Am Montag, den 26.11.2018 verlegte Gunter Demnig im Beisein von Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel in der Bernauerstr. 76 in Mitte einen Stolperstein für Taube Toni Zenner, die am 19. Januar 1942 nach Riga deportiert wurde.
Ein weiterer Stolperstein wurde für ihren Neffen Josef Kanarek in der Strelitzerstr. 5, der im Rahmen der “Polenaktion” vom Oktober 1938 ausgewiesen wurde und 1942 im Ghetto Plonsk oder in Auschwitz umkam verlegt.
Vor jedem der beiden Stolpersteine fand eine Gedenkfeier statt.
Auch Angehörige aus Israel und Frankreich waren mit zwei Generationen unter den Anwesenden. Eine Schülergruppe der benachbarten Schule, dem Bach Musikgymnasium, gestelatete an diesem Tag die musikalische Umrahmung der Stolpersteinzeremonie.
Josef Kanarek wurde am 19. Januar 1911 in Cieszanow/Polen geboren. 1914 kam seine Mutter Golda Kanarek nach der Scheidung von ihrem Ehemann Marcus Pinter mit ihrem Sohn und ihrer Tochter Misha (geb. 1913) nach Berlin und konnte zunächst für einige Zeit bei ihrer Schwester Taube Toni, die schon zuvor von Polen nach Berlin gezogen wa r, unterkommen. Golda Kanarek betrieb eine kleine Schneiderei. Misha und Josef beschäftigten sich a ls junge Erwachsene sehr mit gesunder Ernährung. Josef Kanarek machte eine Ausbildung zum Krankenpfleger.
Er wohnte zusammen mit seiner Mutter und Schwester in Berlin-Mitte, Strelitzerstr. 5.
Am 29.10.1938 wurde Josef Kanarek im Rahmen der Polenaktion nach Bentschen
1 (Zbaszyn) deportiert, wo er bis Sommer 1939 im Internierungslager verblieb. Er hatte regen Briefkontakt mit seiner Mutter Golda und seiner Tante Taube Toni. Aus den von der Familie aufgehobenen Briefen vom 1.7.1939 bis Anfang 1942 geht hervor, dass er nach dem Internierungslager nach Posen ging.
Im Oktober 1940 lebte er in Warschau, im Sommer 1941 im südöstlichen Preußen, wo er eine gute Stelle als Buchhalter hatte. Ende 1941 lebte er in Plonsk. Von dort erhielten die Angehörigen Anfang 1942 von ihm einen letzten Brief, in dem er von der glücklichen Beziehung zu einer Frau namens Edzia spricht.
Zugleich berichtet er von der bevorstehenden Einweisung mit dem letzten Transport ins Ghetto von Plonsk, hofft aber. auf ein glückliches Wiedersehen der Familie bis Pessach „Er bedauert, dass er nicht rechtzeitig nach Palästina ausgewandert ist. Es schwingen Todesahnungen in den Zeilen„.
Ab September 1940 waren die in Plonsk lebenden Juden von den Nazis ins Ghetto außerhalb der Stadt gezwungen worden. Zuletzt waren es 12.000 Menschen, die eingefercht in drangvoller Enge dort lebten. Infolge der ausbrechenden Typhus Epidemie verstarben viele von ihnen. Vom Ghetto Plonsk wurden die Juden ab 1942 nach Auschwitz deportiert.
Laut Bundesarchiv gilt Josef Kanarek als verschollen. Es kann sein, daß er noch im Ghetto Plonsk durch Gewalt oder Krankheit und Hunger umgekommen ist oder noch nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde.
Eine Anfrage im Archiv von Auschwitz brachte kein Ergebnis.
Seine Mutter Golda konnte sich im August 1939 über Italien nach Frankreich retten zu ihrer Tochter Misha, die bereits 1938 nach Frankreich geflohen war, dort geheiratet hatte und mit ihrem Mann in Nancy lebte. Nach der Ankunft der Mutter Golda zogen sie Mitte 1940 zusammen mit einer Schwester und einem Bruder des Ehemannes in ein kleines Dorf in Südfrankreich, wo die ganze Familie den Krieg und die deutsche Besatzung auf einer kleinen abgelegenen Farm überlebte. 1940 wurde der erste Sohn/Enkel Daniel, 1943 der zweite Sohn/Enkel Jacques geboren. Er lebt heute in Paris und wird zur Stolpersteinverlegung für seinen Onkel Josef Kanarek nach Berlin kommen„
Josef Kanareks Tante Taube Toni Zenner wurde am 19. Januar 1942 nach Riga deportiert. Seine Cousine Judith Berta hatte sich im Juni 1939 nach England retten können und ging nach dem Krieg nachIsrael. Dort heiratete sie den auch aus Berlin stammenden Alfred Schlag, der sich mit 18 Jahren nach Palästina hatte retten können.
Die beiden aus dieser Ehe hervorgegangenen Töchter leben in Israel und sind mit weiteren Familienmitgliedern zur Stolpersteinverlegung für ihre Großmutter nach Berlin kommen.