Drucksache - 1503/XX  

 
 
Betreff: Tempelhof-Schöneberg unterstützt die „Nacht der Solidarität"
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Die Fraktion der SPDBezirksamt
Verfasser:Frau Kaddatz, JuttaSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
11.12.2019 
38. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Kenntnisnahme
15.01.2020 
39. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Soziales, Senioren und demografischer Wandel Kenntnisnahme
20.02.2020 
28. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales, Senioren und demografischer Wandel zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Mitteilung zur Kenntnisnahme

Die Bezirksverordnetenversammlung fasste am 11.12.2019 folgenden Beschluss:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt, die Vorbereitung und Durchführung der „Nacht der Solidarität“ in Abstimmung mit den zuständigen Stellen des Landes Berlin zu unterstützen. Hierzu gehören insbesondere die Unterstützung teilnehmender Kolleginnen und Kollegen aus dem Bezirksamt, die Suche bzw. Bereitstellung von Zählbüros sowie die Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit des Vorhabens.

Der BVV ist kurzfristig bis zu ihrer Sitzung im Januar 2020 über unterstützende Tätigkeiten und Angebote des Bezirksamtes zu berichten.

 

Begründung:

Der Senat von Berlin hat im September 2019 mit den „Leitlinien der Wohnungslosenhilfe und Wohnungslosenpolitik“ einen programmatischen Beschluss zur Verbesserung der Situation wohnungsloser Menschen gefasst. Auf Grundlage der Ergebnisse der Nacht der Solidarität (29./30. Januar 2020) soll Berlin seine Hilfs- und Beratungsangebote ausweiten und spezialisieren.

Die Arbeit mit bis zu 500 Teams aus Freiwilligen stellt eine große organisatorische Herausforderung dar, zeigt aber gleichzeitig auch das enorme zivilgesellschaftliche und ehrenamtliche Potential bei der Unterstützung von und Solidarität mit wohnungslosen Menschen in Berlin. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg will dieses Engagement unterstützen.

 

Das Bezirksamt bittet, den nachfolgenden Bericht abschließend zur Kenntnis zu nehmen:

 

Die SenIAS plant eine einmalige Datenerhebung mit dem Ziel, zum einen dadurch die Obdachlosenstatistik zu verbessern und zum anderen die Planung der entsprechenden Angebote qualitativ und quantitativ zu verbessern. Auf Grundlage der veröffentlichten Ergebnisse will das Land Berlin dann seine Hilfs- und Beratungsangebote ausweiten und spezialisieren.

 

Das Amt für Soziales beurteilt die geplante Aktion durchaus kritisch.

 

Bei einer einmaligen Datenerhebung der auf der Straße lebenden Obdachlosen entsteht lediglich eine „Momentaufnahme“ von der Anzahl der Obdachlosen im Land Berlin, die innerhalb eines Zeitraums von drei Stunden von Zählteams erfasst werden können. Es ist nicht sichergestellt, dass tatsächlich alle wohnungslosen Menschen, die in Berlin auf der Straße leben, erfasst werden, auch wenn die Anzahl der Personen, die in dieser Nacht ein Kältehilfeangebot in Anspruch genommen haben, hinzugezählt werden. Das Ergebnis ist also nur für den Zeitpunkt der Erhebung begrenzt gültig und lässt sich nicht generell auf andere Zeitpunkte übertragen.

 

Nachteile einmaliger Datenerhebungen liegen insbesondere darin, dass sich keine Informationen über Entwicklungsverläufe oder Änderungen ablesen lassen. Es ist fraglich, ob das von der SenIAS anvisierte Ziel einer Verbesserung der Obdachlosenstatistik erreicht werden kann und ob sich Daten einer Momentaufnahme für seriöse Planungszwecke eignen.

 

Nach Kenntnis des Amtes für Soziales wurde keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt, auf deren Basis ggf. alternative Methoden zur Erhebung belastbarer Zahlen geprüft wurden.

 

Auf breite Kritik auch in anderen Bezirksverwaltungen stieß der ausgewählte Zeitpunkt für die geplante Aktion. Die „Nacht der Solidarität“ wird vom 29. auf den 30. Januar 2020 – von Mittwoch auf Donnerstag - stattfinden. Am Donnerstag ist in den Sozialen Wohnhilfen immer Sprechstundentag, insbesondere der letzte Donnerstag im Monat wird erfahrungsgemäß sehr stark frequentiert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an dieser Aktion in amtlicher Funktion teilnehmen würden, müssten eine lang andauernde Ruhezeit einhalten, bevor sie am nächsten Tag ihren Dienst wiederaufnehmen dürften. Die Durchführung der Sprechstunden könnte nicht gewährleistet werden.

