Die Kohlehandlung - Bruno Meyer Nachfolger

Zu den Betrieben entlang der Torgauer Straße zählten vor 100 Jahren Baufirmen, Schlossereien und Kohlenhandlungen. Sie pachteten die Plätze von der Bahn.

Die Kohlenhandlung Bruno Meyers war ab 1909 an der Torgauer Straße Ecke Gotenstraße angesiedelt. Im folgenden Jahrzehnt wurden für Lagerzwecke sowie für ein kleines Büro mehrere Holzbuden auf dem Kohlenplatz errichtet.

Die Firma wechselte mehrfach den Besitzer. Als sie 1933/34 erneut zum Verkauf stand, wurde sie von Richard Krille erworben. Wie viele von den Nazis aus öffentlichen Ämtern vertriebene Sozialdemokraten fand er in der Brennstoffbranche ein neues Auskommen.

Durch Vermittlung von Gustav Dahrendorf kam Julius Leber nach seiner KZ-Haft 1937 in der Firma unter. 1939 wurde er Teilhaber. Als Großhändler belieferte „Bruno Meyer Nachf.“ vor allem Hausverwaltungen in Berlin.

Durch Lebers Verbindungen zum Widerstand wurde die unauffällige Kohlenhandlung mit dem kleinen Bürohäuschen zu einem geheimen Treffpunkt. Sie war ein Ort des Netzwerkens und Kontaktknüpfens. Insbesondere 1943/44 trafen sich dort auch führende Köpfe des Kreisauer Kreises und des militärischen Widerstands mit Julius Leber.

Ende März 1944 wurde das Grundstück durch Bomben schwer getroffen. Das Büro zog gegenüber in das Erdgeschoss des beschädigten Hauses Torgauer Straße 7, während der Betrieb weiterlief. Am 5. Juli 1944 wurde Julius Leber in der Kohlenhandlung von der Gestapo verhaftet.

Nachkriegszeit

Als sich Annedore Leber nach dem Krieg eine neue Existenz als Politikerin und Publizistin aufbaute, hielt sie trotz der Zerstörung an der Kohlenhandlung fest. Ab 1948/49 nahm sie den Geschäftsbetrieb wieder auf, nun als alleinige Inhaberin.

Ende 1950 stellte sie den Antrag zur Errichtung eines festen Hauses für Büros und Umkleideräume. Da die Kohlenhandlung um das östlich angrenzende Grundstück der ehemaligen Bahnmeisterei erweitert wurde, steht der Neubau auf den Fundamenten eines vormaligen Werkstattgebäudes der Bahn.

Annedore Leber beschäftigte in den 1950er-Jahren mehrere Angestellte für den Kohlenhandel und den Mosaik-Verlag, den sie von diesem Haus aus leitete. Mit dem geschäftlichen Erfolg war 1953 eine Erneuerung des Fuhrparks möglich. Später konnte sie mit den Gewinnen des Kohlenhandels auch ihre Buchprojekte finanzieren. In den 1960er-Jahren türmten sich mehrere hohe Kohlenstapel auf dem Grundstück, die zur West-Berliner Senatsreserve gehörten.

Nach Annedore Lebers Tod 1968 wurde die Kohlenhandlung verkauft und 1973 eingestellt. Das Grundstück blieb Gewerbefläche. In den 1990er-Jahren erweiterte eine Gartenbaufirma das bestehende Haus durch einen Anbau nach Osten. Der letzte Pächter war ein Autohändler. 2009 erwarb das Land Berlin alle Flächen an der Torgauer Straße. Der vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg geplante Abriss sämtlicher Gebäude konnte im Fall der Kohlenhandlung verhindert werden