt werden. Und da Scientology keine Kirche und auch keine Sekte ist, sondern eine profitorientierte Organisation, ist diese Stelle unabhängig von der Sektenbeauftragten einzurichten. Unser Appell an Sie: Melden Sie jede Form von Belästigung in unserem Büro unter der Rufnummer 9029-14908 oder schicken Sie eine Email an ruth.vatter@gruene-berlin.de
Ruth Vatter

FDP-Fraktion

Obwohl Scientology beobachtet wird, es in Hamburg eine Gruppe zur Aufklärung gibt, ist sie nicht verboten. Es handelt sich um eine Organisation, der man schwerlich das Anmieten von Immobilien verbieten kann. Da Scientology keine Religion ist, trägt sie die Bezeichnung “Kirche” zu Unrecht. Man sollte den entsprechenden Schriftzug an der Otto-Suhr-Allee verbieten. Berlin muss die Präsenz von Scientology ertragen und prüfen, wie man damit umgeht.
Aus liberaler Sicht darf keine Organisation versuchen, Menschen physisch oder psychisch abhängig zu machen. Die Freiheit einzelner endet, wo jemand andere in Abhängigkeit bringt. Deswegen hat Berlin die Pflicht, zu kontrollieren, wie Bürger durch das Zentrum gefährdet werden könnten.
Scientology in Deutschland ist eine Folge der Annäherung der Kulturen der Welt. Deutschland hat erlebt, wie stark der Nationalsozialismus Menschen indoktrinierte und psychisch abhängig machte. Wir sind gegenüber Scientology skeptischer als die USA, und mit ihnen sollten wir den Dialog suchen. Das ist wichtiger als eine Verwaltungsstruktur der Stadt Hamburg zu kopieren.
Jürgen Dittberner

Die Linke

Die Sekte macht Schlagzeilen – das tut sie öfter. Zum Umgang mit Scientology gibt es aber nicht viel Neues zu sagen. Bereits zum Jahreswechsel hat sich die BVV intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und den Protagonisten der Sekte klar vermittelt, dass sie hier nicht willkommen sind. Und dass sie nicht davon ausgehen sollten, dass nach einem einmaligen Aufschrei irgendwann alles in ruhiges Fahrwasser geraten würde.
Und so ist es auch gekommen. Der Bezirk ist diesbezüglich tätig, nicht spektakulär, sondern leise und stetig, weil dies die höheren Erfolgsaussichten hat. Die Bezirksverordneten sind hellwach, wie immer wieder eingebrachte Anfragen zu diesem Komplex zeigen.
Von Hamburg lernen? Gerne. Eine qualifizierte und entsprechend finanzierte Vollzeitkraft als Ansprechpartner und Berater speziell in diesem Bereich ist eine hervorragende Idee. Umsetzung und Finanzierung müssten allerdings auf Landesebene erfolgen, denn dem Bezirk stehen nach den aktuellen Zuweisungen des Landes dafür keine Mittel zur Verfügung.
Hans-Ulrich Riedel