Transformation
Was haben das Oberland Rock Festival, Luzern und eine Planetenwanderung auf dem Uetliberg gemeinsam?
Auf den ersten Blick nichts. Auf den zweiten auch nicht. Auf den dritten gibt es eine Verbindung- wenngleich höchstwahrscheinlich nur ich diese sehe. Für mich hat das oben Genannte mit Transformation zu tun. Manche Veränderungen geschehen nur innerlich. Andere sind von außen sichtbar. Nicht selten folgt das eine auf das andere. Wenn mir jemand vor 5 Jahren gesagt hätte, dass ich einmal freiwillig und dazu noch ganz alleine ein Rockfestival besuchen werde, hätte ich ihm gesagt, dass er sich ganz sicher irrt. Der Irrtum wäre auf meiner Seite gewesen. Aber Irren ist nicht nur menschlich, sondern bringt uns auch weiter. Ohne den Festivalbesuch in Wetzikon hätte ich z.B. zwei nette Menschen aus Zürich und seiner Umgebung nicht kennengelernt. Und auch nicht den Teil meiner Persönlichkeit, der stolz darauf ist, auch solche Situationen meistern zu können. Wer sagt denn, dass es nur die zurückhaltend-überlegte Sandra geben muss, die die Abende in ihrem Kellerappartment in
Adlisvil oder der Uni verbringt?. Weil wir -oder andere- immer ein bestimmtes Bild von uns hatten, bedeutet es nicht, dass das für alle Zeiten so bleiben muss. Wir haben nicht nur ein Leben oder eine Persönlichkeit. Unser Leben besteht aus einer Abfolge vieler kleiner Leben. Jeder Tag ist anders aufgrund der Erfahrungen des vorherigen. Jeder Tag verlangt Entscheidungen und hat Konsequenzen. Stück für Stück formen diese den Menschen, der man wird.
Beim Thema „Erneuerung“ fällt mir auch gleich Luzern ein. Aus der Asche der hölzernen Kappelbrücke entstand bereits ein Jahr nach dem katastrophalen Brand im Jahr 1992 in Rekordzeit eine neue Brücke. Unter dem Dach der Brücke hatten ursprünglich über 150 Bilder aus dem 17. Jahrhundert gehangen. Das Feuer zerstörte mehr als die Hälfte der Bildtafeln. 25 ließen sich wieder herstellen und sind heute an den Brückenköpfen zu sehen. Dazu noch vier verkohlte Tafeln. Auch sie gehören als unauslöschbarer Teil der Vergangenheit zur Kapellbrücke und erinnern an die Fragilität des Lebens sowie daran, dass Transformation Gewinn und Verlust zugleich bedeutet.
Im Nobelkurort Bürgenstock gibt es nicht nur phänomenale Aussichten auf den Vierwaldstätter See , sondern auch den höchsten Freiluft-Aufzug Europas . Die Wanderung ist ebenso zu empfehlen wie die Planetenwanderung auf dem Uetliberg. Für mich lag es weniger an der spektakulären Aussicht, als an der sehr netten und lustigen Begleitung, dass diese Ausflüge einen besonderen Platz in meiner Erinnerung einnehmen.
Europa ist vielfältig, farbenfroh und rückt immer mehr zusammen
Meine siebenköpfige Spontacts-Uetliberg-Wandergruppe hatte fleißig diskutiert: Über Obdachlosigkeit, das Verhältnis der Schweiz zu Europa, Kraftorte, Beschwerden und das Programm der Volkshochschulen. Ein Wanderfreund bat mich darum, ihm am kommenden Tag ein Programmheft zuzuschicken. Als ich dies tun wollte, stellte sich heraus, dass es technische Hürden gab. Im Ergebnis wurden Veränderungen vorgenommen, mein Wanderfreund war zufrieden und zeigte sich beeindruckt von der Beschwerdearbeit , dem abwechslungsreichen Angebot der Züricher VHS und meinem Austauschprogramm.
