Der Terwielsteig wurde am 23.11.1962 nach der Juristin Maria Terwiel benannt.
Maria Terwiel wurde am 7.6.1910 in Boppard geboren. Ihr Vater Johannes Terwiel war ein hoher katholischer Verwaltungsbeamter und Mitglied der SPD. Ihre jüdische Mutter Rosa Schild konvertierte vor der Eheschließung zum katholischen Glauben. Die Familie zog berufsbedingt nach Stettin, wo Maria Terwiel ihr Abitur verlegte. 1931 begann sie ein Jura-Studium in Freiburg im Breisgau. Dort lernte sie auch ihren evangelischen Lebensgefährten HelmutHimpel kennen. Beide studierten dann in München weiter. Sie begann zwar noch ihre Promotion, aber inzwischen galt sie als Halbjüdin, und es war für sie weder möglich das erste Staatsexamen noch ihre Promotion abzuschließen. Auch eine Eheschließung mit Helmut Himpel war aus diesem Grund nicht mehr möglich.
Das Paar zog nach dem Studium nach Berlin, wo Maria Terwiel eine Stelle in einem französisch-schweizerischen Textilunternehmen fand. Es ist nicht genau bekannt, welche Stellung sie dort innehatte. In den Akten des NS-Regimes wird sie als Stenotypistin oder Telefonistin bezeichnet. HelmutHimpel eröffnete eine erfolgreiche Zahnarztpraxis, in der er auch kostenlos jüdische Patienten behandelte. Das Paar zog nach Charlottenburg.
Maria Terwiels Arbeit im Widerstand bestand hauptsächlich aus dem Versuch, die Bevölkerung über die Verbrechen des Regimes und die Sinnlosigkeit des Krieges aufzuklären. Sie organisierte aber auch Reisepässe und Lebensmittelkarten und Verstecke für viele Verfolgte des Nazi-Regimes, vor allem für Juden. Sie vervielfältigte Flugblätter und klebte Protestplakate.
So schreibt Joachim Hennig:
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Das soziale Engagement der beiden und ihr Einsatz für Diskriminierte und Verfolgte nahm mit dem von Hitler-Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg weiter zu. Belegt ist dies etwa für Maria Terwiel. Als der französische Leiter der Firma, bei der sie beschäftigt war, auf Verlangen der Nazis als Kriegsgefangener behandelt werden musste, konnte sie mit Geschick und Umsicht erreichen, dass er seine Zwangsarbeit wenigstens in diesem Betrieb ableisten konnte.
Einmal entging sie nur ganz knapp der Verhaftung. Als sie wieder einmal einer jüdischen Familie Lebensmittel brachte, wurde diese von der anrückenden Gestapo verhaftet. In letzter Minute konnte sie sich hinter einem Vorhang verstecken und damit einer Verhaftung entgehen. Hautnah vom Schicksal der Juden betroffen, war Maria Terwiel aber auch aus einem weiteren Grund, war doch ihre Mutter selbst Jüdin. Sie lebte zwar in einer sog. Mischehe, doch wurde – wie Maria Terwiel erkannte – die zunehmende Verfolgung auch für ihre Mutter immer besorgniserregender.
