Handlungskonzept Gewalt- und Kriminalitätsprävention

Stand: Mai 2022

Ausgangslage

Laut der Veröffentlichung „Gewalt und ihre Prävention in Tempelhof-Schöneberg, Ein Bezirksprofil“ der Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention ist die Kriminalitäts- und Gewaltbelastung des Bezirks insgesamt unterdurchschnittlich ausgeprägt. Unter den Regionen weisen Lichtenrade, Schöneberg Nord, Schöneberg Süd und Tempelhof eine erhöhte Belastung mit Jugendgewalt auf.

Die Bezirksregion Schönberg-Nord sticht bei der Kriminalitätsbelastung aller Altersgruppen heraus, die Bezirksregion Tempelhof weist die zweithöchste Kriminalitätsbelastung im Bezirk auf.

Vor diesem Hintergrund nimmt die bezirkliche Präventionsstrategie die Bezirksregion Schönberg-Nord mit dem Regenbogenkiez sowie die Bezirksregion Tempelhof besonders in den Blick.

Die hochbelastete Region Schöneberg-Nord mit dem Regenbogenkiez erfordert eine zielgenaue Ausrichtung der bezirklichen Präventionsstrategie auf diesen Sozialraum. Es besteht Bedarf, hier ein umfassendes Präventionskonzept für dieses „Ausgehviertel“ zu entwickeln. Übergriffe auf LSBTI und Kriminalität im Milieu von Sexarbeiter_innen spielen ebenfalls eine Rolle.

In der Bezirksregion Tempelhof besteht in Hinsicht auf Delikte, die mit Drogenkonsum in einem Zusammenhang stehen, Handlungsbedarf.

Struktur

Das Bezirksamt und die zuständigen Polizeiabschnitte sehen sich in der Kooperation gut aufgestellt. Es bestehen in den angesprochenen Regionen bereits unterschiedlichste Vernetzungsrunden, beispielsweise auch in Form von Kiezpräventionsräten, welche im Rahmen der Pilotprojekte durch die kiezorientierte Gewalt- und Kriminalitätsprävention und der beauftragten Träger in Kooperation mit dem Bezirksamt durchgeführt werden.

Darüber hinaus werden folgende Vernetzungstreffen durchgeführt, welche fortgeführt und aktiv in den Bezirkspräventionsrat einbezogen sind:

  • Präventionsrat Schöneberger Norden: Organsiert durch das Quartiersmanagement (QM) Schöneberg Nord. Da das QM Ende 2020 ausgelaufen ist, wurde eine Fortführung durch die Regionalkoordination der Organisationseinheit Sozialraumorientierte Planungskoordination (OE SPK), Ansprechpartner Herr Gesell, gesichert.
  • Kiezpräventionsrat und Impulsgruppen Regenbogenkiez: Organisation durch den Nachtbürgermeister in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt (im Rahmen der kiezorientierten Gewalt– und Kriminalitätsprävention)
  • Beendet – Runder Tisch Sexarbeit: Fortführung von Austauschrunden als Ergebnisse des Runden Tisches durch die Referentin Sexarbeit und der Frauenbeauftragten des Bezirksamtes
  • Runder Tisch Drogen bisher für den Bereich Grunewaldstraße rund um die U-Bahnhöfe Eisenacher Straße und Bayerischer Platz (wird zukünftig neu ausgerichtet)
  • Kiezpräventionsrat Tempelhof: Organisiert durch den Notdienst Berlin e.V. in Zusammenarbeit mit Bezirksamt (im Rahmen der kiezorientierten Gewalt –und Kriminalitätsprävention)
  • Arbeitsgemeinschaft Obdachlosigkeit des Sozialamtes
  • Stadtteilforum von W40: Büro der Quartiersentwicklung in der Waldsassener Straße 40
  • Regionale Arbeitsgemeinschaften des Jugendamtes: Austausch der Regionalkoordinatoren mit Trägern der Jugendhilfe
  • Forum Germaniagarten: Öffentliches Stadtteilgremium zwei Mal jährlich im Rahmen der QM-Gebietskulisse Germaniagarten seit 2021 unter Leitung der Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung und Facility Management
  • Nahariyaforum: Öffentliches Stadtteilgremium zwei Mal jährlich im Rahmen der QM-Gebietskulisse Nahariyastraße seit 2021 unter Leitung der Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung und Facility Management

Der übergeordnete Bezirkspräventionsrat wird eine Zusammenkunft aller bestehenden Austauschtreffen darstellen, um ein Gesamtbild über alle Bezirksregionen zu erhalten. Es werden Maßnahmen aufeinander abgestimmt und Erfahrungen ausgetauscht, um Entwicklungen möglichst frühzeitig zu erkennen und entsprechend agieren zu können.