 

Wenn eine solche Aktion nachts stattfinden soll, so kämen für die Bezirke vor allem die Nächte von Freitag auf Samstag oder von Samstag auf Sonntag in Frage. Darüber hinaus wurden im Vorfeld erhebliche Sicherheitsbedenken dergestalt geäußert, dass die Zählung nachts in der Kälte stattfinden soll, im Dunkeln, in unbeleuchteten Parkanlagen, im Wald, unter Brücken usw. Dort sind nachts nicht nur obdachlose und harmlose Personen anzutreffen. In der Sozialarbeit sind vorwiegend Frauen tätig, offen blieb, wie die Sicherheit der Zählteams gewährleistet werden sollte.

 

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Amt für Soziales sind ohnehin schon stark belastet. Eine zusätzliche Belastung kann nicht unterstützt werden, zumal eine fachliche Notwendigkeit einer Mitwirkung von Beschäftigten des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg an der Zählung nicht zu erkennen ist. Die Beschäftigtenvertretungen haben sich auch aus den vorgenannten Gründen strikt gegen die Durchführung durch Angehörige des Bezirksamtes ausgesprochen. Im Übrigen erfolgten aus der Mitarbeiterschaft im Amt für Soziales, wie auch aus anderen Ämtern, keine Meldungen, sich in amtlicher Funktion an der „Nacht der Solidarität“ beteiligen zu wollen.

 

Der Aufruf der SenIAS, sich freiwillig zu beteiligen, ist über alle Medien weit gestreut worden, so dass eine zusätzliche Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit seitens des Bezirks und auch weitergehende Hinweise an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entbehrlich sind.

 

Freiwillige konnten sich auf der Website der SenIAS https://www.berlin.de/nacht-der-solidaritaet/mitmachen registrieren lassen. Bereits Anfang Dezember hatten sich 3.727 Freiwillige für die Nacht der Solidarität angemeldet. Die notwendige Anzahl an Zähl- teams mit mindestens fünf Freiwilligen kann demnach gebildet werden. Das Anmeldeverfahren ist mittlerweile beendet. Bezüglich der Einrichtung von Zählbüros hat sich SenIAS an zahlreiche Akteure in den Bezirken gewandt, u.a. bringen sich die Berliner Stadtteilzentren als Zählbüros in die Obdachlosenzählung ein. Ein Unterstützungsbedarf seitens des Bezirks besteht auch hier nicht.

 

Trotz der vorgenannten fachlichen Bedenken unterstützt das Amt für Soziales die geplante Aktion der SenIAS im Rahmen seiner Möglichkeiten. In Vorbereitung auf die Zählung hatte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales im November 2019 Workshops durchgeführt, um die Hilfsangebote sowie die Hotspots und Bewegungsmuster der obdachlosen Menschen in den Bezirk zu kartieren, und so die Strukturen vor Ort besser zu verstehen und um möglichst sinnvolle Routen für die Teams zu finden. Der Fachbereichsleiter der Sozialen Dienste/Soziale Wohnhilfe hat am Workshop für den Bezirk Tempelhof-Schöneberg teilgenommen.

 

Realistisch betrachtet können nicht alle öffentlichen Räume in Berlin aufgesucht werden. Auch ist festzustellen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialen Wohnhilfen keine Expertinnen und Experten für die besondere Problematik der Straßenobdachlosigkeit sind. Die Leistungen und Angebote der Sozialen Wohnhilfe umfassen die Regelversorgung und sind entsprechend hochschwellig. Wer Leistungen des Sozialamtes in Anspruch nehmen will, muss in der Lage sein, aus eigener Kraft das Amt für Soziales aufzusuchen und sie zu nutzen. Straßensozialarbeit, die niedrigschwelligste Methode der Sozialarbeit, gehört nicht zu den Aufgaben der Sozialämter, das Amt für Soziales beschäftigt keine Streetworker. Es gehört auch nicht zu den Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den Bezirk zu durchstreifen.

 

Die über das Programm ISP finanzierten Träger, die im Land Berlin Streetwork leisten, sind leider nicht im Bezirk Tempelhof-Schöneberg aktiv. Wo sich hier im Bezirk Obdachlose aufhalten, wird im Amt für Soziales allenfalls zufällig bekannt. Über ein Allgemeinwissen über obdachlose Menschen, die auf der Straße leben, hinaus gibt es hier keine weiterreichenden Kenntnisse.

 

 
 

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