Maria Terwiel und Helmut Himpel kamen mit der Widerstandsgruppe um Libertas und Harro Schulze-Boysen in Kontakt, die von der NSDAP als „Rote Kapelle“ bezeichnet wurde. Der Name kam laut Stefan Roloff, dem Sohn des Pianisten Helmut Roloff, so zustande:
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Wegen ihres Kontaktes mit den Sowjets wurden die Brüsseler und Berliner Gruppen von der Spionageabwehr und der Gestapo unter dem irreführenden Namen Rote Kapelle zusammengefasst. Ein Funker, der mit seinen Fingern Morsecodezeichen klopfte, war in der Geheimdienstsprache ein Pianist. Eine Gruppe von „Pianisten“ bildete eine „Kapelle“, und da die Morsezeichen aus Moskau gekommen waren, war die „Kapelle“ kommunistisch und damit rot. Durch dieses Missverständnis wurde die Basis gelegt, auf der die Widerstandsgruppe später als den Sowjets dienende Spionageorganisation in der Geschichtsschreibung behandelt wurde, bis das zu Beginn der 1990er Jahre korrigiert werden konnte. …
Der Pianist Helmut Roloff beschreibt, wie er die beiden kennenlernte und zu der Roten Kapelle stieß:
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Dann kam der Krieg. Und da lernte ich bei einem Mann, in dessen Haus ich viel musizierte, der selbst auch musizierte, einen Zahnarzt kennen, der hieß Helmut Himpel. Das war auch so einer, da merkte man gleich an der Nasenspitze nach ein paar Sätzen, was der sich so dachte. Wir kamen dann immer sehr gut ins Gespräch. Er hatte eine Freundin, Marie Terwiel, und wer etwas von der „Roten Kapelle“ weiss, der kennt diese Namen schon. Und dann sagte der eines Tages zu mir, ob wir zusammenarbeiten wollten? Ich wusste im ersten Moment nicht, was er meinte. Und da sagte er: „Ich gebe ja meinen Kopf in Ihre Hand mit dieser Frage.“ Und da wusste ich dann, was er meinte, und da habe ich gesagt: „Gut, das können wir ja mal machen.“[…] Und dann haben wir uns ein bißchen näher besprochen darüber und haben verschiedene Dinge gemacht […]. Diese Sachen haben uns sehr beschäftigt, und dabei saßen dann eben Helmut Himpel und seine Freundin Marie Terwiel, sie war eine
„Halbjüdin“ und durfte deshalb nicht weiter Jura studieren, und schlug sich durch mit Sekretärsarbeiten. Sie bestand im Grunde nur aus Nazi-Haß, möchte ich mal sagen, so waren wir eigentlich alle. Dann war noch ein Älterer dabei, der hieß John Graudenz, das war ein Kommunist. Wir waren keine Kommunisten, wir waren einfach, na, wie soll ich das nennen, liberale Bürger, die nicht das Dritte Reich hinnehmen wollten, und deshalb alles versuchten. Nicht etwa, daß wir sagen wollten: „Mit den Kommunisten arbeiten wir nicht“, sondern wir arbeiteten alle zusammen, jeder, der dagegen war und helfen wollte, war willkommen […].
Ein Beispiel für eine Aufklärungsaktion, die 1941 stattfand, war die Verbreitung einer Predigt des Bischofs von Münster Clemens August Graf von Galen, in der er die Tötung des von den Nazis so genannten „lebensunwerten Lebens“: Kranke und geistig, psychisch und körperlich Behinderte, anprangerte. Dazu schrieb Terwiel die Predigt auf Schreibmaschine ab, suchte hunderte, wenn nicht tausende von Adressen aus Telefonbüchern von Personen heraus, die sie als aufgeklärt einschätzte, und schickten ihnen die Predigt zu. Diese Aktion war insofern erfolgreich, als dass das Regime die Tötungsaktionen erst einmal abbrechen mussten, ehe sie in veränderter Form später wieder aufgenommen wurden.Zudem war sie auch maßgeblich an der Verbreitung der Schrift: „Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk“ beteiligt. Maria Terwiel organisierte noch zahlreiche weitere Aufklärungsaktionen.
Im August 1942 wurden die Mitglieder der „Roten Kapelle“ enttarnt und nach und nach verhaftet. Maria Terwiel und Helmut Himpel wurden von der Gestapo am 17.9.1942 gemeinsam aus ihrer Wohnung geholt. Die Prozesse fanden vor dem Reichskriegsgericht statt. Beide wurden zum Tod durch die Guillotine verurteilt. Ihr Gnadengesuch wurde abgelehnt. Maria Terwiel starb am 5.8.1943 in Plötzensee.
Laut Joachim Hennig brüstete sich der Chefankläger in diesen Prozessen später damit, es sei ihm gelungen, rund hundert Intellektuellen und Arbeitern den Kopf vor die Füße zu legen.
An ihrem früheren Wohnhaus in der Lietzenburger Straße 72 gibt es ihr und ihrem Mann zu Ehren einen Stolperstein.
Nun gehen wir weiter zum Gloedenpfad: