Rede am 18.12.2012 zur 1. Verleihung des Integrationspreises

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann im Rathaus Charlottenburg

Rede des Bezirksbürgermeisters Reinhard Naumann zur ersten Verleihung des Integrationspreises Charlottenburg-Wilmersdorf am 18.12.2012, um 16.30 Uhr im Festsaal des Rathauses Charlottenburg
Sehr geehrte Exzellenzen!
Sehr geehrte Frau Stückler!
Sehr geehrte Frau Dr. Lüke!
Sehr geehrter Herr Luxa!
Sehr geehrte Frau Arndt!
Sehr geehrte Frau Deininger!
Sehr geehrter Herr Hedtke!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Erstmals verleihen wir heute, am Internationalen Tag der Migrantinnen und Migranten, auf Beschluss der BVV den Integrationspreis Charlottenburg-Wilmersdorf, und zwar an die Jugendstrafanstalt Plötzensee und das Gefängnistheater aufBruch für den Rap-Song-Zyklus “Schuberts Winterreise”.
Auf Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung wollen wir mit dem Integrationspreis besondere Aktivitäten und Leistungen im Bereich des interkulturellen Zusammenlebens und der Förderung des Gemeinsinns im Bezirk würdigen. Im Mittelpunkt steht dabei die Unterstützung und Fortentwicklung eines friedlichen und respektvollen Miteinanders in Charlottenburg-Wilmersdorf. Warum ist uns das so wichtig?
Wenn in der Öffentlichkeit immer wieder Berichte über Integrationsprobleme und gewaltsame Auseinandersetzungen im Vordergrund stehen, dann möchten wir mit unserem Preis positive Beispiele dagegenstellen. Bei meinem Besuch in Israel bin ich vor kurzem gefragt worden, welche Integrationsprobleme es in Charlottenburg-Wilmesdorf gäbe. Ich habe geantwortet, dass es durchaus auch bei uns solche Probleme gibt. Aber eines der größten Probleme ist, dass im Zusammenhang mit Integration immer sofort an Probleme gedacht wird und dass nicht im Vordergrund steht, dass Integration in den meisten Fällen gelingt und dass wir den Menschen, die aus aller Welt zu uns kommen und sich bei uns niederlassen, viel verdanken. Ich habe mit dieser Antwort einige Nachdenklichkeit ausgelöst. Meines Erachtens sollte die öffentliche Diskussion, für die ja auch die Medien eine Verantwortung tragen, in diesem Bereich andere Akzente setzen. Mit unserem neu geschaffenen Integrationspreis wollen wir einen Beitrag dazu leisten.
Es gab 24 tolle Vorschläge für den Preis. Alle hätten ihn verdient. Warum haben wir uns für die Jugendstrafanstalt Plötzensee und das Gefängnistheater aufBruch entschieden, und was hat die “Winterreise” von Franz Schubert damit zu tun?
Der Musiker und Musikproduzent Jörn Hedtke hatte die Idee, den klassischen deutschen Liederzyklus von Franz Schubert mit der jugendlichen Rap-Kultur zu verbinden. Bekannt geworden ist er mit der “Hip H’Opera Cosi fan tutti” an der Komischen Oper Berlin und mit dem “Rap des Nibelungen” am Staatstheater Freiburg.
Er hat die Jugendstrafanstalt Plötzensee überzeugt, wo das Gefängnistheater aufBruch seit 2005 Theaterprojekte mit Häftlingen durchführt. Sein Konzept wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und vom Europäischen Sozialfonds mit Projektmitteln unterstützt.
Die verantwortliche Projektkoordinatorin des Gefängnistheaters aufBruch, Sibylle Arndt, und Janina Deiniger von der sozialpädagogischen Abteilung der Jugendstrafanstalt Plötzensee realisieren das Projekt seit dem 1. Januar 2012 bis zum Herbst 2014.
Die Mehrzahl der jugendlichen männlichen Strafgefangenen hat einen Migrationshintergrund. Für sie ist die Auseinandersetzung mit der Hochkultur oft die erste intensive Berührung mit deutscher Kultur, die sie während der Projektarbeit in ihre eigene Jugendkultur integrieren.
Der romantische Liederzyklus “Winterreise” ist für jugendliche Strafgefangene eine Möglichkeit, sich mit der Kultur ihrer Gesellschaft auseinanderzusetzen, die ihnen bisher fremd ist. Außerdem lernen sie im Verlauf der Projektarbeit, Verantwortung zu übernehmen, sie entwickeln Selbstdisziplin, Teamgeist und Durchhaltevermögen. Sie kommen in Kontakt mit Profis aus der Musik-, Film- und Theaterbranche und können die Produkte der Medienwelt besser einschätzen. Sie erfahren beispielsweise, dass Prügelszenen in Filmen nur gestellt werden. Sie lernen Gewalt als Unterhaltungsmittel kennen und erfahren, wie die Wirklichkeit in den unterschiedlichen Medien häufig verzerrt wird.
Viele erfahren in diesem Projekt zum ersten Mal, dass ihre Persönlichkeit wertgeschätzt wird. Für viele der Jugendlichen ist das Ergebnis des Projekts eines der ersten Erfolgserlebnisse in ihrem Leben, das bis dahin oft durchgängig von Misserfolg und Gewalt geprägt war. Weichen für ein gelingendes straffreies Leben nach Verbüßung der Haft werden gestellt.
Durch die öffentlichen Aufführungen in der Anstalt werden auch wir, die Gesellschaft “draußen”, aufgefordert, uns mit der Situation der Häftlinge zu beschäftigen.
Es geht also bei der Arbeit des Gefängnistheater aufBruch in der Jugendstrafanstalt Plötzensee um Integration in einem ganz umfassenden, aber auch in einem ganz praktischen Sinn.
Hier wird ernsthaft und erfolgreich Integrationsarbeit geleistet. Dafür zeichnen wir Sie heute aus mit unserem Integrationspreis.