Drucksache - 1970/XX  

 
 
Betreff: Einleitung eines Verfahrens für eine soziale Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches für das Gebiet Friedenau, Ortsteil Friedenau.
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:Herr Oltmann, JörnSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:Mitteilung zur KenntnisnahmeMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Kenntnisnahme
18.11.2020 
46. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin - Besucher bitten wir um vorherige Anmeldung per E-Mail im BVV-Büro! (siehe Teilnehmer_innen-Anlage zur Einladung) überwiesen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Kenntnisnahme
30.11.2020 
39. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
09.12.2020 
40. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
13.01.2021 
41. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung - Videokonferenz (Webex-Meeting) mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
Mitteilung zur Kenntnisnahme

über die Einleitung des Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches in Verbindung mit § 30 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuchs für das Gebiet „Friedenau“ im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Friedenau, in der anliegenden Karte mit einer durchgezogenen Linie eingegrenzt (Anlage 1).

Die Begründung ergibt sich aus der Anlage 2.

 

Anlagen

Anlage 1: Gebietskarte


Anlage 2: Begründung zur Bezirksamtsvorlage zur Beschlussfassung

Anlass:

In den letzten Jahren wurden im Bezirk Tempelhof-Schöneberg zunehmend Bereiche mit einem angespannten Wohnungsmarkt identifiziert. Diese Bereiche liegen überwiegend in den innerstädtischen Quartieren des Bezirks, weiten sich aber zunehmend auch in weitere attraktive Stadtlagen aus. Ein angespannter Wohnungsmarkt führt in allen attraktiven Stadtlagen verstärkt zu sozialen Entmischungsprozessen und Segregationsentwicklungen. Diese können sich städtebaulich wie folgt auswirken:

Steigende Mieten und damit Verdrängung der ansässigen Bewohner_Innen aus ihrem Wohngebiet

 

Verstärkte Nachfrage und entsprechende Verknappung von günstigen Wohnungen im Bezirk / Nachbarbezirken (mit der möglichen Folge einer Segregation durch Fortsetzung des Verdrängungsprozesses in den dann nachgefragten Wohngebieten)

 

Öffentliche Aufgabe der Schaffung günstigen Wohnraumes (im Bezirk)

 

Wenn die vorhandenen öffentlichen und privaten Infrastruktureinrichtungen (z.B. ÖPNV; Schulen; Spielplätze; Seniorenangebote; private Dienstleistungs- und Handelsunternehmen) auf die ansässige Bevölkerungsstruktur zugeschnitten sind, kann es zu einer diesbezüglichen Unterauslastung im Wohngebiet kommen. Am neuen Zuzugsort der verdrängten Bewohnerschaft entstehen evtl. neue Nachfragesituationen, die nicht oder nur unter hohem öffentlichen und privaten Planungs- und Kostenaufwand realisiert werden können.

Soziale Erhaltungsverordnungen und Umwandlungsverordnung:

Mit dem Instrument der „sozialen Erhaltungsverordnung“ gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches können bauliche Änderungen, die zur Aufwertung von Wohnungen führen, und der Verlust von Wohnraum durch Abriss oder Nutzungsänderung, aus städtebaulichen Gründen versagt werden. Voraussetzung ist der Erlass einer Erhaltungsverordnung für ein Gebiet und der Nachweis, dass die geplanten Maßnahmen bzw. Nutzungsänderungen im Gebiet zur Veränderung der vorhandenen Bewohnerstrukturen führen können sowie, dass eine Verdrängung der ansässigen Bewohnerstrukturen städtebauliche Folgeprobleme nach sich ziehen kann.

 

In den Ortsteilen Schöneberg und Tempelhof wurden in den Jahren 2014 bis 2018 bereits acht soziale Erhaltungsverordnungen erlassen: Bayerischer Platz / Barbarossaplatz, Bautzener Straße, Kaiser-Wilhelm-Platz und Schöneberger Insel, Schöneberger Norden, Schöneberger Süden, Tempelhof und Grazer Platz.

Durch die Umwandlungsverordnung für Berlin, die 2015 erstmalig und 2020 erneut beschlossen wurde, ist die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in sozialen Er-haltungsgebieten genehmigungspflichtig. Mit dem Genehmigungsvorbehalt zur Umwandlung in den sozialen Erhaltungsgebieten kommt ein weiteres wichtiges städtebauliches und wohnungspolitisches Instrument zur Anwendung, denn in den letzten Jahren gab es in Berlin eine deutliche Steigerung der Umwandlungen. Mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geht häufig eine Entmietung der Häuser mit anschließender teurer Modernisierung einher. Damit wird der Ausstattungsstandard der Wohnungen oft auf ein überdurchschnittliches Niveau angehoben. In den meisten Fällen werden umgewandelte Wohnungen weiterhin als Mietwohnungen angeboten und nicht von den Erwerbern selbst genutzt. Die Mieten dieser Wohnungen liegen deutlich höher als bei nicht umgewandelten Wohnungen. Die Umwandlung führt damit zur Veränderung der bisherigen Gebietsbevölkerung.

