Drucksache - 1797/XIX
Die BVV fasste auf ihrer Sitzung am 20.04.2016 folgenden Beschluss:
Die Bezirksverordnetenversammlung empfiehlt dem Bezirksamt, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, die eine Beschlagnahmung von vorhandenen leerstehenden Gewerbegebäuden auf Grundlage des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) für die Unterbringung von Obdachlosen und Flüchtlingen erleichtern. Es ist erforderlich, auch rechtliche Handlungsinstrumentarien zu erweitern, um einen Zugriff auf geeignete Objekte für Bedürftige auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen Eigentümer/innen beziehungsweise Vermieter/innen nicht bereit sind, geeignete leerstehende/ungenutzte Objekte auf einer Vereinbarungsbasis zur Verfügung zu stellen.
Mindestens folgende Punkte sollten dabei berücksichtigt werden:
- die Sicherstellung von ungenutzten Immobilien soll nur zeitlich befristet möglich sein - vorrangig sollen (kleinere) gewerblich ungenutzte Immobilien sichergestellt werden können -eine Entschädigung soll angemessen sein - es ist vor der Beschlagnahmung die (grundsätzliche) Eignung der ungenutzten Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen zu prüfen
Des Weiteren ist darauf zu achten, dass nach der Beschlagnahmung die Qualitätsanforderungen für Notunterkünfte/Erstunterbringung vor der Belegung mit Flüchtlingen sichergestellt werden
Das Bezirksamt teilt mit der Bitte um Kenntnisnahme hierzu mit:
Das Bezirksamt hat sich am 17.05.2016 mit der Bitte um Unterstützung an die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales gewandt. Im Schreiben vom 07.07.2016 teilt Herr Staatssekretär Gerstle mit, dass der Empfehlung der BVV aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht gefolgt werden kann.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales begründet dies damit, dass der Rückgriff auf die Sicherstellung von privaten Immobilien auch nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht käme, selbst wenn der Gesetzgeber durch die Schaffung einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage dies ermöglichen würde. Es würde das Land Berlin außerdem nicht von der Pflicht befreien, ausreichend Flüchtlingsunterkünfte bereitzustellen' oder anzumieten.
Weiterhin führt die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales aus, dass hohe Anforderungen an die Zulässigkeit von Beschlagnahmen von Grundstücken Privater zur Unterbringung von Obdachlosen oder Flüchtlingen wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Eigentumsrecht des Eigentümers zu stellen sind. Die zuständigen Ordnungsbehörden müssen in sachlicher Hinsicht bei der Inanspruchnahme gegenüber privaten Eigentümern deutlich machen, dass ihnen keine kommunalen Unterkünfte zur Verfügung stehen und ihnen zum anderen auch die Beschaffung geeigneter anderer Unterkünfte bei Dritten nicht zeitnah möglich ist. In zeitlicher Hinsicht ist eine Beschlagnahme auch nicht auf Dauer, sondern lediglich für einen kurzen Zeitraum möglich. Die Ordnungsbehörde muss sich in der Zeit nachhaltig und nachweisbar um eine Unterbringungsalternative bemühen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 01.12.2015 - 11 ME 230/15-, juris).
Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales macht abschließend noch darauf aufmerksam, dass im Hinblick auf die aktuell rückläufigen Zugangszahlen im Land Berlin und der damit möglichen Räumung von notbelegten Sporthallen eine Sicherstellung von privaten Immobilien keinesfalls als rechtmäßig angesehen werden kann, da nach der Rechtsprechung selbst die Nutzung von Turnhallen zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen grundsätzlich vorrangig vor der Beschlagnahme privater Objekte ist (vgl. VG Lüneburg, Beschluss vom 09. Oktober 2015 - 5 B 98/15 -, juris).
Das Antwortschreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist als Anhang angefügt.
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