„LoGo“, dass ich in meine letzte Woche am liebsten alles reinpacken wollte, was es in der näheren Umgebung noch so alles zu sehen und zu erleben gibt. Wo kann man sonst außer im Europapark innerhalb eines Tages eine Reise durch 13 Länder Europas machen? Das schafft selbst Markus nicht mit seinem Ultraleichtflugzeug. Ihm gelang es allerdings, mich dazu zu überreden, mit ihm in die Katapultbahn “blue fire Megacoaster” zu steigen. Im Gegenzug durfte er bei der riesigen Holzachterbahn “WODAN” keine Höhenangst zeigen. An meinem letzten Arbeitstag versuchte ich mir während meiner Abschlusspräsentation meine Angst auch nicht anmerken zu lassen. Ich hoffte inständig, dass ich für jeden einzelnen die richtigen, wertschätzenden Worte für seine Arbeit und das VHS-Team insgesamt gefunden
hatte. Ich teilte jedem ein individuelles Exemplar der kleinen Zeitschrift aus, die ich erstellt und mit Fotos illustriert hatte. Sie enthält meine wichtigsten Erkenntnisse und Projektvorschläge für unsere beiden Volkshochschulen. Sie trägt sowohl das Logo der Züricher VHS als auch das der VHS Berlin Mitte, was verdeutlichen soll, wie immens beide Seiten von diesem Austausch profitiert haben.
Meine Kolleginnen und Kollegen sind mir innerhalb dieser vier Wochen sehr ans Herz gewachsen und der Abschied fiel mir unglaublich schwer. Noch schwerer fiel es mir, als sie mir beim Abschiedsaperitif eine große Geschenktüte Läderach-Schokolade („Du würdest dir das für dich selbst nie leisten“) , eine liebevoll geschriebene Karte und einen Gutschein für einen erneuten Schweizbesuch („Damit wir dich bald wieder in die Schweiz locken können“) überreichten. Dazu bedarf es keiner großen Anstrengung. An diesem Tag sollte mir noch mehr Unerwartetetes widerfahren: Der Überraschungsausflug in die Jules Vernes Panorama-Bar wurde nicht nur mit einer tollen Aussicht über Zürich gekrönt, sondern auch noch damit, dass mir DJ Bobo auf der Straße entgegenkam. Ich redete kurz mit ihm über Berlin und dass wir uns am 4. Mai auf seinem Konzert in der Mercedes-Benz-Arena wiedersehen. Ein fast schon surrealer Tag ging damit zu Ende. Viel zu viel hatte ich erlebt und gesehen, um es auch nur annähernd verarbeiten zu können.
Und damit war es noch nicht zu Ende: Carmen und Markus entführten mich an meinem letzten freien Tag ins Appenzeller Land auf den Säntis und in ihre Heimatstadt St. Gallen. Ich lernte auf der Fahrt viel über die direkte Demokratie der Schweiz, die über die Landsgemeinde nur noch in 2 Kleinstkantonen durchgeführt wird. Wenn man die Geschichte der Schweiz auf so eindrucksvolle Art von zwei gebürtigen Schweizern nahegebracht bekommt, prägt sich dies ohne Anstrengung ins emotionale Gedächtnis ein. Diese persönliche Art der “ARTE-Wissensvermittlung“ werde ich immer favorisieren, da kann keine noch so gut gemachte Dokusendung mithalten.
LoGo, I have to go … but I come back
Wenn ich gefragt werde, wie es in der Schweiz war, sage ich immer, dass ich seit meinem Auslandsaufenthalt in Zürich zu einem „Schweiz-Fan“ geworden bin. Die Erfahrungen dort haben mich auf eine Art und Weise verändert, die ich nie für möglich gehalten hätte. Viele bemerkenswerte Menschen sind durch diesen Auslandsaufenthalt in mein Leben getreten und haben es sehr bereichert und meinen Horizont im wahrsten Sinne des Wortes erweitert. Der nächste Flug nach Zürich ist bereits gebucht. Zum Jahreswechsel werde ich einige alte und neue Freunde besuchen und wer weiß, welche neuen Wege sich dadurch wieder auftun werden.