Es wird dafür eine ressortübergreifende Abstimmung und Struktur von Präventionsräten und Bürgerbeteiligungsforen (QM-Foren, Runde Tische, Bürger_innenräten, Regionalforen, örtliche Präventionsräte und Bezirkspräventionsrat) angestrebt.
Ziel ist es

  • Doppelstrukturen zu vermeiden
  • Beteiligungsforen vs. Präventionsstrukturen gegen Gewalt voneinander abzugrenzen
  • klare Strukturen vom Bezirkspräventionsrat und regionalen Präventionsräten zu beschreiben
  • nach außen ein klares Bild zum Thema für interessierte Bürger_innen zu liefern.

Bezirkspräventionsrat

Der Bezirkspräventionsrat trifft sich zwei Mal jährlich unter der Leitung des Bezirksbürgermeisters. Teilnehmen können alle Akteure im Themenfeld Gewalt- und Kriminalitätsprävention. Der Einladungsverteiler wird je nach Teilnahme bzw. Anmeldung von der SPK Prävention und Beteiligung aktualisiert und gepflegt. Die SPK Prävention und Beteiligung nimmt somit die Funktion einer Geschäftsstelle der kiezorientierten Gewalt- und Kriminalitätsprävention ein und ist Ansprechpartner für die Landeskommission Berlin gegen Gewalt.

Der Bezirkspräventionsrat wird von der SPK Prävention und Beteiligung in Abstimmung mit den Vertreter_innen der Polizeiabschnitte vorbereitet. Erforderliche Beschlüsse werden im Bezirkspräventionsrat abgestimmt oder, wenn erforderlich, dort vorbereitet und im Bezirksamtsgremium beschlossen.

Handlungsfelder

Der Bezirkspräventionsrat wird bei seinen Treffen zukünftig Themenschwerpunkte setzen. Dafür wurden bisher folgende Schwerpunktthemen ausgemacht:

  • Jugendarbeit: allgemein und Präventionsarbeit an Schulen
  • Drogenhandel und Konsum im öffentlichen Raum
  • Öffentliche Räume mit Schwerpunkt: Umgang mit Personen mit psychischen Auffälligkeiten
  • Straßenprostitution (insbesondere der Armuts- und Zwangsprostitution sowie Jugendlicher im Regenbogenkiez)
  • Obdachlosigkeit (insbesondere von jüngeren EU-Bürger_innen und Menschen ohne Ansprüche auf Sozialleistungen)

Da die aufgeführten Themen bereits Berücksichtigung in der Arbeit der Fachabteilungen des Bezirksamtes finden, wird durch die entsprechende Fachabteilung der aktuelle Stand dem Bezirkspräventionsrat vorgestellt bevor es im Anschluss zu einem Austausch kommt.

Leitziele

Die Leitziele werden kontinuierlich überprüft und entsprechend angepasst. Bislang wurden folgende Ziele vereinbart:

  • Nachhaltige und präventive bezirklichen Strukturen sollen verstärkt werden, indem auf die vorhandenen Strukturen aufgebaut wird. Die neu geschaffene Struktur soll ergebnis- und themenorientiert sein und alle Bezirksregionen mit einbeziehen.
  • Vernetzungen sollen zielgerichtet gestaltet und gebündelt werden, um somit Kooperationen und Abstimmungen zu ermöglichen und zu erleichtern. Dafür werden im Bezirkspräventionsrat und allen weiteren Austauschrunden Interessen, Ressourcen und Wissen zusammengeführt und gebündelt, wodurch eine Intensivierung von bedarfsorientierter und zielgerichteter bezirklicher Vernetzung erfolgt. Dadurch soll der Bezirk in die Lage versetzt werden, frühestmöglich Entwicklungen zu erkennen und bedarfsorientierte Angebote zu koordinieren.
  • Integrierte Konzepte, insbesondere für den Regenbogenkiez und den Schöneberger Norden, werden weiterentwickelt und umgesetzt, da die Kriminalitätsbelastung und Jugendgewalt dort auch weiterhin feststellbar ist. Mobile und bedarfsgerechte Sozialarbeit ist hier besonders wichtig.

Zur Umsetzung werden die zur Verfügung stehenden Mittel der kiezorientierten Gewalt- und Kriminalitätsprävention der Landeskommission Berlin gegen Gewalt für die Förderung von Pilotprojekten und entsprechenden Maßnahmen verwendet. Für eine signifikante Ergebnisprüfung erfolgt die Förderung von Pilotvorhaben mindestens für zwei Jahre. Im Rahmen der Berichterstattung und Ergebnisse werden die Übernahme in die Regelstrukturen geprüft.

