Ehemaliges Gaswerk

Denkmal im Fokus - September 2014 -

  • Gaswerk 1

    Der alte Wasserturm, das Bade- und Speisehaus sowie das Apparatehaus (links) aus der Zeit um 1900 stehen heute wieder auf der freigelegten Wiese.

  • Gaswerk 2

    Blick vom neuen Wasserturm auf den Gasometer, der ursprünglich in Wien stand.

  • Gaswerk 3

    Der neue Wasserturm stammt aus den Jahren 1968/69.

  • Gaswerk 4

    Das Stahlgerüst am Mariendorfer Gasometer ist grundsaniert worden.

  • Gaswerk 5

    Für das Innere des alten Gasometers suchen die neuen Eigentümer noch eine Nutzung.

  • Gaswerk 6

    Die Mitarbeiterduschen dienten zuletzt als Drehort für einen Film.

  • Gaswerk 7

    Die Kantine des ehemaligen Gaswerks. Nicht mehr modern, aber ansonsten beinahe einsatzbereit.

Zeitkapseln aus über hundert Jahren

Mariendorf. Früher wurde hier Gas hergestellt, künftig wird unter anderem Bier gebraut: Das stillgelegte Gaswerk Mariendorf befindet sich im Umbruch und ist deshalb ein „Denkmal im Fokus“. Mit der neuen, gleichnamigen Serie werden das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und die Berliner Woche künftig gemeinsam Baudenkmäler im Bezirk vorstellen.

Das Denkmalensemble aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts war in den vergangenen Monaten seit einiger Zeit das erste Mal wieder häufiger in den Medien vertreten. Zunächst, weil die Sanierungsarbeiten am dortigen, über 100 Jahre alten Gasometer vor Kurzem abgeschlossen wurden. Die zweite Meldung betraf die „Reinigungshalle 1“ aus dem Jahr 1901: Der US-amerikanische Craft-Beer-Brauer „Stone Brewing“ wird hier bis Ende 2015 seine einzige europäische Produktionsstätte inklusive Schaubrauerei, Gaststätte und Biergarten einrichten. Und dennoch: Das Gaswerk ist seit seiner Aufgabe 1996 durch die GASAG weitgehend in Vergessenheit geraten.

Rund 100 Jahre lang war das Gelände zwischen Teltow-Kanal, Lankwitzer Straße und Ringstraße zur Herstellung von Gas in Betrieb. Die heute erhaltenen Gebäude stammen zum größten Teil aus der ersten Bauphase in den Jahren 1900 und 1901 (Architektensozietät Schulz & Schlichting), sowie dem zweiten Bauabschnitt in den direkt darauffolgenden Jahren (Architekt Paul Karchow). Heute ist unter anderem noch der Gasometer vorhanden, der bereits 1892 in Wien aufgebaut worden war und neun Jahre später nach Mariendorf gebracht wurde. Außerdem stehen noch zwei Rundgasbehälter, zwei Wassertürme und zwei große Hallen zur Reinigung des Gases von Schwefelwasserstoff. Erhalten haben sich auch mehrere Funktionsbauten für die Mitarbeiter, die wegen ihrer vergleichsweise kleinen Größe und ihrer für die Jahrhundertwende eher typischen Gestalt bisher weniger Beachtung gefunden haben. Dabei liegen die Höhepunkte des Geländes unter anderem auch in diesen eher unscheinbaren Zeitkapseln.

Beispiel Bade- und Speisehaus. Das zweigeschossige Backsteingebäude entwickelt seinen einzigartigen Reiz vor allem im Innern. Nachdem die GASAG das Gelände wegen der Umstellung der Berliner Gasversorgung von Stadtgas auf Erdgas Ende der 1990er-Jahre aufgegeben hat, ist hier nichts mehr passiert. In den Duschräumen und bei den Umkleiden für die Mitarbeiter steht alles herum, wie eben erst verlassen. Allein: Deren Spindschränke sind inzwischen aufgebrochen worden. Darin hängen Jahreskalender von 1989, stehen bis heute vergessene Schuhe und allerlei andere Kuriositäten. Auch die Kanine wirkt trotz ihrer Leere beinahe noch immer einsatzbereit – auch wenn heute wohl niemand mehr zwischen braungrünen Wandkacheln und quietschorangefarbenen Vorhängen mit Blick auf großformatige schwarzweißbilder der Westberliner Politprominenz essen wollen würde.

Das Gaswerk, das erst 2013 an die Investorengruppe BMDF Gewerbepark Berlin-Mariendorf GmbH & Co. KG verkauft wurde, erzählt also nicht nur von der ersten Entstehungszeit um die Jahrhundertwende, als das Werk zu den modernsten Anlagen dieser Art in Europa zählte. Es gibt auch noch Hinweise auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Gelände noch einmal erheblich erweitert wurde. Die vorwiegend technischen Bauten aus dieser Zeit sind allerdings mit Ausnahme des großen Wasserturms von 1968/69 nicht mehr erhalten. Die frei gewordenen Flächen beherbergen schon seit einigen Jahren zwei Logistikzentren und eine großflächige Solaranlage, die weiterhin die GASAG betreibt. Trotzdem sind große Teile des Areals heute unbebaut. Für sie gilt, was für den größten Teil der erhaltenen Gebäude gilt: Sie suchen nach einer neuen, kreativen Nutzung. Und warten darauf, neu entdeckt zu werden.

Informationen zum Gelände gibt es unter Marienpark Berlin