Drucksache - 0954/4  

 
 
Betreff: Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bezirk - ein Meilenstein der Wahlperiode!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Wuttig/Böhm 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
19.06.2014 
33. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Beantwortung

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Seit wann, in welchem Prozess und mit wessen Beteiligung wurde der jetzt vorliegende Aktionsplan erarbeitet?
     
  2. Welche Zeithorizonte und Verbindlichkeiten wurden für die kommenden Jahre festgelegt?
     
  3. Welche Handlungsfelder wurden ausgewählt und vor welchem Hintergrund erfolgte diese Entscheidung?
     
  4. Auf welche Art und Weise wird in Zukunft die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen evaluiert?
     
  5. Auf welche Art muss und wird der Aktionsplan das Handeln des Bezirksamtes und  der Bezirksverordnetenversammlung beeinflussen?

 

Zur Beantwortung Herr BzBm Naumann

 

Frau Vorsteherin, meine sehr verehrten Damen und Herren, erneut: Liebe Tribüne, wenn auch etwas ausgedünnter und liebe Frau Böhm.

 

Zu 1.

Einleitend sei mir gestattet festzuhalten, dass es mir als Bezirksbürgermeister nicht allein ein dienstliches, sondern auch ein persönliches Anliegen ist, die Bedeutung und Wichtigkeit der Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen hervorzuheben. Die Erarbeitung des Aktionsplans, meine Damen und Herren, Frau Böhm sprach davon, völlig zu Recht, geht auf eine Initiative unseres bezirklichen Beauftragten für Menschen mit Behinderung aus dem Jahre 2012 zurück, der dafür von Beginn an meine volle Unterstützung gehabt hat und dem ich für sein fortwährendes, erfolgreiches Engagement - sicherlich auch in Ihrem Namen - ausdrücklich Dank sage.

 

Die Realisierung des Aktionsplans erfolgte im Rahmen eines durch das Bezirkliche Bündnis für Wirtschaft und Arbeit (BBWA) geförderten Projektes. Kleiner Einschub: Das zeigt übrigens, wie wichtig die BBWA-Fortsetzung für uns im Rahmen der europäischen Finanzierungsmittel ist. Sie wissen, auch darüber haben wir gesprochen und intensiv gerungen. Träger des Projekts, das mit Ablauf des Monats Juni 2014 endet, ist das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW). Durch die finanzielle Förderung wurde unter anderem die wissenschaftliche Begleitung des Projekts, die Erstellung der Studie "Teilhabe am Arbeitsleben in Charlottenburg-Wilmersdorf"sowie die Durchführung des weiter unten beschriebenen partizipativen Zukunftsforums ermöglicht.

 

Die Erstellung des Aktionsplans erfolgte in einem dreistufigen Prozess. In der ersten Phase wurde die Situation von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt, einschließlich fördernder und hemmender Bedingungen für ihre Teilhabe im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, eingehend analysiert. Gleichzeitig wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirksamts im Rahmen von Workshops aktiv in die Vorbereitung des Aktionsplans eingebunden, um unter anderem den konkreten, ich unterstreiche konkreten Handlungsbedarf und die Möglichkeiten im Zuständigkeitsbereich des Bezirksamtes in den Bereichen Barrierefreiheit und Bewusstseinsbildung zu eruieren.

Im Anschluss wurden im Rahmen eines eintägigen Zukunftsforums unter Beteiligung von Akteuren aus Politik, Verwaltung, Menschen mit Behinderung, also nicht reden über die Betroffenen sondern mit ihnen und Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft vor Ort wünschenswerte und zugleich realistische Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation erarbeitet. Es ist völlig klar, wir stehen nicht bei Null, aber wir sind noch nicht da, wo wir hinmüssen.

Auf Grundlage der Ergebnisse des Zukunftsforums wurde dann in der letzten Projektphase ein Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen formuliert. Dieser wurde schließlich dem Bezirksamt zur Beschlussfassung vorgelegt und sodann an die Bezirksverordnetenversammlung zur Kenntnisnahme weitergeleitet.

 

 

Entsprechend den Forderungen der UN-BRK wurde bei der Erstellung des Aktionsplans besonderes Augenmerk auf die Beteiligung von Menschen mit Behinderung gelegt. Dies wurde in Hinblick auf einen legitimierten und effektiven Aktionsplan als unbedingte Voraussetzung erachtet. Es ging uns eben nicht um eine Schaufensternummer, um ein Placebo oder um einen vermeintlich tollen ersten Platz und das wars dann unter den zwölf Bezirken, sondern um eben dieses. Die Beteiligung erfolgte durch die aktive Einbeziehung natürlich erst einmal durch unserern bezirklichen Behindertenbeirat, der regelmäßig die verschiedenen Entwürfe des Aktionsplans diskutiert hat. Besonders wichtig für den Aktionsplan war das Zukunftsforum im Oktober 2013, an dem Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen und die sie vertretenden Organisationen gemeinsam mit anderen Akteuren aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft maßgeblich mitgewirkt haben.

Im Sinne der Leitgedanken Inklusion und Disability Mainstreaming wurden darüber hinaus im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten diejenigen Akteure aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft von Beginn an eingebunden, mit denen der Aktionsplan gemeinsam umgesetzt werden soll und muss. Hierfür wurden sowohl bestehende Netzwerke genutzt - und zuweilen um die Perspektive "Behinderung", so noch nicht vorhanden, erweitert - als auch neue Vernetzungsstrukturen initiiert, wie etwa in Form einer begleitenden Planungsgruppe oder Workshops innerhalb der Bezirksverwaltung.

 

Zu 2.