Schwerpunkte

Kinder- und Jugendpräventionsarbeit

Das Jugendamt wird in der täglichen Arbeit mit verschiedensten Formen der Gewalt konfrontiert. Der Fokus des Jugendamtes liegt im Rahmen der kiezorientierten Gewalt- und Kriminalitätsprävention auf der Jugendsozialarbeit sowie der präventiven Jugendarbeit. Dazu zählen unter anderem Jugendfreizeittreffs, die mobile Straßenarbeit und die Gewaltprävention. Darüber hinaus gibt es die Angebote der Familienförderung (z.B. die Familienzentren) sowie Angebote des präventiven Jugendschutzes.
Die Arbeitsschwerpunkte sind aufgeteilt in folgende Bereiche:

  • Schöneberg Nord, Schöneberg Süd, Friedenau
  • Tempelhof, Mariendorf
  • Marienfelde, Lichtenrade

Aktuelle Zahlen bestätigen, dass der Schwerpunkt der Jugendpräventionsarbeit nach wie vor in Schöneberg Nord und Süd sowie Friedenau liegt. Die Präventionsangebote sind grundsätzlich für alle Kinder und Jugendliche (KuJ) offen. Ziel ist es, dass KuJ so gefördert werden, dass sie sich für die Gesellschaft engagieren, sich integrieren und zur aktiven Teilhabe motiviert und befähigt werden.

Das Streetworkangebot von „Outreach „Gangway“, aber auch „Jobmobil* ist nach wie vor in allen Bezirksregionen verfügbar. Besonderer Aspekt hierbei ist die Arbeit mit Gruppen, die sich typischerweise nicht in Einrichtungen, sondern sich im Öffentlichen Raum bewegen. Diese Arbeit ist außerdem ein Grundbaustein von Prävention und Integration.
Exemplarische Beispiele aus der praktischen Arbeit:
Leitfaden zur Jugendgewaltprävention

Im Leitfaden zur Gewaltprävention sind 16 Standards und Ziele festgelegt. Grundlage der Überlegungen ist, dass Jugendliche, die über gute „Soft Skills“ bzw. über ausreichend und gute Alternativen verfügen, keine Gewalt brauchen, um sich im täglichen Leben zu behaupten. Ein früher Start der Gewaltprävention in Familie, Kita. Schule Nachbarschaft und Freizeit im Sinne einer Präventionskette ist unserer Auffassung nach essentiell, um das Problem an der Wurzel zu packen und Gewaltvorfälle zu reduzieren.

Mit dem QM-Projekt „Wir wollen wissen“ wurde partizipativ eine Kultur der Gewaltprävention mit Schwerpunkt auf dem Schöneberger Norden entwickelt. Das Projekt basiert auf zwei Fachtagen. Die Ergebnisse dieser Fachtage wurden gebündelt und in Arbeitsgruppen diskutiert und weiterentwickelt. Eltern wurden in den Prozess mit eingebunden.

Die Ziele werden laufend überprüft und aktualisiert, Lücken geschlossen und in die Praxis integriert.

AG Gewaltprävention im Schöneberger Norden (Regionalleitung Jugendamt und Stadtteilkoordination plus)

Die Arbeitsgemeinschaft wurde als Reaktion auf Ausschreitungen in der Pallasstraße während der Silvesternacht 2013/2014 gegründet. Der Fokus der Arbeitsgruppe liegt auf Kindern, Jugendlichen und Familien. Die Mitglieder der AG tauschen sich aus, analysieren und entwickeln daraus Strategien. Mittlerweile ist die AG Gewaltprävention in den fachlichen Händen des Jugendamtes (Nord L) und der neuen Stadtteilkoordination plus verstetigt worden.

Themen bei der Gewaltprävention im Schöneberger Norden sind unter anderem die urbane Sicherheit und Gewaltprävention, homophobe Gewalt, Gewaltprävention an Schulen, der Drogenkonsumhandel im Quartier und Waffengeschäfte an der Potsdamer Straße. Im Rahmen dessen werden auch Projekte angeboten, damit Personen erreicht werden, die von der „klassischen“ Jugendarbeit nicht erreicht werden.

Drogenkonsum im öffentlichen Raum

Suchthilfekoordination

Die Suchthilfekoordination ist angesiedelt in der Planungs- und Koordinierungsstelle Gesundheit (QPK) als Stabsstelle des Gesundheitsstadtrates. Kernaufgabe ist die bezirkliche Suchthilfeplanung sowie die Zuwendungsförderung der bezirklichen Beratungsstellen für Alkohol- und Medikamentenabhängige und deren Qualitätskontrolle. Die Suchthilfekoordination versteht sich dabei als zentrale Ansprechpartner_in für alle Dienste, Institutionen und Einrichtungen, die im Bezirk Tempelhof-Schöneberg mit der Versorgung suchtmittelgefährdeter, suchtbelasteter und suchtkranker Menschen befasst bzw. beauftragt sind. Aktuell und im Zusammenhang mit dem NUDRA – Projekt finden der Aufbau und die Verstetigung eines gelingenden Monitorings in Sachen „Konsumrückstände und Spritzenfunde“ statt.