Voruntersuchungen zur Ermittlung von Verdachtsgebieten, die die Kriterien von sozialen Erhaltungsgebieten erfüllen können:

Aufgrund des stetigen Bevölkerungszuwachses, des knapper werdenden Wohnraumangebots, der Inwertsetzungsstrategien der Eigentümer_Innen sowie drastischer Mietsteigerungen hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, vertreten durch den Fachbereich Stadtplanung, im Oktober 2016 eine „Voruntersuchung zur Ermittlung von Verdachtsgebieten im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, die die Kriterien für den Erlass von sozialen Erhaltungsverordnungen erfüllen können“ in Auftrag gegeben. Der Untersuchungsrahmen erstreckt sich auf Planungsräume der innerstädtischen Ortsteile Schöneberg, Friedenau und Tempelhof, welche verstärkt in das Blickfeld von Investoren und Bauherren mit Aufwertungsabsichten geraten sind.              Ziel der Untersuchung war es, Teilräume in den genannten Ortsteilen zu identifizieren, in denen die ansässige Bevölkerung auf die im Gebiet vorhandene Wohnsituation und Infrastruktur angewiesen und gleichzeitig durch Verdrängung gefährdet ist. Die Indikatoren Aufwertungspotential (vorhandene Möglichkeiten, den baulichen Zustand des Gebäude- und Wohnungsbestandes über den zeitgemäßen Ausstattungsstandard hinweg wohnwerterhöhend zu verändern), Aufwertungsdruck (wohnwerterhöhendes Potenzial wird im Gebiet bereits genutzt bzw. die Rahmenbedingungen geben dazu Anlass) und ein Verdrängungspotential (soziodemografische Rahmenbedingungen bestätigen ein Verdrängungspotential) können Hinweise auf Verdrängung geben. Die Segregation muss aber darüber hinaus nachweislich negative städtebauliche Folgen erwarten lassen.

 

Verdachtsgebiet Friedenau:

Im Ergebnis der o.g. Voruntersuchungen wurde auch das Verdachtsgebiet Friedenau identifiziert. Die Gutachter stellen in ihrer Untersuchung unter anderem heraus, dass trotz eines bereits hohen Anteils von Wohnungseigentümergemeinschaften die Dynamik bei Wohnungsumwandlungen und Wohnungsverkäufen als hoch bis sehr hoch zu bewerten ist. Es gibt im Gebiet eine Bevölkerung, die aufgrund einer hohen Wohndauer eine ausgeprägte Gebietsbindung hat. Hinsichtlich des Potenzials für bauliche Aufwertungen sowie des Drucks, diese Potenziale umzusetzen, wurde das Gebiet Friedenau im Jahr 2016 nicht als prioritär eingestuft, immerhin aber mit "mittel" bewertet.

Gerade die Entwicklungen der letzten Jahre auf dem Berliner Wohnungsmarkt (u.a. Umwandlungen und Eigenbedarfskündigungen) haben zu einer Sorge der im Gebiet lebenden Bevölkerung vor dem Verlust ihrer Mietwohnungen geführt. Diese Ängste und Sorgen äußern sich in vermehrten Anfragen und Schreiben von Bewohnenden des Bereichs Friedenau.

Weiteres Vorgehen:

Die vorhandenen, allgemein stark nachgefragten Wohnungen und die innerstädtische Lage (geprägt durch ruhige Wohnstraßen, gute ÖPNV-Anbindung, Nähe zu Kleingartenanalgen) geben dem Verdachtsgebiet als Wohnstandort eine Attraktivität mit der Möglichkeit, hohe Kauf- und Mietpreise zu erzielen. Allein auf der Grundlage der o.g. Voruntersuchungen ließ sich 2016 die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB zunächst nicht begründen. Eine seitdem anhaltend hohe Dynamik auf dem Wohnungsmarkt lässt allerdings befürchten, dass Verdrängungseffekte im Verdachtsgebiet Friedenau einsetzen bzw. sich verstärken und negative städtebauliche Folgen nach sich ziehen können.

Im weiteren Verfahren sind daher vertiefende Untersuchungen (einschließlich repräsentativer Haushaltsbefragungen) durchzuführen sowie die dann vorliegenden, gebietsspezifischen Ergebnisse zu analysieren und auszuwerten.

Soweit die Untersuchungen den Verdacht des Vorliegens der Kriterien gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB bestätigen, kann der Erlass der sozialen Erhaltungsverordnung für das Gebiet Friedenau beschlossen werden.

Rechtsgrundlage:

Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBI. I S. 1728) geändert worden ist

Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 06.12.2017 (GVBl. S. 664)

Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) in der Fassung vom 10. November 2011, zuletzt geändert durch Artikel 22 des Gesetzes vom 02.02.2018 (GVBl. S. 160)

 

 
 

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