Die Umsetzung des Aktionsplans soll bis 2018 erfolgen. Im Zuge der Erarbeitung wurde versucht, den einzelnen Maßnahmen möglichst konkrete personelle Zuständigkeiten zuzuordnen. Dies war nicht in jedem Fall einfach, ist aber schließlich weitgehend gelungen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass an der Umsetzung der Maßnahmen eben nicht nur die Bezirksverwaltung, sondern auch die bereits erwähnten Akteure aus Politik, Landes- und Bundesverwaltung, Wirtschaft, Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe beteiligt sind und sein müssen. Somit beruht die Mitwirkung letzten Endes auf mehr oder weniger freiwilliger Basis und unterscheidet sich in Art und Umfang des jeweiligen Engagements. Darüber hinaus ergeben sich erfahrungsgemäß in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Änderungen in Hinblick auf personelle Zuständigkeiten. Daher werden diese im vorliegenden Aktionsplan bewusst nicht explizit benannt. Bei Maßnahmen, deren Umsetzung aus praktischen Gründen federführend nur durch die Bezirksverwaltung erfolgen kann, also in unserer Verantwortung liegen, liegt die Zuständigkeit bei den jeweiligen Abteilungsleitungen. Grundsätzlich steht bei Fragen in diesem Kontext, auch bezüglich der Mitwirkung von Akteuren außerhalb der Bezirksverwaltung, der Beauftragte für Menschen mit Behinderung des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf als Ansprechperson, wie bisher in bewährter Weise auch in Zukunft zur Verfügung.

 

Zu 3.

Die UN-BRK enthält sehr umfangreiche Regelungen. Um einen möglichst realistischen Aktionsplan innerhalb eines dann auch noch akzeptablen Zeithorizonts erarbeiten zu können, haben wir uns in Absprache mit dem Behindertenbeirat - zunächst auf die drei Handlungsfelder "Teilhabe am Arbeitsleben", "Bewusstseinsbildung" und "Barrierefreiheit" konzentriert. Der Schwerpunkt wurde dabei auf die Verbesserung der Teilhabechancen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben gelegt. Zu allen drei Handlungsfeldern wurden grundsätzliche Ziele sowie konkrete Maßnahmen zu deren Umsetzung formuliert. Das ist nicht abschließend. Weitere Handlungsfelder können zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt werden.

Zu 4.

Die Umsetzung und Evaluation des Aktionsplans soll durch folgende Punkte sichergestellt werden:

Der Behindertenbeirat und die Bezirksamtsmitglieder unterstützen den Behindertenbeauftragten bei der Umsetzung, über deren aktuellen Stand dieser in seinem Tätigkeitsbericht berichtet.

Die Umsetzung des Aktionsplans wird quartalsmäßig in einer Sitzung des Bezirksamts besprochen. Sie haben richtig gehört. Darauf habe ich persönlich auch ausdrücklich Wert gelegt, ist auch dieses doch recht kurze Intervall deshalb vereinbart worden, um einerseits eine effiziente Fortschrittskontrolle zu gewährleisten, dies halte ich für wichtig, und andererseits weiterhin notwendige Veränderungsprozesse in der Bewusstseinsveränderung nachhaltig zu befördern. Nochmals: Wir stehen nicht bei Null, aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen.

Nach Ablauf des für die Umsetzung des Aktionsplans angesetzten Zeitraums (Ende 2018) erfolgt eine Evaluation, nach Möglichkeit durch bzw. in Kooperation mit einer externen Einrichtung.

 

Zu 5.

Der vorliegende Aktionsplan wurde in erster Linie erstellt, um die Bemühungen des Bezirks hinsichtlich der Umsetzung der UN-BRK zu strukturieren, diese turnusmäßig dokumentieren und bezüglich ihres Umsetzungsstands dann auch bewerten zu können. Er sollte somit als Orientierung, handlungsweisende Vorlage und Evaluationsgrundlage für das zukünftige Vorgehen in den eben drei beschriebenen Handlungsfeldern dienen.

Meine Damen und Herren, bei der Erstellung des Aktionsplans waren die übergeordneten Leitgedanken "Inklusion" und "Disability Mainstreaming" im Sinne der UN-BRK von tragender Bedeutung. Dies soll selbstverständlich auch für den Umsetzungsprozess, den es jetzt zu gestalten gilt, gelten. Diese Leitgedanken können wie folgt definiert werden:

 

Inklusion:

Die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft, also nicht nur hier bei uns im Rathaus, nein, der Gesellschaft, sollen so gestaltet werden, dass alle Menschen - also auch Menschen mit Behinderung - in ihrer Individualität akzeptiert werden und in allen Lebensbereichen selbstverständlich und gleichberechtigt teilhaben können. Wir wissen, das ist bis heute ein noch nichterreichtes Ziel und eine fortwährende Daueraufgabe.

 

Disability Mainstreaming:

Die unterschiedlichen Belange von Menschen mit Behinderung sollen bei der Planung und Durchführung von Gesetzen, Programmen, Projekten und Maßnahmen stets mitgedacht und von vorn herein eingeplant werden.

 

In diesem Sinne sollten Inklusion und Disability Mainstreaming bei allen künftigen Entscheidungsfindungsprozessen - nicht nur in Hinblick auf die im Aktionsplan beschriebenen Maßnahmen - stets eine tragende Rolle spielen. Es geht eben gerade auch um die dafür erforderlich Bewusstseinsveränderung. Dies gilt für die Planung und Durchführung von Vorhaben und Maßnahmen in allen Bereichen und - dies hebe ich abschließend als insbesondere Ihre Verantwortung als BVV hervor - muss nicht zuletzt bei der Haushaltsplanung und -aufstellung 2015/2016 Berücksichtigung finden, wollen wir unsere eigene Beschlusslage dann auch ernst nehmen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 


 

 
 

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