Aufgaben für die Zukunft im Bezirk: Neben dem geplanten Kontaktladen die Schaffung weiterer niedrigschwelliger Hilfen wie z.B. stationäre Konsumräume, eine Ausweitung begleitender Unterstützungsleistungen durch aufsuchende Sozialarbeit und medizinische Hilfen und gut erreichbare Anlaufpunkte für suchtkranke Menschen, um Drogengebrauchende an diese Angebote zu binden und den öffentlichen Raum zu entlasten.

Streetwork-Projekt des Drogennotdienst Berlin e.V.

Nach wie vor ist die Fluktuation der Drogenkonsumt_innen im Bezirk hoch, es gibt keine verfestigte „Szene“ oder ähnliches. Insgesamt ist weder in Tempelhof noch in Schöneberg eine verfestigte Szene erkennbar und auch nicht zu erwarten. Dies wird auch durch die Ergebnisse von NUDRA bestätigt. Hauptanliegen ist das Fehlen von Schlafplätzen.

Hauptaugenmerk der Vor-Ort Arbeit liegt aktuell auf dem Bereich Kurfürstenstr. und Umgebung (Klientel wird regelhaft angetroffen und betreut). Jedoch haben viele der Menschen multiple Problemlagen. Es besteht Hoffnung auf eine leichte Entspannung im angesprochenen Bereich durch die Notunterkunft des IB in der Kurmärkischen Straße 1-3.

Spritzenentsorgungsschulungen: Das Streetwork-Team bietet mit Hilfe von bezirklichen Mitteln Schulungen zum Thema Entsorgung von Konsumutensilien an und richtet sich dabei vor allem an Kitas und Schulen in Schöneberg. Der Rücklauf auf das Angebot war allerdings sehr dürftig, sodass nur 2 Schulungen durchgeführt werden konnten

Es findet ein regelmäßiger gegenseitiger Austausch mit den Parkläufer_innen des Parkmanagements statt, Informationsweitergabe über Bewegung und Spritzenbelastung im Bezirk funktionieren sehr gut. Zudem fanden Kooperationstreffen mit weiteren Vor-Ort Teams im Bezirk (primär Jugendhilfe) statt.

Es mangelt weiterhin an suchtspezifischen Angeboten im Bezirk, daher gestaltet sich die Weitervermittlung oft schwierig.

Fixpunkt e.V. – Drogenkonsummobil/ Beratungsmobil

Das Angebot des Drogenkonsummobils besteht seit Mai 2019 in Schöneberg (Eisenacher Straße). Es handelt sich um ein mobiles Angebot mit 2 Fahrzeugen an der Auffahrt zur Apostel-Paulus-Kirche in der Zeit von Montag bis Freitag von 9:30 bis 13:30 Uhr. Die Fahrzeuge sind ausgestattet mit je 2 Personen pro Mobil (davon mind. 1 Sozialarbeit sowie 1 Pflegefachkraft). Die Fahrzeuge verfügen über 4 Konsumplätze.

Parkmanagement SiHoch 3

Arbeit der Parkläufer_innen von SI3 in Schöneberg: Arbeitszeiten Sonntag bis Donnerstag zwischen 11:00 und 19:30 Uhr, freitags und samstags 13:00 bis 21:30 Uhr. Die Parkläufer_innen sind dabei unterwegs in den Bereichen Nelly-Sachs-Park mit dem Kurfürstenkiez und Winterfeldtplatz, im Kleistpark mit Kurt-Hiller-Park, Apostel-Paulus-Kirche und Alice-Salomon-Park, sowie neu seit Oktober auch im Cheruskerpark mit dem Innsbrucker Platz und dem Friedhof Eisackstraße. Seit 2019 von dem Straßen- und Grünflächenamt von Tempelhof-Schöneberg für die soziale Sicherheit in den öffentlichen Räumen beauftragt

Neben der Kommunikation mit den Nutzern, gehört auch die Gefahrenbeseitigung zu den Aufgaben. Das bedeutet, dass Scherben von Wegen und Spielplätzen weggesammelt, Spritzen mit den entsprechenden Eimern und Müllgreifern entfernt, Kondome aus den Gebüschen und von Spielplätzen geräumt werden. Die Parkläufer_innen befinden sich im Austausch mit verschiedenen Trägern im Bezirk. So gibt es mit dem Drogennotdienst einen wöchentlichen Telefontermin, ein Austausch mit Olga e.V. findet ebenfalls statt.